1920 wurde per Gesetz die neue Stadtgemeinde Berlin geschaffen, in der sieben Städte, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke mit Berlin zu einer neuen Verwaltungseinheit zusammengefasst wurden, die eine einheitliche Verwaltung und ausreichende Versorgung der sich immer weiter ausdehnenden deutschen Hauptstadt gewährleisten sollte. Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes wuchs Berlin über Nacht auf die 13-fache Größe an. Allerdings waren längst nicht alle eingemeindeten Kommunen und Bürger mit der gesetzlich beschlossenen Aufgabe ihrer oft Jahrhunderte alten Selbständigkeit einverstanden, da sie einen Verlust der kommunalen Identität und Selbstbestimmung befürchteten. Um dem entgegenzuwirken, erhielt die neue Großgemeinde eine eine zweigliedrige Verwaltung: den Magistrat (heute: Senat), der übergeordnete städtische Aufgaben hat und 20 Bezirke, in denen örtliche, die Bürger direkt betreffende Verwaltungsaufgaben wahrgenommen werden.
Die bezirkliche Verwaltung wiederum ist zweigeteilt: das Bezirksamt (mit dem Bezirksbürgermeister und den Stadträten sowie deren Dezernaten) und die Bezirksverordnetenversammlung, in deren Zusammenwirken das bezirkliche Leben geregelt wird. Die Existenz, Aufgaben und Befugnisse der Bezirksverordnetenversammlungen der mittlerweile nur noch zwölf Berliner Bezirke werden in den Artikeln 69 bis 77 der Verfassung von Berlin festgelegt. Darin heißt es u.a.:
In jedem Bezirk wird eine Bezirksverordnetenversammlung gewählt. Diese wird in allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahl zur gleichen Zeit wie das Abgeordnetenhaus von den Wahlberechtigten des Bezirks gewählt.
Die BVV besteht aus 55 Mitgliedern. Sie setzt zur Mitwirkung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben Ausschüsse ein. Diesen können neben Mitgliedern der BVV auch Bürgerdeputierte angehören. Die Bürgerdeputierten werden von der BVV gewählt; sie sind Inhaber von Ehrenämtern. Sie wählt die Mitglieder des Bezirksamts.
Die BVV ist Organ der bezirklichen Selbstverwaltung; sie übt die Kontrolle über die Verwaltung des Bezirks aus, beschließt den Bezirkshaushaltsplan und entscheidet über die ihr zugewiesenen Angelegenheiten.
Für die Arbeit der BVV ist die letztgenannte Bestimmung die wichtigste. Anders als der Bundestag oder das Abgeordnetenhaus ist die BVV kein “echtes” Parlament, das Gesetze und Verordnungen verabschieden könnte, sondern “Teil der Verwaltung”. Die Zuständigkeiten, die ihr dabei jedoch gegeben werden, zeigen, für wie wichtig und unverzichtbar der Gesetzgeber die BVV hält.
Wenn auch das Bezirksamt die eigentliche Verwaltungsbehörde des Bezirks ist, so hat die BVV die Aufgabe, das Verwaltungshandeln des Bezirksamts durch entsprechende Beschlüsse anzuregen (Initiativrecht) und zu kontrollieren (Kontrollrecht). Außerdem kann sie über alle Angelegenheiten vom Bezirksamt jederzeit Auskunft verlangen (Auskunftsrecht). Darüber hinaus wählt sie das andere Organ der bezirklichen Selbstverwaltung, das Bezirksamt, d.h. den Bezirksbürgermeister und die Stadträte, und kann diese ggf. auch wieder abberufen.
Im Gegensatz etwa zum Bundestag sind die Bezirksverordnenten keine Berufspolitiker, sondern “Feierabendpolitiker”, die sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich zum Wohle des Bezirks engagieren. Diese Arbeit ist zeitaufwändig, da sie nicht nur mit regelmäßigen Sitzungen der Fraktionen, Fachausschüsse und der BVV selbst verbunden ist, sondern weil die Belange des Bezirks auch außerhalb dieser Tagungen das Engagement und Interesse der Bezirksverordneten in Anspruch nehmen (Gespräche mit Bürgern, Erkundungsfahrten zu “Problemstellen” des Bezirks usw.).
Bei den Bürgerdeputierten, die in der Verfassung von Berlin ausdrücklich für die Mitarbeit in den Ausschüssen vorgesehen sind, handelt es sich um sachkundige Bürger, die die Bezirksverordneten in den Gremien durch ihr spezielles Fachwissen und ihre Erfahrung unterstützen (und bei Abstimmungen mitstimmen dürfen).
Neben den Fachausschüssen, die spezielle Teilbereiche des bezirklichen Lebens erörtern und Abstimmungsempfehlungen für die gesamte BVV aussprechen, ist der Ausschuss für Eingaben und Beschwerden ein Gremium, an das sich die Bürger direkt wenden können, wenn sie mit Handeln und Auskünften der Verwaltung, die ihre Person betreffen, unzufrieden sind.
All diese Aufgaben und Zuständigkeiten der BVV zeigen, dass sie vom Gesetzgeber als ein wichtiges Organ vorgesehen ist, um den Bürgern Möglichkeiten der Mitgestaltung ihres direkten Lebensumfeldes zu geben. Diese Bürgernähe wird auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass seit einigen Jahren auch im Bezirk ansässige Bürger aus den anderen Staaten der Europäischen Union an den Wahlen zur BVV teilnehmen können.
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Bürger die Möglichkeit nutzen sollten, über die BVV aktiv an der Gestaltung des bezirklichen Lebens teilzunehmen. Wer Interesse hat, selbst als Bezirksverordneter oder Bürgerdeputierter ehrenamtlich für seinen Bezirk tätig zu sein, kann dies über die Parteien in die Wege leiten. Wer die Arbeit der Bezirksverordneten in den Gremien beobachten möchte, kann dies als Gast in der Bezirksverordnetenversammlung und den meisten Ausschüssen tun, die alle in der Regel einmal im Monat im Rathaus Zehlendorf tagen.