02/2024 – Die Verhütung von Antisemitismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

ein Justiziar-Hammer liegt auf einer Mappe mit Aufschrift Antisemitismus

Februar 2024

Es ist schwer bis unmöglich, eine klare Trennlinie zu ziehen zwischen klassischem Antisemitismus und einer recht verbreiteten Form des Antisemitismus, die sich gerne hinter dem Deckmantel eines wie auch immer gearteten „Antiisraelismus“ verbirgt.

Seit mehreren Wochen gehen Bürgerinnen und Bürger in großer Zahl „gegen Rechts“ auf die Straßen und Plätze und verleihen ihrem Unmut darüber Ausdruck, dass rechtsradikale und rechtsextreme Ideen immer mehr Zulauf erhalten. In der gemeinsamen Abwehr rechter Strömungen vereinen die Kundgebungen Menschen, die sich einem breiten gesellschaftlichen und politischen Spektrum zugehörig fühlen.

Steglitz-Zehlendorf macht da keine Ausnahme:

Zu einer Demo für eine weltoffene und plurale Gesellschaft hatte die Organisation „Steglitz-Zehlendorf weltoffen“ am 10. Februar 2024 aufgerufen. Los ging es vor dem Steglitzer Einkaufszentrum „Das Schloss“. Die Organisatoren wollten ein klares Signal gegen Rassismus, Antisemitismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit setzen. Schätzungen über die Teilnehmerzahl pendeln zwischen 1500 und 2500 Menschen.

Eine Woche später, am 17. Februar 2024, versammelten sich Hunderte Menschen zu einer Demonstration, die unter dem Motto „Unser Kiez ist bunt – kein Platz für Rassismus“ stand. Die Menschen regierten damit auf den gleichzeitigen Auftritt eines rechtsextremen Politikers in Lichterfelde-Ost.

Fichtenberg-Oberschule positioniert sich gegen Rechtsextremismus

Alarmiert von den an die Öffentlichkeit gelangten Details der Potsdamer „Remigrations“-Konferenz, haben auch Schülerinnen und Schüler der Fichtenberg-Oberschule gegen Rechtsextremismus demonstriert: Unter dem Motto „Schule gegen Rechts – 1933 soll im Geschichtsbuch bleiben“ traf man sich am 28. Februar 2024 zunächst am Hermann-Ehlers-Platz in Steglitz. Über die Schloßstraße führte die Route zum Walther-Schreiber-Platz und wieder zurück. Der Tag wurde bewusst gewählt: Vor 91 Jahren, am 28. Februar 1933, trat die sogenannte „Reichstagsbrandverordnung“ in Kraft, in deren Folge die Nationalsozialisten zentrale Grundrechte der Bürger beseitigten. „Damals wurden zum Beispiel die Presse- und Meinungsfreiheit, das Recht auf persönliche Freiheit, das Versammlungsrecht und das Postgeheimnis beerdigt“, schreibt Schulleiter Andreas Golus-Steiner auf der Webseite der Schule.

Jüdischer Mann liest im Tanach

So wichtig und sinnvoll die öffentlichen Bekenntnisse gegen Rechts sind: Sie wären noch glaubwürdiger, wenn sie stärker als bisher dem Kampf gegen Antisemitismus Beachtung schenken würden. Wer sich völlig zu Recht rechtsextremen Remigrations-Phantasien entgegenstellt, muss aufpassen, sich nicht gleichzeitig von einseitigen „propalästinensischen“ Impulsen leiten zu lassen. Selbstverständlich darf man die israelische Regierung kritisieren und manche Reaktion auf die schlimmen Ereignisse des 7. Oktober 2023 für überzogen halten. Das machen die israelischen Bürgerinnen und Bürger zur Genüge. Was man nicht darf: die einzige Demokratie im Nahen Osten mit Doppelstandards diskreditieren und sich an einer Täter-Opfer-Umkehr beteiligen. Der Genozid- bzw. Kolonialstaats-Vorwurf an die Adresse des am 7. Oktober von Hamas-Terroristen attackierten Israel ist abwegig. Es ist für jeden Staat der Welt legitim, seine Sicherheit gegen Angriffe von außen zu verteidigen. Deshalb sollten die wirklichen Freunde Palästinas nicht „Free Gaza“ skandieren, sondern den Zusatz „from Hamas“ ergänzen.

Die Ereignisse rund um die Freie Universität haben eines gezeigt: Es ist ein Fehler, im Zusammenhang mit Antisemitismus auf dem linken Auge blind zu sein. Jüdische Studentinnen und Studenten sollen sich zu jeder Zeit an deutschen Universitäten sicher fühlen. Meinungsfreiheit auf dem Campus ist ein hohes Gut, aber kein Freibrief für die Ausgrenzung jüdischer Studierender oder gar die Ausübung physischer Gewalt.

Beschämend waren auch die einseitigen Parteinahmen von Filmschaffenden während der Berlinale 2024. Es ist sehr beklemmend, wenn auf offener Bühne geäußerte Genozid-Vorwürfe nicht nur unwidersprochen bleiben, sondern sogar beklatscht werden.