Wie Steglitz ist auch Zehlendorf 1920 durch das Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlins als Verwaltungseinheit aus mehreren gewachsenen Orten geschaffen worden. Das alte Dorf und die spätere Landgemeinde Zehlendorf war der Namensgeber eines artifiziellen Gebildes, zu dem drei weitere Landesgemeinden und fünf Gutsbezirke zusammengefasst wurden. Es hat eine eigene Geschichte, die im folgenden kurz dargestellt werden soll:
Im Jahre 1992 feierte der Bezirk seinen 750. Geburtstag. Er berief sich dabei auf eine 1242 ausgestellte Urkunde, die den Verkauf des Dorfes durch die damals gemeinsam regierenden Landesherren Johann I. und Otto III. an die Zisterzienser Mönche von Lehnin für 300 Mark Silber bezeugte und denen es bis zur reformationsbedingten Auflösung im Jahre 1542 gehörte.
Die Lehniner Mönche hatten sich so 1242 einen Stützpunkt auf ihrem Weg zu den Barnimer Besitzungen des Klosters geschaffen. Die Menschen, die hier ackerten und wirtschafteten, kamen aus der nächsten Umgebung. Sie hatten sich rund 40 Jahre zuvor bei der Gründung mehrerer Dörfer in dieser Gegend eingefunden. Diese später „wüst“ gewordenen Ansiedlungen waren vermutlich aus strategischen Gründen von den Askaniern zur Sicherung gegen die Markgrafen von Meißen angelegt worden. Die Zisterzienser gaben der Neugründung neben der Kirche eine landwirtschaftlich erprobte Struktur, einen Dorfkrug, eine Mühle und eine Schmiede.
Die Zehlendorfer Feldmark, die 1251 durch den Zukauf von Krummensee mit der dort befindlichen Ansiedlung erheblich erweitert wurde, garantierte den Lebensunterhalt von etwa 140 Menschen.
Die drei Seen, Tusen (Nikolassee), Schlachtensee und Krumme Lanke, versorgten das Dorf mit Fisch für die Speisetafel und mit Reet zum Dachdecken. Die im Westen bis zur Havel und den Wannsee reichenden leichten Böden lieferten Holz und dienten als Weideflächen. Die vornehmlich im Osten gelegenen fruchtbaren Lehm- und Mergelböden wurden nach dem System der Dreifelderwirtschaft genutzt.
300 Jahre lang (bis 1542) verwalteten die Mönche den Ort, bis im Zuge der Reformation die kirchlichen Besitzungen eingezogen wurden und Zehlendorf unter die Verwaltung des Kurfürstlichen Amtes Mühlenhof kam. Seit dieser Zeit waren die Brandenburgischen Kurfürsten und später die Preußischen Könige Kirchenpatrone der Dorfkirche. Nach den Bevölkerungsverlusten und dem wirtschaftlichen Niedergang während des 30-jährigen Krieges (1618 – 1648) erholte sich das kleine Dorf recht schnell, der Landreiter Klienitz meldete 1652 bereits wieder 12 Bauern und 6 Kossäten. Eine vom „Amt“ verordnete „Gemeine Dorf Ordnungk“ definierte nach den Kriegswirren in 51 Paragrafen verbindliche Moral- und Rechtsgrundsätze. Wie zum Beweis des Erfolgs der neuen Ordnung beginnt das älteste noch erhaltene Kirchenbuch ebenfalls in diesen Jahren!
Mit dem Bau des Schlosses in Potsdam wurde die Stadt an der Havel zur zweiten Residenz der Hohenzollern. Der damit verbundene Verkehr zwischen den Höfen wertete Zehlendorf, das genau auf der Hälfte des Weges liegt, auf. Friedrich II. vertrat sich auf dem Zehlendorfer Anger die Beine, wenn er auf den Pferdewechsel wartete, er sprach die Bauern an und bestimmte, dass die mittelalterliche Feldsteinkirche durch einen leichten und lichten achteckigen Bau ersetzt wurde. Sein Neffe ließ später die erste preußische Chaussee (die sog. Steinbahn) zwischen den Residenzen errichten und beschleunigte damit den Kutschverkehr auf eine rasante Reisegeschwindigkeit von 10 km/h.
Über Glienicke und die Pfaueninsel erreichte im 19. Jahrhundert das „Preußische Arkadien“ mit seinen Ausläufern, dem Jagdschloss Dreilinden und dem Rittergut Düppel, fast das friederizianische Kirchlein in Zehlendorf-Mitte.
Mit dem Bau der ersten Preußischen Eisenbahn 1838/39 Potsdam – Zehlendorf – Berlin („Jungfernfahrt“: 22.09.1838) war der Grundstein für die Entwicklung eines Berliner Vororts im Westen gelegt. Leicht und schnell erreichbar wurde es 35 Jahre später möglich, in der Stadt zu arbeiten und auf „dem Lande“ zu leben. Neben dem Bau der Eisenbahn, waren es vor allem zwei Reformen, die dies ermöglichten: erstens wurde der Grundbesitz in einem „Separation“ genannten Prozess neu geordnet und den Bauern das Land zu eigen übertragen und zweitens eine neue Landgemeindeordnung verabschiedet, die ab 30.07.1872 auch für Zehlendorf galt und die schrittweise Verwirklichung der Selbstverwaltung zur Folge hatte.
Terraingesellschaften begannen ganze Bauerngüter aufzukaufen, um sie parzelliert und zum Teil fertig bebaut an zahlungskräftige Kunden aus Berlin zu veräußern. Große Landhäuser berühmter Architekten, Villen des mittleren und höheren Beamtentums und später Genossenschaftssiedlungen für weniger „Betuchte“ bis zu den großen Komplexen der modernen Wohnungsbaugesellschaften kennzeichnen die bauliche Entwicklung von der Gründerzeit bis heute. Viele der renommiertesten deutschen Architekten ihrer Zeit wohnten hier nicht nur, sondern verwirklichten auch ihre Bauten: Hermann Muthesius mit seinen nach englischem Vorbild erbauten großen Landhäusern gehört ebenso dazu wie Bruno Taut mit seinen baugeschichtlich bahnbrechenden Großsiedlungen am Rande des Grunewalds. Für sie alle galt die damals ausgesprochene Devise, man könne in Zehlendorf die Freuden und Annehmlichkeiten des Landlebens genießen, ohne den Komfort der Großstadt zu entbehren.
Nach den ersten Versuchen um 1910, die Wucherungen der Stadt steuernd zu organisieren, wurde 1920 der Umfang der Berliner Stadtgemeinde neu beschlossen: Die Landgemeinden im Südwesten Zehlendorf, Wannsee und Nikolassee, sowie die Gutsbezirke Dahlem, Kleinglienicke, Pfaueninsel und nördlicher Potsdamer Forst bildeten den 10. Berliner Verwaltungsbezirk Zehlendorf. Später kamen noch Schwanenwerder und das Gut Düppel hinzu. Durch Gebietsabtretung bildete seit 1938 der Dahlemer Weg die Grenze zu Steglitz.
Die Zehlendorfer Gemeindeverwaltung residierte seit 1876 im alten Schulhaus, das mit Fertigstellung einer neuen Gemeindeschule frei geworden war. Durch zwei Anbauten, den wachsenden Bedürfnissen der Verwaltung notdürftig angepasst, gab die Gemeinde in dieser Zeit ihr selbst verwaltetes Geld lieber für große Schulbauten aus. Erst 1929 konnte der Bezirksbürgermeister ein standesgemäßes Amtszimmer im neu erbauten Rathaus beziehen. Schon 1934 war das stattliche Gebäude in der Kirchstrasse / Ecke Teltower Damm nur noch eine Hülle, die Bezirksverordnetenversammlung wurde aufgelöst, ebenso das Bezirksamt. An die Stelle der demokratisch gewählten Gremien traten sechs Bezirksbeigeordnete, die dem nationalsozialistischen Bürgermeister unterstellt waren.
Auch die dunklen Zeiten der Geschichte gingen nicht spurlos an Zehlendorf vorbei, da hier nicht nur wie anderswo jüdische Mitbürger verfolgt wurden, sondern im Bezirk auch NS-Stellen angesiedelt waren, deren Existenz Auswirkungen auf ganz Europa hatte. So wurde im Haus der Wannsee-Konferenz 1942 die „Endlösung der Judenfrage“ in die Wege geleitet. Im Dahlemer Institut für Anthropologie wurden rassistische Menschenversuche angestellt und im Reichsgesundheitsamt die Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma pseudowissenschaftlich unterstützt.
Am 22.04.1945 bereitete sich die 1. Ukrainische Front unter Marschall Konjew auf die Überwindung des Teltowkanals in breiter Front vor. Nach dem Scheitern eines ersten Angriffs im Bereich Lichterfelde gelang am 24.04.1945 an der Fritz-Schweitzer-Brücke ein erster Brückenschlag, und mittags erreichten die sowjetischen Panzer Zehlendorf Süd.
Im September 1945 trat dann ein neues Verwaltungsstatut in Kraft und 1946, nach freien Wahlen, nahmen das Bezirksamt und ein gewählter Bürgermeister die nun wiederhergestellte Selbstverwaltung auf. Unmittelbare Folge der Ausweitung der Verwaltung und der Bezirksparlamente waren die Rathauserweiterungsbauten von 1953/54 und 1971.
Vom Juni 1945 bis zu ihrem Abzug 1994 prägten die amerikanischen Truppen das Bild Zehlendorfs: Kasernen, Headquarter, Versorgungseinrichtungen, Wohnquartiere, Schulen und Freizeitbereiche waren im Bezirk allgegenwärtig. Ein jährlicher Höhepunkt war das deutsch-amerikanische Volksfest, bei dem sich Berliner mit der American Community feiernd begegnen konnten. Inzwischen gibt es die Truman Plaza nicht mehr und Wohnungen für „gehobene Ansprüche“ zieren die aufgelassenen Militärstandorte.
Nicht zuletzt seit Berlin Bundeshauptstadt ist, fanden viele Bonner im Bezirk ein neues Zuhause, wodurch der jahrzehntelang spürbare American Way of Life, der auch heute noch durch eine große deutsch-amerikanische Schule vermittelt wird, inzwischen durch rheinische Lebensart ergänzt wird.
Kanalisierte Zehlendorf während der Mauerzeit die Verkehrsströme der „Halbstadt“ mit Westdeutschland über den Grenzkontrollpunkt Dreilinden, änderte sich die Lage nach der Maueröffnung total: alte Verbindungen mit Kleinmachnow und ins Umland wurden reaktiviert, Zehlendorf rückte aus der Randlage wieder in seine „historische Mitte“ als Ort auf halber Strecke zwischen Berlin und Potsdam.
Im Rahmen der Berliner Bezirksreform wurde Zehlendorf am 01.01.2001 mit seinem Nachbarbezirk Steglitz fusioniert.
(Text: Heimatverein Zehlendorf)