Montag, 11. November 2024, 13 Uhr, Hittorfstraße Ecke Faradayweg, 14195 Berlin
Am Montag, den 11. November um 13 Uhr wird an der Ecke Hittorfstraße/Faradayweg in Berlin-Dahlem eine regionalhistorische Informationsstele der Öffentlichkeit übergeben, die an die Chemikerin Clara Immerwahr erinnert. Die Stele wurde nach einem Entwurf von Karin Rosenberg gefertigt. Es sprechen die stellvertretende Bezirksbürgermeisterin und Bezirksstadträtin für Bildung, Kultur und Sport Cerstin Richter-Kotowski, die Geschäftsführende Direktorin des Fritz-Haber-Instituts Prof. Dr. Beatriz Roldán Cuenya und die Wissenschaftshistorikerin Prof. Dr. Annette Vogt.
Text der Informationsstele
Clara Helene Immerwahr wurde am 21. Juni 1870 in Polkendorf (Wojczyce, Polen) bei Breslau (Wroclaw) als jüngstes von vier Kindern des Chemikers Philipp Immerwahr (1839–1908) und seiner Frau Anna (1846–1890) geboren. Sie und ihre Schwestern besuchten höhere Mädchenschulen, in denen es kaum naturwissenschaftlichen Unterricht gab. Clara interessierte sich früh für Chemie, absolvierte 1892/93 das Lehrerinnenseminar in Breslau und besuchte als Gasthörerin Vorlesungen an der Universität. Da Frauen in Preußen erst ab dem Wintersemester 1908/09 regulär studieren durften, war sie auf die Unterstützung der Professoren angewiesen. Als Externe legte sie 1897 an einem Jungengymnasium das Abitur ab und studierte Naturwissenschaften. Zu ihren Förderern gehörten die Chemiker Albert Ladenburg (1842–1911) und Richard Abegg (1869–1910), ihr Doktorvater.
Im Dezember 1900 promovierte Clara Immerwahr in Chemie als erste deutsche Studentin an einer preußischen Universität. Sie erhielt eine unbezahlte Assistentenstelle und veröffentlichte von 1900 bis 1901 vier wissenschaftliche Arbeiten zur Messbarkeit schwerlöslicher Salze von Metallen. An eine akademische Karriere als Chemikerin war nicht zu denken, da Frauen nicht habilitieren durften. Als sie 1901 den Chemiker und Professor an der TH Karlsruhe Fritz Haber (1868–1934) heiratete, mag sie sich erhofft haben, in die Tradition berühmter Forscherpaare wie den Lavoisiers oder Marie Sklodowska und Pierre Curie treten zu können.
Von 1901 bis 1910 lebte das Paar in Karlsruhe, wo Clara bis zur Geburt ihres Sohnes Hermann im Labor ihres Mannes arbeitete und an seinem Lehrbuch „Thermodynamik technischer Gasreaktionen“ (1905) mitwirkte, das ihr „zum Dank für stille Mitarbeit“ gewidmet wurde. Die gewünschte gemeinsame Forschungstätigkeit mit ihrem Mann ergab sich jedoch nicht. Frau Professor Haber sollte, den gesellschaftlichen Normen der Zeit entsprechend, repräsentieren, nicht forschen. Sie hielt Vorträge beim Karlsruher Volksbildungsverein, beispielsweise 1905/06 über „Chemie in Küche und Haushalt“, 1910 zu „Naturwissenschaften im Haushalt“ beim Arbeiterbildungsverein.
1911 zog die Familie nach Berlin. Während Fritz Haber Direktor des neuen Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin-Dahlem und Professor an der Berliner Universität wurde, blieb Clara eine intellektuell erfüllende Tätigkeit versagt. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs engagierte sich Fritz Haber in der Giftgasforschung. Am 2. Mai 1915 erschoss sich Clara Haber im Garten der Direktorenvilla mit der Dienstwaffe ihres Mannes. Die Frage nach den Motiven für die Selbsttötung ist bis heute nicht endgültig zu beantworten. Den verfügbaren Quellen zufolge spielten nicht nur ihre Ablehnung des Giftgaseinsatzes, sondern auch mehrere persönliche Gründe eine Rolle.
Clara Immerwahr-Haber bleibt in Erinnerung als die erste deutsche promovierte Chemikerin, als eine Frau, die gegen Diskriminierung und ungleiche Bildungschancen kämpfte. Mehrere Preise und seit 2006 ein Gedenkstein erinnern an die Ausnahmepromovendin.
Text: Annette Vogt