Am 15.06.2024 ging es mit unseren monatlichen Spaziergängen weiter. Bedauerlicherweise fing der Tag regnerisch an, so dass einige Teilnehmende kurzfristig absagen mussten. Pünktlich zum Start des Spaziergangs ließ sich zum Glück die Sonne blicken, so dass die mitgebrachten Regenschirme zunächst einmal nicht zum Einsatz kommen mussten.
Für die Tour im Juni haben wir uns den Ortskern Stolpe in Wannsee ausgesucht, um gemeinsam mit den Teilnehmenden einen Blick auf die Historie Wannsees zu werfen. Ursprünglich ist der Ort aus dem Dorf Stolpe hervorgegangen, das urkundlich 1299 erstmals erwähnt wurde. Mit dem Bau der ersten preußischen Eisenbahnstrecke von Berlin nach Potsdam, entstand ab 1870 in Wannsee eine beispiellose Kulturlandschaft, die im Kaiserreich und der Weimarer Republik seines gleichen suchte. Eine der bekanntesten und auch erschütterndsten Ereignisse, die mit Wannsee in Verbindung gebracht werden, ist die Wannsee-Konferenz, die am 20. Januar 1942 in einer Villa am Wannsee, heute bekannt als Haus der Wannsee-Konferenz, stattfand. Bestandteil des Spaziergangs waren unter anderem eine Führung durch die Mutter Fourage inklusive Kulturscheune und Galerie sowie eine Führung durch die Kirche am Stölpchensee auf dem Wilhelmsplatz.
Treffpunkt und die erste Station unseres Spaziergangs war das Stadion Wannsee. Hier stehen den Sportlerinnen und Sportlern zwei Rasenplätze, ein Kunstrasenplatz, ein Kunstrasenkleinspielfeld und eine Kunststofflaufbahn mit ca. 540 m Länge zur Verfügung. Also optimale Voraussetzungen für das vielfältige Angebot der FV Wannsee sowie auch des Berliner Fußball-Verbandes, welcher im Stadion Wannsee insbesondere Trainerausbildungsprogramme und Trainingseinheiten der Berliner Auswahlmannschaften durchführt.
Anschließend ging es zur Mutter Fourage wo uns auch Herr Immenhausen, einer der Mitbegründer der Mutter Fourage in Empfang nahm und uns eine Führung durch den Hof inklusive der Kulturscheune und Galerie gab. Ursprünglich war hier ein Futtermittelgeschäft ansässig, gegründet 1900 von Wilhelm Hönicke. Heute können Interessierte durch die Galerie schlendern, sich Bilder und Plastiken anschauen oder in der umgebauten Scheune Konzerte, Theateraufführungen oder Lesungen genießen. Besonders interessant ist die freitragende Dachkonstruktion der Kulturscheune, die nach der „Zollbauweise“ gebaut wurde und seit 2012 unter Denkmalschutz steht.
Unsere nächste Station brachte uns auf den Friedhof Wannsee in der Friedensstraße 8. Dort richtete sich das Augenmerk vor allem auf die Grabstätten von Avner Werner Less und dem Portraitmaler Oscar Begas. Bekannt wurde Avner Less als der Polizist, der 1960/61 die Verhöre von Adolf Eichmanns leitete, der maßgeblich an der Organisation des Holocaust beteiligt war. Avner Less konnte die persönliche Verantwortung Eichmanns am Holocaust deutlich machen, woraufhin Eichmann zum Tode verurteilt. Avner Less ist in Berlin geboren, floh jedoch nach der Machtergreifung des NS-Regimes und der damit einhergehenden Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung 1938 nach Palästina und arbeitet dort als Polizist. Nach der Gründung des Staates Israels war er im Handels- und Industrieministerium tätig. Später arbeitete er als Diplomat für sein Land in New York, Paris und Genf.
Anschließend ging es Richtung Wilhelmsplatz, wo eine kurze Führung durch die Kirche am Stölpchensee stattfand. Die Kirche am Stölpchensee ist eine Kirche der Evangelischen Kirchengemeinde Berlin-Wannsee und wurde im November 1859 geweiht. Die Kirche wurde vom Leiter des preußischen Hof- und Staatsbauwesens Friedrich August Stüler nach einer Idee des Königs Friedrich Wilhelm IV. erbaut und steht heute unter Denkmalschutz.
Nach einer etwas längeren Laufstrecke und einem Zwischenstopp am Stölpchensee kamen wir an unserem nächsten Ziel: der Stele von Karl Wolffsohn. Am Stölpchenweg Ecke Kohlhasenbrücker Straße konnte der Bezirk Steglitz-Zehlendorf am 13. Dezember letzten Jahres im Beisein des Enkels von Karl Wolffsohn diese regionalhistorische Informationsstele der Öffentlichkeit übergeben. Karl Wolffsohn zählte zu den Pionieren der deutschen Film- und Unterhaltungsindustrie. Im August 1938 kam Karl Wolffsohn in Gestapo-„Schutzhaft“. Er hatte sich geweigert, die Gartenstadt Atlantic und das Kino „Lichtburg“ in Berlin-Gesundbrunnen, die zu dem Zeitpunkt in seinem Besitz waren, „arisieren“ zu lassen. In der „Schutzhaft“ wurde er schließlich gezwungen, die Enteignung seines Besitzes hinzunehmen. Im März 1939 floh er nach Britisch-Palästina,was gleichbedeutend mit dem Verlust seines gesamten Vermögens war, einschließlich seines Anwesens am Stölpchensee.
Auf dem Rückweg machte die Gruppe an der Galerie Wannsee halt. Laut Historikern und Denkmalspflegern ist es das älteste bewohnte Haus in Wannsee und steht folgerichtig unter Denkmalschutz. Der Mittelteil mit der Balkendecke ist etwa 350 Jahre alt. Heute wird das Gebäude privat bewohnt. Besonders anerkennenswert ist es, dass der Eigentümer seine Wohnräume für Besucher und Gäste zur Verfügung stellt. So wurde im Jahre 1978 die Galerie Wannsee mit einer Ausstellung der Wannseer Malerin Dora Löbel-Bock eröffnet. Seither finden hier literarische Lesungen, wissenschaftliche und politische Diskussionen, die Vorstellung eigener und anderer Bücher sowie Ausstellungen statt.
Unsere vorletzte Station war der ehemalige Wohnort des „Eisernen Gustav“. Am Haus in der Alstenstraße 11 befindet sich eine Gedenktafel für den „Eisernen Gustav“, bürgerlich Gustav Hartmann. Als das Automobil sich immer mehr an Beliebtheit erfreute und die Zahl der Autos zunahmen, begab sich Gustav Hartmann 1928 aus Protest gegen den Niedergang des Droschkengewerbes auf eine historische Reise mit seiner Droschke, ein kutschähnliches Gefährt, und seinem Pferd Grasmus nach Paris. Acht Wochen dauerte die 1000 Kilometer lange Reise.
Den Schlusspunkt unserer Tour bildete die Conradschule in der Schulstraße, die letztes Jahr ihr 125-Jähriges Jubiläum feiern konnte. Hier hat sich in den letzten Jahren viel getan: die Sanierung des Daches, der Turnhalle, des Hortbereiches, des Baus des Kunstraumes, des Lehrerzimmers, des Verwaltungsbereiches und der Treppen. Zusätzlich wurde die inklusive Waldschule ergänzt. Bald ist auch die Herrichtung der Räume der ehemals japanischen Schule abgeschlossen. Zukünftig werden außerdem bald die begonnenen Neugestaltungen der Außenanlagen weiter fortgesetzt.