Sderot / März 2023
Gespalten wie selten zuvor wirkt die israelische Gesellschaft aktuell: die aschkenasische Elite um Tel Aviv herum auf der einen, die mehrheitlich sephardische Peripherie auf der anderen Seite. Der Streit um die Reform des Obersten Gerichtshofes spiegelt den innerisraelischen Konflikt wie in einem Brennglas wieder.
Eine aktuelle Reportage des deutsch-französischen Kulturkanals ARTE nimmt die auf Israels Straßen ausgetragene Auseinandersetzung zum Anlass, um das eher regierungskritische, linksliberale „Israel von Tel Aviv“ dem tendenziell regierungsfreundlichen, konservativen Lager des „zweiten Israels“, des „Israels von Sderot“, gegenüberzustellen.
In dieser Perspektive gilt unsere Partnerstadt Sderot als Symbol für die Peripherie im Süden des Landes, wo sich Menschen benachteiligt fühlen. Im Grenzgebiet zum Gaza-Streifen liegend, war die 32.000-Einwohner-Stadt seit der Jahrtausendwende permanent Ziel von Raketeneinschlägen. Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist die Sicherheitslage prekär. Der israelisch-palästinensische Konflikt wird unmittelbar vor der Haustür ausgefochten. In diesem Zusammenhang hatte die Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf am 19. Mai 2021 einen Beschluss gefasst, in dem sie sich mit den von Raketenangriffen bedrohten Menschen in den Partnerstädten Sderot und Kiriat Bialik solidarisch erklärte.
Die Reportage können Sie hier in voller Länge ansehen.
Unweit von Sderot, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Gazastreifen, befindet sich der Kibbuz „Nir Am“. Eine Anhöhe mit Namen „Kobi-Hügel“ gestattet einen direkten Blick von Sderot aus in den Gazastreifen. Dort erinnert ein Mahnmal an die im Sommer 2014 getöteten israelischen Soldaten. Die „Schlacht von Nir Am“ ist eine Episode des Gaza-Konflikts. Damals hatte die terroristische Vereinigung „Hamas“ einen Tunnel gegraben, durch die Terrorkämpfer nach Sderot geschleust werden sollten. Gott sei Dank konnte dieser Tunnel rechtzeitig entdeckt und Schlimmeres verhindert werden.
Einschränkend zum ARTE-Beitrag heißt es aus den Reihen der Deutsch-Israelischen Gesellschaft e.V., dass die darin vorgenommene Einteilung in „Unten“ und „Oben“ der israelischen Gesellschaft „den mitteleuropäischen journalistischen Denk- und Erklärungsmustern geschuldet“ sei. Demgegenüber seien „die unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründe der Einwanderer relevanter“.
Aschkenasische Juden (Aschkenasim) in Israel sind im Wesentlichen Nachfahren der Einwanderer aus Mittel-, Nord- und Osteuropa. Im Gegensatz zu ihnen gehen sephardische Juden (Sephardim) auf Einwanderer aus der Mittelmeerregion und dem Maghreb zurück.