7. Kulturspaziergang

Eine der Villen des Architekten Gustav Lilienthal

Eine der Villen des Architekten Gustav Lilienthal

„Die historische Villenkolonie Lichterfelde“

Am 2. September 2023 führte der 7. Kulturspaziergang unter dem Titel „Die historische Villenkolonie Lichterfelde“, geführt von Bezirksstadträtin für Bildung, Kultur und Sport Frau Richter-Kotowski, die Teilnehmenden in die Villenkolonie Lichterfelde West. Der Spaziergang startete am S-Bahnhof Lichterfelde West. Das Bahnhofsgebäude wurde im toskanischen Landhausstil errichtet. Früher diente das Bahnhofsgebäude ebenfalls als Wohnort der Bahnhofsvorsteher und deren Familien. Ein Teil des Bahnhofes fungierte als Militärbahnhof für die Alliierten.

Weiter ging es dann am West-Bazar, dem letzten Beispiel für ein zentrales Versorgungszentrum aus der Gründerzeit in Berlin, vorbei zum Emisch-Haus. Das Haus wurde gebaut und bemalt vom Architekten Wilhelm Sander. Die Wandmalerei stellt die Bibelgeschichte der Arche Noah dar. Das Haus ist seit 1900 im Familienbesitz der Emisch-Familie. Diese ergänzte die Wandmalereien unter anderem durch ihr Familienwappen: die Tochter, die eine Sonne in ihren Händen hält.

Anschließend wurde in die Baseler Straße eingebogen. In der Baseler Straße 13 findet sich das ehemalige israelitische Lehrerinnenwohnheim, eine Einrichtung in der erwerbsunfähige Lehrerinnen leben konnten. Vor dem Haus erinnern Stolpersteine an die ehemaligen Bewohnerinnen Martha Stein, Bianca Abraham, Margarete Arnheim und Johanna Berg.

Nach Erreichen des Karlplatzes, benannt nach Prinz Carl von Preußen, ging es weiter in den Kadettenweg. Dieser beschreibt die Strecke, die die ehemaligen Kadetten vom Bahnhof bis hin zur Kadettenanstalt ablegten. Ein weiteres Andenken an die Kadettenanstalt findet sich auf dem Paulinenplatz. Auf diesem steht ein Gedenkstein, welcher von den letzten lebenden Absolventen der Kadettenanstalt errichtet wurde. Die Jahreszahlen auf dem Stein stehen für das erstmalige Gründungsjahr unter König Friedhelm Wilhelm I. und dem Jahr der beginnenden Auflösung. Der Paulinenplatz wurde 2020 von den Anwohnerinnen und Anwohnern, unter Unterstützung der Nachbarschaftsinitiative Paulinenplatz neugestaltet und bepflanzt.

Auf weiterem Weg den Kadettenweg hinunter, kommt man am Kunsthaus der Achim-Freyer-Stiftung vorbei. Seit 2012 stellt hier Achim Freyer sein privates Wohnhaus zur Verfügung, um verschiedene Künstler und Werke auszustellen. Die Sammlung vereint Werke in allen Kunstformen und reicht vom 19. bis hin zum 21. Jahrhundert.

Einen weiteren Hingucker in der Villenkolonie bildet die Marthastraße. Viele Häuser in der Straße wurden vom berühmten Architekten Gustav Lilienthal gebaut. Die Bauten sind inspiriert vom Tudor-Stil und verziert mit Zinnen, Spitzbogenfenstern und angedeuteten Zugbrücken. Um Leute nach Lichterfelde zu locken, stellte Liebermann sein eigenes Wohnhaus zur Besichtigung aus, damit sich Leute ein Bild vom Leben in Lichterfelde machen konnten. 16 der Bauten Lilienthals stehen heute unter Denkmalschutz.

Die ehemalige Kadettenanstalt war integraler Teil von Lichterfelde. 1865 wurden die Gutsdörfer Lichterfelde und Giesensdorf vom Unternehmer Johann Anton Wilhelm von Carstenn erworben und zusammengelegt. Dies war der Grundstein in der Errichtung der Villenkolonie Lichterfelde West. Um mehr Menschen nach Lichterfelde West zu locken verschenkte Carstenn über 20 Hektar Land. Bedingung für die Schenkung war allerdings, dass die Kadettenanstalt nach Lichterfelde verlegt werden sollte. Und so wurde in der Finckensteinallee von 1873-1878 die preußische Kadettenanstalt errichtet. Hier wurde der Nachwuchs des Militärs ausgebildet. Nach Abschluss des Versailler Vertrages verlor die Anstalt allerdings ihre Daseinsberechtigung, denn der Vertrag schrieb eine drastische militärische Abrüstung vor. 1933 wurde das Gebäude zur „Leibesstandarte SS Adolf Hitler“, bis es 1945 von amerikanischen Besetzungssoldaten übernommen wurde. Seit 1995 wird das Gebäude als Bundesarchiv genutzt. Das Bundesarchiv sichert die Überlieferung wichtiger Kultur und Medien, sofern sie einen bleibenden Wert für die Erforschung der deutschen Geschichte oder wichtige Informationen für Gesetzgebung, Verwaltung oder Rechtsprechung haben.

Nach Besichtigung des Bundesarchivgebäudes wurde der Rücktritt zum S-Bahnhof Lichterfelde West angetreten. Eingebogen wurde in die Kommandatenstraße. Dort liefen die Spaziergangsteilnehmenden unter anderem an der Clemens-Brentano-Grundschule, der Johanneskirche und der historischen Villa Holzhüter vorbei. Ebenfalls besucht wurde das Rother-Stift. Die Stiftung wurde 1840 vom preußischen Minister Christian Rother gegründet. Sie sollte unverheirateten Frauen im Alter eine Unterkunft bieten. Das Gebäude wurde vom Architekten Alfred Kärner im Stil der Backsteingotik errichtet. Vor dem Stift in der Kommandatenstraße 9 befindet sich ein Stolperstein für Betti Kierski, eine jüdische Frau, die in der Stiftung lebte und 1938 zum Verlassen gezwungen wurde.

Große Abschnitte der abgelaufenen Strecke des Spazierganges waren zu Zeiten der Bebauung der Villenkolonie mit Schienen ausgelegt. Carstenn ließ diese für den Bau der Kadettenanstalt legen. Werner Siemens und Johann Halske entwickelten gemeinsam eine elektrische Bahn, die 1881 dann als erste Straßenbahn der Welt auf den Schienen Lichterfelde Wests fuhr.

Eindrücke des 7. Kulturspaziergangs

  • S-Bahnhof Lichterfelde West

    Start des Kulturspaziergangs am S-Bahnhof Lichterfelde West

  • West-Bazar

    West-Bazar

  • Teilnehmende vor der Gedenktafel der Kadettenanstalt

    Teilnehmende vor der Gedenktafel der Kadettenanstalt

  • Paulinenplatz

    Paulinenplatz

  • Teilnehmende des Kulturspaziergangs vor dem Gedenkstein Kadettencorp

    Teilnehmende des Kulturspaziergangs vor dem Gedenkstein Kadettencorp

  • Spaziergangsteilnehmende vor der Clemens-Brentano-Grundschule

    Spaziergangsteilnehmende vor der Clemens-Brentano-Grundschule

  • Blick auf die Johanneskirche

    Blick auf die Johanneskirche

  • Rother-Stift

    Rother-Stift