HIER WOHNTE
JULIUS KANN
JG. 1884
DEPORTIERT 17.11.1941
KOWNO FORT IX
ERMORDET 25.11.1941
Julius Kann wurde am 2. Mai 1884 in der polnischen Stadt Lissa (Leszno) zwischen Posen (Poznan) und Breslau (Wroclaw) geboren, der Vater hieß Robert Kann. Seine Mutter war nach Angaben aus der Familie Rosalie Kann geb. Neustadt, deren Geburtstag am 28. Februar 1852 in Gröschen in der Region Posen war. Wann er nach Berlin zog, ist unbekannt. Julius Kann war jedenfalls von 1927 an in Wilmersdorf in der Markgraf-Albrecht-Straße 2 gemeldet, wo er bis kurz vor seinem Abtransport im 1. Stock wohnte. Er war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Im Adressbuch ließ er sich als „Reisender“ eintragen, also war er wohl Vertreter. Für welche Art von Waren, ist nicht überliefert. Zeitweise hatte seine Mutter Rosalie, die vor Beginn der Deportationen in hohem Alter, wahrscheinlich mit 86 Jahren, gestorben ist, bei ihrem Sohn gelebt.
Nach ihrem Tod zog Julius Kann zu seinem Bruder Georg und dessen Frau Frieda Kann geb. Mendelsohn nach Charlottenburg in die Roscherstraße 7. Von dort wurden alle drei am 15. November 1941 im Sammellager in der 1914 eingeweihten Synagoge an der Levetzowstraße in Moabit registriert. In einer langen Kolonne mussten Julius Kann sowie sein Bruder und seine Schwägerin nachts durch dicht bewohntes Stadtgebiet zum Vorortbahnhof Grunewald marschieren. Am 17. November 1941 sind sie vom Gleis 17 mit 1006 Menschen in einem Zug der Reichsbahn nach Kowno (Kaunas) in Litauen deportiert worden Zur Tarnung und Ablenkung trug dieser Zug das Fahrtziel „Rügen“. Am 21. November kam er in Kowno an.
Alle Insassen, unter ihnen 25 Kinder unter zehn Jahren, sind am 25. November aus dem überfüllten Ghetto ins Fort IX der alten Befestigungsanlage von Kaunas getrieben und dort erschossen worden. Darunter waren Julius, Georg und Frieda Kann. Bald danach verbreiteten sich in Berlin Gerüchte über ein „Massaker in Kowno“, worüber Margarethe Sommer vom Katholischen Hilfswerk den deutschen Bischöfen 1942 berichtete. Dieser Bericht wurde aber nicht bestätigt.
Julius Kann war ein Vorfahre zweiten Grades von Ruth Nadelman Lynn (Lexington, USA). Sie schrieb 1997 ein Gedenkblatt, das in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem aufbewahrt ist. Ein weiteres Gedenkblatt füllte sie für Rosalie Kann aus. Sie hatte vier Kinder, das Schicksal sei „unbekannt“.
Zum Gedenken an Martin und Paula Wolff, die Großeltern von Ruth Nadelman Lynn, die mit Julius und Georg Kann verwandt waren, wurden Stolpersteine an der Sybelstraße 27 verlegt.
Text: Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf.
Quellen: Informationen der Nachkommin Ruth Nadelman Lynn (USA); Bundesarchiv; Berliner Adressbuch; Zentrale Datenbank der Holocaustopfer Yad Vashem; Gottwald/Schulle: Die Judendeportationen, Wiesbaden 2005.