Mai 2023
Mit dem „Rundfunk im amerikanischen Sektor“ hat die „Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS)“ herzlich wenig zu tun: Als sie im Januar 2015 gegründet wurde, hatte die einstige Rundfunkanstalt der US-Militärverwaltung ihren Sendebetrieb längst eingestellt.
10. Mai 2023: Pressekonferenz zu „Antisemitischen Vorfällen in Berlin 2022“
Zur Vorstellung ihres Jahresberichts zu antisemitischen Vorfällen im Jahr 2022 in Berlin lud die Recherche- und Informationsstelle am 10. Mai 2023 zu einer Pressekonferenz in den Großen Saal der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße ein. Zu Wort kamen u.a. Apl. Prof. Dr. Samuel Salzborn, Ansprechpartner des Landes Berlin zu Antisemitismus, und Sigmount Königsberg, Antisemitismusbeauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.
Im Vergleich zu 2021 verzeichnete RIAS bei der Anzahl antisemitischer Vorfälle berlinweit einen Rückgang von 20 Prozent. Insgesamt wurden 848 antisemitische Vorfälle registriert, Online-Delikte eingeschlossen. Gleichzeitig blieb die Anzahl der Gewaltvorfälle auf dem Vorjahresniveau.
„Antisemitische Angriffe ereigneten sich auf der Straße, im öffentlichen Nahverkehr, an Gedenkorten und auf Gedenkveranstaltungen, im Café, sogar in einer Schule“,
stellt die Pressemitteilung fest.
Unter dem Deckmantel der Anonymität werden die sozialen Medien häufig als Plattformen für judenfeindliche Äußerungen genutzt. Dabei richten sich antisemitische Anfeindungen gleichermaßen gegen jüdische und israelische Institutionen. Antisemitismus wird im RIAS-Bericht als „ein facettenreiches und gesamtgesellschaftliches Phänomen“ beschrieben, das alle politisch-weltanschaulichen Spektren erfasse. Unter dem Eindruck von Pandemie und Ukraine-Krieg hätten sich in den letzten Jahren antisemitische Verschwörungsmythen entwickelt. Dies zeige die Wandlungsfähigkeit antisemitischer Einstellungen, die oft von sogenannten „Gelegenheitsstrukturen“ profitierten: So habe die Impfdebatte bei etlichen Impfgegnern dazu geführt, ihre Gruppe mit den Juden zu vergleichen („Impfen macht frei“). Im Ergebnis führen solche Vergleiche zu einer Bagatellisierung des Holocaust und zu Täter-Opfer-Umkehrungen. Oftmals versteckt sich Antisemitismus geschickt hinter Kritik am Staat Israel, so als wären in Deutschland lebende Jüdinnen und Juden für die Politik der israelischen Regierung verantwortlich zu machen. Im Vergleich zu anderen Ländern werden an Israel besonders hohe Maßstäbe angelegt und damit Doppelstandards gesetzt.