Schwartzsche Villa / Galerie
Grunewaldstr. 55, 12165 Berlin
3. Dezember 2021 bis 15. Mai 2022
Geschlossen am 24.-26.12.2021 und 31.12.2021-01.01.2022.
Mo–So 10–18 Uhr, Eintritt frei
Briefe, persönliche Dokumente und mehr als 750 Fotografien – der private Nachlass von Karl Fischer (1881-1941) ist bei weitem der größte Bestand im Wandervogel-Archiv des Fachbereichs Kultur Steglitz-Zehlendorf. Als Mitbegründer der Wandervogel-Bewegung, die sich ab 1901 von Steglitz aus in ganz Deutschland verbreitete, spielte Fischer in der frühen Jugendbewegung eine prominente Rolle. Nach seinem Tod gelangte sein umfangreicher persönlicher Nachlass in den Besitz des Karl-Fischer-Bundes, der über Jahrzehnte Materialien der Wandervogelbewegung und ihrer Mitglieder zusammentrug und sie 1990 dem Bezirksamt übereignete.
Bis zum 15. Mai 2022 zeichnet eine Ausstellung die Spuren des Kolonialismus im Nachlass von Karl Fischer nach. Dass sich unter den persönlichen Materialien von Fischer zahlreiche Dokumente und mehr als 450 Fotografien aus Ostasien befinden, ist weitgehend unbekannt und rückte erst im Zuge von Recherchen zu Spuren des Kolonialismus in Steglitz-Zehlendorf in den Fokus. Die Erschließung und Digitalisierung der Archivalien machte ein Leben Fischers im Dienst der Kolonialpolitik des Deutschen Reiches sichtbar: Im Herbst 1906 meldete sich Karl Fischer freiwillig zum Militärdienst beim III. Seebataillon in Qingdao (Tsingtau). Im Anschluss blieb er in China – zunächst als kaufmännischer Angestellter bei der Schantung-Bergbau-Gesellschaft. Danach war er von 1910 bis 1914 als Zeitungsredakteur in Shanghai in die Kulturpolitik der deutschen Kolonialmacht eingebunden, ehe er 1914 in japanische Kriegsgefangenschaft geriet.
In den vier Kapiteln STEGLITZ – QINGDAO – SHANGHAI – BANDO rekonstruiert die Ausstellung die Stationen von Fischer in Ostasien und konfrontiert seine Perspektive, die durch den Nachlass reproduziert wird, mit einer postkolonialen Sicht auf den deutschen Kolonialismus in China.
Darüber hinaus wirft die Werkstattausstellung einen ersten Blick auf historische und aktuelle Spuren des Kolonialismus im heutigen Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Auch in den bis 1920 eigenständigen Gemeinden Steglitz, Zehlendorf und Groß-Lichterfelde manifestierte sich der deutsche Kolonialismus auf vielfältige Weise. Exemplarisch stellt die Ausstellung Spuren aus den Bereichen Mission, Wissenschaft, Wirtschaft, Militär und Vereinswesen vor und regt zu einer Diskussion über die aktuelle Erinnerungspolitik im Bezirk an.