Sophie Charlotte war gestorben und zu ihren Andenken begründete der König die Stadt Charlottenburg. Die Städteordnung bestand zwar 1705 noch nicht, aber jede ordentliche Stadtgemeinde mußte ihren Bürgermeister und ihre Ratsherren haben.
Um seiner Stadtgründung gleich einen gewissen Nimbus zu geben, übernahm Friedrich I. selbst das Amt des Oberbürgermeisters, bestellte den Kronprinzen zum Bürgermeister und den Markgrafen Friedrich von Schwedt, sowie hohe Würdenträger zu Ratsherren.
Wo ein Magistrat besteht, mußte auch ein Rathaus sein. Auch in dieser Beziehung sorgte Friedrich. Er kaufte für 8.500 Taler das Haus des Oberstallmeisters d’Ausson de Villaznouse in der Großen Straße – auch Breite Straße, jetzt Schloßstraße (heute Nr. 2 und 3) genannt –, ließ von seinem Baumeister Eosander ein Uhrtürmchen aufbauen und das Rathaus war fertig. Am 30. April 1705 wurde das Haus eingeweiht. Der Oberstallmeister behielt seine Wohnung bis Juni in dem Gebäude. Es war ein einfacher einstöckiger Bau. In der Mitte der Eingang, an jeder Seite neben der Haustür drei Fenster. Über dem Erdgeschoß lag ein Mansardengeschoß. In späteren Jahren wurde an jede Seite des Gebäudes ein einfacher Anbau errichtet. Am 30. April trat der neubestellte Magistrat zu seiner ersten Sitzung zusammen. In späteren Zeiten wurde auch das Stadtgericht in dem Hause untergebracht.
Genau 100 Jahre nach ihrer Begründung, also im Jahre 1805, zählte die Stadt Charlottenburg rund 3.500 Einwohner, für die das kleine Rathäuschen in der Schloßstraße völlig ausreichte. Erst rund 50 Jahre später, als die Einwohnerzahl auf 14.000 angewachsen war und auch das kleine Uhrtürmchen eingestürzt war, wurde es doch etwas zu klein. Man hielt Umschau und suchte lange vergebens. Geld zu einem Neubau war so gut wie gar nicht vorhanden und das Rathaus einer Königlichen Residenzstadt sollte und mußte doch wenigstens nach etwas aussehen. So etwas aber zählte im alten Charlottenburg zu den Seltenheiten.
Sonntags-Beilage "Neue Zeit" vom 24.07.1923
Bild: BA CW / VIZ
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