05/2024-KAZIMIERZ DOLNY/PONIATOWA/NALECZÓW – Dreimal polnische Gastfreundschaft

Blick über Kazimierz Dolny vom Berg des Franziskanerklosters

Blick über Kazimierz Dolny vom Berg des Franziskanerklosters

Kazimierz Dolny, Poniatowa und Naleczów / Mai 2024

Immer wenn ein neuer Bundeskanzler oder Bundespräsident gewählt wird, registriert die interessierte Öffentlichkeit sehr genau, wohin ihn seine erste Auslandsreise führt. Dahinter steht die Vermutung, dass mit der Wahl des Ziellandes auch eine programmatische Aussage über mögliche Prioritäten verbunden sei. Bei Vereinen, die auf Bezirksebene aktiv sind, wird zwar nicht ganz so genau hingeschaut, aber ein bisschen ist es auch hier so wie auf der großen politischen Bühne. Sebastian Leskien, neuer Vorsitzender des Städtepartnerschaftsvereins Steglitz-Zehlendorf e.V., hatte sich Polen als Ziel der ersten Auslandsreise seit Amtsantritt ausgesucht. Mit Kazimierz Dolny, Poniatowa und Naleczów verfügt Steglitz-Zehlendorf über nicht weniger als drei offizielle Partnerstädte, die zudem geographisch auch recht nahe beieinanderliegen.

Die ersten vier Tage der vom Städtepartnerschaftsverein ausgeschriebenen Bürgerreise (12. bis 18. Mai 2024) waren den polnischen Partnerstädten gewidmet, ehe sie mit einem zweitägigen Besuch der ehemaligen königlichen Residenzstadt Krakau ausklang. Der Vorstand des Städtepartnerschaftsvereins wurde neben dem Vorsitzenden personell durch Beisitzerin Olga Pischel vertreten, das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf entsandte Bezirksstadtrat a.D. Michael Karnetzki.

Städtepartnerschaftsvereinsvorsitzender Leskien und Vorstandsmitglied Pischel auf dem zentralen Marktplatz in der historischen Altstadt von Kazimierz Dolny

Städtepartnerschaftsvereinsvorsitzender Leskien und Vorstandsmitglied Pischel auf dem zentralen Marktplatz in der historischen Altstadt von Kazimierz Dolny

Gratulation zur Wiederwahl

„Ich freue mich, dass der Städtepartnerschaftsverein Steglitz-Zehlendorf im Mai eine Bürgerreise nach Polen organisieren wird, bei der auch Ihre schöne Stadt besucht wird“, hatte Bezirksbürgermeisterin Maren Schellenberg im Vorfeld der Reise an ihre drei Amtskollegen Artur Pomianowski (Kazimierz Dolny), Pawel Karczmarcyk (Poniatowa) und Wieslaw Pardyka (Naleczów) geschrieben. In den wortgleichen Briefen vom 3. Mai 2024 gratulierte sie den Bürgermeistern „im Namen des gesamten Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf und der Bürgerinnen und Bürger des Bezirks“ auch zu deren Wiederwahl bei den polnischen Kommunalwahlen vom 7. April 2024.

Erste Etappe: Kazimierz Dolny

Die am östlichen Weichselufer gelegene historische Kleinstadt ist Sebastian Leskien zufolge „die vermutlich pittoreskeste Künstlerstadt Polens“ und besticht durch zahlreiche Renaissancebauten. Unter unseren drei polnischen Partnerkommunen ist sie der unbestreitbar größte Touristenmagnet.

Weitreichende Pläne zur Umgestaltung der Altstadt entwickelt derzeit die Stadtpolitik von Kazimierz Dolny. Man wolle die Stadt autofrei und für den Fahrradverkehr attraktiver machen, konkretisierte Vizebürgermeister Bartlomiej Godlewski am 13. Mai 2024 bei einem Empfang der Delegation aus Steglitz-Zehlendorf. Außerdem beabsichtigt man, noch mehr Touristen in die Stadt zu locken als ohnehin schon. Durch den Ausbau der Hotelinfrastruktur sollen sie zum Übernachten animiert werden. Bislang ist Kazimierz Dolny überwiegend Ziel von Tagestouristen. In enger Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz arbeitet die Stadt schließlich an der Sanierung der historischen Gebäudefassaden.

Delegation aus Steglitz-Zehlendorf vor der Partnerschaftstafel in Poniatowa. Rechts neben dem Schild Sebastian Leskien, Vorsitzender des Städtepartnerschaftsvereins, ganz rechts im Bild Bezirksstadtrat a.D. Michael Karnetzki

Delegation aus Steglitz-Zehlendorf vor der Partnerschaftstafel in Poniatowa. Rechts neben dem Schild Sebastian Leskien, Vorsitzender des Städtepartnerschaftsvereins; ganz rechts im Bild Bezirksstadtrat a.D. Michael Karnetzki

Zweite Etappe: Poniatowa

Die zweite Stadt im Besuchsprogramm des Städtepartnerschaftsvereins war die historisch jüngste unter den drei polnischen Partnerkommunen. Erst 1937 an der Stelle eines gleichnamigen Dorfes errichtet, wurde Poniatowa zum Industriestandort ausgebaut, wobei die Montage von Funkgeräten besonders bedeutsam war. Der Produktionsstart fiel mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs zusammen; ab November 1941 richteten die nationalsozialistischen Besatzer auf dem Werksgelände ein Lager für sowjetische Kriegsgefangene ein, aus dem später ein Arbeitslager für Juden wurde. Mit dem Euphemismus „Aktion Erntefest“ verbindet sich eine der schwärzesten Stunden der NS-Besatzungsgeschichte: Im November 1943 fand eine Massenhinrichtung statt, bei der Tausende jüdische Opfer den Tod fanden. Die Delegation aus Steglitz-Zehlendorf ließ es sich nicht nehmen, zwei Kerzen an den Orten des Gedenkens niederzulegen.

Noch 2024 soll ein neues historisches Museum an das Schicksal russischer und jüdischer Zwangsarbeiter, sowie an die „Aktion Erntefest“ erinnern. Erbaut werden soll es im Randgebiet von Poniatowa; die auf dem ehemaligen Lagergelände noch vorhandene historische Infrastruktur wird in die Museumsarchitektur integriert.

14. Mai 2024: Empfang einer Delegation aus Steglitz-Zehlendorf im Rathaus Poniatowa; hinten rechts Vizebürgermeisterin Poniatowska, daneben Bürgermeister Karczmarcyzk, Mitte hinten Bezirksstadtrat a.D. Karnetzki, links daneben Städtepartnerschaftsvereinsvorsitzender Leskien

14. Mai 2024: Empfang einer Delegation aus Steglitz-Zehlendorf im Rathaus Poniatowa; hinten rechts Vizebürgermeisterin Poniatowska, daneben Bürgermeister Karczmarcyzk, Mitte hinten Bezirksstadtrat a.D. Karnetzki, links daneben Städtepartnerschaftsvereinsvorsitzender Leskien

„Der Bürgermeister nahm sich deutlich länger Zeit als ursprünglich angenommen“, berichtet Sebastian Leskien über den Empfang bei Rathauschef Pawel Karczmarcyk und seiner Stellvertreterin Aneta Poniatowska am 14. Mai 2024. Beim gemeinsamen Mittagessen sei „über perspektivische Kooperationsprojekte“ beraten worden. Dazu zählen Schulpartnerschaften ebenso wie Begegnungsformate zwischen Lehrkräften, Jugendlichen und Senioren. Bei einer gemeinsamen Stadtbesichtigung wurde deutlich, wie sehr den politisch Verantwortlichen daran gelegen ist, „die Aufenthaltsqualität der Innenstadt zu verbessern“. Straßen werden neu gebaut oder erneuert. Poniatowa soll für Touristen, aber auch für Gewerbe- und Industrieansiedlungen attraktiver werden. Sehr aktiv ist Poniatowa in der Hilfe für Flüchtlinge aus der benachbarten Ukraine. „Derzeit befinden sich 20 ukrainische Familien vor Ort“, gibt Sebastian Leskien seine Kenntnisse aus erster Hand wieder. Angesichts der russischen Bedrohung plant Poniatowa zudem den Bau neuer Kasernen am Stadtrand, die der Militär- und Soldatenausbildung dienen sollen.

Der Ausflug nach Poniatowa klang mit einem Konzert der „Scholares Minores pro Musica Antiqua“ aus, einem Jugendensemble für mittelalterliche und frühneuzeitliche Musik, das bereits 1975 gegründet wurde.

Viel Wasser in Poniatowa

Viel Wasser in Poniatowa

Historische Holzkirche in Naleczów

Historische Holzkirche in Naleczów

Dritte Etappe: Naleczów

Aller guten Städte sind drei, daher durfte auch Naleczów im Besuchsreigen nicht fehlen. Aufgrund ihrer gesundheitsfördernden Infrastruktur zählt unsere Partnerstadt seit mehr als 150 Jahren zu den beliebtesten Kurorten Polens. Inmitten von Wäldern und Schluchten einer Hochebene gelegen, verfügt die „Gartenstadt“ über eine große Dichte an Villenbauten und einen sehenswerten Kurpark.

Gegenstand eines Gesprächs mit Vizebürgermeisterin Justyna Kuziola und dem Gemeinderatsvorsitzenden Grzegorz Szkola am 15. Mai 2024 waren aktuelle städtebauliche Projekte und mögliche städtepartnerschaftliche Aktivitäten, die man künftig angehen möchte. Viel Geld wird in die Umgestaltung, Erweiterung und Renaturierung des Stadtparks investiert. Das Lieblingsprojekt der stellvertretenden Bürgermeisterin ist ein kunstvoll verzierter Pavillon, der auf einer kleinen Landzunge – genannt „Liebesinsel“ – eingelassen wurde. Generell wird Naleczów als attraktiver Kur- und Gesundheitsstandort weiter ausgebaut, etwa durch die Ansiedlung einer Augenklinik.

Gemeinsame Austauschprojekte mit Steglitz-Zehlendorf will man in den Bereichen Jugendaustausch, Kunst, Umwelt, Kinder- und Seniorenbegegnungen realisieren. Explizit genannt wurden auch Kleingärtnervereine.

Bilanz

„Die Bürgerreise war wirklich sehr gut“, bilanziert Sebastian Leskien den Ertrag des Polentrips. Zwei von drei Partnerstädten hätten zudem die Bereitschaft zu mehr inhaltlicher Kooperation signalisiert. Das sind gute Voraussetzungen, um eine für beide Seiten gewinnbringende deutsch-polnische Zusammenarbeit auf den Weg zu bringen.