10/2024 – Über Stolperstein und Stele: Bezirk setzt Zeichen gegen Antisemitismus

Symbolbild Stolperstein mit Trauerkränzen

Oktober 2024

Auf dem glitschigen Laub, das graue, kalte Novemberstraßen bedeckt, kann man schon mal ins Schlingern geraten. Als symbolische Stolperfallen durchaus gewünscht sind Stolpersteine, die überall in der Republik an frühere jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger erinnern.

14. Oktober 2024: Stolpersteinverlegungen in Lichterfelde und Steglitz

Insgesamt sechs Stolpersteine wurden am 14. Oktober 2024 an zwei Standorten verlegt: zunächst an der Marschnerstraße 18 (Lichterfelde), anschließend an der Schönhauser Str. 16 b (Steglitz). Drei Stolpersteine würdigen das Leben der Schwestern Marie Anna und Margarete Cohn, sowie Theodor Salomon. Weitere Stolpersteine wurden in Erinnerung an Irmgard und Gerda M. Meyer, sowie Werner Rabinowicz, eingelassen.

Das Gedenken in der Marschnerstraße wurde von der Hausgemeinschaft initiiert. Die Schwestern Cohn teilten ihre Wohnung ab ca. 1938 mit dem Kaufmann und Handelsvertreter Theodor Salomon als Untermieter. Beide Schwestern wurden im Juli 1942 zunächst nach Theresienstadt deportiert, wo Margarete kurz darauf verstarb. Marie Anna wurde im Vernichtungslager Treblinka ermordet. Theodor Salomon wurde im März 1943 nach Auschwitz deportiert.

Im Haus Schönhauser Straße 16 b lebten in den 1920er Jahren Angehörige der jüdischen Familie Meyer. Die älteste Tochter Irmgard flüchtete 1933 im Alter von 28 Jahren in den Tod. Deren jüngste Tochter Gerda überlebte mit Hilfe von Freunden in Berlin. In einer Zeit, wo ihre Verwandten deportiert wurden, lernte sie Werner Rabinowicz kennen. Mit 32 Jahren fand er 1943 den Tod und starb in den Armen seiner Verlobten. Viele Ereignisse ihres Lebens hat Gerda M. Meyer in einem Taschenkalender aufgeschrieben, der Quelle eines Filmprojekts der Alice-Salomon-Hochschule werden soll.

Kurzbiographien der geehrten Personen sind auf den Seiten des Netzwerkes Erinnerungskultur des (evangelischen) Kirchenkreises Steglitz nachzulesen.

30. September 2024: Familie Calamaro mit Stolpersteinen geehrt

Zu Ehren der vierköpfigen Familie Leon, Karoline-Ernestine, Sonjia und Sylvio Calamaro wurden am Standort Machnower Straße 29 Stolpersteine verlegt. Dies war die letzte freiwillig gewählte Wohnadresse der deutsch-jüdisch-griechischen Familie vor der Vertreibung durch die Nationalsozialisten. Sie setzte sich nach Griechenland ab, von wo aus sie nach der deutschen Machtübernahme im April 1941 erneut fliehen musste – in Richtung Ägypten. Während die Mutter 1941 an Leukämie starb, überlebten Vater und Kinder den Holocaust.

An der Verlegungszeremonie beteiligt waren auch Schülerinnen und Schüler der Lichterfelder Athene-Grundschule, wo bilingualer Unterricht in Deutsch und Griechisch erteilt wird. „Es war uns eine Ehre, dass wir als Schule bei der Gedenkfeier vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie mitwirken durften“, erfährt man auf der Schulwebseite.

Auch die Botschaft von Griechenland in Berlin berichtete in einem über das Kommunikationsmedium „X“ (vormals „Twitter“) verbreiteten Beitrag über die Stolpersteinverlegung.

Christian Alber, Chief Operating Officer (COO) der Loewe Technology GmbH und Bezirksstadträtin für Bildung, Kultur und Sport, Cerstin Richter-Kotowski

Christian Alber, Chief Operating Officer (COO) der Loewe Technology GmbH und Bezirksstadträtin für Bildung, Kultur und Sport, Cerstin Richter-Kotowski

25. September 2024: Regionalhistorische Informationsstele erinnert an Rundfunkpionier

Zur Verlegung von Stolpersteinen passen Stelen-Enthüllungen sehr gut. Sie halten die Erinnerung an jüdische Mitbürger wach, die sich Verdienste um Steglitz-Zehlendorf erworben haben.

Siegmund Loewe (1885-1962) begründete das Unternehmen Loewe, dessen Hauptsitz sich zwischen 1924 und 1979 in Lankwitz befand. Zu Ehren des Rundfunkpioniers und visionären Unternehmers wurde der Öffentlichkeit am 25. September 2024 eine regionalhistorische Informationsstele übergeben. Nach der Enteignung durch die Nationalsozialisten steht am ehemaligen Firmensitz heute nur noch der an der Ecke Wiesenweg/Teltowkanalstraße errichtete Gebäudekomplex.

„Inspiriert durch die amerikanische Radioamateurbewegung setzte er ab 1920 aus technischer und unternehmerischer Perspektive alles daran, den Rundfunk in Deutschland zu ermöglichen“, schreibt das Bezirksamt. Zusammen mit seinem Bruder trug Siegmund Loewe maßgeblich zur Entwicklung von Radio und Fernsehen bei. Die Vorführung des elektronischen Fernsehens auf der Berliner Funkausstellung 1931 fand weltweite Beachtung. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 verengten sich zusehends seine unternehmerischen Spielräume. Als Sohn eines jüdischen Vaters wurde er 1938 aus dem Firmenvorstand abberufen. Siegmund Loewe emigrierte in die Vereinigten Staaten. Nach dem Kriege zählte die der Familie 1949 rückerstattete Firma Loewe zu den erfolgreichsten Marken der Radio- und Fernsehindustrie in der westdeutschen Bundesrepublik.

Bei der Stelenenthüllung in Lankwitz ergriff Cerstin Richter-Kotowski, stellvertretende Bezirksbürgermeisterin und Bezirksstadträtin für Bildung, Kultur und Sport, das Wort. „Siegmund Loewe war nicht nur ein Pionier der Rundfunktechnik, sondern auch ein Mann, der es trotz widriger Umstände schaffte, technische Innovationen voranzutreiben, die die Welt veränderten“, schreibt sie in einer Pressemitteilung des Bezirksamts vom 26. September 2024.