„Vielfalt leben“ im Villenviertel: Kommunikationszentrum am Ostpreußendamm lädt ein

Ein architektonisches Schmuckstück grüßt Ostpreußen

Das ostpreußische Königsberg muss einmal eine architektonische Perle gewesen sein. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde sie zur Krönungsstadt der preußischen Könige bestimmt. Seit Oktober 1955 pflegt der Bezirk eine Patenschaft mit der Landsmannschaft der Ostpreußen, seit 1961 erinnert der Ostpreußendamm mit seinem Namen an die ehemalige preußische Provinz.

Gleiches gilt für das Kommunikationszentrum am Ostpreußendamm, eine im Ortsteil Lichterfelde gelegene bezirkliche Freizeitstätte für die Generation der „Best Ager“. Untergebracht ist sie im ehemaligen Beamtenwohnhaus und Kontorgebäude der „Carstenn’schen Gasanstalt“ am Ostpreußendamm 52, im Jargon kurz „OD 52“ genannt. Mit ihrer repräsentativen, säulenverzierten Fassade ist sie unter den sieben Steglitz-Zehlendorfer Freizeitstätten ein echtes architektonisches Schmuckstück, mit dem allenfalls der Bürgertreffpunkt Bahnhof Lichterfelde-West konkurrieren kann. Der zweigeschossige Bau mit seinem Klinker-Mauerwerk wirkt durch eine symmetrische Fassadengestaltung und den ausladenden, geranientragenden Balkon samt Balustrade ausgesprochen harmonisch. Als Teilobjekt der Gasanstalt zwischen 1883 und 1884 erbaut, erlebte das Gebäude in den Jahren 1921 und 1975 zwei Umbauten. Bauherr war der Berliner Unternehmer Walter Bauendahl. Wie das historische Bahnhofsgebäude Lichterfelde-West fügt sich auch dieses Bauwerk in die Lichterfelder Villenkolonie ein, die auf Initiative von Johann Wilhelm Anton von Carstenn (1822-1896) in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand. Seit dem Umbau 1975 beherbergt die Liegenschaft ein Seniorenclubhaus, damals noch für den Altbezirk Steglitz. Nach einer erneuten Wiedereröffnung im vereinten Berlin zu Beginn der 1990er Jahre wurden die Räumlichkeiten behindertengerecht ertüchtigt. Schon damals galt die Freizeitstätte als „Ort der Begegnung“, als kultureller Verbindungspunkt, dessen „angenehme Caféhaus-Atmosphäre“ geschätzt wurde. Weitere umfangreiche Umbau- und Renovierungsmaßnahmen folgten 2013/2014, die Neugestaltung der Außenanlagen stand 2018 an.

„Vielfalt leben“: Vorfahrt für interkulturelle Begegnung

Es ist tägliche Praxis, dass jede der sieben Freizeitstätten ihr eigenes Profil, ihr unverwechselbares Alleinstellungsmerkmal lebt. „Vielfalt leben“ heißt das neue Motto des Kommunikationszentrums. Es ist ein Signal in Richtung interkulturelle Öffnung. Ab sofort soll in jedem Jahr ein anderes Land bzw. eine andere Kultur im Mittelpunkt des Jahresprogramms stehen. Dabei ist eine gewisse Prise Exotik durchaus erwünscht. Aber es besteht auch akute Fernwehgefahr … 2021 liegt der Fokus weit im Fernen Osten: Vorgestellt wird Korea, die geteilte Halbinsel zwischen Gelbem und Japanischem Meer, mit ihrer Kunst, Kultur und Kulinarik. In Planung und Durchführung eng einbezogen war die „hauseigene“ Dienstags-Malgruppe. Mit viel Herzblut und Geschick hat sie eine Ausstellung zum Thema vorbereitet, an der auch eine koreanische Kalligraphie-Künstlerin mit ihren Werken beteiligt ist. Die gemeinsame Vernissage findet am 31. August 2021 statt.

Ein gewünschter Synergieeffekt der länderbezogenen Jahresmottos soll sein, die Attraktivität des Kommunikationszentrums auch für Gäste mit interkulturellem Hintergrund oder Migrationsgeschichte zu steigern. Außerdem soll älteren Menschen, die nicht so häufig Zugang zu fremden Ländern haben, die Möglichkeit zum Kennenlernen einer wenig vertrauten Kultur gegeben werden. Fremde Länder erschließen sich nicht nur über Kunst und Kultur, sondern besonders auch über die landestypische Küche. Gaumenfreuden schaffen Sinnlichkeit. Deshalb wurden bei der feierlichen Eröffnung am 15. Juni 2021 kleine Spezialitäten gereicht, untermalt von koreanischen Klängen auf dem landestypischen Saiteninstrument Gayageum. Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski und Botschaftsrat Dr. Bongki Lee, Leiter des Koreanischen Kulturzentrums, hielten die Festreden. An drei weiteren Terminen wird das Korea-Jahresprogramm durch Konzerte und Kalligraphie-Kurse, Vorträge, Yoga-Workshops, sowie einen Ausflug zum koreanischen Kulturzentrum in Berlin-Mitte abgerundet. Über ein koreanisches Malgruppenmitglied steht das „Organisationskomitee“ im engen Kontakt mit dem Kulturzentrum, das der Kulturabteilung der Botschaft der Republik Korea (Südkorea) unterstellt ist. Mit Deutschland teilt Korea die Erfahrung jahrzehntelanger Teilung. Formell befinden sich Süd- und Nordkorea seit 1950 im Kriegszustand. Über einen brüchigen Waffenstillstand im Jahr 1953 ist man beiderseits der innerkoreanischen Grenze seither nicht hinausgekommen. Wenn die Neugier auf die koreanische Halbinsel mit ihrer reichen Geschichte und Kultur geweckt ist, können sich Bürgerinnen und Bürger auf den Webseiten des koreanischen Kulturzentrums und des Kommunikationszentrums über Einzelheiten des Jahresprogramms informieren:
http://www.kulturkorea.org
https://www.berlin.de/ba-steglitz-zehlendorf/politik-und-verwaltung/aemter/amt-fuer-soziales/seniorenservice/artikel.929353.php
Das Kommunikationszentrum am Ostpreußendamm dankt dem Koreanischen Kulturzentrum, der Kulturabteilung der Botschaft der Republik Korea, ganz herzlich für die großherzige Unterstützung: ideell, personell und finanziell. Kernanliegen des Koreanischen Kulturzentrums ist der kulturelle Austausch mit dem Gastland und die Begegnung der Menschen untereinander. Hwanyong hamnida: Herzlich willkommen auf Koreanisch.

Auf welches Land sich das „OD 52“ 2022 spezialisieren wird, wird noch nicht verraten. Das Prinzip bleibt aber gleich: Nach dem Beispiel Korea werden Kontakte zu landeseigenen Kulturzentren und zu Kunst- und Kulturschaffenden geknüpft, um den interkulturellen Austausch anzuregen und Netzwerke zu schaffen. Darin liegt das Herzstück des Profils „Vielfalt leben“.

Wo Generationen einander begegnen

Was früher schlicht als „Hort“ durchging, heißt heute etwas sperrig „Ergänzende Förderung und Betreuung“ (EFöB). Während der neue Schulcontainer in der benachbarten Giesensdorfer Grundschule (http://www.giesensdorfer-grundschule.de/) errichtet wurde, gewährte das Kommunikationszentrum den betroffenen Kindern „Asyl“: Ab Beginn der Bauarbeiten Ende 2019 durften die EFöB-Kinder nachmittags den unteren Saal nutzen. Eine von Frank Mückisch, dem früheren Bezirksstadtrat für Soziales und Bildung, ausdrücklich unterstützte Kooperation zwischen der Freizeitstätte und der vom Stadtteilzentrum Steglitz e.V. (https://www.stadtteilzentrum-steglitz.de/) getragenen Einrichtung nahm ihren Anfang. Seither trägt die Zusammenarbeit Früchte, so zum Beispiel in Form einer vorösterlichen Aktion 2021: Hortkinder haben für Seniorinnen und Senioren gebastelt, schrieben Ostergrüße auf Ostereier und befestigten sie zur Freude vorbeispazierender Personen am Zaun. Jung und Alt sollen füreinander sensibilisiert werden, daher sind mehrere Gemeinschaftsprojekte mit dem Stadtteilzentrum geplant: Eine der Ideen ist, dass ältere Menschen den Kindern Geschichten aus ihrem ereignisreichen Leben erzählen. Im Gegenzug spielen die Kinder für die Seniorinnen und Senioren Theater. Sobald die Pandemielage es zulässt, möchte Frau Müller durchstarten.

Wo Kommunikation großgeschrieben wird

Ein Kommunikationszentrum, in dem nicht kommuniziert wird, ist eigentlich bloß die Hälfte wert. Deshalb ist es so wichtig, dass Generationen miteinander ins Gespräch kommen. Mit Worten oder Klängen. Musik ist eine Form menschlicher Kommunikation, die jeder und jede versteht. Entsprechend hoch ist der Stellenwert, den sie im Kommunikationszentrum hat. Breit gefächert ist dabei die Palette an Musikstilrichtungen, die das Veranstaltungsprogramm bereichern: Sei es der gewagte Tanz auf dem „Tangoplaneten“, das Klangerlebnis des aus der jüdischen Volksmusiktradition stammenden Klezmer, himmlische Country-Musik von Claudia Himmel, ein musikalischer Ausflug nach Bella Italia oder zur Heimat des französischen Chansons. Andere Geschmäcker fühlen sich vielleicht von „Dixieland for fun“, russischer und irischer Folklore, Shanty und Sinatra, karibischer Exotik und kubanischen Rhythmen inspiriert. Wieder andere schwelgen in Erinnerungen an den unvergessenen Udo Jürgens oder riskieren ein spannendes Rendezvous zwischen Flamenco und Klassik („Flamenco meets Classic“). Mit „Swinging Christmas“ biegen wir auf die Zielgerade des Jahresendes ein … Bei dieser Auswahl kommen alle auf ihre Kosten. Überhaupt Weihnachten: Geflügelte Engelsfiguren sind aus dieser Jahreszeit nicht wegzudenken. Dass „Frauen keine Engel“ sind, wusste man bisher noch gar nicht (obwohl man es ahnte). Und „warum Engel fliegen können“, bleibt ein Geheimnis. Des Rätsels Lösung liefert ein Blick in das Herbst- und Winterprogramm 2020, das zu allem Überfluss auch noch in die mystischen Rauhnächte aus tiefer germanischer Vorzeit entführte.

Die eine oder andere für 2020 oder 2021 geplante Veranstaltung musste wegen Corona verschoben werden, aber aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben. Das aktuell gültige Programm für die zweite Jahreshälfte 2021 ist unter https://www.berlin.de/ba-steglitz-zehlendorf/politik-und-verwaltung/aemter/amt-fuer-soziales/seniorenservice/artikel.928928.php#headline_1_24 einsehbar.

Von Pinselstrich bis Powerfreitag – OD 52 im Wochenrhythmus

Die Woche hat sieben Tage: zu kurz, um das riesige Angebot im Terminkalender unterzubringen. Montags bis freitags, immer zwischen 10:30 und 17:30 Uhr, öffnet die beliebte Freizeitstätte im Lichterfelder Kiez ihre gastfreundlichen Pforten. Die Wochentage geben Takt und Rhythmus vor, die Bürgerinnen und Bürger haben die Qual der Wahl: Der Montag ist dem Vokabellernen gewidmet, zum Beispiel im Spanischkurs. Oder haben Sie Lust, sich mit dem Fotoclub Steglitz-Zehlendorf (http://www.fotoclub-steglitz-zehlendorf.de/) auf Motivsuche zu begeben? Dienstags steht Kultur auf dem Programm, mittwochs versammeln sich alle Freizeit-Picassos in der Malgruppe „Pinselstrich“. „Die Unerschrockenen 7+“ wollen nicht abschrecken, sondern Lust auf gemeinsames Theaterspiel machen. Donnerstags trifft sich der Singkreis und lässt alte Volkslieder erklingen. Wer freitags noch genügend Puste hat, lässt die Woche mit dem „Powerfreitag“ ausklingen: Qi Gong, „Feldenkrais“ oder „Line Dance“ heißen die Stichwörter für bessere Beweglichkeit und perfekte Balance zwischen Körper und Seele.

Info-Veranstaltungen, bei denen heiß diskutierte Themen wie Seniorensicherheit, Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht im Mittelpunkt stehen, runden das Wochenprogramm ab. Das Kommunikationszentrum arbeitet mit Fachleuten des Landeskriminalamts, der Verkehrswacht und des Amtes für Soziales zusammen.

Inspiration Jakobsweg – Ziel Ostpreußendamm

Stefanie Müller fühlt sich von attraktiven Arbeitsplätzen magisch angezogen: Nach ihrer Ausbildung zur Fachangestellten für Bürokommunikation wechselte sie übergangslos ins Schloss: Das Sekretariat des Museums für Vor- und Frühgeschichte, in dem sie seit 2000 arbeitete, war im Schloss Charlottenburg untergebracht. Das Kommunikationszentrum am Ostpreußendamm ist da optisch beileibe nicht der schlechteste Tausch. Wahre Wunder auf der Suche nach dem eigenen Weg können Auszeiten mit sich bringen: ein Sabbatjahr etwa, eine lange Reise oder – der berühmte „Camino de Santiago“ auf den Spuren des Heiligen Jakobus. „Ich bin dann mal weg“, sagte sich Stefanie Müller und machte sich auf den Weg nach Santiago de Compostela. Als sie zurückkehrte, stand für sie fest: „Ich hatte das Bedürfnis, mein Leben umzukrempeln“. Gesagt, getan: Sie ging volles Risiko, kündigte bei ihrem Arbeitgeber, und ging mehrere Monate lang auf Reisen – es war der Einstieg zum Ausstieg. Den dreijährigen Einsatz (2017-2020) an der Sicherheitskontrolle des Flughafens Schönefeld betrachtet sie im Nachhinein als eine Phase des Übergangs: „Es hat nicht besonders viel Spaß gemacht und ich suchte nach einer abwechslungsreichen Aufgabe, die Freude macht, an der ich wachsen kann“.

Auch Umwege führen zum Ziel. Als sich die Gelegenheit bot, im sozialen Bereich Fuß zu fassen, zögerte sie nicht lange: Seit 1. April 2020 leitet sie das Kommunikationszentrum am Ostpreußendamm. „Ich war sofort verliebt in dieses Haus“, bekennt sie. Kein Wunder: Es macht jeden Tag Freude, in einer Villa mit Garten arbeiten zu dürfen. „Mitten im Lockdown bin ich eingestiegen“, räumt sie ein. Um aus der Not eine Tugend zu machen: „Die Stille war auch ein Vorteil. Ich konnte mich akklimatisieren, mich mit Haus und Garten vertraut machen“. Zusammen mit ihrem ehrenamtlichen Team hat sie Beete angelegt, den Rasen neu gesät. Beim Anblick des Ergebnisses erkennt man sofort den grünen Daumen.

Es grünt so grün … Norbert-und-Elisabeth-Poppendick-Stiftung

In der Satzung der im November 2016 errichteten Norbert-und-Elisabeth-Poppendick-Stiftung wird der Stiftungszweck umrissen: In Verbindung mit Denkmalpflege, Naturschutz und Landschaftspflege geht es darum, „ältere Menschen (…) selbstlos zu unterstützen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen oder wirtschaftlich hilfsbedürftig sind“. 2018 wurden die zweckgebundenen Mittel abgerufen und die Außenanlagen des Kommunikationszentrums komplett neu gestaltet: Fleißige Hände legten Blumenbeete und Rasenflächen an. Eine Sonnenterrasse samt der neuen, ausfahrbaren Markise lädt zur Entspannung und zu Gruppenaktivitäten im Freien ein – Grillabende und Tanz inklusive. Schattige Plätzchen erlauben es aber auch, sich zurückzuziehen und die Seele baumeln zu lassen. Im Rahmen der Neugestaltung wurde ein behindertengerechter Zugang zum Wintergarten geschaffen.

Bereits 2013 hatte die Freizeitstätte von einem privaten Nachlass im sechsstelligen Bereich profitiert: Ein wichtiges Signal für mehr Inklusion war der im Rahmen denkmalgerechter Umbau- und Renovierungsmaßnahmen eingebaute Treppenlift. Er ermöglichte mobilitätseingeschränkten Personen die Teilnahme an Gruppenaktivitäten im Obergeschoss. Hinzu kam der Einbau eines barrierefreien WCs. Außerdem wurden ein Parkettboden verlegt und die Küche „einschließlich der Leitungs-, Maler- und Fliesenlegerarbeiten“ erneuert, wie in einem Vermerk nachzulesen ist.

Das Ehrenamts-Team: Herz des Kommunikationszentrums

Das Ehrenamt ist der Kitt, der unsere Gesellschaft im Innersten zusammenhält. Nicht anders ist das im Kommunikationszentrum am Ostpreußendamm. Derzeit kann sich Stefanie Müller auf zwölf Helferinnen und Helfer stützen, ein Viertel davon Männer. Sie schwärmt von der Hilfsbereitschaft ihres Teams, das sich altersmäßig zwischen dem Mittfünfziger und der Mittachtzigerin bewegt. Nachwuchs ist mehr als willkommen. Deshalb lädt die Hausleiterin auf der Webseite alle Interessierten ein, sich zu melden: „Das ehrenamtliche Team und ich freuen sich, Sie in unserer Freizeitstätte begrüßen zu dürfen“. Gesucht werden helfende Hände für Haus und Garten. Damit auch morgen noch fleißig in geselliger Runde kommuniziert, philosophiert und Vielfalt gelebt werden kann.

Das Kommunikationszentrum ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln bestens erreichbar: Direkt vor dem Haus befinden sich Haltestellen der Buslinien 184 und 186.