Stolpersteine Giesebrechtstraße 10

Hausansicht Giesebrechtstr. 10

Hausansicht Giesebrechtstr. 10

Die Stolpersteine wurden am 08.05.2011 verlegt.

Die Stolpersteine für Margarete Trapowski und Margarete Knopf wurden von Dr. Dr. Helwig Hassenpflug gespendet.
Die Stolpersteine für Margarete Friedländer, Sophie Margarete Kutner, Margarete Nesselroth, Martha Röttgen und Margarete Trapowski wurden von Ulrich Gronert gespendet.
Der Stolperstein für Jenny-Auguste Flörsheim wurde von Barbara Sievers gespendet.
Der Stolperstein für Hans-Jacob Sachs wurde von Dr. Karsten Stein gespendet.

Stolperstein Margarete Friedländer

Stolperstein Margarete Friedländer

HIER WOHNTE
MARGARETE
FRIEDLÄNDER
GEB. GUTMANN
JG. 1867
DEPORTIERT 18.10.1941
LODZ / LITZMANNSTADT
ERMORDET DEZEMBER 1941

Margarete Friedländer, geb. Gutmann, wurde am 27. Dezember 1867 in Berlin geboren. Sie war Witwe und lebte seit mindestens 1935 in der Giesebrechtstraße 10. Über ihre Familie und ihr Leben ist nichts bekannt. Margarete wurde am 18. Oktober 1941 mit dem ersten Transport verhafteter Juden nach Lodz deportiert. Sie war eine von 1091 Personen, die in einen Zug gepfercht wurden. Im selben Transport wie Sophie Kutner und Max Hirschfeldt, Max und Gertrud Zuttermann aus dem Nachbarhaus sowie Jenny Finkel aus der Giesebrechtstraße 5. Margarete Friedländers Name ist unter Nr. 277 aufgeführt und trägt den Vermerk „verstorben 2.12.41, Totenschein Nr. 14“ (3)

Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf

Stolperstein Sophie Margarete Kutner

Stolperstein Sophie Margarete Kutner

HIER WOHNTE
SOPHIE MARGARETE
KUTNER
GEB. SCHWABE
JG. 1881
DEPORTIERT 18.10.1941
LODZ / LITZMANNSTADT
ERMORDET 9.5.1942
CHELMNO / KULMHOF

Sophie Margarete Kutner, geb. Schwabe, wurde am 29. Juni 1881 in Berlin geboren. Sophie war in erster Ehe mit Karl Kuhn, einem Regierungsbaumeister, verheiratet. Er starb am 6. Januar 1912. Sie war römisch-katholisch getauft. Wann sie wieder geheiratet hat, ist nicht bekannt. Nach eigener Aussage war sie gelernte Malerin, hatte Frisierkunst und Schönheitspflege gelernt und nannte sich Sofia. Ihren Geburtstag gab sie als 28. Juni 1880 an.

Sophie war nicht unvermögend. Sie besaß elegante Garderobe und hatte ihren Hausrat mit 4000 Mark versichert. Bei der Commerzbank verfügte sie über ein Guthaben von 3655 Mark, bei der Deutschen Bank hatte sie ein Depot mit Aschinger Obligationen für 6200 Mark sowie ein Los über 500 Mark bei der Reichsschuldenverwaltung. Als ihr Onkel Emil Schwabe starb, war sie Erbin zusammen mit ihrer Cousine Ida Schwabe und den Vettern Oskar Schwabe und Alfred Schiftau, der in New York lebte. Oskars Haus in Horneburg bei Hamburg wurde am 21. September 1940 verkauft. Sophie schuldete ihren Miterben noch Geld.

Seit dem 16. Juli 1941 wohnte Sophie zur Untermiete in einem Zimmer bei den Nachbarn Max und Gertrud Zuttermann in der 4. Etage der Giesebrechtstraße 11. Außer den gerade nötigen Möbeln hatte sie drei Porträts von sich, ihrer Mutter und ihrer Tante. In einem Nachbarkeller hatte sie noch „Gegenstände von früher“ gelagert. Sophies Vermögen nutzte ihr nichts. Sie hatte eine Freigrenze von 170 RM im Monat, die sie für Miete, Essen, Apotheke, Steuer- und Sterbekasse ausgeben durfte.

Das Vermögen wurde eingezogen. Sophie wurde verhaftet und ins Sammellager Levetzowstraße gebracht. Am 18. Oktober 1941 wurde sie mit dem allerersten Transport aus Berlin nach Lodz zusammen mit insgesamt 1091 Menschen deportiert. Im selben Zug wie Max und Gertrud Zuttermann und deren Untermieter Fritz Hirschfeldt sowie ihre Nachbarin Margarete Friedländer aus der Giesebrechtstraße 10. Damit war das Leiden noch nicht zu Ende. Am 9. Mai 1942 wurde Sophie Kutner nach Chelmno gebracht und ermordet.

An ihrem „kommunistischen und staatsfeindlichen“ Vermögen bereicherte sich der NS-Staat. Die Ablösungsschuld der Anleihe betrug im Juli 1945 fast das Zehnfache.

Recherche und Text: Monika Herz. Quellen: Bundesarchiv; Yad Vashem; Deportationsliste S. 22, Nr. 555; Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 36A 20845, Vermögenserklärung vom 9. Oktober 1941; Adressbücher

Stolperstein Paul Knopf

Stolperstein Paul Knopf

HIER WOHNTE
PAUL KNOPF
JG. 1875
DEPORTIERT 15.8.1942
RIGA
ERMORDET 18.8.1942

Paul Knopf wurde am 17. August 1875 in Treuenbrietzen geboren. Er war verheiratet mit Margarete Löwenberg, die am 24. Oktober 1884 in Berlin geboren wurde. Paul Knopf war Kaufmann. Die Knopfs hatten zwei Söhne, Hans und Peter. Sie bewohnten seit mindestens 1930 eine 5-Zimmer-Wohnung mit Zentralheizung und Bad in der Giesebrechtstraße 10. Womit Paul genau sein Geld verdiente, ist nicht bekannt, aber er muss recht wohlhabend gewesen sein. Die Höhe seines Gesamtvermögens betrug 75 000,00 Reichsmark. Zusätzlich war er Nacherbe je eines Grundstücks in Buchholz, Wittenau und Karlshorst.

1942 hatten die Knopfs – vermutlich, um zu überleben – je ein Zimmer untervermietet an Elias Lehmann, Minna Hirschfeld und eine Ungarin namens Feintner. Selber blieben ihnen zwei Zimmer. Die beiden Söhne waren rechtzeitig nach New York ausgewandert. Paul musste eine Judenvermögensabgabe von 39 000 Mark leisten.

Margarete wählte die Flucht in den Tod. Sie nahm sich am 15. August 1942 das Leben. Am selben Tag wurde Paul von den Häschern der Gestapo verhaftet und zum Transport nach Riga gebracht. Er konnte seine Frau nicht einmal mehr beerdigen. Insgesamt 1004 Menschen wurden in den Zug gepfercht. Paul gab dort an, ledig zu sein. Drei Tage später, am 18. August 1942, kam der Zug in Riga an. Sofort nach Ankunft, am Tag nach seinem 67. Geburtstag, wurde Paul ermordet.

Recherche und Text: Monika Herz. Quellen: Bundesarchiv; Deportationsliste Nr. 555, Sybelstr. 42; Yad Vashem; Adressbücher: 1930, S 1229; 1933, S. 5056:106; 1935, S. 4935:4935; 1937, S. 5166:1035; BLHA Rep. 36A 19680

Stolperstein Margarete Knopf

Stolperstein Margarete Knopf

HIER WOHNTE
MARGARETE KNOPF
GEB. LÖWENBERG
JG. 1884
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
15.8.1942

Stolperstein Margarete Nesselroth

Stolperstein Margarete Nesselroth

HIER WOHNTE
MARGARETE
NESSELROTH
GEB. LANDAU
JG. 1873
DEPORTIERT 19.11.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 28.3.1943

Margarete Nesselroth, geb. Landau, wurde am 4. Mai 1873 in Breslau geboren. Sie war verwitwet und wohnte in der Giesebrechtstraße. Ihre Kinder, denen wohl die Flucht gelungen war, lebten im Ausland. Wo genau, gab sie nicht preis. Das einzige, was über Margarethe Nesselroth bekannt ist, lässt sich der Vermögenserklärung vom 12. November 1942 entnehmen, die sie kurz vor ihrer Deportation in der Sammelstelle an der Hamburger Straße 26 abliefern musste.

Seit Mai 1941 wohnte sie zur Untermiete bei Paula Warschauer in der Neue Roßstraße 2 und besaß gerade noch das Nötigste: Bett, Schrank, Tisch, zwei Stühle und einen Reisekorb. Alles zusammen hatte einen Wert von 38 Mark. Die Höhe der Miete betrug vierteljährlich 17 Mark, inklusive Wassergeld. Margaretes „Vermögen“ wurde aufgrund des Gesetzes über die Einziehung kommunistischen, volks- und staatsfeindlichen Vermögens zugunsten des Deutschen Reichs eingezogen. Im November 1942 wurde Margarete von der Gestapo verhaftet und am 19. November nach Theresienstadt verschleppt. Von 100 Deportierten überlebten zehn. Am 28. März 1943, in ihrem 70. Lebensjahr, wurde Margarete ermordet.

Recherche und Text: Monika Herz. Quellen: Bundesarchiv; Deportationsliste; Opferliste Datenbank: 74. Alterstransport I/78 vom 19.11.42 Margarete Nesselroth Nr. 60; BLHA Rep. 36 A 28071, Vermögenserklärung vom 12. November 1942; Adressbücher 1935 und 1937; YadVashem

Stolperstein Martha Röttgen

Stolperstein Martha Röttgen

HIER WOHNTE
MARTHA RÖTTGEN
GEB. KAMM
JG. 1884
DEPORTIERT 29.1.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Martha Röttgen, geb. Kamm, wurde am 12. Mai 1884 in Beuthen, (Oberschlesien) geboren. Über ihr Leben, ihren Beruf und ihre Familie ist nichts bekannt. Den Einträgen in den Adressbüchern ist zu entnehmen, dass sie als Berufsbezeichnung Direktrice angab. Am 29. Januar 1943 wurde sie zusammen mit 1000 anderen Menschen bei bitterer Kälte in einen Zug gepfercht und nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Recherche und Text: Monika Herz. Quellen: Bundesarchiv; Deportationsliste; Yad Vashem; Adressbücher 1935 und 1937, 1939, 1941

Stolperstein Jenny Auguste Flörsheim

Stolperstein Jenny Auguste Flörsheim

HIER WOHNTE
JENNY AUGUSTE
FLÖRSHEIM
GEB. SALOMON
JG. 1860
DEPORTIERT 30.7.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 18.8.1942

Jenny Auguste Flörsheim wurde als Jenny Auguste Salomon am 4. Dezember 1860 in Neuwied / Rheinprovinz geboren. Ihre Eltern waren der Kaufmann Jacob Salomon und Rosa geb. Süsskind. Ob Jenny-Auguste Geschwister hatte, muss offen bleiben. Die Familie wohnte in Neuwied in der Engerser Straße 48. Mit 23 Jahren, am 9. September 1884, heiratete Jenny Auguste den Krefelder Seidenwarengroßhändler Burghard Horn und zog mit ihm nach Krefeld. Sie wohnten in der Breitestraße 96. Am 8.Oktober 1885 brachte sie ihre erste Tochter, Anna Sophie, zur Welt. Es folgten 1887 die früh verstorbene Luise und 1888 Elli. Die Söhne Hermann und Richard wurden 1890 und 1893 geboren, die jüngste Tochter Hildegard 1894. Hermann hatte offenbar eine Zwillingsschwester, die jedoch im Alter von 10 Monaten starb.

Burghard Horn starb mit 46 Jahren am 5. April 1900, nachmittags um 8 Uhr. Jenny Auguste blieb zunächst mit ihren Kindern in Krefeld. Zwei Jahre später heiratete sie den 48jährigen Otto Flörsheim, Sohn ihrer Tante Johanna geb. Süsskind. Er lebte in Berlin und Jenny Auguste wechselte abermals den Wohnsitz, am 29. Februar 1902 meldete sie sich in Krefeld ab. Otto Flörsheim war 1853 in Aachen geboren, 1875 wanderte er in die USA aus. Er hatte in Köln Musik studiert und war Komponist und Musikkritiker. Ab 1880 gab er in New York die Zeitschrift Musical Courier heraus. 1894 kam er als Korrespondent der Zeitschrift nach Deutschland zurück und ließ sich in Berlin nieder. Er wohnte erst in der Linkstraße 17, nach seiner Heirat mit Jenny Auguste in der Schöneberger Hauptstraße 20. Um 1904 gab er die Korrespondenz für den Musical Courier auf und nannte sich fortan Musikschriftsteller.

Am 7. April 1904, nachmittags um drei, gebar Jenny Auguste noch einen Sohn, Ignaz Edgar. Vielleicht war dies der Anstoß, um innerhalb Schönebergs die Wohnung zu wechseln: Laut Adressbuch wohnte Otto Flörsheim ab 1905 in der Mühlenstraße 6a (heute Dominicusstraße). Um 1909 verließ Flörsheim Berlin und ließ sich in Plainpalais nieder, einem Vorort von Genf. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Jenny nicht auch mit ihm in die Schweiz ging. Die älteste Tochter Anna Sophie hatte 1908 nach Eberswalde geheiratet. Zumindest die jüngeren Kinder dürften mit in die Schweiz gegangen sein.

Otto Flörsheim starb am 30. November 1917 in Plainpalais. Ob Jenny Auguste in der Schweiz blieb, und wenn ja, wie lange, ist nicht bekannt. Wir finden ihre Spur erst wieder 1939 in Berlin, aus Anlass der Volkszählung vom 17. Mai des Jahres, bei der Juden in einer gesonderten Kartei erfasst wurden. Sie lebte mit ihrer ledigen Tochter Hildegard in der Giesebrechtstraße 10. Dort ist Hildegard Horn als Stenotypistin ab 1934 im Adressbuch verzeichnet. Von dieser Wohnung aus musste Jenny Auguste Ende Juli 1942 in die Sammelstelle Große Hamburger Straße 26, ein auf Geheiß der Gestapo umfunktioniertes jüdisches Altersheim. Hier wurden zur Deportation Bestimmte „gesammelt“. Am 30. Juli 1942 musste sie in aller Frühe am Anhalter Bahnhof auf Gleis 1 einen von zwei Waggons 3. Klasse besteigen, die später verplombt an den fahrplanmäßigen Zug nach Prag um 6.07 Uhr angehängt wurden. Mit 99 weiteren Leidensgenossen wurde Jenny Auguste mit diesem Zug nach Theresienstadt deportiert. Angeblich war dieses „Altersghetto“ eine Stätte für einen ruhigen Lebensabend, tatsächlich handelte es sich aber um ein Konzentrationslager, in dem die Lebensbedingungen ausgesprochen erbärmlich waren: die Wohnräume heruntergekommen und brutal überbelegt, die Nahrung unzureichend, die hygienischen Bedingungen katastrophal. Hunger, Kälte, Krankheiten und Seuchen suchten die Bewohner heim. Die 81jährige Jenny Auguste Flörsheim überlebte unter diesen Umständen wenig mehr als zwei Wochen: Sie starb am 18. August 1942. Die Schwiegermutter ihres Sohnes Hermann, Margarete Rosenberg, die Theresienstadt überlebte, bezeugte nach dem Krieg Jenny Augustes Tod. Sie konnte sich auch erinnern, dass „die Leiche dann in ein Wasser geworfen wurde“.

Von Jenny Augustes Kindern überlebten Elli und Richard den Krieg, beide emigrierten in die USA. Auch Ignaz Edgar konnte rechtzeitig auswandern. Anna Sophie und Hildegard starben beide 1942, vermutlich vor der Deportation, da sie nicht in den Gedenkbüchern aufgeführt sind. Anna Sophies drei Töchter wanderten rechtzeitig aus, vermutlich auch ihr Mann Arthur Ullendorff. Hermann Horns Schicksal lässt sich wegen Namensgleichheit mehrerer Opfer der Shoah nicht eindeutig klären, wahrscheinlich kam er 1940 ums Leben, seine Witwe Gertrude geb. Rosenberg und die Tochter Susanne retteten sich in die Emigration. In Neuwied liegt vor der Engerser Straße 48 auch ein Stolperstein für Jenny Auguste Flörsheim.

Quellen:
Gedenkbuch. Bundesarchiv Koblenz, 2006; Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995; Berliner Adressbücher; Akten des Landesentschädigungsamtes Berlin; Stadtarchiv Krefeld; http://www.stolpersteine-neuwied.de/index.php?id=60

Recherchen/Text: Micaela Haas

Stolperstein Hans Jacob Sachs

Stolperstein Hans Jacob Sachs

HIER WOHNTE
HANS JACOB SACHS
JG. 1872
DEPORTIERT 11.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 29.9.1942
TREBLINKA

Hans Jacob Sachs wurde am 01. August 1872 in Berlin geboren. Seine Eltern Henry Sachs und Malwine geb. Borchardt hatten noch drei Töchter, Gertrud und Margarete waren älter als Hans, Else ein Jahr jünger als er. Henry Sachs, im Adressbuch als „Fabrikbesitzer“ bezeichnet, kaufte 1876 die „Gummiwarenfabrik Bolle & Co.“ in der Mühlenstraße 70/71. Außerdem betrieb er dort eine „Paralith-Fabrik“, in der das Paralithon Minerale hergestellt wurde, ein Lösungsmittel gegen Kesselstein, wichtig unter anderem für die damals gängigen Dampfmaschinen. Die Wohnung der Familie lag in der Königgrätzerstraße 7, heute Stresemannstraße, – auch dieses Haus war Eigentum von Henry Sachs. 1883 wurde die Gummifabrik in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und drei Jahre später mit den Frankfurter Gummiwerken Wendt vereint. Wohl spätestens dann orientierte sich Henry Sachs anders und gründete die „Continentale Fabrik combinirter Treibriemen“. Firma und Wohnsitz waren inzwischen in der Linkstraße 29, sollten aber nochmal in die Potsdamer Straße 115 umziehen. Um 1900 ist die Fabrik nicht mehr im Adressbuch zu finden, Henry aber weiterhin als Fabrikant, nun in der Schillstraße 6.

In der Schillstraße 6 hat 1900 erstmals auch Hans Sachs einen eigenen Eintrag. Er ist jetzt 28 Jahre alt und von Beruf Kaufmann. Möglicherweise hat er die kaufmännische Ausbildung in der väterlichen Fabrik gemacht. 1888 war seine Mutter Malwine gestorben, Hans lebte mit oder zumindest im gleichen Haus wie sein Vater. Nachdem er 1903 heiratete, wechselte er in die Fürthener Straße 8, aber auch Henry wohnte dann an dieser Adresse. Hans hatte am 24. März 1903 die junge Witwe Hedwig Maaß geb. Leßer geheiratet. Hedwig war am 29. Januar 1875 in Berlin geboren worden. Sie hatte mit 19 Jahren den Ingenieur und Patentanwalt Karl August Maaß geehelicht, der jedoch schon 1900 in einer Nervenheilanstalt starb. Am 6. August 1904 kam Peter, der gemeinsame Sohn von Hedwig und Hans, zur Welt.

Hans und Hedwig zogen noch mehrmals um, Henry immer mit, auch nachdem er sich als Privatier zur Ruhe gesetzt hatte. 1910 wohnten sie in der Lietzenburger Straße 13, im gleichen Jahr starb Henry. Hans und Hedwig bezogen kurz darauf eine Wohnung in dem frisch erbauten Haus schräg gegenüber, Lietzenburger Nr. 32. Dort sollten sie nun fünfundzwanzig Jahre bleiben. Hans hatte zeitweise eine Firma für Bankkommissionen und bezeichnete sich später als Kursmakler. Anfang der 30er Jahre unterhielt er ein Büro in der Neuen Friedrichstraße 47 (heute Anna-Louise-Karsch-Straße), direkt gegenüber der Börse. 1935/36 war das Büro in der Burgstraße 26, ein Geschäfts- und Bürogebäude Ecke Neue Friedrichstraße, also ebenfalls gegenüber der Börse. Das Gebäude beherbergt heute die Theologische Fakultät der HU.

Ab 1937 ist Hans Sachs nicht mehr im Adressbuch vertreten. Wie andere auch verlor er aufgrund der Judendiskriminierung unter dem NS-Regime seine Lizenz und musste sein Unternehmen liquidieren. Auch die Wohnung in der Lietzenburger Straße konnte er nicht mehr halten. Sachs’ mussten in Untermiete ziehen, vielleicht schon damals in die Giesebrechtstraße 10, bei Martha Roettgen. Dort jedenfalls wurde Hans Sachs 1939 registriert, anlässlich der Volkszählung vom 17. Mai, bei der eine Sonderkartei über alle Juden erstellt wurde. Hedwig Sachs war bereits vorher, am 7. Dezember 1938 gestorben, kurz nach den Novemberpogromen. Sohn Peter, der auch Kaufmann war und vermutlich noch bei den Eltern gelebt hatte, konnte rechtzeitig nach London auswandern und begann dort eine neue Ausbildung als Maschinenbauer.

Hans Sachs blieb allein zurück. Er musste noch einmal umziehen, in die Droysenstraße 8. Anfang September 1942 wurde er von dort in das Sammellager Große Hamburger Straße 26 verbracht, ein umfunktioniertes jüdisches Altersheim, und am 11. September nach Theresienstadt deportiert. Das angebliche „Altersghetto“ dort war in Wirklichkeit ein Durchgangslager. Von Theresienstadt wurden Insassen, die nicht an den unsäglichen dortigen Lebensumständen starben, weiterdeportiert in andere Vernichtungslager. Dies war auch das Schicksal von Hans Sachs. Wenige Tage nach Ankunft, am 29. September 1942, verschleppte man ihn weiter nach Treblinka. Hans Sachs’ Todesdatum ist nicht bekannt.

Auch Hans Sachs’ Schwester Else, verheiratete Levinsohn, und deren Tochter Ingeborg wurden Opfer der Shoah. Am 13. Januar 1942 waren beide nach Riga deportiert und dort wahrscheinlich auf Ankunft erschossen worden. Für sie liegen Stolpersteine vor der Badenschen Straße 21. Das Schicksal von Hans’ Schwester Margarete, verheiratete Cramer, bleibt ungeklärt. Gertrud, die 1882 den Kaufmann Julius Rosenthal geheiratet hatte, war bereits zwei Jahre später gestorben.

Hans Sachs’ Vermieterin in der Giesebrechtstraße, Margarethe Roettgen geb. Kamm, wurde am 29. Januar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ums Leben gebracht. Vor der Giesebrechtstraße 10 liegt auch für sie ein Stolperstein.

Quellen:
Gedenkbuch. Bundesarchiv Koblenz, 2006; Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995; Berliner Adressbücher; Landesarchiv Berlin; https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179578.php und https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179656.php

Recherchen/Text: Micaela Haas

Stolperstein Margarete Trapowski

Stolperstein Margarete Trapowski

HIER WOHNTE
MARGARETE
TRAPOWSKI
GEB. ISRAELIS
JG. 1863
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
22.6.1941

Margarete Trapowskis Vorname war eigentlich Mary, lediglich in einer Karteikarte der Reichsvereinigung der Juden wird sie Margarete genannt, möglicherweise eine Namensverwechslung. Ihr Mädchenname war Israels. Sie wurde am 4. Januar 1863 in Weener (Rheiderland)/Ostfriesland geboren als Tochter des Viehhändlers Isaak Viktor Israels und seiner Frau Helene geborene Weinberg. Weener hatte eine bedeutende jüdische Gemeinde und die Familie Israels zählte zu den wohlhabenden und angesehenen. Ihre sephardischen Vorfahren waren aus den Niederlanden eingewandert. Isaak Israels war ein verdienstvolles Gemeindemitglied, 1850 schenkten er und sein Bruder Joseph der Gemeinde ein Grundstück für einen Friedhof. Ein Bruder Marys, Louis Israels, wurde ein bekannter plattdeutscher Dichter und hatte nicht nur, wie sein Vater, Ämter in der jüdischen Gemeinde, sondern wurde auch außerhalb dieser wiederholt zum Bürgervorsteher gewählt.

Isaak Israels hatte Bertha Weinberg geheiratet, und mit ihr vier Kinder gezeugt. Nachdem Bertha 1849 im Kindbett starb, heiratete Isaak deren Schwester Helene, das Paar bekam neun weitere Kinder, von denen Mary das drittjüngste war. Über Marys Kindheit und Jugend in Weener wissen wir nichts. Auch nicht, wann und wo sie den 7 Jahre älteren Kaufmann Alexander Trapowski aus Czerwinsk in Polen kennenlernte und heiratete. Alexander Trapowski war Inhaber einer Schuhwarenfabrik zusammen mit Julius Weinberg aus Krefeld – vielleicht ein Verwandter von Marys Mutter. Im Berliner Adressbuch finden wir ihn erstmals 1894 in der Markgrafenstraße 89/90, die Schuhwarenfabrik war am Werdeschen Markt 10. Es scheint ziemlich sicher, dass er zu diesem Zeitpunkt schon mit Mary verheiratet war, denn es war Alexander Trapowski, der im Februar dieses Jahres den Tod von Marys Schwager Salomon Cahn aus Eschwege anzeigte, der Mann ihrer schon vorher verstorbenen Schwester Minna. Vermutlich war Salomon Cahn in Berlin zu Besuch.

Trapowskis zogen wiederholt in Berlin um, 1911 wohnten sie in der Jenaer Straße 8. In diesem Jahr, am 15. Juli, starb Alexander Trapowski in einer Privatklinik in der Augsburger Straße 66. Mary blieb zunächst in der Jenaer Straße wohnen, zog aber später in die Niebuhrstraße 77 um. Ob Mary Kinder hatte ist nicht nachweisbar. Das Adressbuch nennt ab 1915 einen Julius Trapowski „genannt Trapow“, Obsthändler, aber es lässt sich keinen Bezug zu Mary feststellen. Ab 1927 ist auch eine Margarete Trapowski im Adressbuch vertreten. Sie ist ebenfalls Obsthändlerin und hat zeitweise die gleiche Adresse wie Julius, könnte seine Frau oder seine Schwester sein. Mit Mary Trapowski geb. Israels ist sie nicht identisch, beide Frauen sind mit völlig unterschiedlichen Wohnsitzen in den Adressbüchern von 1927-33 aufgeführt. Hier könnte die Ursache für die Namensverwechslung liegen.

Nach 1933 ist Mary Trapowski aus den Adressbüchern verschwunden. Möglich, dass die wachsende Judendiskriminierung durch das NS-Regime sie dazu brachte ihre Wohnung aufzugeben. Wir finden ihre Spur wieder in der „Ergänzungskartei“ zur Volkszählung vom 17. Mai 1939, in der Juden separat erfasst wurden. Sie wohnte zu dem Zeitpunkt in der Giesebrechtstraße 10, offenbar zur Untermiete. Auch aus dieser Wohnung musste sie wieder ausziehen, da Juden vielfach genötigt wurden, Wohnraum für Nichtjuden frei zu machen. 1941 wohnte sie in der Droysenstraße 18, ebenfalls zur Untermiete.

Mary Trapowski hatte die ganze Bandbreite der antisemitischen Maßnahmen unter Hitler erleben müssen, die darauf abzielten, Juden zu isolieren und schließlich wirtschaftlich und sozial völlig aus dem öffentlichen Leben auszuschließen. Nach dem Novemberpogrom am 9./10. November 1938 häuften sich noch mal die Verordnungen gegen Juden. Der Besuch von Theatern, Konzerten, Kinos usw. wurde ihnen verboten, zu bestimmten Zeiten durften sie gar nicht mehr auf die Straße, durften nur von 4 bis 5 Uhr nachmittags einkaufen. Alle Wertgegenstände mussten sie abliefern, Rundfunkgeräte wurden beschlagnahmt, Telefonanschlüsse gekündigt, ihre Konten wurde zu „Sicherheitskonten“ erklärt, von denen sie nur durch „Sicherungsanordnung“ festgelegte Beträge für ein Existenzminimum abheben durften. Das Alltagsleben wurde für Juden unerträglich und Anfang 1941 zog Mary Trapowski daraus ihre Konsequenz: Am 22. Januar nahm sie sich das Leben. Sie ist auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee bestattet.

Quellen:
Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995; Berliner Adressbücher; Landesarchiv Berlin; Arolsen Archives; www.online-ofb.de/famreport.php?ofb=juden_nw&ID=I115773&nachname=ISRAELS&lang=de%20::

Recherchen/Text: Micaela Haas