05/2022-CHARKIW – Mehr als ein Hoffnungsschimmer im Nordosten der Ukraine?

CHARKIW / Mai 2022

Die Meldungen, die uns aus dem Nordosten der Ukraine erreichen, sind zwar etwas widersprüchlich, aber geben im Saldo Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Ukrainische Truppen verbuchen Geländegewinne in der Region um Charkiw und drängen die Invasoren zurück. Bei aller Hoffnung können die Rückeroberungen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nach wie vor zu einzelnen Attacken auf die nordostukrainische Metropole kommt. Immerhin ist die Lage offenbar so ruhig, dass Staatspräsident Wolodymyr Selenskyi der Stadt Charkiw am 29. Mai 2022 einen Besuch abstatten und den Truppen vor Ort an der Front für ihren Einsatz danken konnte. Unser Kontaktmann bei der Charkiwer Stadtverwaltung, Iwan Nemitschew, fasste die Lage in einem Schreiben vom 21. Mai 2022 so zusammen:

“Die Lage ist etwas leichter geworden, aber noch nicht so ungefährlich, wie in den Massenmedien berichtet wird. In verschiedenen Stadtteilen gibt es noch Treffer”.

Iwan Nemitschew ist laut Angaben aus Charkiw „Oberinspektor der Abteilung für die Entwicklung der internationalen Beziehungen und europäische Integration des Departements für internationale Zusammenarbeit“.

Stadtwappen Charkiw

Stadtwappen Charkiw

„Heldenstadt der Ukraine“

Staatspräsident Selenskyj hat Charkiw per Präsidialerlass am 6. März 2022 den Ehrentitel „Heldenstadt der Ukraine“ verliehen. „Charkiw widersetzt sich seit nun mehr als 2 Monaten heroisch den Attacken des Aggressors“, schreibt der Oberbürgermeister am 11. Mai 2022 zur Begründung. Die Anzahl der durch russischen Beschuss ruinierten Gebäude beziffert er in dem Schreiben an Bezirksbürgermeisterin Maren Schellenberg auf rund 2000, „davon sind viele soziale und administrative Bauten“. Trotz der militärischen Zerstörungswut des Angreifers scheinen die kommunalen Dienste und die städtische Infrastruktur noch weitgehend zu funktionieren, darunter auch die Hausmüllentsorgung.

Im Schreiben an seine Steglitz-Zehlendorfer Amtskollegin und die Bevölkerung unseres Bezirks bekundet Ihor Terechow seinen Dank für die erwiesene Solidarität:

“Gestatten Sie mir persönlich und im Namen der Bevölkerung der Stadt Charkiw unseren hohen Respekt den Bürgerinnen und Bürgern von Steglitz-Zehlendorf (…), sowie unseren herzlichen Dank für die Solidarität und Unterstützung, die der Bezirk Steglitz-Zehlendorf der Stadt Charkiw und allen Ukrainern heute leistet, zum Ausdruck zu bringen”.

Krankenhausbettentransport im Mai 2022 nach Charkiw

Krankenhausbettentransport im Mai 2022 nach Charkiw

Neue Charkiw-Hilfstransporte des Städtepartnerschaftsvereins

Ein großer Anteil der Hilfe zugunsten unserer Partnerstadt gebührt dem Städtepartnerschaftsverein Steglitz-Zehlendorf e.V., und dabei ganz besonders dem Vorstandsmitglied Olga Pischel. Mit Spendengeldern und der Unterstützung externer Partner wie dem Lions-Club Potsdam, der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Berlin, Kreisverband Südwest e.V, oder dem Rotary-Club Berlin-Kurfürstendamm konnten unterdessen weitere Hilfstransporte abgewickelt werden.

Am 19. Mai 2022 wurde ein Krankenhausbetten-Transport mit 35 Betten und Matratzen durchgeführt. Die Bettenspende eines Krankenhauses in Woltersdorf wurde durch Einkäufe aus dem Spendenerlös des Städtepartnerschaftsvereins (SPV) aufgestockt. Der vom SPV organisierte Transport hat das Krankenhaus Nr. 17 in Charkiw und ein Hospiz erreicht.

Die Güter eines in der letzten Maiwoche zusätzlich in die Ukraine geschickten Transporters sind aufgrund Kraftstoffmangels in der Westukraine noch nicht am Zielort Charkiw angekommen. Auf der Basis von Bedarfslisten des Oberbürgermeisters von Charkiw und eines gemeinnützigen Vereins vor Ort wurden Isomatten, Schlafsäcke, Spaten, Handschuhe und Kellen für die Trümmerbeseitigung, dazu 200 Dosen Fleischkonserven, geliefert. Gesamtvolumen: rund 3500 Euro.

Bereits am 18. April 2022 war eine Hilfsaktion zugunsten von Krankenhäusern, einem Hospiz-Zentrum für Palliativmedizin und Sammeleinrichtungen für Flüchtlinge in der Region Charkiw erfolgreich zum Abschluss gebracht worden. Unter Mithilfe von AWO Südwest e.V. und Rotary-Club war es gelungen, zwölf Betten, zwei Ultraschallgeräte, dringend benötigte Medikamente (z.B. Insulin-Präparate), sowie Hygieneartikel und Babybedarf in unsere Partnerstadt zu liefern.

Das durch den Verein eingerichtete Charkiw-Spendenkonto kennt bislang nur eine Richtung, und zwar nach oben: Die Höhe der eingegangenen Spenden liegt aktuell bei rund 77.400 Euro (Stand: 20. Mai 2022). Über die Verwendung berichtet der Verein regelmäßig auf seiner Webseite: „Rund 20 % der Spendensumme ist bisher in Hilfslieferungen geflossen. Aktuell wird nach Möglichkeiten gesucht, eine größere Anzahl von Erste-Hilfe-Koffern zur Erstversorgung von Verletzten und Schutzkleidung für Aufräumarbeiten zu besorgen“. Es geht hierbei um Schutzkleidung und Spezialschuhe für Feuerwehrleute.

Eröffnung des Leistungszentrums Ukrainische Flüchtlinge im Rathaus Steglitz

Eröffnung des Leistungszentrums Ukrainische Flüchtlinge im Rathaus Steglitz

Einschränkungen für ukrainische Flüchtlinge im Leistungszentrum

Unterdessen hat das Amt für Soziales mitgeteilt, dass es im Zeitraum zwischen 30. Mai und 10. Juni 2022 wegen „der zu erwartenden hohen Anzahl persönlicher Vorsprachen“ zu einer eingeschränkten Besuchsregelung im neuen Leistungszentrum für ukrainische Flüchtlinge (Rathaus Steglitz, Schloßstraße 37, 12163 Berlin) kommt. Vorübergehend beschränken sich persönliche Vorsprachen an den Sprechtagen auf folgende zentrale Anliegen:

  1. Scheck- bzw. Barzahlungen für den Leistungsmonat Juni 2022
  2. Neuanträge
  3. Klärung von Mietangeboten
  4. akute Obdachlosigkeit

Alle sonstigen Anliegen können Antragstellerinnen und Antragsteller per E-Mail an soz-ukraine@ba-sz.berlin.de vorbringen. Die Pressemitteilung vom 24. Mai 2022 im Wortlaut finden Sie hier. Explizit weist das Sozialamt darauf hin, dass auch über den 31. Mai 2022 hinaus in Dienstgebäuden FFP2-Maskenpflicht gilt.