Stolpersteine Ettaler Straße 10 (früher Passauer Straße 18)

Hausansicht Ettaler Str. 10

Der Stolperstein für Martha Frankenstein wurde am 30.7.2005 verlegt.

Der Stolperstein für Flora Hirschfeld wurde am 13.03.2012 verlegt.

Stolperstein Martha Frankenstein

Stolperstein Martha Frankenstein

HIER WOHNTE
MARTHA
FRANKENSTEIN
GEB. FEIN
JG. 1885
DEPORTIERT 1943
ERMORDET
IN AUSCHWITZ

Martha Frankenstein

Martha Frankenstein

Martha Frankenstein wurde als Martha Fein am 28. Oktober 1885 in Waldenburg (Schlesien) geboren. Sie hatte zwei namentlich bekannte Geschwister: Johanna heiratete den nichtjüdischen Mediziner Walter Schmidt und überlebte das GhettoTheresienstadt – und Benno Fein, der zusammen mit seiner Ehefrau bei Minsk ermordet wurde.
Martha stammte aus einer Rabbinerfamilie.
1923 heiratete sie den 1873 geborenen Max Frankenstein. Max war schon zuvor verheiratet gewesen mit Emma Klein, deren Eltern in Flatow einen Landhandel mit angegliedertem Gasthaus betrieben. Nach dem Tod der Schwiegereltern führte Max das Geschäft weiter – auch noch nachdem Emma 1917 an den Folgen einer Blutvergiftung gestorben war.

Martha Frankenstein mit Manfred und ihrem Sohn Walter, Flatow 1932;

Martha Frankenstein mit Manfred und ihrem Sohn Walter, Flatow 1932;

Max Frankenstein brachte 2 Söhne aus der Verbindung mit Emma in die Ehe mit Martha ein, Manfred, geb. 1910 und Martin, geb. 1914.
Am 30. Juni 1924 kam der gemeinsame Sohn Walter auf die Welt. Trotz des Altersunterschiedes verstanden sich die drei Jungen sehr gut.
Max Frankenstein starb 1929 an den Folgen einer Lungenentzündung.

Zwar wurde nun Max’ Bruder, der in Berlin ansässige Arzt Dr. Selmar Frankenstein der Vormund für Walter, Martha sorgte aber mit Unterstützung eines Kindermädchens streng und liebevoll für ihren Sohn und die beiden Stiefsöhne. Sie betrieb auch weiter mit einigen Angestellten Landhandel und Gasthof. Da sie sowohl Jiddisch als auch Polnisch sprach, konnte sie sich mit den Bauern der Umgebung, die bei ihr einkauften, bestens verständigen.
Ab 1933 änderte sich die Situation mit dem Boykott des Geschäfts. Am 1. April beschmierten SA Männer die Hausfassade, einer von ihnen schoss sogar mit seiner Pistole in die Ladenräume. Bald darauf zogen sich die nichtjüdischen Kunden zurück und zahlten ihre Schulden, die sie bei Martha Frankenstein gemacht hatten nicht ab. Die Einnahmen gingen so drastisch zurück, dass Martha einige ihrer Angestellten entlassen musste.
Die folgenden Jahre waren geprägt von der zunehmenden Diskriminierung der jüdischen Familie.
Martin Frankenstein wanderte 1934 nach Palästina aus und Walter musste als 12-jähriger Junge die Schule in Flatow verlassen. Er wurde nach Berlin geschickt, wo ihn sein Onkel und Vormund Dr. Selmar Frankenstein im Auerbachschen Waisenhaus in der Schönhauser Allee unterbrachte.
1938 musste Martha Frankenstein das Geschäft in Flatow zwangsveräußern. Sie kam nach Berlin und wohnte zunächst in Prenzlauer Berg, Pappelallee 11, später dann zusammen mit Flora Hirschfeld in der Passauer Straße 18 (heute Ettaler Straße 10). Flora Hirschfeld war die Schwester von Emma Klein, der ersten Ehefrau Max Frankensteins. Die beiden Frauen waren miteinander befreundet.
Im Jahr zuvor war auch der Stiefsohn Manfred nach Palästina ausgewandert. Er und sein Bruder Martin versuchten Martha zur Emigration zu überreden, sie lehnte jedoch ab.
Walter, dessen Frau Leonie und Flora Hirschfelds Sohn Fritz sowie Stiefsohn Kurt tauchten in Berlin unter. Edith Berlow, die nicht jüdische enge Freundin von Kurt bot Martha für den Fall einer Deportation Hilfe an, sie lehnte jedoch mit den Worten ab: „Solange ich mich selbst ernähren kann und niemandem zur Last fallen muss, will ich keine Hilfe.“

Martha wurde zur Zwangsarbeit eingesetzt. Zusammen mit 80 jüdischen Frauen und Männern arbeitete sie in der Radiofabrik Seibt und musste dort für einen Hungerlohn Rundfunkgeräte montieren.
Anfang März 1943 wurden mehr als 7000 jüdische Menschen verhaftet und in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, darunter auch Martha Frankenstein. Sie wurde am 1. März an ihrem Arbeitsplatz in der Radiofabrik gefangen genommen und vom Bahnhof Grunewald aus in einem 1722 Menschen umfassenden Transport (31. Osttransport) in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert.
Martha Frankenstein wurde 57 Jahre alt.

Ihr Sohn Walter Frankenstein, seine Frau Leonie und die Kinder Peter-Uri und Michael überlebten durch die Hilfe vieler mutiger Menschen in Berlin, Leipzig und Gröningen in unterschiedlichen Verstecken. Sie emigrierten nach Palästina und ließen sich später in Schweden nieder.

Für Dr. Selmar und Ottilie Frankenstein wurden 2005 Stolpersteine vor dem Haus Meierottostraße 6 Stolpersteine verlegt. https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179260.php

Für Flora Hirschfelds Sohn Fritz Hirschfeld wurde 2011 ein Stolperstein vor dem Haus Giesebrechtstraße 11 verlegt. https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179657.php

Text: Karin Sievert Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Quellen:
Gedenkbuch
Datenbank der Holocaustopfer Yad Vashem
Landesarchiv
Deportationslisten
Klaus Hillenbrand „Nicht mit uns“ Das Leben von Leonie und Walter Frankenstein (Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag)

Stolperstein Flora Hirschfeld

Stolperstein Flora Hirschfeld

HIER WOHNTE
FLORA HIRSCHFELD
GEB. KLEIN
JG. 1874
DEPORTIERT 2.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET OKT. 1942
TREBLINKA

Flora Klein kam am 6. September 1874 in Flatow/Westpreußen auf die Welt. Ihre Eltern waren der Kaufmann Samuel Klein und seine Frau Johanna, geb. Ehrenwerth. Flora hatte eine namentlich bekannte Schwester, Emma Klein. Die Eltern besaßen in Flatow einen Landhandel mit angeschlossener Gastwirtschaft „Schankwirtschaft und Kaufhaus S. Klein sr.“ Nach dem Tod der Eltern führte Emmas Ehemann Max Frankenstein das Geschäft weiter, nun mit dem Zusatz „Inh. Max Frankenstein“.

Ansicht des Hauses der Familie Frankenstein in Flatow, 1935; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2011/73/8/006, Schenkung von Leonie und Walter Frankenstein

Ansicht des Hauses der Familie Frankenstein in Flatow, 1935; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2011/73/8/006, Schenkung von Leonie und Walter Frankenstein

Am 15. Juni 1902 brachte Flora in Braunsberg den Sohn Fritz auf die Welt. Der Vater war der Zahnarzt Julius Hirschfeld. Die Ehe zwischen Flora und Julius wurde erst 8 Jahre später, am 25. Dezember 1910, in Flatow geschlossen. Julius hatte bereits einen Sohn aus der ersten Ehe mit Martha Laserstein, den späteren Arzt Kurt Hirschfeld.

Die Familie lebte in Braunsberg/Ostpreußen (Braniewo), wo Julius Hirschberg seine Praxis betrieb. Erst 1940 verließ die inzwischen verwitwete Flora Hirschberg Braunsberg und zog nach Berlin, wo die beiden Söhne lebten.

Sie wohnte in Berlin in der Passauer Straße 18, heute Ettaler Straße 10 zusammen mit Martha Frankenstein. Die beiden Frauen verband eine herzliche Freundschaft aus der gemeinsamen Zeit in Flatow.

Kurt hatte seine Arztpraxis in Königsberg aufgeben müssen und war 1936 nach Berlin übergesiedelt, wo er bald Berufsverbot bekam und als „Judenbehandler“ am Jüdischen Krankenhaus arbeitete. Der Sozialdemokrat Fritz, Redakteur der Danziger Volksstimme, wurde 1933 verhaftet und schließlich 1934 ins Deutsche Reich abgeschoben. In Berlin arbeitete er als Zahntechniker.
Im Oktober 1941 wurde Fritz erneut verhaftet, dieses Mal sollte er der Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten zum Opfer fallen. Er wurde ins Ghetto Łódź verschleppt und am 8. Mai 1942 in Kulmhof (Chelmno) ermordet. Flora Hirschfeld und Kurt versuchten noch, Kontakt zu Fritz im Ghetto aufzunehmen. Flora schickte am 6. Januar 1942 eine Postkarte an seine Adresse: Talweg 10/13 „Mein lieber Fritz, heute möchte ich Dir nur ein gesundes neues Jahr wünschen. Hoffentlich höre ich recht bald von Dir, nächstens schreibe ich einen Brief, nochmals alles Gute, viele herzl. Grüße Deine immer an Dich denkende Mutter. Gruß von Martha + Walter“ (Frankenstein).
Die Karte wurde niemals zugestellt.
Auch Floras Deportation stand in diesem Jahr unmittelbar bevor. Mit der Hilfe Edith Berlows, Kurts nicht jüdischer Geliebten, gelang es beim ersten Versuch, einen Gestapobeamten zu bestechen und so der Deportation zu entkommen. Am 2. September 1942 wurde sie jedoch verhaftet und mit einem 100 Personen umfassenden Transport in das böhmische Ghetto Theresienstadt verschleppt. Von dort schickte sie noch Briefe nach Berlin, in denen sie um Geldsendungen bat.
Am 29. September 1942 verschleppte man sie aus dem überfüllten Ghetto weiter in das Vernichtungslager Treblinka, wo sie sofort nach Ankunft ermordet wurde.
Flora Hirschfeld wurde 68 Jahre alt.

Kurt Hirschfeld überlebte, mit gefälschten Papieren ausgestattet und mit Hilfe vieler mutiger Menschen in unterschiedlichen Verstecken untergebracht, den Holocaust. Nach seiner Scheidung von Charlotte Rector 1937 heiratete er am 1. Juni 1945 Edith Berlow und emigrierte in die USA.

Für Flora Hirschfelds Sohn Fritz Hirschfeld(t) wurde 2011 ein Stolperstein vor dem Haus Giesebrechtstraße 11 verlegt. https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179657.php

Text: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Quellen:
Datenbank der Holocaustopfer Yad Vashem
Deportationslisten
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz

Loose: „Berliner Juden im Getto Litzmannstadt 1941 – 1944

Landesarchiv Berlin
Klaus Hillenbrand „Nicht mit uns“ Das Leben von Leonie und Walter Frankenstein (Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag)