November 2023
Der 9. November ist ein Schicksalstag der deutschen Geschichte, im Positiven wie im Negativen. Gerne erinnert man sich des Jahres 1918, als der spätere Reichsministerpräsident Philipp Scheidemann (1865-1939) von einem Reichstagsbalkon aus das Ende des Kaiserreichs und den Anbruch der Weimarer Republik verkündete. 105 Jahre ist das jetzt her. Der 9. November 1989, der Tag des Mauerfalls, erfüllt noch heute diejenigen, die es als Zeitgenossen mitbekommen haben, mit einem Gefühl tiefer Freude und Dankbarkeit. Den ganzen Zwiespalt dieses Tages markieren die Ereignisse der Jahre 1923 und 1938: Zwischen Hitler-Putsch und Reichspogromnacht liegen gerade einmal 15 Jahre.
Allenfalls Historiker, die sich mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten beschäftigen, erinnern sich des 100. Jahrestages des „Marsches auf die Feldherrnhalle“ (1923-2023). Ganz anders verhält es sich mit dem 85. Jahrestag der radikal antisemitischen Reichspogromnacht (1938-2023), die von den Nationalsozialisten als sogenannte „Reichskristallnacht“ ideologisch verklärt wurde. Sich ihrer zu erinnern, ist wichtiger und notwendiger denn je.
Das diesjährige Gedenken von Bezirksamt und Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf war zeitlich und räumlich zweigeteilt: Einer Stolpersteinverlegung am Vormittag folgte nachmittags eine Zeremonie auf dem Hermann-Ehlers-Platz. Wie selten zuvor an einem 9. November stand das öffentliche Gedenken im Fokus des Interesses von Medien und Bürgerschaft, was angesichts der aktuellen Geschehnisse im Nahen Osten und des weltweiten Aufflammens antiisraelischer und antisemitischer Reflexe mehr als verständlich ist.