HIER WOHNTE
HENRIETTE
AUERBACH
GEB. WULFF
JG: 1874
DEPORTIERT 23.7.1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET
Henriette Auerbach, geb. Wulff, wurde am 24. November 1874 als jüngstes von drei Kindern des Ehepaares David und Sara Wulff geboren. Der älteste Bruder Wilhelm, geboren am 10. März 1868 und der zweite Bruder Julius, geboren am 7. Februar 1874, verbrachten wie Henriette auch ihr gesamtes Leben in Berlin, bis sie alle drei ihr Leben in der Shoah lassen mussten.
Henriette heiratete am 27. April 1897 den Arzt und Geburtshelfer Sanitätsrat Dr. Norbert Auerbach, geboren am 25. Februar 1866 in Straßburg. Am Tag der Hochzeit war Henriettes Vater David Wulff bereits gestorben. Am 30. Dezember 1899 wurde Henriettes und Norberts Sohn Erich in Berlin geboren. Die Familie wohnte in Mitte in der Alexanderstraße 14a. Dr. Norbert Auerbach betrieb unter derselben Adresse seine Arztpraxis.
Erich Auerbach trat in die Fußstapfen seines Vaters, er studierte Medizin in Freiburg und Berlin und bestand 1925 die ärztliche Prüfung mit „sehr gut“. 1926 wurde ihm die Approbation als Arzt erteilt.
Dr. Norbert Auerbach war bereits am 18. Mai 1923 gestorben. Er wurde am 23. Mai 1923 auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee (Feld S, Abt. IV, Reihe 18, Grab Nr. 64348) beigesetzt.
Nach seiner Zulassung als Arzt übernahm Erich Auerbach die Praxis seines Vaters und wohnte mit seiner Mutter Henriette weiterhin unter derselben Adresse. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten begriff Erich Auerbach schnell, dass er in Deutschland keine Zukunft haben würde. Er verließ Berlin am 8. Mai 1933 mit der Bahn Richtung Paris. Seine Praxiseinrichtung hatte er zuvor in einem Speicher untergestellt. 2½ Jahre später entschloss er sich nach Palästina auszuwandern. Von Paris fuhr er in die Schweiz. Henriette Auerbach reiste dorthin, um sich von ihrem Sohn zu verabschieden. Anfang Oktober 1935 schiffte sich Erich Auerbach in Triest mit dem Dampfer „Galilea“ nach Palästina ein.
Mit dem Abschied von ihrem Sohn begann für Henriette die sorgenvollste Zeit. Die Wohnung und Praxisräume in der Alexanderstraße 14a waren 1933 aufgegeben worden. Zu diesem Zeitpunkt muss Henriette in die Mommsenstraße 67 eingezogen sein. Ob sie dort zur Untermiete wohnte, konnte nicht endgültig geklärt werden.
Henriette Auerbach war bis dahin finanziell gut abgesichert. Sie hatte unterschiedliche Anteile an den Häusern ihrer Brüder. Julius Wulff besaß das große Mietshaus in der Schöneberger Steinmetzstraße 50. Wilhelm Wulff war Eigentümer des Hauses Teplitzer Straße 36 am Roseneck. Weiter gehörte zum Wulff‘schen Erbe das Mietwohngrundstück Dennewitzstraße 31. Laut Testament der verstorbenen Mutter Sara Wulff erhielt Henriette zusätzlich 1500 RM Jahresrente. Sie besaß außerdem einige Wertpapiere und hatte kleine Barguthaben bei verschiedenen Banken.
Am 1. August 1941 musste Henriette Auerbach die Mommsenstr. 67 verlassen. Sie zog zu ihrem Bruder Julius in dessen Sechs-Zimmerwohnung in Schöneberg in der Steinmetzstraße 50. Das Mietshaus war laut Berliner Adressbuch von 1937 im Besitz der Wulff‘schen Erben. 1938 gehörte es bereits einem nichtjüdischen Besitzer, und in Julius Wulffs Wohnung wurden weitere jüdische Untermieter untergebracht. Es waren das Ehepaar Michaelis, Klara Asch und Rosa Rotholz. Den neuen Besitzern konnte es nicht schnell genug gehen, die jüdischen Bewohner aus dem Haus zu haben. Sie wollten die große Wohnung selbst nutzen und drängten auf Räumung: „…ist es…allein schon für die übrigen Mieter im Hause recht anstößig, weiterhin mit Juden und immer wieder mit neu dazukommenden in einem Hause zu wohnen.“
Henriette Auerbach und ihr Bruder Julius Wulff wurden zusammen am 23. Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Zynischerweise war ihnen ihre Deportation durch eine Zustellungsurkunde im Auftrage der Gestapo im „Hause Große Hamburger Str. 26“ am 22. Juli angekündigt worden. Henriette und Julius hatten noch zwei Monate zu leben, bevor sie beide am 26. September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka transportiert wurden, wo sie sofort ermordet wurden.
Ihr gemeinsamer Bruder Wilhelm und seine Ehefrau Anna geb. Lachmann wurden am 25. August 1942 nach Theresienstadt deportiert. Wilhelm Wulff starb am 1. Januar 1943 an „Altersschwäche“ und „Herzmuskelentartung“, wie es in der Todesfallanzeige hieß. Anna Wulff lebte nur drei Wochen länger. Sie starb am 21. Januar 1943. Als Todesursache wurde Herzfehler angegeben. Die wahren Todesursachen in dem überfüllten Ghetto dürften Hunger, Entbehrungen und katastrophale hygienische Verhältnisse gewesen sein.
Henriettes Sohn Erich war in Jerusalem als Arzt tätig. Er hatte 1949 geheiratet und wanderte mit seiner Frau im Juli 1950 in die USA aus. Er lebte und arbeitete in New York.
Recherche und Text: Karin Sievert
Quellen: www.bundesarchiv.de/gedenkbuch, Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz, Brandenburgisches Landeshauptarchiv www.blha.de, Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde, – Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin, Landesarchiv Berlin WGA www.landesarchiv-berlin.de