Tief im Süden und mittendrin: Die Freizeitstätte Süd

Tief im Süden, ist man in Abwandlung eines Evergreens von Herbert Grönemeyer geneigt zu sagen, liegt eine Seniorenfreizeitstätte, die die Himmelsrichtung bereits im Namen trägt: Auf den ersten Blick einem gediegenen Einfamilienhaus täuschend ähnlich, verbirgt sich hinter dem hübschen Anwesen am Teltower Damm 226 ein gastliches Refugium, in dem sich Seniorinnen und Senioren aus dem Berliner Südwesten wohl fühlen. Im südlichen Zehlendorf gelegen, lohnt die großzügig gestaltete Freizeitstätte zu allen Jahreszeiten einen Besuch. Besonders im Sommer laden die Terrasse und der anheimelnde Rosengarten nicht nur des betörenden Duftes wegen zum Verweilen und Sich-Wohlfühlen ein.

„Gesund leben“: Eine neue programmatische Leitidee

„Ich bin waschechte Berlinerin“, stellt Nicole Stahl mit dem ganzen Charme der typischen Hauptstädterin unmissverständlich klar. Seit 1. April 2020 leitet sie die Freizeitstätte und bringt einen bunten Strauß neuer Ideen mit. „Ich bin eigentlich ein Verwaltungskind“, verweist die geprüfte Verwaltungsfachwirtin auf 32 Jahre Erfahrung im Personalwesen einer großen Universität. „In den letzten Jahren beschlich mich aber immer wieder der Gedanke, eine erfüllendere Aufgabe“ zu suchen, beschreibt sie die Beweggründe für ihren Wechsel in die Freizeitstätte. „Zugegeben“, fügt sie mit einem Augenzwinkern hinzu, der Start sei aufgrund der Corona-Situation „etwas holprig“ geraten, „aber ich bin frohen Mutes, bald wieder in den Normalbetrieb gehen zu können“.

Von Lebensenergie und ganzheitlichem Wohlbefinden

In enger Abstimmung mit dem Kernamt hat sie „ihrer“ Freizeitstätte eine neue Leitidee verpasst: „Angedacht ist, die bestehenden Angebote im Hinblick auf Gesundheit und ein positives Leben zu erweitern“, schildert sie ihre Vorstellungen zur künftigen Entwicklung. Die Profilidee ist ihr spontan gekommen, inspiriert vom Leitwort „Vielfalt leben“ des „Kommunikationszentrums am Ostpreußendamm“. Als ausgebildete „Reikianerin“ bringt Nicole Stahl ideale Voraussetzungen mit: Die aus dem asiatischen Kulturkreis stammende Therapieform „Reiki“ geht davon aus, dass in allem, was lebt, universale Lebensenergie steckt – Energie, die durch Handauflegung fließt und zu Genesung, Stärkung der Immunabwehr und Auflösung von Blockaden beitragen soll. Im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtungsweise, verstanden als Einklang von Körper, Geist und Seele, fasst sie zusammen: „Mir ist sehr wichtig, dass hier eine positive Energie herrscht, dass die Leute gerne herkommen und sich willkommen fühlen“.

Von Kochkursen und Rosengarten-Idylle

„Im nächsten Jahr plane ich Veranstaltungen und Vorträge, die sich mit Ernährung und positiver Einstellung zum Leben befassen“, gibt sie einen Ausblick auf ihre inhaltliche Agenda. Gesund leben spiegelt sich auch in einer ausgewogenen Ernährung wieder. „Ich habe perspektivisch vor, einen Kochkurs für schnelles, gesundes Kochen anzubieten“, formuliert sie. Heilkräuter und –pflanzen für die gesunde Küche kommen vermutlich aus dem hauseigenen Garten. Einen Rosengarten gibt es nicht nur im „Weißen Haus“ oder im Stadtpark Steglitz, sondern auch im Haus am Teltower Damm. „Die Rosen wollen einfach nicht so richtig erblühen, da wir hier in Zehlendorf viele große Kiefern haben“, beschreibt Nicole Stahl ihren Wunsch, den Garten in den nächsten Jahren „behutsam“ zu verändern, „Hochbeete für die Senioren“ anzulegen, und eine „Gartengruppe“ ins Leben zu rufen. Damit soll „mehr Lebendigkeit in den Garten“ gebracht werden – und „auch für Bienen und Vögel soll er eine kleine Oase werden“. Das ist ein Versprechen auf die Zukunft: „I promised you a rose garden“, darf man in Anlehnung an den Schlager von Lynn Anderson singen.

Mobilität und Flexibilität im Alter – mit und ohne Hund

Nicht nur im sprichwörtlichen Sinne ist Frau Stahl „auf den Hund gekommen“: Sie hat sich einen Windhund mit Namen Rudi angeschafft, den sie gerne als Therapiehund einsetzen würde: „Gerade ältere Menschen vereinsamen häufig schnell. Da ist der Kontakt zu einem lieben Wesen eine tolle Sache“, Streicheleinheiten inklusive. Konkret plant sie die Gründung einer kleinen Gruppe zum gemeinsamen „Gassigehen“ mit Rudi. Im Anschluss an den Spaziergang kann man sich gemütlich zum Frühstücken oder Kaffeetrinken versammeln. Um körperliche Fitness bis ins hohe Alter zu fördern, ist auch an eine Laufgruppe für Seniorinnen und Senioren gedacht. Perspektivisch plant sie zudem den Einsatz sogenannter „Bellicons“, also medizinischer Trampoline, wie sie in physiotherapeutischen Praxen üblich sind. Grund: Das Schwingen auf einem Bellicon ist „unheimlich effektiv für alle Zellen im Körper“ – ein gesundheitsbewusster Trend, der Gelenke, Rücken und Gleichgewichtssinn stärkt.

Dank an die bisherige Freizeitstättenleiterin

Nicole Stahl folgt Regine Klews nach, die sich zum Jahresende 2019 in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet hat. Seit 38 Jahren im öffentlichen Dienst tätig, hatte sie am 1. Juli 2016 ihren Dienst in der Freizeitstätte Süd angetreten und die Entwicklung der letzten Jahre nachhaltig geprägt. „75 Prozent Abschiedsschmerz, 25 Prozent Vorfreude“, hatte sie wie aus der Pistole geschossen auf die Frage zu ihrer Befindlichkeit geantwortet, wenige Tage vor ihrem Ausscheiden. Ihr gilt der herzliche Dank und die Anerkennung des Bezirksamtes, verbunden mit dem Wunsch nach 100 Prozent Genuss der neuen Freiheiten.

Von Töpfern bis Tischtennis: Die ganze Palette des Veranstaltungsprogramms

„Ich bin Frau Klews sehr dankbar, denn sie hat für mich das Veranstaltungsprogramm 2020 schon vorbereitet“, verweist Nicole Stahl auf die Verdienste ihrer Vorgängerin bei der Konzeption eines reichhaltigen und abwechslungsreichen Veranstaltungs-Menüs. Zu diesem zauberhaften Menü tragen Sport und Bewegung ebenso bei wie Kunst, Kultur und Kabarett. „Meine älteste Tischtennis-Spielerin ist 97 und spielt regelmäßig jede Woche“, verkündet sie voller Freude. Fest etabliert als Veranstaltungs-Tag ist der Freitag. Die Auswahl der Interpreten spiegelt dabei die gesamte Bandbreite der Musikwelt wieder: Während heute die mit viel Liebe ausgewählten Tonkünstler zu karibischen Klängen in tropische Gefilde entführen, geht es morgen bei italienischen Schlagern und Evergreens musikalisch an die Adria. Übermorgen gibt es zum freitäglichen Vergnügen gechillte Jazz-Rhythmen oder beschwingte Gassenhauer von „Sinatra & Co“ auf die Ohren. Die Liebhaber des gepflegten Kartenspiels (Doppelkopf, Skat, Bridge) kommen ebenso auf ihre Kosten wie alle Damen und Herren, die am besten bei Dichterlesungen, beim Austausch über Literatur, oder aber bei Yoga, Pilates und Qi-gong entspannen können.

Immer ausverkauft sind die beliebten Tagesfahrten zu attraktiven Zielen „ins Blaue“, die vom Förderverein angeboten werden. Zahlreiche Gruppen treffen sich regelmäßig in den großzügigen, hellen Räumen des Hauses: Der geneigte Besucher kann wählen, ob er seine Englischkenntnisse auffrischen oder lieber seine Kompetenzen im Umgang mit dem Computer vertiefen möchte. Wieder andere möchten das Tanzbein schwingen oder sich als „Tonkünstler“ ganz anderer Art versuchen, nämlich beim Töpfern in dem mit Brennofen ausgestatteten Werkraum. Die Tonkünstler teilen sich ihre Werkstatt mit den Tiffany-Glaskünstlern. So oder so sind die Ergebnisse des künstlerischen Schaffens beeindruckend schön.

Einander tragen und beistehen: Gerade im Trauerfall ist es gut, sich mit lieben Menschen austauschen zu können. Wenn man plötzlich alleine ist, geht das oft mit einem schmerzhaften Einschnitt und einer Zäsur im Leben einher. Leid zu teilen ist sehr heilsam, deshalb plant Nicole Stahl die Schaffung einer Trauergruppe. Gefragt ist ein hohes Maß an Empathie in Verbindung mit professioneller Distanz. Für die Umsetzung möchte sie sich professionelle Unterstützung ins Haus holen, denn Trauerbegleitung ist kein Monopol der Bestattungsinstitute oder Kirchengemeinden. Bislang findet Seelsorge kaum in weltanschaulich neutralen Einrichtungen statt.

Ein Blick in das halbjährlich erscheinende Veranstaltungsprogramm lohnt immer. Es liegt zur kostenlosen Mitnahme bei den Pförtnern der Rathäuser Steglitz, Zehlendorf und Lankwitz aus, ferner bei den Bürgerämtern und selbstverständlich im Foyer der Freizeitstätte selbst.

Bekanntlich hält Essen und Trinken Leib und Seele zusammen. Deshalb ist es auch wichtig, sich um das leibliche Wohl der Gäste zu kümmern. Die vom Förderverein SFS Süd e.V. bewirtschaftete Cafeteria bietet zu jeder Veranstaltung kleine Köstlichkeiten sowie heiße und kalte Getränke an.

Von Wohltätern und guten Nachbarn

Seit April 1978 leitete Christiane Hohen die Seniorenfreizeitstätte Süd. Die Altenpflegerin hat großen Anteil daran, dass ein grundlegender Umbau und eine Modernisierung des ehemaligen Wohnhauses in Angriff genommen werden konnte. „Nach Beginn der Umbauarbeiten“ und kurz vor Vollendung ihres 61. Lebensjahres verstarb sie „für alle unerwartet“, wie es auf einer Erinnerungstafel im Eingangsbereich des Hauses heißt. In die Reihe der Wohltäterinnen und Wohltäter reiht sich neben Hildegard v. Asten, Gertrud Zamzow, der „Martha-Lemke-Stiftung“ und der „Erich-und-Frieda-Gembus-Stiftung“ auch Hertha Müller ein. Sie alle überließen ihre Erbschaften großzügig dem Seniorentreffpunkt, der aus diesen Mitteln seine Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen finanzieren und im Jahre 2000 abschließen konnte. Hertha Müller ist Namensgeberin einer eigenen Seniorenfreizeitstätte in der Argentinischen Allee. „Unser Haus ist blindenfreundlich und rollstuhlgerecht ausgestattet“, heißt es auf der Internetseite der Freizeitstätte Süd unter Bezug auf die Barrierefreiheit:

Damit feiern wir in diesem Jahr das 20. Jubiläum des Umbaus. Nicole Stahl beabsichtigt, sich bei der Veranstaltungsplanung eng mit dem direkt benachbarten Mehrgenerationenhaus Phoenix abzustimmen und Ideen im Sinne einer vertieften Zusammenarbeit zu entwickeln: „Perspektivisch gesehen, wollen wir versuchen, uns zu ergänzen“, erzählt sie über erste Kontakte zu Hausleiterin Ilona Weinen. Man befinde sich in einem nachbarschaftlichen Austauschprozess und denke etwa über gemeinsame Sommerfeste im großen Garten nach. Das Haus Phoenix befindet sich in Trägerschaft des Mittelhof e.V. (https://www.mittelhof.org/)

Ohne sie läuft nichts: Ehrenamtlich tätige Helferinnen und Helfer

„Das Haus trägt sich durch die Mitarbeit der Ehrenamtlichen, und was sie leisten, ist aller Ehren wert“: Aus dieser Zuschreibung wird klar, wie sehr Nicole Stahl die Zusammenarbeit mit den ehrenamtlich tätigen Damen (und zwei Herren) zu schätzen weiß. Viele füllen ihr Ehrenamt bereits rund zehn Jahre, manche sogar zwanzig Jahre aus. Sie belegen Butterstullen, sprechen mit Gästen, sorgen dafür, dass die Veranstaltungen des Hauses Freitag für Freitag wie am Schnürchen klappen. Zusammen mit der Senioren- und Freizeitstättenbetreuung des Sozialamtes Steglitz-Zehlendorf kümmert sich die Hausleiterin persönlich um die Akquise des Nachwuchses im Ehrenamt. „Die jüngeren Alten, die jetzt in Ruhestand gehen, haben andere Dinge vor, obwohl wir sie dringend bräuchten“, räumt sie gewisse Schwierigkeiten bei der Rekrutierung ein. Gerade frisch Pensionierte kümmerten sich um Enkel, reisten viel, gingen ihren Hobbys nach, strebten nach Selbstverwirklichung. „Sechzig ist das neue Fünfzig“, resümiert sie. Deshalb gilt es auch neue, unorthodoxe Wege zu gehen. Denkverbote gibt es dabei nicht. Interessenten am Ehrenamt in der Freizeitstätte Süd sollten vier Stunden ihrer wertvollen Zeit pro Woche erübrigen können. Die Dienste werden abgedeckt, indem morgens und nachmittags jeweils zwei Personen anwesend sind. Wer sich sozial engagieren möchte, ist herzlich eingeladen, sich unverbindlich an das Amt für Soziales zu wenden (Tel. 90299 2843, E-Mail: soz-ehrenamt@ba-sz.berlin.de ). Weitere Auskünfte hierzu gibt es auch dienstags und donnerstags zwischen 09:00 und 13:00 Uhr im Rathaus Lankwitz, Hanna-Renate-Laurien-Platz 1, 12247 Berlin oder nach Vereinbarung.

Vorfahrt für Innovation: Treffpunkt für Homosexuelle ab 60 Jahren

Ganz neue Wege geht die Freizeitstätte mit der Einrichtung eines Stammtisches für ältere Schwule und Lesben. In einem geschützten Rahmen soll für sie die Möglichkeit des Austauschs und der Begegnung geschaffen werden, denn gerade die ältere Generation homosexueller Menschen kennt oftmals noch das Gefühl der Illegalität bei der Entfaltung ihrer Identität. Gemeinsame Erfahrung verbindet, deshalb ist es gut, ein solches Forum zu schaffen. „Wir wissen, dass Personen, wenn sie älter werden, ihren Aktionsradius immer weiter einschränken“, weist Altenhilfekoordinator Stephan Kroker auf den Rückgang der Mobilität vieler Betroffener mit zunehmenden Alter hin. „Wir wollen die Leute da abholen, wo sie sind, und das ist im Bezirk“, fasst er seine Motivation zusammen. Tatsächlich gibt es in den Randbezirken kaum Angebote für Homosexuelle der Generation 60+. Es geht nicht darum, Schwule und Lesben von ihren Szenetreffpunkten rund um den Nollendorfplatz „wegzulotsen“ oder abzuwerben, sondern um ein komplementäres, wohnortnahes Zusatzangebot. Alle sollen von Anfang an mit ihren Bedürfnissen und Vorstellungen eingebunden werden, und zwar ergebnisoffen. Die ersten Rückmeldungen waren vielversprechend und haben gezeigt, dass ein Bedarf vorhanden ist. Ob der Stammtisch künftig wöchentlich oder monatlich stattfindet, hängt letztlich von der weiteren Nachfrage ab. Die Schwulen haben sich bislang jeden vierten Mittwoch getroffen, also einmal im Monat, ehe Corona für eine längere Zwangspause sorgte. Lesbische Interessentinnen sind weiterhin herzlich eingeladen, auch einen Frauenkreis zu gründen. Bereits in ihrer Dezemberausgabe 2019 hatte die Szenezeitung „Siegessäule“ über das Projekt berichtet, ebenso die „Berliner Woche“. Darüber hinaus hat das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf ein Faltblatt herausgebracht, in dem ältere Homosexuelle ausdrücklich ermuntert werden, sich dem Stammtisch (bzw. den Stammtischen) anzuschließen. Es wird in Szenelokalen und Freizeittreffs ausgelegt, um möglichst viele Interessierte zu erreichen. „Ich habe da gar keine Berührungsängste“, stellt Regine Klews klar, unter deren Ägide das Projekt initiiert wurde. Nachfolgerin Nicole Stahl war in die Stammtisch-Planungen von Anfang an bis ins Detail eingebunden.

Daheim in der Freizeitstätte

Wie eingangs erwähnt, fühlt man sich beim Anblick der Freizeitstätte Süd an ein wohnliches Einfamilienhaus erinnert. Vielleicht ist es genau dieser Eindruck, der diesen Treffpunkt so einzigartig macht: Damen und Herren der älteren Generation aus dem Berliner Südwesten sollen sich im besten Sinne des Wortes „daheim“ und gut aufgehoben fühlen, wenn sie das Haus besuchen und sich aus der Vielfalt des Angebotes ihr ganz persönliches Programm zusammenstellen. Nicole Stahl hat ein gut bestelltes Haus übernommen. Viele neue Ideen, viel Engagement und Herzblut inklusive. „Wenn die Gäste mit einem Lächeln gehen, habe ich mein Tagewerk erreicht“, sagt sie.
Tief im Süden und trotzdem mittendrin im Leben: ein passendes Motto für swingende – und gesunde – Zwanzigerjahre in der Freizeitstätte Süd!

Bildergalerie

  • Freizeitstätte Süd 1
  • Freizeitstätte Süd 11

    Die Arbeit der Ehrenamtlichen wird ausdrücklich gewürdigt !

  • Freizeitstätte Süd 7
  • Freizeitstätte Süd 8
  • Freizeitstätte Süd 9
  • Freizeitstätte Süd 10