03/2023 – Späte Ehrung für einen Kaufhausgiganten: Stolperstein für Salman Schocken

Schocken-Villa/Haus von Velsen, Schlachtensee

Schocken-Villa/Haus von Velsen, Schlachtensee

März 2023

Wahlweise als „Kaufhauskönig“, „Kaufhausgigant“ oder „Selfmade-Man“ wird er gerne etikettiert: Salman Schocken (1877-1959), Mitbegründer einer sehr erfolgreichen Warenhauskette und Verleger jüdischer Literatur. Der leidenschaftliche Zionist war im besten Sinne „bildungshungrig“ und setzte sich dafür ein, dass sich seine jüdischen Mitbürgerinnern und Mitbürger ihrer Identität trotz verbreiteter Assimilation immer bewusst blieben. In Palästina erwarb er 1937 die bedeutende Tageszeitung „Ha’aretz“.

In einer Zeit, in der große Traditionskaufhäuser nach und nach ihre
Pforten schließen müssen, weil der Internetversand floriert und sich das Konsumverhalten radikal geändert hat, sind Warenhäuser für viele ein Synonym für eine vergangene Epoche. Erst Mitte März 2023 vermeldete der Galeria-Karstadt-Kaufhof-Konzern die Schließung von insgesamt 47 Standorten bundesweit. Immerhin sind „Kaufhof“, „Karstadt“ oder “Hertie” den meisten Menschen noch ein Begriff. Mit „Schocken“ verbinden hingegen nur wenige Experten einen berühmten Warenhauskonzern aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts. Ausgehend vom Stammhaus Zwickau (Sachsen), waren damals in verschiedenen Regionen Deutschland zahlreiche Filialen entstanden. Beim Design seiner Warenhäuser stützte sich Salman Schocken auf Erich Mendelsohn (1887-1953), eine Koryphäe moderner Architektur. Damit erwies er sich als innovativ und visionär.

Schocken-Villa/Haus von Velsen, Schlachtensee

Schocken-Villa/Haus von Velsen, Schlachtensee

In Berlin selbst hat es nie eine Filiale der Schocken-Kaufhauskette gegeben. Vielleicht ist das der Grund, warum sein Name hier keinen hohen Bekanntheitsgrad erlangt hat. Jochen Mindak, früherer Abteilungsleiter Technik des Jüdischen Museums Berlin, war es ein Anliegen, dies zu ändern. Der Stadtplaner, Denkmalschützer und Architekt lebt seit drei Jahrzehnten im Ortsteil Schlachtensee, wo sich auch der ehemalige Wohnsitz des Unternehmers befindet. Im Herbst 2022 hat er ein Buch mit dem Titel „Die Schocken-Villa. Biographie eines Hauses und seiner Bewohner“ veröffentlicht – ein Stück Architektur- und jüdisch-deutscher Kulturgeschichte.

Erbaut im englischen Landhausstil Anfang des 20. Jahrhunderts durch den Reformarchitekten Hermann Muthesius (1861-1927), verzichtet dieses Haus vollständig auf historisierende architektonische Elemente. Muthesius‘ Architektur hat das Erscheinungsbild Zehlendorfs wesentlich mitgeprägt.

1934 verließ Salman Schocken mit seiner Familie Deutschland, emigrierte nach Palästina (später New York), und geriet weitgehend in Vergessenheit. Fast 90 Jahre später, am 23. März 2023, wurden zu Ehren seiner Familie Stolpersteine vor der Villa an der Limastraße 29 verlegt: für ihn selbst, seine Frau und seine fünf Kinder. Seine Villa war nach der Machtergreifung der Nazis zwangsweise “arisiert” worden.
Veranstalter der Verlegungszeremonie war die AG Spurensuche der Evangelischen Kirchengemeinde Schlachtensee.

Am 29. März 2023 strahlte das RBB-Fernsehen eine Dokumentation über Salman Schocken aus, die in der Mediathek weiterhin zu sehen ist.

Symbolbild Stolperstein mit Blume