Durch ihre herrliche Lage inmitten einer fast unberührten Natur und mit ihren romantischen Bauten ist die Pfaueninsel eines der beliebtesten Ausflugsziele im Südwesten Berlins, und das nicht nur im Sommer. Das gilt sowohl für die Anwohner aus Zehlendorf und Steglitz als auch für Berlin-Touristen, für die die romantische Insel eines der Highlights im Berlin-Programm ist. Dass man für einen Besuch der Pfaueninsel das Auto stehen lassen und sich – wie zu alten Zeiten – per Fähre und auf Schusters Rappen auf den Weg machen muss, ist dabei ein ganz besonderer Reiz.
Die unvergleichliche Lage der Insel begeistert nicht nur die heutigen Besucher, sondern hat bereits im späten 18. Jahrhundert das Interesse des preußischen Königs Friedrich Wilhelm II. geweckt. Zwar war das kleine Eiland schon vorher im fürstlichen Besitz gewesen – der große Kurfürst hatte hier im Jahr 1683 ein Kaninchenhegerhaus installiert, was der Insel den Namen Kaninchenwerder eintrug, und kurze Zeit später wirkte hier der Alchimist des Kurfürsten, Johann Kunckel – doch erst unter Friedrich Wilhelm II., dem Neffen und Nachfolger Friedrichs d. Großen, begann der eigentliche Aufstieg der Pfaueninsel.
Der Wunsch des Monarchen, den von ihm am Ufer des heiligen Sees in Potsdam angelegten Neuen Garten zu erweitern, führten 1793 zum Kauf des Kaninchenwerder. (Auszug aus einer Kabinettsorder des Königs an Minister von Struensee: „Zu dem Amte Bornstedt gehört eine in der Havel liegende Insel, genannt der Caninchenwerder, welche ich der Lage halber zu einigen Anlagen selbst übernehmen will.“) Damit war der Plan geboren, den Neuen Garten nicht „an Land“ zu vergrößern, sondern ihm gleichsam über Jungfernsee und Havel hinaus ein Pendant mitten im Wasser zu geben – ein Pendant, zu dem man sich romantisch per Gondel oder Boot hinüber fahren lassen konnte. Diese Idee wurde zügig realisiert, und schon bald schmückten verschiedene Architekturen die kleine Insel. Maßgeblich beteiligt an den Planungen war die Mätresse des Königs, Wilhelmine Encke, die 1796 in den Stand einer Gräfin Lichtenau erhoben wurde. Bereits im Frühjahr des Jahres 1794 wurde mit dem Bau des Schlosses begonnen, für den der Potsdamer Zimmermeister Johann Gottlieb Brendel verantwortlich zeichnete. Außergewöhnlich ist, dass beim Bau des Schlosses weder das Hofbauamt in Potsdam noch das Oberhofbauamt in Berlin eingeschaltet worden waren. Nach der Ansiedlung von Pfauen, deren prächtiges Gefieder seit alten Zeiten ein Symbol für Macht und Herrschaft waren, erhielt das Eiland seinen heutigen Namen.
Das kleine Schloss trug früher übrigens eine andere Bezeichnung: 1798 nannte man es „Römisches Landhaus“. Die Wahl des Bauplatzes an der westlichen Inselspitze erklärt sich daraus, das „Landhaus“ als ferne Vedute aus der Umgebung des Marmorpalais im Neuen Garten erleben zu können und der Insel an dieser Stelle ein unverwechselbares Aussehen zu geben. Anregung zu dem in Fachwerktechnik gebauten Schlösschen mit seiner charakteristischen Fassade, deren Türme durch eine Brücke verbunden sind, lieferte wahrscheinlich ein in der Bibliothek des Königs vorhanden gewesene Ansicht der Insel Capri, auf der eine ähnliche Situation abgebildet ist.
Stellt sich das Äußere des Schlosses bewusst als Ruine dar – das dritte Stockwerk ist scheinbar untergegangen und erinnert an die Vergänglichkeit allen Menschenwerks – überrascht das Innere durch die elegante und vom hohen Geschmack und künstlerischem Können zeugende Ausstattung. Das Besondere ist, dass die von der Gräfin Lichtenau bestimmte Dekoration und Möblierung bis auf den heutigen Tag unverändert erhalten geblieben ist. Die Zeit Friedrich Wilhelms III. hat diesem Interieur nur wenig hinzugefügt. Nach 1840 wurde das Schloss nicht mehr bewohnt – ein Glücksfall, dem zu verdanken ist, dass wir noch heute die originale Ausstattung bewundern können. Darunter ist besonders das Otaheitische Kabinett hervorzuheben, das durch seine Ausstattung bewusst an eine Bambushütte aus der Südsee erinnert. In dem Kabinett zeigt sich auf das Schönste die am Ende des 18. Jahrhunderts in Mode gekommene Sehnsucht nach fernen Ländern und nach einem ursprünglichen, scheinbar unkomplizierten Leben in ewiger Harmonie.
Nicht minder interessant: Die Meierei, am Ostufer der Insel gelegen, in Form eines eingefallenen, gotischen Gebäudes nach dem Vorbild englischer Gartenarchitekturen. Als Symbol für gesundes Landleben diente die Meierei ebenfalls als Ausdruck für einen unbeschwerten Lebensstil. Neben Meierwohnung und Molkenstube ist der prächtig ausgemalte Gotische Saal Prunkstück der Anlage.
Nach dem Tod Friedrich Wilhelms II. wurde die Pfaueninsel schon bald zu einem beliebten Aufenthaltsort seines Sohnes, Friedrich Wilhelm III., und dessen Gemahlin, der Königin Luise. Das Paar wandelte die Insel in eine gärtnerisch gestaltete Landwirtschaft um. So wurde der bereits seit 1795 bestehenden Meierei 1801 ein Kälberstall im neogotischen Stil angefügt und die Insel mit weiteren Gebäuden versehen. Peter Joseph Lenné und der Hofgärtner Joachim Anton Ferdinand Fintelmann veränderten ab 1816 die bis dahin weit gehend naturbelassene Insel in einen Landschaftspark mit landwirtschaftlichen Nutzflächen.
Ein Besuch auf der Insel lohnt im Sommer wie im Winter. Die Natur bietet ein unvergessliches Erlebnis sowohl in der warmen wie in der kalten Jahreszeit. Und während im Sommer das Schloss besichtigt werden kann, lockt im Winter die Meierei zu einer Stippvisite ein.
Nähere Infos zu Öffnungszeiten und Eintrittspreisen erhalten Sie im Besucherzentrum der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), Telefon (0331) 9694202 oder im Internet unter www.spsg.de
Mehr Lust auf Garten?
Pfaueninsel, Glienicke, Sanssouci… Wer mehr über die großen Gartenkünstler der Berlin-Potsdamer Kulturlandschaft wie z.B. Lenné oder Fintelmann wissen möchte, kann sich ab April 2006 im neu eingerichteten Hofgärtnermuseum Glienicke eingehend informieren. Besucher erfahren hier, wie die Menschen, die diese prachtvollen Parks und Gärten für die preußischen Könige und deutschen Kaiser schufen, lernten und lebten. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) präsentiert in einer Daueraustellung im Schloss Glienicke viel Interessantes und Wissenswertes über die königlichen Hofgärtner. Pläne und Skizzen, Gegenstände aus dem persönlichen Besitz, Porträts, historische Gartengeräte und vieles mehr veranschaulichen den Rang und das hohe Ansehen, das die Gartenkünstler „bei Hofe“ genossen. Es ist das erste Museum in Europa, das sich der Geschichte des Berufsstandes der Gärtner und des Spektrums seiner praktischen und theoretischen Tätigkeiten widmen wird.
Text: Ulrich Henze