HIER WOHNTE
HANS JACOB SACHS
JG. 1872
DEPORTIERT 11.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 29.9.1942
TREBLINKA
Hans Jacob Sachs wurde am 01. August 1872 in Berlin geboren. Seine Eltern Henry Sachs und Malwine geb. Borchardt hatten noch drei Töchter, Gertrud und Margarete waren älter als Hans, Else ein Jahr jünger als er. Henry Sachs, im Adressbuch als „Fabrikbesitzer“ bezeichnet, kaufte 1876 die „Gummiwarenfabrik Bolle & Co.“ in der Mühlenstraße 70/71. Außerdem betrieb er dort eine „Paralith-Fabrik“, in der das Paralithon Minerale hergestellt wurde, ein Lösungsmittel gegen Kesselstein, wichtig unter anderem für die damals gängigen Dampfmaschinen. Die Wohnung der Familie lag in der Königgrätzerstraße 7, heute Stresemannstraße, – auch dieses Haus war Eigentum von Henry Sachs. 1883 wurde die Gummifabrik in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und drei Jahre später mit den Frankfurter Gummiwerken Wendt vereint. Wohl spätestens dann orientierte sich Henry Sachs anders und gründete die „Continentale Fabrik combinirter Treibriemen“. Firma und
Wohnsitz waren inzwischen in der Linkstraße 29, sollten aber nochmal in die Potsdamer Straße 115 umziehen. Um 1900 ist die Fabrik nicht mehr im Adressbuch zu finden, Henry aber weiterhin als Fabrikant, nun in der Schillstraße 6.
In der Schillstraße 6 hat 1900 erstmals auch Hans Sachs einen eigenen Eintrag. Er ist jetzt 28 Jahre alt und von Beruf Kaufmann. Möglicherweise hat er die kaufmännische Ausbildung in der väterlichen Fabrik gemacht. 1888 war seine Mutter Malwine gestorben, Hans lebte mit oder zumindest im gleichen Haus wie sein Vater. Nachdem er 1903 heiratete, wechselte er in die Fürthener Straße 8, aber auch Henry wohnte dann an dieser Adresse. Hans hatte am 24. März 1903 die junge Witwe Hedwig Maaß geb. Leßer geheiratet. Hedwig war am 29. Januar 1875 in Berlin geboren worden. Sie hatte mit 19 Jahren den Ingenieur und Patentanwalt Karl August Maaß geehelicht, der jedoch schon 1900 in einer Nervenheilanstalt starb. Am 6. August 1904 kam Peter, der gemeinsame Sohn von Hedwig und Hans, zur Welt.
Hans und Hedwig zogen noch mehrmals um, Henry immer mit, auch nachdem er sich als Privatier zur Ruhe gesetzt hatte. 1910 wohnten sie in der Lietzenburger Straße 13, im gleichen Jahr starb Henry. Hans und Hedwig bezogen kurz darauf eine Wohnung in dem frisch erbauten Haus schräg gegenüber, Lietzenburger Nr. 32. Dort sollten sie nun fünfundzwanzig Jahre bleiben. Hans hatte zeitweise eine Firma für Bankkommissionen und bezeichnete sich später als Kursmakler. Anfang der 30er Jahre unterhielt er ein Büro in der Neuen Friedrichstraße 47 (heute Anna-Louise-Karsch-Straße), direkt gegenüber der Börse. 1935/36 war das Büro in der Burgstraße 26, ein Geschäfts- und Bürogebäude Ecke Neue Friedrichstraße, also ebenfalls gegenüber der Börse. Das Gebäude beherbergt heute die Theologische Fakultät der HU.
Ab 1937 ist Hans Sachs nicht mehr im Adressbuch vertreten. Wie andere auch verlor er aufgrund der Judendiskriminierung unter dem NS-Regime seine Lizenz und musste sein Unternehmen liquidieren. Auch die Wohnung in der Lietzenburger Straße konnte er nicht mehr halten. Sachs’ mussten in Untermiete ziehen, vielleicht schon damals in die Giesebrechtstraße 10, bei Martha Roettgen. Dort jedenfalls wurde Hans Sachs 1939 registriert, anlässlich der Volkszählung vom 17. Mai, bei der eine Sonderkartei über alle Juden erstellt wurde. Hedwig Sachs war bereits vorher, am 7. Dezember 1938 gestorben, kurz nach den Novemberpogromen. Sohn Peter, der auch Kaufmann war und vermutlich noch bei den Eltern gelebt hatte, konnte rechtzeitig nach London auswandern und begann dort eine neue Ausbildung als Maschinenbauer.
Hans Sachs blieb allein zurück. Er musste noch einmal umziehen, in die Droysenstraße 8. Anfang September 1942 wurde er von dort in das Sammellager Große Hamburger Straße 26 verbracht, ein umfunktioniertes jüdisches Altersheim, und am 11. September nach Theresienstadt deportiert. Das angebliche „Altersghetto“ dort war in Wirklichkeit ein Durchgangslager. Von Theresienstadt wurden Insassen, die nicht an den unsäglichen dortigen Lebensumständen starben, weiterdeportiert in andere Vernichtungslager. Dies war auch das Schicksal von Hans Sachs. Wenige Tage nach Ankunft, am 29. September 1942, verschleppte man ihn weiter nach Treblinka. Hans Sachs’ Todesdatum ist nicht bekannt.
Auch Hans Sachs’ Schwester Else, verheiratete Levinsohn, und deren Tochter Ingeborg wurden Opfer der Shoah. Am 13. Januar 1942 waren beide nach Riga deportiert und dort wahrscheinlich auf Ankunft erschossen worden. Für sie liegen Stolpersteine vor der Badenschen Straße 21. Das Schicksal von Hans’ Schwester Margarete, verheiratete Cramer, bleibt ungeklärt. Gertrud, die 1882 den Kaufmann Julius Rosenthal geheiratet hatte, war bereits zwei Jahre später gestorben.
Hans Sachs’ Vermieterin in der Giesebrechtstraße, Margarethe Roettgen geb. Kamm, wurde am 29. Januar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ums Leben gebracht. Vor der Giesebrechtstraße 10 liegt auch für sie ein Stolperstein.
Quellen:
Gedenkbuch. Bundesarchiv Koblenz, 2006; Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995; Berliner Adressbücher; Landesarchiv Berlin; https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179578.php und https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179656.php
Recherchen/Text: Micaela Haas