05/2023-SOCHOS-LANGADAS/KÖNIGS WUSTERHAUSEN – Kalos Irthate und Herzlich willkommen: Griechenland und Brandenburg zu Gast in Steglitz-Zehlendorf

Plakat Steglitzer Woche 2023

Sochos-Langadas und Königs Wusterhausen / Mai 2023

Mit rund 325.000 Einwohnern ist Thessaloniki die zweitgrößte Stadt Griechenlands und das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des griechischen Nordens. Gerade einmal 40 km Luftlinie von der Metropole entfernt liegt der 6000-Seelen-Ort Sochos. Seit 1993 ist der Bezirk Steglitz-Zehlendorf mit dieser Kommune „verpartnert“. Infolge einer Verwaltungsreform wurde Sochos im Jahre 2010 Teil der Gemeinde Langadas, die rund 41.000 Einwohner zählt und aus sieben sogenannten „Gemeindebezirken“ besteht. Die Partnerschaft mit Sochos-Langadas jährt sich 2023 bereits zum 30. Mal. Bedeutsame Jubiläen feiert man unter Freunden am besten gemeinsam. In unserem Bezirk dient die Steglitzer Woche traditionell als Bühne für hochrangige städtepartnerschaftliche Begegnungen. Nach gutem Brauch werden offizielle Vertreter aus den Partnergemeinden nicht nur zum Fassbieranstich auf das Festgelände rund um Bäkepark und Teltowkanal eingeladen, sondern auch zum Empfang der Bezirksbürgermeisterin am Vorabend des Festauftaktes.

Empfang am Vorabend der Steglitzer Woche: vorne links Bürgermeisterin Wiezorek (Königs Wusterhausen), daneben in der ersten Reihe Generalkonsul a.D. Stechel und die griechische Delegation unter Leitung von Vizebürgermeister Anastasiadis

Griechische Delegation besucht Steglitz-Zehlendorf

Bezirksbürgermeisterin Maren Schellenberg freute sich sichtlich, die vierköpfige Delegation aus Griechenland am Abend des Anreisetages, dem 25. Mai, willkommen zu heißen. Angeführt wurde die Abordnung von Nikolaos Anastasiadis, der für Kulturangelegenheiten und Sozialpolitik zuständige Vizebürgermeister von Sochos-Langadas. Anna Alvanou vertrat als Generalsekretärin den Stab des Bürgermeisters von Langadas. Barbara Polychroni repräsentierte als Präsidentin des Freundschaftsvereins Sochos die partnerschaftlichen Belange, besonders im Bereich Kulturaustausch.

Die Deutsch-Griechische Versammlung (DGV) ist eine Art Netzwerk deutscher und griechischer Kommunen, die untereinander Partnerschaften pflegen. Ihrem Webauftritt zufolge hat sich die 2010 gegründete Versammlung seither „zu einer der wichtigsten Achsen der Beziehungen der beiden Länder“ entwickelt. Maria Vassiliadu vervollkommnete als Vertreterin des DGV-Büros Thessaloniki die Delegation. Ihren exzellenten deutschen Sprachkenntnissen ist es zu verdanken, dass die Verständigung zwischen griechischer und deutscher Seite reibungslos funktionierte.

25. Mai 2023: Austausch von Gastgeschenken: Bezirksbürgermeisterin Schellenberg (2.v.r.) mit Bürgermeisterin Wiezorek (Königs Wusterhausen) rechts und Vizebürgermeister Anastasiadis aus Sochos-Langadas (Mitte)

35 Jahre Partnerschaft mit Königs Wusterhausen

Zusammen mit den Griechen zum Abendempfang am 25. Mai eingeladen war in diesem Jahr die Bürgermeisterin unserer brandenburgischen Partnerstadt Königs Wusterhausen, Michaela Wiezorek. Mit der südöstlich von Berlin gelegenen Nachbarkommune verbindet uns eine mittlerweile 35-jährige Partnerschaft, beurkundet noch zu DDR-Zeiten (1988-2023). Begleitet wurde Bürgermeisterin Wiezorek von der neuen Partnerschaftsbeauftragten der Stadt Königs Wusterhausen, Kirsten Ohlwein, die zusätzlich den Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verantwortet. Die enge Verbundenheit mit Königs Wusterhausen unterstrich der Gastauftritt von Musikerinnen und Musikern der Kreismusikschule Dahme-Spreewald. Zum Fassbieranstich am Sonnabend entsandte Königs Wusterhausen aufgrund terminlicher Engpässe keine offiziellen Vertreter.

26. Mai 2023 vor dem Gutshaus Steglitz: Bezirksbürgermeisterin Schellenberg (vorne) mit der griechischen Delegation (ganz rechts Vizebürgermeister Anastasiadis) und Generalkonsul a.D. Stechel (ganz links)

Highlights des Besuchsprogramms

Zu Ehren unserer hellenischen Gäste erklangen beim Empfang im Rathaus Zehlendorf auch mehrere Stücke, die man gemeinhin als „typisch griechisch“ wahrnimmt. Damit sich die Griechen nicht nur musikalisch fast wie zu Hause fühlen konnten, hatte das Bezirksamt während des Besuchszeitraums vom 25. bis 27. Mai 2023 ein abwechslungsreiches Besuchsprogramm auf die Beine gestellt.

Fast auf den Tag genau 30 Jahre nach der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde zwischen Sochos und dem Altbezirk Steglitz am 27. Mai 1993 fand erneut ein feierlicher Akt statt, den beide Partner mit ihren Unterschriften besiegelten: Bei einer Zusammenkunft am 26. Mai 2023 im Gutshaus Steglitz trugen sich Vizebürgermeister Anastasiadis und die übrigen Delegationsmitglieder ins Goldene Buch des Bezirks Steglitz-Zehlendorf ein. Mit seiner barocken Pracht zieht das Gutshaus als wohl schönstes Wohnzimmer des Bezirks Besucherinnen und Besucher immer wieder in seinen Bann.

Weitere Glanzlichter des Delegationsbesuchs waren ein Besuch im Gymnasium Steglitz, ein Abstecher in die Domäne Dahlem und ein Empfang in der Hellenischen Gemeinde zu Berlin e.V.

26. Mai 2023 im Guthshaus Steglitz: Generalsekretärin Alvanou trägt sich ins Goldene Buch ein, daneben Barbara Polychroni

Jubiläumseintrag zum 30. Geburtstag der Städtepartnerschaft zwischen Steglitz-Zehlendorf (DE) und Sochos-Langadas (GR)

Staatliche Europaschule Berlin für Neugriechisch (Gymnasium Steglitz)

Brücke zwischen Deutschland und Griechenland: Staatliche Europaschule Berlin

Auf Einladung von Schulleiterin Antje Lükemann hielten sich die Gäste aus Sochos-Langadas am Vormittag des 26. Mai im Gymnasium Steglitz auf, wo die Staatliche Europaschule Berlin mit der Partnersprache Neugriechisch untergebracht ist. Beginnend mit der 7. Jahrgangsstufe, werden Schüler der SESB bis zum Abitur geführt. Noch vor Englisch wird Neugriechisch als erste Fremdsprache unterrichtet. Schon ab der neunten Jahrgangsstufe findet der Unterricht in mehreren Fächern auf muttersprachlichem Niveau statt. Hinzu kommt die Möglichkeit, Altgriechisch als Wahlfach zu belegen. Sollten SESB-Absolventen ein geisteswissenschaftliches Studium in Griechenland anstreben, sind hierfür Kenntnisse des Altgriechischen Voraussetzung.

Karya 1943: Jüdisch-griechische Zwangsarbeit

Einer ganz besonderen Unterrichtsstunde mit historischem Schwerpunkt durften die Besucherinnen und Besucher der SESB beiwohnen: Als Gäste einer elften Klasse waren sie Zeugen einer Diskussion der Schülerinnen und Schüler über die Aufarbeitung der Zwangsarbeitsgeschichte im griechischen Dorf Karya. Jüdisch-griechische Männer aus dem Ghetto Thessaloniki waren 1943 während des Zweiten Weltkriegs zu extrem belastenden Gleisbauarbeiten an der in den Bergen gelegenen Eisenbahntrasse zwischen Thessaloniki und Athen zwangsrekrutiert worden. Fachlich unterstützt wird das derzeit laufende Bildungsprojekt durch das in Berlin ansässige Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit. In diesem Zusammenhang ist für Sommer 2024 eine bilinguale Wechselausstellung zur tödlichen Zwangsarbeit jüdischer Männer aus Thessaloniki geplant, gemeinsam getragen durch das Dokumentationszentrum und die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas.

Im Rahmen eines kurzen ARD-Beitrags kann man sich hier über Karya informieren, das als ein in der kollektiven Erinnerung Deutschlands weitgehend ausgeblendetes deutsches Kriegsverbrechen gilt. Unter dem Titel „Karya 1943 – Tödliche Zwangsarbeit im besetzten Griechenland“ ist bereits 2021 folgender Kurzfilm entstanden.

Sich mit der Vergangenheit kritisch und ehrlich auseinanderzusetzen, ist die Voraussetzung für gelingende Beziehungen in der Zukunft. Insofern ist der Beitrag der SESB und des Dokumentationszentrums nicht hoch genug einzuschätzen.

Berlin ist bundesweit das einzige Land, das nach gleichem Muster ein Netz staatlicher Europaschulen unterhält, jeweils mit einer anderen Partnersprache.

26. Mai 2023: Besuch in der Staatlichen Europaschule für Neugriechisch mit Schulleiterin Lükemann (vorne rechts), Schülerinnen und Schülern verschiedener Jahrgangsstufen, der griechischen Delegation, Generalkonsul a.D. Stechel (hinten rechts) und dem Partnerschaftsbeauftragten des Bezirks, C. Urlaub (hinten Mitte)

Nach der Unterrichtseinheit im Klassenraum trafen sich die Besucherinnen und Besucher, bestehend aus den griechischen Gästen, Bezirksjugendstadträtin Carolina Böhm und Generalkonsul a.D. Walter Stechel, mit einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern aus mehreren SESB-Jahrgangsstufen, um in einen spannenden und lebendigen Austausch zu treten. Der biographische Hintergrund jeden einzelnen Schülers, jeder einzelnen Schülerin, ist so individuell und vielschichtig, wie eben jeder einzelne Mensch seine ganz persönliche Geschichte einbringt und von seinen Lebensumständen beeinflusst ist. Es gibt Schüler mit zwei griechischen Elternteilen, nur einem griechischen bzw. griechischstämmigen Elternteil, oder auch viele Varianten dazwischen.

26. Mai 2023: Anregende und spannende Gespräche mit SESB-Schülern verschiedener Jahrgangsstufen. 2.v.l. Bezirksstadträtin Böhm, daneben Schülleiterin Lükemann; ganz links Generalkonsul a.D. Stechel

Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie eine wertvolle Brücke zwischen den Kulturen sind.

27. Mai 2023: Vorsitzender Matlis der Hellenischen Gemeinde zu Berlin (ganz links) im Gespräch mit seinen Gästen, 2.v.r. Bischof Emmanuel Sfiatkos

Zu Gast bei der Hellenischen Gemeinde zu Berlin e.V.

Besonders herzliche Aufnahme fanden die Griechen bei einem Empfang der Hellenischen Gemeinde zu Berlin e.V.. Es ist ein Glücksfall, dass Steglitz-Zehlendorf nicht nur mit einer griechischen Kommune befreundet ist, sondern auch diesen Verein mit seinem segensreichen Wirken bei sich beherbergen darf.

In den Räumlichkeiten des 1992 in Steglitz gegründeten Griechischen Kulturzentrums haben die Hellenische Gemeinde und 15 verschiedene griechische Vereine ihren Sitz. Die Räume des Kulturzentrums „stehen zahlreichen Akteuren in der Integrationsdebatte als Veranstaltungsort, soziokulturelles Zentrum und Treffpunkt von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zur Verfügung“, fasst die Vereinswebseite Ziel und Auftrag zusammen. Aufgrund seiner jahrzehntelangen Verdienste um Gastfreundschaft und die Förderung griechisch-deutscher Kontakte wurde Panagiotis Matlis, zusammen mit fünf weiteren Preisträgern, am 4. Juli mit der Bezirksmedaille der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf ausgezeichnet.

Als Vereinsvorsitzender verkörpert er seit 2017 die Offenheit seines Hauses, das für 25.000 in Berlin lebende Griechen erster Anlaufpunkt ist und ihnen heimatliche Gefühle vermittelt.

27. Mai 2023: Bischof Emmanuel Sfiatkos im Kreise der Besucherinnen und Besucher (griechische Gäste aus der Partnerstadt, Vorstandsvertreter des Städtepartnerschaftsvereins Steglitz-Zehlendorf e.V., Bezirksverordnete aus mehreren BVV-Fraktionen etc.)

Ikonostase der griechisch-orthodoxen Christi-Himmelfahrts-Kirche Steglitz

Nach einer Stärkung im Garten des Kulturzentrums ließ es sich Bischof Emmanuel Sfiatkos nicht nehmen, die Besucherinnen und Besucher persönlich durch die Christi-Himmelfahrts-Kirche zu führen. Mit seiner reichen Ausstattung, allen voran die farbenprächtige Ikonostase, ist dieses Gotteshaus ein wahrer Augenschmaus und ein Fest für die Sinne. Bischof Sfiatkos ist der erste in Deutschland geborene und aufgewachsene Bischof in der Geschichte der griechisch-orthodoxen Kirche. 2020 zum Bischof geweiht, gilt er als Brückenbauer und offen gegenüber anderen christlichen Konfessionen.

Beim Besuch des Hellenischen Zentrums hatten sich mehrere Verordnete der BVV Steglitz-Zehlendorf sowie zwei Vorstandsvertreter des Städtepartnerschaftsvereins Steglitz-Zehlendorf e.V. zu den griechischen Delegationsmitgliedern gesellt.

26. Mai 2023: Die griechische Delegation lauscht den Ausführungen von Steffen Otte (ganz rechts), Vorstand und Direktor der Domäne Dahlem

Eine ausgedehnte Schifffahrt auf der Spree, vorbei am Regierungsviertel und vielen Sehenswürdigkeiten im Ostteil Berlins, sowie ein Besuch in der Domäne Dahlem rundeten das Programm ab. Selbst aus einer eher ländlichen Region kommend, zeigten sich die griechischen Gäste von der dörflichen Idylle inmitten der Großstadt angetan, für die die Domäne mit ihrer nachhaltigen Weide-, Ackerbau- und Viehwirtschaft beispielhaft steht.

Ländliche Idylle imitten der Großstadt: Domäne Dahlem

Strahlende Gesichter bei strahlend blauem Himmel auf der Spree: Generalsekretärin Alvanou (vorne links), daneben Maria Vassiliadu (DGV), hinten rechts Vizebürgermeister Anastasiadis, links daneben Barbara Polychroni vom Freundschaftsverband Sochos

Bei den meisten Programmpunkten, die für die griechischen Gäste ausgearbeitet wurden, war auch Walter Stechel anwesend. Der weitgereiste Diplomat wirkte zuletzt (bis 2019) als deutscher Generalkonsul in Thessaloniki. Auch nach seiner Pensionierung bleibt das Mitglied der Deutsch-Griechischen Versammlung (DGV) den Belangen der deutsch-griechischen Freundschaft eng verbunden.

Steglitz-Zehlendorf: Berlins einziger Bezirk mit griechischem Partner

Unter Berlins Bezirken ist Steglitz-Zehlendorf der einzige, der eine kommunale Partnerschaft mit einer griechischen Kommune unterhält. Auch im Verzeichnis der Städtepartnerschaften auf der Gesamtberliner Ebene taucht keine griechische Stadt auf. Dieses Alleinstellungsmerkmal ist uns Auftrag und Verpflichtung, auf der kommunalen Ebene zur Festigung der griechisch-deutschen Beziehungen beizutragen.

Kleiner Wermutstropfen: Eine für Oktober 2023 unter dem Motto „Eulen nach Thessaloniki tragen“ geplante Bürgerreise des Städtepartnerschaftsvereins Steglitz-Zehlendorf e.V. musste leider wegen zu geringer Teilnehmerzahl abgesagt werden.

Der 2001 fusionierte Bezirk Steglitz-Zehlendorf hatte nach der Vereinigung von Steglitz und Zehlendorf an der 1993 begründeten Partnerschaft mit Sochos festgehalten.