HIER WOHNTE
EMIL MUSKAT
JG. 1876
DEPORTIERT 28.3.1942
ERMORDET IN
PIASKI
Emil Muskat, geboren am 2. Dezember 1876 in Wien, und seine Frau Charlotte Muskat, geb. Schmul, geboren am 16. April 1877 in Wien, wohnten von 1933 bis Mitte 1941 in der Pariser Straße 56-57. Am 1.7.1941 mussten sie – aus welchen Gründen, wissen wir nicht, aber sicherlich nicht freiwillig – in die Regensburger Straße 27 umziehen, wo sie als Untermieter bei Max Ullmann im Gartenhaus im 2. Stock wohnten und für zwei Zimmer mit Balkon und Badezimmer sowie Küchenbenutzung 107 Reichsmark zu bezahlen hatten.
Emil und Charlotte Muskat, die keine gemeinsamen Kinder hatten, mussten am 12.3.1942 im Sammellager in der zu diesem Zweck missbrauchten Synagoge Levetzowstraße diese Erklärungen unterschreiben: „Mir ist eröffnet worden, daß mein gesamtes Vermögen und das meiner Familienangehörigen als beschlagnahmt gilt.“ In einer Randnotiz dazu stand: Eine Nachprüfung der Auskünfte dazu werde „vor dem Abtransport vorgenommen“. In die Vermögenserklärung vom 14.3.1942 trug Emil Muskat ein: „ohne Beruf“. In den Adressbüchern führte er in den 1930er Jahren den Zusatz „Kaufmann“, später „Korrespondent“. Als letzte Beschäftigung gab er die Firma Wilhelm Hartmann & Co GmbH in der Jerusalemer Straße 65/66 an, er habe dort 585 RM monatlich verdient.
Charlotte Muskat schrieb auf: „Ich beziehe lt. Testament vom 9.8.1925 des verstorbenen Hofrat Wilhelm Hartmann aus früherem Arbeitsverhältnis ab 1.8.1938 eine monatl. Rente von RM 400.-.“ Davon würden 200 RM auf ein „beschränkt verfügbares Konto“ einbezahlt.
Nachdem Emil und Charlotte Muskat abgeholt und in das Sammellager gebracht worden waren, beschlagnahmten die Nazibehörden das Wohnungsinventar, wozu ein Eichentisch, eine antike Kommode, ein Speiseservice mit 24 Teilen, ein Kaffeeservice mit 14 Teilen und drei Ölgemälde „auf Pappe“ von „nicht besonderem Wert“ gehörten, wie die Schätzer der Reichsfinanzverwaltung notierten. Immerhin errechneten sie einen Gesamtwert von 1052 Reichsmark, den ein Verkauf oder eine Versteigerung erbringen werde.
In der der schmalen Akte Muskat befinden sich bürokratische Briefwechsel, in denen es heißt, die beiden seien „abgewandert“, das Inventar sei „dem Deutschen Reich verfallen“, die Renten stünden „nunmehr dem Deutschen Reich zu“. Ein Bevollmächtigter namens Hans Zorn umschrieb die Deportation mit den Worten: „Der jetzige Wohnort der beiden soll Piaska (gemeint ist wohl Piaski) bei Lublin sein. Der Wechsel des Aufenthaltsortes hat vor etwa 3 Wochen stattgefunden.“ Er unterschrieb: „Heil Hitler! Zorn.“
Am 28. März 1942 sind Emil und Charlotte Muskat in einem Zug mit 985 Berliner Jüdinnen und Juden vom Bahnhof Grunewald aus in das Ghetto im jüdischen Schtetl von Piaski im Distrikt Lublin in Polen deportiert worden. Der Deportationszug endete im 15 Kilometer weiter östlich gelegenen Trawniki, da Piaski keinen Bahnanschluss hatte. Die Strecke ins Durchgangs-Lager musste zu Fuß bewältigt werden. Ihre Todesdaten sind nicht bekannt, jedoch ist sicher anzunehmen, dass sie im Vernichtungslager Belzec bei Lublin ums Leben gekommen sind oder in Piaski, denn auch dort fanden Erschießungen der NS-Opfer statt, oder bei einem der Transporte.
1958 begann die Nichte Josephine Spitzer geb. Schmuhl aus Wien, auch im Namen ihrer Schwester Edith Schaul geb. Schmuhl, die in Los Angeles lebte, ein Wiedergutmachungsverfahren. Nach neun Jahren, am 19.7.1967 wurde ihr, die krank und verarmt war, vom Entschädigungsamt Berlin in herzloser Form mitgeteilt, dass „der Antrag als unbegründet zurückgewiesen“ sei. So blieben die Verluste von Emil und Charlotte Muskat unersetzt.
Ihr letzter Vermieter, Max Ullmann, geboren am 20. April 1875 in Berlin, war am 19. Januar 1942 nach Riga deportiert worden. Bis dahin seien die Mieten an ihn bezahlt worden, heißt es in den erhaltenen Unterlagen, danach an den Hausbesitzer Hermann Vater, der am Nürnberger Platz 3 wohnte und, wie ausdrücklich vermerkt wurde, „arisch“ war.
Ein weiteres Zimmer hatte Ullmann an Regina Samuel, geb. Boas, geboren am 31. Oktober 1867 in Schwerin (Warthe) bei Posen (Poznan), vermietet, sie bezahlte dafür 45 RM. Auch diese Mitbewohnerin wurde deportiert, und zwar am 26. Juni 1942 nach Theresienstadt, wo sie im Ghetto am 13. August 1942 starb. In der jüdischen Zeitung „Aufbau“ erschien am 13. September 1946 eine Traueranzeige, in der es hieß, Regina Samuel sei in Theresienstadt „dem feigen Nazigesindel zum Opfer gefallen“. Unterzeichnet ist diese Anzeige von acht ihrer Familienmitglieder, die nach Shanghai, Tel Aviv, Mexico und London flüchten konnten.
Quellen: Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam; Bundesarchiv Berlin; Berliner Adressbücher 1925-1943
Literatur: Else Behrend-Rosenfeld, Gertrud Luckner (Hg.): Lebenszeichen aus Piaski, 1970; Robert Kuwalek: Belzec, in: Wolfgang Benz, u.a. (Hrsg.): Der Ort des Terrors, Bd. 8, 2008.
Weitere biografische Angaben zu Max Ullmann, für den ein Stolperstein an der Regensburger Straße 27 verlegt wurde finden Sie hier.
Die Todesanzeige für Regina Samuel ist veröffentlicht unter
freepages.genealogy.rootsweb.ancestry.com/~alcalz/…/1946a37s32.pdf.