07/2023-CHARKIW – Brückenschlag nach Charkiw: FU Berlin und Karasin-Universität sind Partner

Henry-Ford-Bau der Freien Universität Berlin

Henry-Ford-Bau der Freien Universität Berlin

Charkiw / Juli 2023

Brücken haben von jeher Menschen verbunden: Die Glienicker Brücke führt Steglitz-Zehlendorf und das benachbarte Potsdam zusammen, die Oberbaumbrücke die beiden Ortsteile von Friedrichshain-Kreuzberg. Zu den diversen Berliner Brücken gesellt sich ab sofort die „Charkiw-Berlin-Brücke“ als neues, virtuelles Bauwerk, das zu einer noch stärkeren gegenseitigen Bindung der Partnerkommunen Steglitz-Zehlendorf und Charkiw führen soll.

Wichtigste Brückenbaumeister des zukunftsweisenden Projekts sind zwei renommierte Lehranstalten: die Nationale Karasin-Universität Charkiw und die in Dahlem ansässige Freie Universität Berlin. Unter dem Eindruck des furchtbaren Angriffskriegs lag eine Kooperation beider Universitäten nahe, vor allem mit Blick auf den in den nächsten Monaten und Jahren anstehenden Wiederaufbau. Im März 2022, nur wenige Tage nach dem völkerrechtswidrigen Überfall, war das Gebäude der ökonomischen Fakultät durch einen Raketeneinschlag vollkommen zerstört, die Universitätsklinik stark beschädigt worden.

7. Juli 2023: Gruppenbild in Blau-Gelb mit allen Konferenzteilnehmern aus Steglitz-Zehlendorf

7. Juli 2023: Gruppenbild in Blau-Gelb mit allen Konferenzteilnehmern aus Steglitz-Zehlendorf

Brücken-Auftakt im hybriden Format

An prominenter Stätte, im Henry-Ford-Bau der Freien Universität Berlin, tagte am 7. Juli 2023 die erste Vernetzungskonferenz der Charkiw-Berlin-Brücke. Auch wenn diese Begegnung im hybriden Format stattgefunden hat – teils in Präsenz, teils per Video-Zuschaltung – soll die virtuelle Brücke nun mit Leben erfüllt werden. Dazu gehören gegenseitige Besuche, ein Voneinander-Lernen, der Austausch von Fachleuten. Den Anfang machen zwei Vertreter der Stadtverwaltung Charkiw, die für Mitte Juli einen mehrtägigen Informationsbesuch in Steglitz-Zehlendorf angekündigt haben. Wie Bezirksbürgermeisterin Maren Schellenberg in ihrem Grußwort berichtete, interessieren sich die beiden in erster Linie für Fragen des Wiederaufbaus zerstörter oder beschädigter Schulsporthallen.

7. Juli 2023: Am Rednerpult Viola von Cramon MdEP, Stellv. Vorsitzende der EP-Delegation im Parlamentarischen Assoziationsausschuss EU-Ukraine

7. Juli 2023: Am Rednerpult Viola von Cramon MdEP, Stellv. Vorsitzende der EP-Delegation im Parlamentarischen Assoziationsausschuss EU-Ukraine

Beiträge aus dem Podium

Stellvertretend für Botschafter Oleksij Makejew wandte sich Botschaftsrätin Alisa Podolyak von der Kulturabteilung der Ukrainischen Botschaft an die Brücken-Teilnehmer. Sie appellierte an alle, einen Beitrag zur Beseitigung von Lücken im Geschichtswissen zu leisten und gemeinsam russischer Propaganda entgegenzuwirken. Ausdrücklich dankte sie der Bundesrepublik Deutschland für die humanitäre Hilfe zugunsten der Ukraine. Das Ausmaß der Zerstörungen infolge des russischen Angriffskrieges beziffert sie unter Berufung auf die Weltbank aktuell auf 136 Mrd. US-Dollar. Zuversichtlich zeigte sie sich, dass der Wiederaufbau des Landes noch in diesem Jahr beginnen könne.

Charkiws Oberbürgermeister Ihor Terechow ließ sich durch Olga Demianenko, Leiterin des Amtes für Internationale Beziehungen der Stadtverwaltung, vertreten. Online zugeschaltet, begrüßte sie die Brücke als „Plattform für Diskussionen und die Wiederherstellung unserer Stadt“. Den Wiederaufbau wolle man nutzen, um frühere städtebauliche Fehlentwicklungen zu korrigieren. Hierzu sei Expertenhilfe auch aus der Partnerstadt hilfreich.

Aus Kyjiw zugeschaltet, wandte sich Deutschlands Botschafterin in der Ukraine, Anka Feldhusen, zunächst auf Deutsch, später in fließendem Ukrainisch an ihre in Berlin und Charkiw versammelte Zuhörerschaft. Es sei jetzt an der Zeit, „günstige Rahmenbedingungen für Rückkehrer zu schaffen“. Deutschland habe sich stark für ukrainische Schülerinnen und Schüler engagiert, die deutsche Schulen besuchen. Sie räumt der Unterstützung der Ukraine im Rahmen beruflicher Bildung eine hohe Priorität ein.

Charkiw sei schon immer die „studentische Hauptstadt der Ukraine mit großem Potential“ gewesen, betonte Tetyana Hawrysch. Die Honorarkonsulin der Bundesrepublik Deutschland in Charkiw wurde via Bildschirm aus der 1800 km vom Dahlemer Tagungsort entfernten Stadt zugeschaltet. Sie brachte ihre Freude über das Zustandekommen der universitären Kooperation zum Ausdruck und dankte den Organisatoren der Veranstaltung.

„Wir wollen private Unternehmen einbeziehen“, setzte Viola von Cramon MdEP einen wirtschaftspolitischen Akzent. Internationale Unternehmen wollten schon jetzt in den Wiederaufbau investieren, wozu allerdings eine Absicherung ihrer Investitionen vonnöten sei, fügte die Europaabgeordnete und Stellvertretende Vorsitzende der Delegation des Europäischen Parlaments im Parlamentarischen Assoziationsausschuss EU-Ukraine hinzu. Das Europäische Parlament unterstütze die Einrichtung ukrainisch-deutscher Städtepartnerschaften, die „positive Energie“ auf der europäischen Ebene erzeugten.

Ergänzt wurde das Podium durch Prof. Dr. Verena Blechinger-Tallcott, Erste Vizepräsidentin der Freien Universität Berlin. Sie gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass Professorinnen und Professoren bald nach Beendigung des Krieges nach Charkiw reisen können. Bis es soweit ist, müsse man sich „mit virtuellen Formaten behelfen“. Auf jeden Fall beobachte sie an der FU ein „starkes Interesse an der Ukraine“.

Die FU-Vizepräsidentin gab bekannt, dass man die Karasin-Universität formell in die Liste der Partneruniversitäten aufgenommen habe. Es ist ein Glücksfall, dass die neue Universitätspartnerschaft im Jahr 2023, in dem die FU ihren 75. Geburtstag feiert, an den Start gehen kann.

Als Vertreter des Bezirksamtes verfolgten die Bezirksstadträte Tim Richter (Bürgerdienste und Soziales) und Patrick Steinhoff (Stadtentwicklung) die auf dem Podium gehaltenen Reden, außerdem wurden BVV-Vorsteher René Rögner-Francke und Bezirksverordnete aus verschiedenen Fraktionen gesichtet.

Henry-Ford-Bau der Freien Universität Berlin

Henry-Ford-Bau der Freien Universität Berlin

Dem ersten Veranstaltungsteil im Plenum folgte im zweiten Teil ein straffes (hybrides) Arbeitsprogramm in Gruppen, jeweils mit verschiedenen inhaltlichen Schwerpunkten: Dabei standen u.a. ökologische Kriegsfolgen, Bildung, medizinischer Wissenstransfer, Kultur, Sozialarbeit und die Förderung von Jugendbegegnungen im Mittelpunkt der Beratungen. Wie schon im Plenum waren auch in den Gruppen Fachleute aus Charkiw online zugeschaltet.

7. Juli 2023: Am Rednerpult Olga Pischel, Vorstandsmitglied des Städtepartnerschaftsvereins Steglitz-Zehlendorf e.V.

7. Juli 2023: Am Rednerpult Olga Pischel, Vorstandsmitglied des Städtepartnerschaftsvereins Steglitz-Zehlendorf e.V.

Ukrainischer Botschafter übernimmt Schirmherrschaft

Die Schirmherrschaft der Vernetzungskonferenz im Henry-Ford-Bau der FU haben Oleksij Makejew, Botschafter der Ukraine in Deutschland, sowie Anka Feldhusen, Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland in der Ukraine, übernommen. Organisation und Durchführung lagen primär beim Städtepartnerschaftsverein Steglitz-Zehlendorf e.V.. Souverän moderierte dessen Vorstandsmitglied Olga Pischel die Redebeiträge auf dem Podium. Als gebürtige Charkiwerin beherrscht sie die ukrainische Sprache und verfügt über ein exzellentes ukrainisch-deutsches Netzwerk. Nur einen Tag vor dem Brücken-Start, am 6. Juli 2023, war sie aufgrund ihres ehrenamtlichen Engagements mit der Bezirksmedaille der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf ausgezeichnet worden.

24. Oktober 2022 im Charkiw-Park: Botschafter und Bezirksbürgermeisterin im Austausch

24. Oktober 2022 im Charkiw-Park: Botschafter und Bezirksbürgermeisterin im Austausch

Begegnung zwischen Botschafter und Bezirksbürgermeisterin im Charkiw-Park

Erste Ideen in Richtung eines virtuellen Brückenbaus zwischen den Universitäten in Charkiw und Dahlem hatten Botschafter Makejew und Bezirksbürgermeisterin Schellenberg bereits am 16. Mai 2023 im Charkiw-Park entwickelt. An der gemeinsamen Begehung der in Steglitz gelegenen Grünfläche, die seit dem 24. Oktober 2022 den Namen unserer Partnerstadt trägt, nahmen auch Botschaftsrätin Podolyak und Olga Pischel teil. Über die Einweihung hatte der Weltenbummler hier berichtet.

24. Oktober 2022 Charkiw-Park: Bezirksbürgermeisterin Schellenberg (Mitte) mit Botschafter Makejew (2.v.l.), Botschaftsrätin Podolyak (rechts), Olga Pischel (2.v.r.), Bezirksverordneter Carsten Berger (links)

24. Oktober 2022 Charkiw-Park: Bezirksbürgermeisterin Schellenberg (Mitte) mit Botschafter Makejew (2.v.l.), Botschaftsrätin Podolyak (rechts), Olga Pischel (2.v.r.), Bezirksverordneter Carsten Berger (links)