Diese Stolpersteine wurden am 08.11.2021 verlegt.
Stolpersteine Mommsenstraße 18
Bild: jewishgen-or
Max war zur Zeit der Volkszählung im Mai 1939 in der Mommsenstraße 18 gemeldet. Ob dieses schon die Adresse vor Marthas Ausreise war, oder ob Max nach der Entlassung aus dem Krankenhaus dort bei einem anderen Mieter ein Zimmer bezog, ist unklar.
Bis zu seiner Deportation 1943 war er wie alle Juden den stetig zunehmenden Schikanen des Naziregimes ausgesetzt. Er wurde zur Zwangsarbeit bei der Deutschen Lufthansa AG in Staaken für einen Hungerlohn von 32,-RM herangezogen. Sein Zimmer in der Mommsenstraße musste er verlassen und wurde in dem Eckhaus Schlüterstraße 17/ Pestalozzistraße 99a bei Erich Gross und dessen Schwiegermutter Jette Kroner einquartiert. Erich Gross war schon im November mit seiner Frau Gertrud untergetaucht und Jette Kroner nach Theresienstadt deportiert. Für Jette Kroner und Erich Gross, der in der Illegalität denunziert und dann deportiert wurde, liegen Stolpersteine vor dem Haus Pestalozzistraße 99a. Gertrud Gross überlebte. Die Wohnung von Erich Gross wurde zur „Judenwohnung“ deklariert, die Miete in Höhe von 20 RM hatte Max deshalb an die Hauswartsfrau Hedwig Wendicke abzuliefern. Von seinen Besitztümern waren ihm nur einige wenige Habseligkeiten geblieben. Das mit dem Tag seiner
Deportation beschlagnahmte Vermögen bestand aus einem Kleiderschrank, einem eisernen Bettgestell mit Matratze, Oberbett, Unterbett und Kopfkissen, einem kleinen Tisch, Herrenbekleidung und Leibwäsche im Wert von 35 Reichsmark.
Max Marcus Eisenstädt wurde am 2. März 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Wir wissen nicht, ob Max Eisenstädt nach Ankunft im Lager noch registriert wurde oder ob er sogleich in einer der Gaskammern ermordet wurde.
Es war der zweite Großtransport mit 1756 Menschen nach der „Fabrikaktion“ – unter ihnen befand sich Gustav Wiener, der Vater Frieda Wieners, die auch in der Mommsenstraße 18 wohnte und für die ebenfalls ein Stolperstein vor dem Haus verlegt wurde.
Recherche und Text: Karin Sievert Stolpersteininitiative Charlottenburg – Wilmersdorf
Quellen:
-Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in -Deutschland 1933 – 1945
-Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz
-Brandenburgisches Landeshauptarchiv
-Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin
-Landesarchiv Berlin
-Deportationslisten
-Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“
-Yad Vashem – Opferdatenbank
jewishgen.org: UK Death records
https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179613.php
Bild: Arolsen-archives
Recherche und Text: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf
Quellen:
Landesarchiv Berlin
Deportationslisten
Gedenkbuch
Anna Fischer „Erzwungener Freitod“
https://monde-diplomatique.de/artikel/!5646906
Mapping The Lives
Bild: Familienbild
Ida Löwenthals Vater, der Pferdehändler Abraham (Adolf) Löwenthal, lebte mit seiner aus Tübingen stammenden Frau Rosalie geb. Blanck in der Mitte des 19. Jahrhunderts in dem kleinen Städtchen Gartow im heutigen Kreis Lüchow–Dannenberg. Er war gegen 1860 vom 10 km entfernten Schnackenburg dorthin gezogen. In der Hauptstraße in Gartow waren kurz zuvor einige Häuser abgebrannt und in eines der neu erbauten Häuser, Nr. 31, zogen Abraham und Rosalie Löwenthal ein. Sie lebten in unmittelbarer Nähe des Schlosses der Gräflichen Familie von Bernstorff, die u.a. einen ansehnlichen Reitstall und weitere sonstige Pferdeställe besaßen. Für einen Pferdehändler war das sicher eine gute Ausgangslage.
Rosalie brachte in Gartow 8 Kinder zur Welt: Louis (1861), Emma (1862), Rosa (1865), Ida (28. November 1866), Sallie (1868), Julius (1871), Sophie (1873) und Ella (1877). Neben dem Wohnhaus befand sich die Schule, die von den Kindern besucht wurde.
Es ist nicht bekannt, ob in Gartow weitere jüdische Familien lebten, in Schnackenburg hatte es eine kleine jüdische Gemeinde gegeben, noch heute zeugen 8 Grabsteine auf dem Friedhof von ihrer Existenz.
Bild: Familienbild
Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt zog die Familie mit allen Kindern nach Uelzen. Vielleicht bot das Leben auf dem Lande sowohl beruflich für Abraham als auch für die Ausbildung der Kinder keine ausreichende Grundlage mehr. Ende der 1880er Jahre lebten Abraham und Rosalie – Abraham hatte seine Geschäfte aufgegeben und war in Rente gegangen – in Hannover. Einige von Idas Geschwistern hatten geheiratet und waren in andere Städte gezogen.
Louis ging nach Hamburg, er war dort zweimal verheiratet, 1887 mit Auguste Nathanson und 1900 mit Olga Fliess.
Julius war nach Mainz gezogen, er und seine Frau Mathilde Marx bekamen einen Sohn, der im Alter von 9 Monaten im Juni 1901 verstarb.
Sophie war schon in Berlin, als sie 1902 Georg Glaser heiratete. Sie starb 1935, ihr Sohn Dr. jur Werner Glaser, ließ sich in Italien nieder.
Ella blieb zunächst in Hannover und heiratete 1898 den Musikdirektor Adolf Hermann Ruhoff. Mit der Eheschließung trat sie zum evangelischen Glauben über. Sie bekam zwei Söhne, Hellmuth Adolf, * 1902, und Hermann Armin *1904. Auch diese Familie zog nach Berlin, wo Ella am 14. Januar 1939 an den Folgen ihrer Krebserkrankung verstarb.
Emma war mit Eduard Koppe verheiratet, beide starben sehr früh, Eduard 1911 und Emma 1914. Damals wohnten sie in der Goethestraße 69. Das Ehepaar hatte drei Kinder, Waldemar Koppe, Charlotte, verheiratete Wendriner und Clara, verheiratete Spitz. Charlotte Wendriner war in den letzten Jahren die Vermieterin ihrer Tante Ida. Auch Idas Nichte Clara Spitz wohnte lange Zeit mit ihrer Tochter Lore bei Charlotte in deren Wohnung.
Möglicherweise war Ida, die immer ledig blieb, ihren Schwestern Emma und Sophie nach Berlin gefolgt. Wir wissen nicht, welchen Beruf Ida ausübte und wo sie vor ihrer Zeit in der Mommsenstraße lebte.
Zum Zeitpunkt der Volkszählung im Mai 1939, in dem Juden in einer Sonderkartei erfasst wurden, wohnte Ida als Untermieterin bei ihrer Nichte Charlotte. Charlotte Wendriner, von Beruf Buchhalterin, lebte seit ihrer Hochzeit mit dem Kaufmann Albert Wendriner in der Mommsenstraße 18. Als Ida bei ihr einzog, war sie schon verwitwet und hatte sicherlich genügend Raum, um ihre Tante bei sich aufzunehmen. Charlotte muss aber damals schon sehr krank gewesen sein, denn sie starb im Juli 1939 an den Folgen einer Lebererkrankung im Jüdischen Krankenhaus.
Damit war auch für Ida die sicherlich glücklichere Wohnsituation beendet. Ida wurde alsbald als Untermieterin bei Fanni Piorkowski in ein Zimmer in der Nestorstraße 54 eingewiesen. Dieses hatte sie sich mit einer weiteren Untermieterin zu teilen. Lt. Vermögenserklärung, die Ida wenige Tage vor ihrer Deportation abgeben musste, hatte sie „kein Vermögen“. Die wenigen Habseligkeiten, die ihr geblieben waren, bestanden aus einem Reisekorb, einer Lederreisetasche, einigen Kissen und etwas Bettwäsche. Am 3. August 1942 wurde ihr die „Verfügung Einziehung Vermögen“ unter der Adresse Große Hamburger Straße 26 zugestellt.
Dort harrte Ida zusammen mit hunderten Menschen in einem ehemaligen Altersheim aus, bevor sie am 5. August 1942 zusammen mit ihrer Vermieterin Fanni Piorkowski mit dem Transport I/38 nach Theresienstadt verschleppt wurde. Das Ghetto Theresienstadt war zu diesem Zeitpunkt hoffnungslos überfüllt. Bereits am 26. September schickte man Ida in den sicheren Tod nach Treblinka. In dem Vernichtungslager Treblinka wurden die Menschen nach Ankunft gar nicht mehr registriert. Aus dem Zug heraus führte der Weg direkt in die Gaskammern.
Ida wurde als Einzige der 8 Geschwister Löwenthal im Holocaust ermordet. Von den Geschwistern Sallie und Rosa gibt es keine Aufzeichnungen, ihr Schicksal ist unbekannt.
Recherche und Text: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf
Quellen:
-Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in -Deutschland 1933 – 1945
-Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz
-Brandenburgisches Landeshauptarchiv www.blha.de
-Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin
-Landesarchiv Berlin
-Deportationslisten
-Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“
-Yad Vashem – Opferdatenbank
-Otto Puffahrt „Gartow – Vom Rittersitz zur Ferienregion“
- „Beiträge zur Geschichte der Juden in Uelzen und Nordostniedersachsen“ Ralf Busch Hrsg.