09/2022 – Stolpersteinverlegung in Schlachtensee: Steglitz-Zehlendorf dankt dem Siemens-Gymnasium

Klasse 9b des Werner-von-Siemens Gymnasiums bei der Stolpersteinverlegung

Klasse 9b des Werner-von-Siemens Gymnasiums bei der Stolpersteinverlegung

September 2022

Stolpersteine sind dazu da, dass man im wortwörtlichen Sinne über sie „stolpert“. Am besten lässt sich stolpern mit „innehalten“ übersetzen: Wer sich einem golden glänzenden, auf dem Bürgersteig eingelassenen Stolperstein nähert, ihn bewusst wahrnimmt, erinnert sich der dunkelsten Stunde deutscher Geschichte: vielleicht nur den Bruchteil einer Sekunde lang. Damit hat das kleine Mahnmal aber bereits seinen Hauptzweck erfüllt: Es lädt zum Innehalten mitten im Alltag ein, zu einem Sich-Bewusst-Werden des nationalsozialistischen Terrors. Das Signal ist: Niemand ist vergessen, der oder die während des NS-Regimes zu Tode kam, kein Name ist ausgelöscht.

Das Stolperstein-Projekt existiert seit 1992, damit seit mittlerweile 30 Jahren. Fast täglich kommen irgendwo in Deutschland und vielen anderen Ländern neue, mit Namen, Geburts- und Sterbensdaten beschriftete Messing-Gedenksteine hinzu. Die Anzahl der Stolpersteine im Bezirk Steglitz-Zehlendorf ist deutlich dreistellig.

Zwei weitere Gedenksteine wurden am 13. September 2022 im Ortsteil Schlachtensee verlegt: der eine für Miszyslaw Nathanblut (1882-1942) aus der Kurstraße 3, der andere für Charlotte Kirchberger (1857-1942) aus der Palmzeile 6. Ein besonderer Dank gebührt der Klasse 9b des Werner-von-Siemens-Gymnasiums, die zusammen mit ihrem Lehrer Urs Dudzus die vorbereitenden Recherchen zu beiden Geehrten in einem gemeinsamen Projekt betrieben hat. Die Klasse war selbstverständlich auch bei der Verlegungszeremonie vor Ort, die Britta Winkelhahn, Vorsitzende der Gesamtelternvertretung, als „sehr ergreifend“ erlebt hat.

Stolperstein für Charlotte Kirchberger (1857-1942) vor dem Haus Palmzeile 6

Stolperstein für Charlotte Kirchberger (1857-1942) vor dem Haus Palmzeile 6

Für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Verlegung war es eine besondere Freude, dass auch die Urenkelin von Charlotte Kirchberger, Joan Hellmann, anwesend war. Extra aus Detroit (Michigan) angereist, hat sie im Anschluss noch Zeit mit Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums verbracht.

„We are standing here together 80 years later and we are friends. That is very important“,

wird sie zitiert (in etwa: “80 Jahre später stehen wir gemeinsam als Freunde hier. Das ist sehr wichtig“). Um der Deportation durch das NS-Regime nach Theresienstadt zu entgehen, hatte Charlotte Kirchberger am 7. September 1942 im Alter von 85 Jahren Suizid begangen. Aus der Nähe von Limburg stammend, war sie im Bereich Sozialfürsorge tätig.

Wenige Monate nach seiner Geburt in Warschau siedelten Eltern und Geschwister von Miszyslaw Nathanblut zusammen mit dem jüngsten Kind nach Berlin über. Der Komponist, Violinist, Philosoph und Journalist lebte in der Kurstraße 3 zur Untermiete. Am 19. Januar 1942 wurde er nach Riga deportiert und ermordet.

Mit der Verlegung von Stolpersteinen wird ein sichtbares Signal gegen Antisemitismus und für eine lebendige Erinnerungskultur gesetzt.

Stolperstein für Miszyslaw Nathanblut (1882-1942) vor dem Haus Kurstraße 3

Stolperstein für Miszyslaw Nathanblut (1882-1942) vor dem Haus Kurstraße 3

Klasse 9b des Werner-von-Siemens Gymnasiums mit Joan Hellmann, Urenkelin von Charlotte Kirchberger (ganz rechts)

Klasse 9b des Werner-von-Siemens Gymnasiums mit Joan Hellmann, Urenkelin von Charlotte Kirchberger (ganz rechts)