Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen
Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen zu unserem März-Kiezspaziergang. Der März ist für uns immer der Monat des Frauenfrühlings, rund um den Internationalen Tag der Frau am 8. März. Der Frauenfrühling findet bei uns unabhängig vom Wetter statt. Deshalb wollen wir uns auch in diesem Jahr im März vor allem bedeutenden Frauen unseres Bezirks widmen, und wir wollen wie versprochen wieder durch Kieze in Wilmersdorf gehen, das wir im letzten Jahr wegen des Jubiläums “300 Jahre Charlottenburg” etwas vernachlässigt haben.
Vorab wie gewohnt die Ankündigung unseres nächsten Kiezspazierganges: Die Intendantin des Rundfunks Berlin Brandenburg, Dagmar Reim, hat uns eingeladen, das Haus des Rundfunks zu besichtigen, das in diesem Jahr sein 75jähriges Jubiläum feiert und im letzten Jahr saniert wurde. Zuvor wollen wir aber auch wieder spazieren gehen. Deshalb treffen wir uns am Sonnabend, dem 8. April, um 14.00 Uhr auf dem Sophie-Charlotte-Platz am U-Bahn-Ausgang Sophie-Charlotte-Platz. Und wir werden von dort über den Kaiserdamm zum RBB und zum Haus des Rundfunks gehen. Auch am Kaiserdamm gibt es viel zu entdecken.
Heute treffen wir zunächst auf die Namensgeberin dieses Platzes, Luise Henriette, Kurfürstin von Brandenburg. Von hier aus werden wir zur Melli-Beese-Anlage gehen, wo eine Skulptur an die erste deutsche Fliegerin erinnert. In der Villenkolonie Grunewald werden wir dann unter anderem die früheren Villen der Frauenrechtlerin Helene Lange und der weltberühmten Opernsängerin Lilli Lehmann sehen und den Johannaplatz erreichen, der nach der Frau des Reichskanzlers Bismarck benannt ist. Aber natürlich werden wir auch die bedeutenden Männer, die uns unterwegs begegnen werden, nicht links liegen lassen.
Da wir uns heute von Halensee nach Grunewald bewegen, möchte ich zunächst einige allgemeine Erläuterungen zu diesen beiden Ortsteilen geben, und da ihre Entstehung eng mit dem Kurfürstendamm zusammenhängt, auch kurz auf die Geschichte des Kurfürstendammes eingehen, auch wenn wir uns schon bei einigen früheren Kiezspaziergängen mit dem Kurfürstendamm beschäftigt haben.
Der Stadtteil Halensee ist kein ursprünglicher Ortsteil. Halensee hat keine eigene Geschichte als selbständige Gemeinde wie zum Beispiel Schmargendorf oder Grunewald. Die Bezeichnung Halensee für die Gegend rund um das westliche Ende des Kurfürstendammes ist entstanden, als der Kurfürstendamm seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts ausgebaut wurde. Natürlich stammt der Name von dem nahegelegenen Halensee. Dieser See wiederum gehört überwiegend zur Villenkolonie Grunewald, nicht zum Stadtteil Halensee.
Der Kurfürstendamm wurde als Knüppeldamm angelegt, als 1542 das Jagdschloss Grunewald gebaut wurde. Er diente den kurfürstlichen Reitern als Verbindungsweg vom Berliner Schloss über die Linden durch den Tiergarten in den Grunewald.
Die Initiative zum Ausbau des Kurfürstendammes ging aus vom damaligen Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck. Er schrieb am 5. Februar 1873 an den Geheimen Kabinettsrat von Wilmowski:
“Die Straße am Kurfürstendamm wird nach den jetzt bestehenden Absichten viel zu eng werden, da dieselbe voraussichtlich ein Hauptspazierweg für Wagen und Reiter werden wird. Denkt man sich Berlin so wie bisher wachsend, so wird es die doppelte Volkszahl noch schneller erreichen, als Paris von 800.000 Einwohnern auf 2.000.000 gestiegen ist. Dann würde der Grunewald etwa für Berlin das Bois de Boulogne und die Hauptader des Vergnügungsverkehrs dorthin mit einer Breite wie die der Elysäischen Felder durchaus nicht zu groß bemessen sein.”
1875 wurde die zukünftige Breite des Kurfürstendammes per Kabinettsordre auf 53m festgelegt. Das ist zwar nur knapp halb so breit wie die Champs-Èlysées, aber es wurde dann beim Ausbau der Straße präzise eingehalten. Bismarck legte besonderen Wert darauf, dass in der Mitte ein Reitweg erhalten blieb.
Der Ausbau scheiterte zunächst an den fehlenden Finanzen. Schließlich wurde ein Unternehmens-Konsortium gebildet, die Kurfürstendamm-Gesellschaft. Sie erhielt 234 ha Grunewald zum Ausbau einer Villenkolonie als Gegenleistung für den Ausbau des Knüppeldamms zum Boulevard.
1877 wurde der S-Bahnhof Halensee eröffnet, damals noch unter dem Namen Bahnhof “Grunewald”.
Seit 1883 wurde der Kurfürstendamm auf 53m Breite ausgebaut, am 5.5.1886 wurde die Dampfstraßenbahnlinie Zoo-Kurfürstendamm-Grunewald eröffnet. Weil sie direkt neben dem Reitweg entlang fuhr, musste sie pferdefreundlich leise sein. Bismarck persönlich hatte sich davon überzeugt.
1889 wurde dann am Ende des Kurfürstendammes die Villenkolonie Grunewald angelegt. Am Kurfürstendamm entlang waren zwar auch schon einige Villen entstanden. Diese mussten aber fast alle wieder abgerissen werden, weil jetzt, am Ende des 19. Jahrhunderts große Miethäuser gebaut wurden.
Wie es am Ende des 19. Jahrhunderts hier aussah, das hat Theodor Fontane sehr schön beschrieben. Er veröffentlichte 1891 seinen Roman “Jenny Treibel”. Hier spielt das gerade eröffnete “Wirtshaus am Halensee” eine wichtige Rolle als Ziel einer Landpartie. Für Corinna, die Tochter des Professors Schmidt, die mit Leopold, dem Sohn der Kommerzienratsfamilie Treibel, eine gemeinsame Zukunft plant, klingt “ein Nachmittag in Halensee fast so poetisch wie vier Wochen auf Capri”…
Fontane beschreibt zunächst die Verkehrsmittel, mit denen die Ausflügler anreisen, und dann die Landschaft aus der Turmperspektive:
“Und wirklich, um vier Uhr war alles versammelt, oder doch fast alles. Alte und junge Treibels, desgleichen die Felgentreus, hatten sich in eigenen Equipagen eingefunden, während Krola … aus nicht aufgeklärten Gründen die neue Dampfbahn, Corinna aber … die Stadtbahn benutzt hatte. “Nun, liebe Freunde,” nahm Treibel das Wort, “alles nach der Ordnung. Erste Frage, wo bringen wir uns unter? Wir haben verschiedens zur Wahl. Bleiben wir hier Parterre, … oder rücken wir auf die benachbarte Veranda hinauf … Oder endlich,… sind Sie für Turmbesteigung und treibt es Sie, diese Wunderwelt, in der keines Menschen Auge bisher einen frischen Grashalm entdecken konnte, treibt es Sie, sage ich dieses von Spargelbeeten und Eisenbahndämmen durchsetzte Wüstenpanorama zu Ihren Füßen ausgebreitet zu sehen?”
Um 1890 müssen Sie sich also die Gegend hier als ein von Spargelbeeten und Eisenbahndämmen durchsetztes Wüstenpanorama vorstellen. Danach aber ging es ganz schnell. Aus dem Knüppeldamm wurde innerhalb weniger Jahre ein Großstadtboulevard und aus der Gegend hier die City-Filiale Berlins wie man damals sagte. 1904 wurden aus dem “Wirtshaus am Halensee” die “Terrassen am Halensee”, 1910 dann der “Lunapark”. Es war ein riesiger Vergnügungspark. Sein Lärm war in ganz Halensee zu hören. Zeitweise gab es an jedem Abend zum Abschluss ein großes Feuerwerk. Der Eingang befand sich unweit des heutigen Rathenauplatzes. 1935 musste der Lunapark einem Autobahnzubringer Richtung Olympiastadion weichen.
Bahnhof Halensee
Der Bahnhof Halensee wurde wie bereits erwähnt 1877 als Bahnhof “Grunewald”, eröffnet, 1884 in “Bahnhof Halensee”, umbenannt, 1894 weiter östlich an die heutige Stelle verlegt und umgebaut. 1960 wurde ein Neubau im Pavillonstil errichtet. Bald nach dem Mauerbau wurde der Bahnhof stillgelegt. 1985 eröffnet Opel Hesse in dem Pavillon einen Autosalon. 1993 hat die Bahn beschlossen, den Bahnhof ohne Empfangshalle zu betreiben und das Gebäude abgerissen.