Kiriat Bialik / Januar 2024
Zu Beginn des Jahres 2024 mischt sich das Gedenken an die Schrecknisse des Holocaust mit den aktuellen Sorgen um das Schicksal der von Hamas-Terroristen verschleppten israelischen Geiseln und der Sehnsucht nach einer friedlichen Beilegung des Nahostkrieges.
Wie schon in den Vorjahren hat unsere israelische Partnerstadt Kiriat Bialik auch heuer wieder zu einer international besetzten Online-Konferenz eingeladen, an der sich neben hochrangigen Vertretern der gastgebenden Kommune auch Gäste aus mehreren deutschen Partnerstädten beteiligt haben. Aus Steglitz-Zehlendorf zugeschaltet war Bezirksbürgermeisterin Maren Schellenberg. Für Kiriat Bialik saßen Bürgermeister Eli Dukorski und seine Stellvertreterin Revital Schwartz-Svirsky auf dem Online-Podium. Eine Schulklasse aus Kiriat Bialik sorgte für die Einbindung der jungen Generation in das Gedenken. In diesem Jahr fiel der Holocaust-Gedenktag, der 27. Januar, auf einen arbeitsfreien Sabbat. Deshalb hat man die Online-Gedenkveranstaltung auf den darauffolgenden Montag, den 29. Januar 2024, verlegt.
Holocaust-Überlebende erzählt ihre Geschichte
Als Rednerin eingeladen war die Holocaust-Überlebende Miriam Harel. Trotz des traurigen Anlasses war es eine Freude, die hochbetagte Dame bei bester Gesundheit zu erleben. Geboren am 10. November 1924, ist die aus dem polnischen Lodsch stammende Schriftstellerin, Lehrerin und Bibliothekarin stolze 99 Jahre alt. Sie brauche immer noch keine Lesebrille und fühle sich gesundheitlich sehr gut, ließ sie ihr Auditorium wissen. Mit eindringlichen Worten und klarer Stimme schilderte sie den alltäglichen Überlebenskampf im Ghetto von Lodsch, das damals „Litzmannstadt“ hieß. Im August 1944 wurde sie nach Auschwitz-Birkenau deportiert, von dort aus kam sie nach einigen Wochen nach Bergen-Belsen. Seit April 1948 lebt sie in Kiriat Bialik und war dort Zeitzeugin der Staatsgründung Israels im Mai desselben Jahres. Die Tochter eines orthodoxen Rabbiners hatte sechs weitere Geschwister und ist heute die Einzige aus ihrer großen Familie, die noch lebt.
Von zwei Schülerinnen auf die aktuelle Kriegssituation im Nahen Osten angesprochen, wandte sie sich gegen jedes Schwarz-Weiß-Denken, wo die Guten und die Bösen von vornherein feststünden.
So Gott will, wird Miriam Harel auch mit demnächst 100 Jahren ihre Geschichte erzählen: den Schülerinnen und Schülern, aber auch den online zugeschalteten Vertretern aus den deutschen Partnerstädten. „I will come“, zeigte sie sich am Ende der Veranstaltung entschlossen, auch 2025 zur gleichen Zeit am gleichen Ort zu sein, um die Zuhörer an ihrem bewegten Leben teilhaben zu lassen. Die Geschichte des Nationalsozialismus lebt von den vielen Geschichten, die die Überlebenden einer menschenverachtenden Ideologie den späteren Generationen immer noch mitzuteilen haben. Erst recht gilt das im Jahr 1 nach dem 7. Oktober, der das Potential hat, sich für Jüdinnen und Juden weltweit, aber vor allem in Israel, zu einem neuen Trauma zu entwickeln. Antisemitismus und Antizionismus erleben im Zusammenhang mit dem aktuellen Nahostkrieg eine Art „Renaissance“ – auch in den liberalen Demokratien des Westens.