Kiezspaziergang am 8.11.2003

durch die Kolonie Grunewald

mit Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen
Treffpunkt: Am Bahnhof Grunewald

Sehr geehrte Damen und Herren!

Herzlich willkommen zu unserem diesjährigen November-Kiezspaziergang. Auch im November des letzten Jahres waren wir in der Kolonie Grunewald, damals mit meiner Kollegin, Sozialstadträtin Schmiedhofer. Aber diejenigen, die damals dabei waren, werden heute feststellen, dass die Villenkolonie groß ist und diesmal ganz andere Ziele angesteuert werden. Unsere Strecke ist heute nicht sehr lang. Das hängt mit dem Novemberwetter zusammen, aber auch damit, dass es an einigen Punkten viel zu erzählen gibt. Ich denke, dass wir zwischen 15.30 und 16.00 Uhr im St. Michaels-Heim an der Bismarckallee 23 ankommen werden. Dort gibt es viel zu sehen und zu erläutern vom früheren Mendelssohn-Palais, und dort können Sie sich aufwärmen und wenn Sie möchten im “Frommen Löffel”, wie das Haus hier genannt wird, etwas essen und trinken.

Jetzt aber wie gewohnt vorab die Ankündigung unseres nächsten Kiezspaziergangs. Im Dezember wollen wir ein wenig von der Vorweihnachtsstimmung vermitteln, und wir haben uns deshalb den Kurfürstendamm ausgesucht, der auch genügend historisch interessante Adressen zu bieten hat. Am Samstag, dem 13. Dezember, um 14.00 Uhr treffen wir uns am Adenauerplatz, also am Kurfürstendamm Ecke Lewishamstraße in Richtung Gedächtniskirche. Wir werden dann mit einigen wenigen Abstechern in Seitenstraßen des Kurfürstendammes bis zum Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gehen.

Heute, am Vorabend des 9. November, haben wir uns für diesen Ort entschieden, um an die Pogromnacht des 9. November 1938 zu erinnern. In aller Welt ist dieser Tag als “Reichkristallnacht” bekannt und zum Symbol geworden für Antisemitismus und für den Holocaust. In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 wurden in Deutschland die Synagogen angezündet und die meisten Geschäfte von jüdischen Deutschen zerstört. Viele deutsche Bürgerinnen und Bürger jüdischer Herkunft wurden angegriffen, gedemütigt, verhaftet und oder gar getötet. Auch die Synagoge Grunewald in der Franzensbader Straße 7 wurde damals angezündet und zerstört. Eine Gedenktafel und seit einigen Tagen auch eine von der Firma Wall entsprechend gestaltete Bushaltestelle erinnern dort vor Ort daran. Leider werden wir heute diesen Ort nicht besichtigen können, weil er zu weit entfernt liegt. Wir werden das später nachholen.

Seit Jahren versammeln wir uns gemeinsam mit dem Zeitzeugen Isaac Behar, mit Schülerinnen und Schülern und Auszubildenden der Landespolizeischule am 9. November hier zu einer Gedenkveranstaltung. In diesem Jahr findet diese Veranstaltung am Montag, dem 10. November statt. Um 16.30 Uhr ist Treffpunkt der Rathenau-Gedenkstein an der Ecke Koenigsallee und Erdener Straße. Von dort gehen wir gemeinsam mit leuchtenden Kerzen hierher zum Bahnhof Grunewald, wo dann eine eindrucksvolle Kundgebung stattfindet mit Reden der Schülerinnen und Schüler und jungen Polizisten. Zum Schluss spricht Isaac Behar das jüdische Todesgebet “Kaddisch”. Ich lade Sie herzlich ein zu dieser Gedenkveranstaltung am Montag um 16.30 Uhr ab dem Rathenau-Gedenkstein.

Die Villenkolonie Grunewald

Lassen Sie mich einige wenige Bemerkungen zur Villenkolonie Grunewald machen: Sie entstand im Zusammenhang mit dem Ausbau des Kurfürstendammes zum Boulevard. Fürst Bismarck hatte auf diesen Ausbau großen Wert gelegt. Da dieser Ausbau privat finanziert werden musste, durfte die dafür gegründete Kurfürstendamm-Gesellschaft 234 ha Grunewaldgelände für die Anlage einer Villenkolonie erschließen. Dies geschah im Jahr 1889, unter anderem durch die künstliche Anlage von vier Seen: Dianasee, Koenigssee, Herthasee und Hubertussee. 1889 wurde auch das Straßennetz angelegt, und die ersten Grundstücke wurden baureif gemacht und verkauft. 10 Jahre später, 1899 erhielt die Kolonie den Status einer selbständigen Landgemeinde. Allgemein wurde sie in Berlin die “Millionärskolonie” genannt.

Die Anlage der Villenkolonie war höchst umstritten. Das Lied “Im Grunewald, im Grunewald ist Holzauktion” war nicht zuletzt Ausdruck des ohnmächtigen Protests gegen das Abholzen der meisten Bäume.

1920 gab es in der Landgemeinde Grunewald besonders starke Proteste gegen die Bildung der Einheitsgemeinde Groß-Berlin. Aber diese Proteste nützten nichts. Grunewald mit 6.449 Einwohnern wurde 1920 gemeinsam mit der Gemeinde Schmargendorf und der Großstadt Wilmersdorf zum Bezirk Wilmersdorf, dem 9. Bezirk von Berlin zusammengefasst.

In der Kolonie Grunewald ließen sich Bankiers, Unternehmer, Professoren, erfolgreiche Künstler und Schriftsteller nieder und genossen bis zur Eingemeindung 1920 die Steuervorteile der Landgemeinde Grunewald. Die weltbekannte Opernsängerin Lilli Lehmann war eine der ersten Bewohnerinnen. Walther Rathenau, Max Planck, Alfred Kerr, die Familie Bonhoeffer, Gerhard Hauptmann, Samuel Fischer, Franz und Robert Mendelssohn, die Brüder Ullstein, Vicki Baum, Lion Feuchtwanger und viele andere Persönlichkeiten ließen sich hier nieder, die Kultur, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft des ausgehenden Kaiserreichs und vor allem der Weimarer Republik entscheidend prägten. So wurde Grunewald nicht nur ein Wohnviertel für Millionäre, sondern auch ein kulturelles Zentrum.

In ihren Erinnerungsbüchern haben viele prominente Grunewaldbewohner berichtet von prächtigen Soireen, Abendgesellschaften, Lesezirkeln, Wohltätigkeitskonzerten usw. in den großen Villen mitten in ausgedehnten Parkanlagen. Viele davon wurden nach 1945 geteilt und bebaut.

Der jüdische Anteil der Bevölkerung war hier besonders hoch. Ungefähr ein Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner waren jüdischer Herkunft. Viele jüdische Repräsentanten des neuen, modernen Berlin zog es seit der Jahrhundertwende in den “Neuen Westen”. Nach 1933 vertrieben die Nationalsozialisten die jüdischen Bürgerinnen und Bürger und zerstörten damit das kulturelle Zentrum Grunewald. Bei der historischen Erforschung Grunewalds stößt man auf Schritt und Tritt auf die deutsch-jüdische Geschichte und die Geschichte ihrer Zerstörung durch die Nationalsozialisten.

In der Zeit nach 1945 wurde der Charakter der Villenkolonie durch Verdichtung und intensive ‘brutale’ Bebauung mit Reihenhäusern und Flachbauten an vielen Stellen beschädigt wenn nicht zerstört. Seit den 80er Jahren konnte – auch durch entsprechende Vorgaben des Bezirksamtes Wilmersdorf durch modernen Villenbau an die Tradition angeknüpft werden. Um denkmalgerechte Erhaltung und Restaurierung von alten Villen möglich zu machen, müssen oft Kompromisse gefunden werden, um eine zeitgemäße Nutzung möglich zu machen.

Bahnhof Grunewald

Dieser Bahnhof wurde 1879 zunächst als Bahnhof Hundekehle eröffnet, 1884 wurde er umbenannt in “Bahnhof Grunewald”. Zunächst wurde er vor allem von den Grunewald-Ausflüglern aus Berlin genutzt, seit der Zeit um 1900 zunehmend auch von den Bewohnern der Villenkolonie. Das Bahnhofsgebäude wurde 1899 von Karl Cornelius gebaut. Es steht ebenso unter Denkmalschutz wie der Tunnel (1884-85), Bahnsteig 1 (1885) und Bahnsteig 2 (1935)

Seit dem 18. Oktober 1941 fuhren von hier und von den Bahnhöfen Putlitzstraße und Lehrter Stadtbahnhof Deportationszüge nach Lodz, Riga und Auschwitz und brachten insgesamt mehr als 35.000 jüdische Berlinerinnen und Berliner in die Vernichtungslager, wo die meisten von ihnen ermordet wurden.

Auf Initiative der Bezirksverordnetenversammlung Wilmersdorf wurde am 18. Oktober 1991 das Mahnmal von Karol Broniatowski enthüllt. Es zeigt Negativabdrücke von menschlichen Gestalten in einem Betonblock und informiert daneben auf einer Bronzetafel über die Deportationen. Diese Bronzetafel ist leider schwer lesbar, aber der Künstler wollte es so: Das Entziffern des Textes soll Mühe machen.

Der Text lautet:

Zum Gedenken

an die mehr als 50.000 Juden Berlins, die zwischen Oktober 1941 und Februar 1945 vorwiegend vom Güterbahnhof Grunewald aus durch den nationalsozialistischen Staat in seine Vernichtungslager deportiert und ermordet wurden. Zur Mahnung an uns, jeder Mißachtung des Lebens und der Würde des Menschen mutig und ohne Zögern entgegenzutreten.

Auch die Deutsche Bahn AG hat sich für die Erinnerung an die Deportationen von diesem Bahnhof engagiert. Am 27. Januar 1998 wurde das Mahnmal auf der Gleisanlage von der Deutschen Bahn AG enthüllt. Wir wollen uns jetzt dieses Mahnmal der Deutschen Bahn näher anschauen.

Mahnmal der Deutschen Bahn AG

Das Mahnmal der Deutschen Bahn AG wurde von Nicolaus Hirsch, Wolfgang Lorch und Andrea Wandel geschaffen. Es befindet sich an den Gleisen, von denen die Deportationszüge abgefahren sind. Es besteht aus Metallplatten auf den ehemaligen Verladebahnsteigen. Auf diesen Metallplatten sind die Daten, Bestimmungsorte und die Opferzahlen der einzelnen Transporte eingraviert. Wir kennen diese Daten aus den Transportlisten der Nationalsozialisten.

Sie haben genaue Listen über die Transporte geführt, auf denen allerdings die Verladebahnhöfe nicht erwähnt sind. Deshalb wissen wir nur von Augenzeugenberichten über einzelne Transporte vom Bahnhof Grunewald. Die großen Transporte mit meist mehr als 1000 Menschen gingen zunächst nach Lodz und Riga, seit Ende 1942 bis Juni 1943 nach Auschwitz. Danach gab es noch bis zum 2.2.1945 kleinere Transporte, zuletzt am 2.2.1945 mit 11 Opfern nach Ravensbrück.

Die Reichsbahn verlangte von der SS pro Person und gefahrenem Schienenkilometer 4 Pfennige, pro Kind 2 Pfennige, nur die Hälfte wenn mehr als 400 Menschen transportiert wurden. Für die ersten Transporte wurden noch Personenzüge verwendet, später Güterzüge.

Ein Reichsbahner hat beispielsweise folgendes berichtet:

“An einem Abend im Winter 1942/43, der sehr kalt war, kam Herr von der Heid vom Dienst nach Hause und berichtete völlig aufgelöst, daß von seinem Bahnsteig wieder ein Transport abgegangen sei … Er hatte das schon öfter erlebt … war aber froh, als er sah, daß bei dieser Kälte kleine Eisenöfen auf dem Bahnsteig zum Verladen bereitstanden … Die Waggons wurden immer voller mit Menschen ‘gepackt’ … Aber die Öfen wurden nicht verladen … Sie waren nur zur Schau angeliefert worden.”

Von den etwa 170.000 in Berlin lebenden Juden wurden 55.000 in Konzentrationslagern ermordet. Von 5000, die in den Untergrund gingen (wie z.B. Hans Rosenthal oder Inge Deutschkron) haben 1.400 überlebt.

Wir wollen uns jetzt unter anderem Orte in der Villenkolonie Grunewald anschauen, wo bedeutende Persönlichkeiten jüdischer Herkunft gelebt haben. Sie wurden nicht in die Vernichtungslager deportiert, weil sie entweder vorher gestorben oder rechtzeitig ins Ausland emigriert waren. Außerdem werden wir die für die Villenkolonie typische Mischung aus architektonisch vielfältigen Villen der Ursprungszeit und eher hässlichen Bauten der Nachkriegszeit sehen.

Auerbacher Straße

Dies Straße hieß bis 1938 “Auerbachstraße”. Die Nationalsozialisten änderten den Namen der Straße. Sie war 1898 nach dem jüdischen Schriftssteller Berthold Auerbach benannt worden. Berthold Auerbach lebte von 1812 bis 1882, er wurde 1843 mit seinen “Schwarzwälder Dorfgeschichten” zu einem der populärsten deutschen Erzähler. 1859 ließ er sich in Berlin nieder, beschrieb 1863 sehr idyllisch das dörfliche Wilmersdorf. 1938 machten die Nationalsozialisten aus der Auerbachstraße die Auerbacher Straße, die nun nicht mehr nach einem populären jüdischen Schriftsteller benannt war, sondern nach der sächsischen Stadt im Vogtland.

Eine Rückbenennung des Straßennamens wurde wegen Anwohnerprotesten nicht vorgenommen. Stattdessen erinnert ein Zusatzschild an Berthold Auerbach.

Auch um andere Straßennamen in Grunewald gab es Auseinandersetzungen: Die ehemalige Morgenrothstraße wurde 1938 in Dünkelbergsteig umbenannt, die ehemalige Friedenthalstraße 1938 in Schellendorfstraße, die ehemalige Dunckerstraße 1936 in Seebergsteig; in zwei Fällen wurde statt einer Rückbenennung jeweils eine Ersatzlösung beschlossen: Nach Julius Morgenroth wurde der Platz vor der Kommunalen Galerie und dem Bürgeramt am Hohenzollerndamm Ecke Brienner Straße benannt und nach Friedenthal der Park am Halensee. Auch der Seebergsteig wurde nicht in “Dunckerstraße” zurück benannt, denn eine Dunckerstraße existiert in Berlin bereits. Aber auf Beschluss der BVV hat das Bezirksamt am 1. September dieses Jahres den früheren Seebergsteig in Toni-Lessler-Straße umbenannt – trotz starker Proteste von Anwohnern. Dieser Straßenname erinnert an die jüdische Schulgründerin Toni Lessler. Die 1874 in Bückeberg geborene Pädagogin gründete 1930 in der Brahmsstraße die “Private Waldschule Grunewald”, die schnell vergrößert wurde und 1932 in “Schule am Roseneck” umbenannt wurde. Nach 1933 mussten sogenannte “arische” Schülerinnen und Schüler diese Schule verlassen. Sie erhielt immer stärkeren Zulauf von jüdischen Schülerinnen und Schülern, die nur noch eine jüdische Schule besuchen durften. 1939 wurde die Schule geschlossen, und Toni Lesser emigrierte in letzter Minute in die USA. 1953 starb sie in New York.

Fontanestraße

Die Fontanestraße wurde 1898 nach dem Schriftsteller Theodor Fontane benannt.

Nr.8

Gedenktafel

MAX REINHARDT
1873 – 1943
In dem einst hier stehenden Hause lebte
der berühmte Schauspieler und
Regisseur von 1902 – 1905

Max Reinhardt war der bedeutendste Theater-Regisseur in Berlin seit der Jahrhundertwende bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten. Er wurde 1873 als ungarischer Staatsbürger in Baden bei Wien geboren, ging schon mit 17 Jahren zum Theater und wurde mit 21 von Otto Brahm am Salzburger Stadttheater entdeckt, als er dort gerade den alten Oberst Schwarze in dem Stück “Heimat” von Hermann Sudermann spielte. Brahm engagierte den jungen Schauspieler sofort für das Deutsche Theater in Berlin, wo der junge Max Reinhardt schnell als hervorragender Darsteller alter Männer bekannt wurde. 1901 gründete Max Reinhardt das literarische Kabarett “Schall und Rauch”, das er später als “Kleines Theater” unter den Linden führte. Als Regisseur wurde er schnell berühmt mit Inszenierungen des “Sommernachtstraums” und anderer Stücke am “Neuen Theater” am Schiffbauerdamm.

Am Anfang seiner Berliner Karriere lebte er hier und lernte um die Ecke in der Trabener Straße Engelbert Humperdinck kennen, den er schon 1905 als Komponisten für seine Bühnenmusik engagierte. Der Schriftsteller und Dramatiker Hermann Sudermann zog allerdings erst später hier um die Ecke in die Bettinastraße, als Max Reinhardt bereits wieder umgezogen war.

Als berühmter Theaterregisseur verließ Max Reinhardt 1906 seine Wohnung hier in der Fontanestraße und zog gegen den Trend der damaligen Zeit vom Neuen in den Alten Westen in ein großzügiges Palais im Tiergartenviertel. Üblich war der “Zug nach Westen”, das heißt die Verlagerung des Wohnsitzes vom alten Berliner Zentrum zunächst ins Tiergartenviertel, dann nach Charlottenburg oder Wilmersdorf und schließlich nach Grunewald oder Dahlem.

Max Reinhardt wurde bereits 1906 Nachfolger von Otto Brahm als Regisseur am Deutschen Theater, gründete bald eine eigene Schauspielschule und wurde weltberühmt. Den Beinahmen “Der Zauberer” erhielt er wegen seiner großen Inszenierungen, in denen Regie, Schauspielkunst, Musik, Bühnenbild und Beleuchtung perfekt aufeinander abgestimmt waren. Der Begriff “Reinhardt-Schauspieler” hatte schnell einen magischen Klang und garantierte eine große Karriere: Adele Sandrock, Tilla Durieux und Albert Bassermann sind vielleicht die bis heute berühmtesten. Max Reinhardt gründete mehrere Privattheater, darunter 1924 das “Theater am Kurfürstendamm” und die “Komödie” ebenfalls am Kurfürstendamm und schuf so ein ganzes Theater-Imperium. Von einer Reise in die USA kehrte Reinhardt 1933 nicht mehr nach Deutschland zurück, nachdem ihn das preußische Kultusministerium am 7. April 1933 von der künstlerischen Leitung des Deutschen Theaters ausgeschlossen hatte. Er starb 1943 in New York.

Bettinastraße

1898 benannt nach der Schriftstellerin Bettina von Arnim (1785-1859)

Nr.4

Villa Ullstein, heute: Gemeindepsychiatrische Klinik Eibenhof des DRK

Gedenktafel

Hier lebte von 1903 bis 1935
Hans Ullstein
18.1.1859 – 14.5.1935
Verleger, leitete mit seinen Brüdern
Hermann, Louis, Franz und Rudolf den vom Vater Leopold
gegründeten Ullstein-Verlag.
Nach 1933 vertrieben die Nationalsozialisten die Verlegerfamilie aus Deutschland und beraubten sie ihres Vermögens.

Die Gedenktafel wurde 1991 enthüllt. Leider sind die Angaben über die Aufenthaltsdauer von Hans Ullstein nicht ganz korrekt. Richtig müsste es heißen: “Hier lebte Hans Ullstein von 1913 bis 1935”. Darauf hat uns Sten Nadolny aufmerksam gemacht, der Berliner Schriftsteller, dessen Ullsteinroman vor wenigen Wochen erschienen ist. Er erzählt darin die Geschichte des aus Fürth stammenden Papierhändlers Leopold Ullstein, der 1877 mit 51 Jahren in Berlin ein neues Unternehmen gründete: den Ullstein-Verlag. Der Handel mit Papier, mit dem er ein Vermögen gemacht hatte, war ihm zu langweilig geworden. Mit großem Erfolg machte er bald den großen Berliner Zeitungshäusern Mosse und Scherl Konkurrenz. Die “BZ am Mittag”, “Berliner Illustrierte Zeitung” und “Berliner Morgenpost” wurden erfolgreiche Massenblätter. Die Vossische Zeitung machte zwar nur Verluste, aber sie war das liberale Aushängeschild für das Bildungsbürgertum, eine Art FAZ der Kaiserzeit und der Weimarer Republik. Ullstein stand insgesamt für Liberalität und Internationalität, Scherl für Konservatismus und Provinzialität.

Nadolny schreibt: “Alle Ullstein-Zeitungen entsprangen einer bestimmten Mentalität, die beim Leser den Hunger nach mehr erzeugte, mehr von dieser Mischung aus Ernst und Unernst, fortschrittsgläubig und optimistisch, selbstsicher und locker, ausgesprochen menschenfreundlich, ja auf schnodderige Art zärtlich, so nah wie möglich am Geschehen.”

Großen Erfolg hatten auch die Ullstein-Schnittmuster, eine Art Vorläufer dessen, was Frauenzeitschriften wie Brigitte später anboten. Sie wurden ergänzt durch “Ullsteins Blatt der Hausfrau”. Auch der Ullstein-Buchverlag produzierte Qualität und Bestseller. Viele Bücher erschienen parallel als Fortsetzungsromane in einer der Zeitungen. Einer der großen Bucherfolge wurde nach dem Ersten Weltkrieg der pazifistische Roman “Im Westen nichts Neues” von Erich Maria Remarque.

Gemeinsam mit seinen Ehefrauen Matilda und später Elise hatte er 5 Söhne und 5 Töchter. Die Söhne führten den Konzern erfolgreich weiter, jeder spezialisierte sich auf ein Teilgebiet: Louis das Finanzielle, Hermann die politischen Leitlinien, Rudolf die Drucktechnik. Er sorgt dafür, dass Text und Fotografie in ein und demselben Rotationsvorgang kombiniert werden konnten, eine wichtige Voraussetzung für die massenhafte Herstellung von Illustrierten und den Abdruck von Fotos in Zeitungen. Rudolf Ullstein setzte auch den Bau des Druckhauses Tempelhof durch, und er sorgte dafür, dass die Sportberichterstattung immer mehr ausgebaut wurde. Bei vielen weltbewegenden Sportereignissen trat Ullstein als Sponsor auf, etwa bei der umjubelten Fahrt des “Eisernen Gustav”, eines Droschkenkutschers von Berlin nach Paris und zurück. So entstand ein Ullstein-Fieber. Ullstein wurde zur Legende, verbunden mit dem Mythos von Sportsgeist und Höchstleistung.

Hans Ullstein war der erstgeborene Sohn. Er studiert Jura und wird Rechtsanwalt, bis er als Justitiar in die Firma seines Vaters eintritt. Mit seiner Bescheidenheit wurde er zum ausgleichenden Faktor, der viele wichtige Entscheidungen vorbereitete und den Konzern unauffällig im Hintergrund steuerte. Zu vielen brisanten Themen schrieb er ausgewogene Leitartikel. Wie sein Vater engagierte er sich als einziger der 5 Söhne auch politisch: in der Berliner Stadtpolitik und in der Sozialpolitik. Er kaufte 1912 dieses Grundstück am Dianasee, das seine Frau Antonie ausgesucht hatte. Als die Familie ein Jahr später einzog, war er 54 Jahre alt. Er lebte mit seiner Frau hier bis zu seinem Tod 1935. Wegen einer immer ärgeren Schüttellähmung war er seit den 20er Jahren an den Rollstuhl gefesselt und musste sich aus der Verlagsleitung zurückziehen.

Er fehlte als ausgleichender Faktor, und es mag auch daran gelegen haben, dass die vier anderen Brüder sich heillos zerstritten und schließlich Anfang der 30er Jahre gegeneinander prozessierten. Um Franz aus dem Verlag zu drängen, intrigierten die anderen gegen dessen Frau Rosie und konstruierten völlig aus der Luft gegriffene Spionagevorwürfe gegen sie. Als es schließlich zur Versöhnung kam, hatte Hitler die Macht in Deutschland übernommen, und es half den Ullsteins nichts, dass sie allesamt evangelisch waren. Ihre jüdische Herkunft reichte, um sie aus dem Konzern zu drängen. Im Zuge der sogenannten “Arisierung” erhielten sie nur Bruchteile des Werts ihres Verlags, und selbst diese Bruchteile wurden ihnen noch abgenommen, bevor sie schließlich in letzter Minute emigrieren konnten. Aus dem Ullstein-Verlag wurde der “Deutsche Verlag”. Die Nazi-Nachfolger versuchten, den Namen Ullstein auszulöschen und dennoch an die Ullstein-Legende anzuknüpfen: Die Ullstein-Schnittmuster hießen jetzt Ultra-Schnitte, und die Ullsteinbücher hießen jetzt Uhlenbücher.

Der Sohn von Louis Ullstein, Heinz Ullstein, blieb in Deutschland. Seine Ehe mit seiner nichtjüdischen Frau Änne schützte ihn zunächst vor der Verfolgung. Aber Anfang 1943 wurde er verhaftet und in ein Sammellager an der Rosenstraße in Berlin-Mitte gebracht. Änne war eine der mutigen Frauen, die in der Rosenstraße gegen die Verhaftung ihrer jüdischen Männer protestierten. Änne hatte zwar bereits die Scheidung eingereicht, weil die beiden sich auseinander gelebt hatten, aber als er in Lebensgefahr geriet, stand sie zu ihm und leugnete gegenüber der Gestapo ihre Scheidungsabsicht. Er kam frei und überlebte. Auch er wurde Verleger und arbeitete in der Nachkriegszeit mit Helmut Kindler zusammen.

Der 1893 geborene Sohn von Hans Ullstein, Karl Ullstein, kam in den 50er Jahren nach Berlin zurück und kämpfte um die Lizenzen für die “Morgenpost” und die “B.Z.” Aber schließlich verkaufte er 1962 an Axel Cäsar Springer, der auch den Ullstein-Buchverlag übernahm.

All das und viel mehr können Sie nachlesen in dem neuen dokumentarischen Roman von Sten Nadolny.

Nr.3

Gedenktafel

HIER LEBTEN

HERMANN SUDERMANN
1857-1928
DRAMATIKER
PROSASCHRIFTSTELLER
1916-1928

DR. ROLF LAUCKNER
1887-1954
DRAMATIKER
LYRIKER FILMAUTOR
VON 1931-1954

Der Schriftsteller Hermann Sudermann war im Kaiserreich äußerst populär, vor allem als Theaterautor. Er konnte sich neben seinem Schloss Blankensee bei Trebbin hier seit 1915 die von Otto March erbaute Villa als Sommersitz leisten. Heute ist hier der Sitz der Hermann-Sudermann-Stiftung, das Grab des Dramatikers befindet sich auf dem Friedhof Grunewald an der Bornstedter Straße.

Er litt zeitlebens darunter, dass er von der Theaterkritik nicht ernstgenommen wurde.

Alfred Kerr schrieb über ihn:

“Von allem, was große und echte Überlieferung in unserer Literatur heißt, ist er geschieden; mit allem, was Anempfindung und oberflächliche Mode heißt, ist er eng verknüpft. Wildgewordener Frauenroman ist seine Note. Mit Gerhart Hauptmann (Scherzbolde vergleichen die Beiden) hat er nichts gemein als die letzte Silbe seines Namens.”

Allerdings war Sudermann zu seiner Zeit weitaus populärer und erfolgreicher als Gerhart Hauptmann. Hier in der Villenkolonie Grunewald war er eng befreundet mit Walther Rathenau, der unweit von hier ein Haus in der Koenigsallee 65 gebaut hatte.

Sudermann hörte am 24. Juni 1922 von dem Attentat auf Walther Rathenau. Er schrieb in sein Tagebuch:

“Ich, eiskalt vor Entsetzen und hoffend, es sei nicht wahr, renne die paar Schritte zu Rathenaus Haus … Der Diener packt losweinend meine Hand. Und dann gehen wir ins Arbeitszimmer. Da liegt vorm Schreibtisch auf der Erde, mit weißem Laken bedeckt, ein längliches Etwas. Schlage das Laken zurück: Sein Gesicht – der rechte Unterkiefer durch eine drei Finger breit klaffende Wunde gespalten, der weißgewordene Spitzbart durch darüber geronnenes Blut wieder braun … Unser bester Mann – nun haben sie ihn zur Strecke gebracht.”

Der 1887 in Königsberg geborene Theater-Schriftsteller Rolf Lauckner ist heute weitgehend vergessen. Seine Mutter Clara Lauckner hatte nach dem frühen Unfalltod ihres Mannes Hermann Sudermann geheiratet. Lauckner schrieb überwiegend Dramen und Komödien, die zu ihrer Zeit von bedeutenden Regisseuren inszeniert wurden, darunter auch von Max Reinhardt. Er litt darunter, im Schatten seines berühmten Stiefvaters zu stehen und meist nur als Stiefsohn Sudermanns bekannt zu sein.

Winkler Straße

Die Winkler Straße wurde 1898 nach dem Weinort Oestrich-Winkel im Rheingau-Taunus benannt. In diesem Teil Grunewalds wurden einige Straßen nach Weinorten und Weinsorten benannt: zum Beispiel Trabener, Erdener, Erbacher, Niersteiner. Die Winkler Straße ist eine der besonders reizvollen Straßen in der Kolonie mit bedeutender Villenarchitektur

Nr. 20

Hier bauen die Vereinigten Arabischen Emirate einen Neubau für ihre Botschaftsresidenz. Das Grundstück zieht sich hin bis zum Dianasee. Das Bauprojekt wird von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung betreut, die inzwischen generell die Zuständigkeit für Botschaftsbauten hat. Der Neubau im arabisch angehauchten Architekturstil gilt als Einfamilienhaus. Es wird wohl eines der größten Einfamilienhäuser im ganzen Gebiet.

Nr.18

Hier befand sich das 1898 von Alfred Messel gebaute Landhaus Dotti. Alfred Messel hatte unter anderem das berühmte Kaufhaus Wertheim am Leipziger Platz gebaut und auch hier ein architektonisch bedeutendes Wohngebäude geschaffen. Es wurde zerstört, und in den 60er Jahren wurde das Grundstück bis hinunter zum Dianasee dicht bebaut mit terrassenförmig angelegten Flachbauten.

Nr. 15a

Neubau der norwegischen Botschaftsresidenz, interessanter architektonischer Kontrast, ehemaliges bezirkliches Grundstück.

Nr. 14

Privates Krankenhaus

Nr. 12

Diese klassizistische Villa im Stil der italienischen Renaissance wurde 1896/97 von Heimann, Zaar & Vahl für den Arzt Paul Maren gebaut. Sie könnte auch irgendwo in der Toskana stehen. Besonders auffallend ist das Schmuckband im obersten Geschoss direkt unter dem Dach. Bis vor einigen Jahren war hier ein DRK-Wohnheim für Flüchtlingsfrauen untergebracht, jetzt wurde sie vorbildlich restauriert und wird privat genutzt. Hier sehen wir ein neues Beispiel für großbürgerliches Wohnen wie zu Beginn der Besiedlung.

Nr. 15

Diese Villa hat der Architekt Ewald Becher 1896 in Anlehnung an den Renaissance-Stil für sich selbst gebaut. Heute ist sie ein Baudenkmal. Auffallend ist der glockenturmähnliche Aufsatz. Ewald Becher hat in der Folge noch eine Reihe von Villen in Grunewald gebaut. Wir werden gleich an einer vorbeikommen, in der Winkler Straße Nr. 7. Sie entstand 1905 für den Konsul Louis Ludwig Kohnke. Auch dort werden Sie den Renaissance-Stil wieder finden.

Nr. 10, Villa Noelle

Die Villa wurde 1901 von Hermann Solf für den Stahlbauunternehmer und Kommerzienrat Ernst Noelle gebaut. Sie stand ursprünglich auf einem 9.000 qm großen Seegrundstück am Dianasee, das die heutigen Hausnummern 6a, 8 und 10 umfasste und bis zum Hasensprung reichte. Ernst Noelle wurde 1854 in Mülheim an der Ruhr geboren und wuchs im Ruhrgebiet auf. Über den Stahlhandel bei Thyssen kam er nach Berlin und gründete hier mit seinem Freund Steffen die Stahlhandelsfirma Steffen und Noelle. Die Firma hat unter anderem den Stahl für den Bau des Funkturms geliefert.

Ernst Noelle beauftragte den Architekten Hermann Solf, der bereits einige Villen in Grunewald gebaut hatte, mit dem Bau eines repräsentativen Hauses. Es wurde im Stil der deutschen Renaissance ausgeführt und erinnert mit seinen Giebeln, Erkern und Dachaufbauten an den Burgenstil. Der Stein für die Fassadengestaltung stammte aus Oberdorla bei Mühlhausen in Thüringen. Ernst Noelle zog 1901 mit seiner Frau und seinen 5 Kindern ein. Er spendierte die Kirchenfenster für die Evangelische Grunewaldkirche und den jährlichen Tannenbaum für die Weihnachtsgottesdienste. Er starb 1916. Sein ältester Sohn hat später die Tobis-Filmgesellschaft gegründet, und dessen Tochter ist die bekannte Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann. Sie steht auch heute noch in enger Verbindung mit dem jetzigen Besitzer Schulz-Eschbach.

Die Kinder von Ernst Noelle verkauften die Villa 1920 an den Fabrikanten Johann Heinrich Goetschkes. 1931 wurde sie zwangsversteigert und von dem Geheimen Finanzrat Dr. Fritz Hartmann erworben. Auch er bekam finanzielle Probleme und beging Selbstmord. 1936 erwarb ein Direktor Reibeholz die Villa und baute sie um, so dass 6 Wohnungen entstanden. In die große Eingangshalle wurde das Treppenhaus für die Wohnungen der Hauptgeschosse eingebaut. Das Grundstück wurde 1937 parzelliert und mit Einhamilienhäusern bebaut. Aber schon 1938 gab es wieder einen Besitzerwechsel: Regierungspräsident Kurt Schönner wurde neuer Eigentümer. Seine Witwe verkaufte es 1961 an den Kaufmann Johannes Bothe, der es im Oktober 1972 an den Malermeister Uwe Schulz-Eschbach verkaufte. Er hat das Haus saniert und seine Geschichte sorgfältig dokumentiert. Die Firma Schulz-Eschbach ist bekannt für ihre kunstvollen Restaurierungen und hat beispielsweise für den symbolischen Preis eines Preußentalers Schloss Sanssouci mit einem neuen Anstrich versehen.

Nr. 13

Die Villa wurde im malerischen Landhausstil mit vielen Türmchen, Spitzdächern und Giebeln 1895/96 von Cornelius & Jaehn für den Druckereibesitzer Martin Franz gebaut. Sie steht heute ebenfalls auf der Baudenkmalliste.

Nr. 11

Die Villa wurde 1906 von Hermann Muthesius im englischen Landhausstil für den Ingenieur und Fabrikanten Eduard Bernhard gebaut. Sie war für damalige Verhältnisse recht modern, ohne historisierende Ausschmückungen. Heute ist sie Bau- und Gartendenkmal. Der Pavillon als Ausguck weist darauf hin, dass ursprünglich von hier aus der Blick auf den Dianasee frei war.

Nr. 7

Wie bereits erwähnt: 1907 von Ewald Becher.

Der Hasensprung führt über den Verbindungskanal zwischen Dianasee und Koenigssee. Beide wurden 1889 künstlich angelegt.

Nr. 6

Bischöfliches Ordinariat

Erdener Straße

Die Erdener Straße wurde 1898 nach dem Weinort Erden bei Bernkastel-Wittlich in Rheinland-Pfalz benannt.

Nr.8

Samuel Fischer (Gedenkplakette mit Relief)

Der 1859 in Ungarn geborene Samuel Fischer lebte hier seit 1905 bis zu seinem Tod 1934. Er war der Verleger von Gerhard Hauptmann, Thomas Mann, Hermann Hesse, Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler und vielen anderen deutschen Autoren. Ohne ihn wäre die deutsche Literatur zwischen 1900 und 1933 nicht denkbar.

Seine Tochter Brigitte Behrmann-Fischer schrieb ein Erinnerungsbuch unter dem Titel “Sie schrieben mir – oder Was aus meinem Poesiealbum wurde”. Es ist eines der schönsten Dokumente der Villenkolonie Grunewald als kulturelles Zentrum. Brigitte Behrmann-Fischer schreibt:

“‘Leute’ kamen oft und viele in mein Elternhaus, in die schöne und helle, weitläufige Villa im Grunewald. An ihrer Außenwand zeigte sie das S. Fischer-Signet, den Fischer mit dem Netz, als Relief …”

Brigitte Behrmann-Fischer beschreibt Treffen mit den Berliner Philharmonikern und mit Albert Einstein, der für jedes Streitgespräch offen war aber äußerst empfindlich reagierte, wenn sein Geigenspiel nicht genügend gewürdigt wurde.

Felix Salten, Freund der Familie, schrieb 1910 in “Spaziergang in Berlin”:

“Es hat einen unvergleichlichen Reiz, als bummelnder oder als geschäftiger Fremder in der Stadt drin zu wohnen, umherzulaufen, sich umklirren und umdröhnen zu lassen von dem siedenden Tumult dieses Lebens, dann aber mit einem Automobil blitzschnell hinauszurasen, zu dem Haus im Grunewald und dort still zu sitzen. Es ist, wie wenn man unter dem Wasser geschwommen wäre, bis es einem in den Ohren braust, bis einem die Schläfen hämmern und ein eherner Druck einem die Brust umpreßt. Dann aber taucht man auf, und die Luft streicht einem beschwichtigend über die Wangen, und man hat das himmlische Glück der tiefen Atemzüge.”

Otto Flake, schrieb 1912 über das Haus von Samuel Fischer:

“Der Haushalt mit Tennisplatz, Gärtner, Chauffeuer, Gesellschafterin, Kinderfräulein, Köchin und Dienstboten kostete beträchtliche Summen … In dem Haus mit der ausgemalten Halle, dem angebauten Speisesaal, der großen Bibliothek, dem Klavierzimmer und dem reizenden Teezimmer, mit den gewählten Teppichen und dem Liebermann, dem Gauguin, dem van Gogh, dem Ludwig von Hofmann an den Wänden, traf ich mit einer Unmenge von Namensträgern zusammen – Hauptmann, Rathenau, Thomas Mann, Schnitzler, Hofmannsthal, Stefan Zweig, Peter Nansen, Carl Ludwig Schleich, Kellermann, Franz Blei, Johannes V.Jensen, Wassermann, Hans Reisiger, Lovis Corinth, Irene Triesch, Gabriele Reuter, Dernburg, Annette Kolb, und im Lauf der Jahre wurde es ein endloser Zug: meine Tischdamen allein nähmen eine Seite in Anspruch: die reizendsten waren Käthe Dorsch und Brigitte Horney …”

Nach 1945 zog Hans Werner Richter in das Haus und organisierte hier Treffen der Gruppe 47, später richtete sich hier das Literarisches Colloquium ein, bevor es nach Wannsee zog. Heute ist das Haus in Privatbesitz.

Wallotstraße

Die Straße wurde 1898 nach dem Architekten Paul Wallot benannt, dessen wichtigstes Gebäude der Berliner Reichstag war. 1883 zog er für diesen Bau von Frankfurt/M nach Berlin um. Fertig gestellt wurde der Reichstag 1894. Vier Jahre später wurde die Straße bereits zu Lebzeiten Wallots nach ihm benannt. Er starb 1912 in Langenschwalbach im Taunus

Nr.19

Wissenschaftskolleg zu Berlin – Institute for Advanced Study Berlin

Das Wissenschaftskolleg wurde 1980 in Form eines privaten Vereins gegründet; Gründungsrektor war Peter Wapnewski, sein Nachfolger Wolf Lepenies, dessen Rektorat im September 2001 nach fünfzehnjähriger Amtszeit endete. Neuer Rektor ist der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Dieter Grimm. Bis zu 40 Fellows verfolgen innerhalb eines Akademischen Jahres selbstgewählte Forschungsvorhaben und bilden eine Wissenschaftlergemeinschaft auf Zeit. Seit Anfang der 90er Jahre steht die Vertiefung der kulturellen Verständigung mit osteuropäischen Ländern im Mittelpunkt.

Koenigsallee

Die Koenigsallee ist eine der Hauptstraßen der Villenkolonie. Sie wurde 1895 noch zu seinen Lebzeiten nach dem Bankier und bedeutenden Kunstmäzen Felix Koenigs benannt und wird häufig fälschlicherweise mit “ö” geschrieben. Koenigs lebte von 1846 bis 1900 und war einer der Mitbegründer der Villenkolonie Grunewald. Er besaß einige Grundstücke an der Koenigsallee.

Rathenau-Gedenkstein

Die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands
Dem Andenken an
WALTHER RATHENAU
Reichsaußenminister der deutschen Republik
Er fiel an dieser Stelle durch Mörderhand
am 24. Juni 1922
Die Gesundheit eines Volkes
kommt nur aus seinem inneren Leben
Aus dem Leben seiner Seele und seines Geistes
Oktober 1946

Walther Rathenau (1867-1922) übernahm als Sohn des AEG-Gründers Emil Rathenau als Direktor die Leitung der AEG. Daneben schrieb er philosophische und essayistische Werke. Besonders umstritten war 1896 seine Streitschrift “Höre Israel”, in der er den deutschen Juden die vollständige Assimilation empfiehlt. Er war politisch in der liberalen Deutschen Demokratischen Partei DDP aktiv, organisierte im Ersten Weltkrieg den Nachschub für das Heer und wurde am 1.2.1921 Reichsaußenminister. Seine Politik der Aussöhnung mit Russland im Rapallo-Vertrag machte ihm Feinde über die antisemitischen Gegener hinaus. Obwohl er wusste, dass er extrem gefährdet war, lehnte er verschärfte Sicherheitsmaßnahmen für seine Person ab.

Am 24. Juni 1922 wurde er auf dem Weg von seinem Haus in der Koenigsallee 65 ins Außenministerium hier in der Koenigsallee Ecke Erdener Straße im offenen Wagen ermordet. Die Attentäter überholten sein Auto in der Kurve, schossen auf ihn und warfen eine Handgranate in seinen Wagen. Blutüberströmt wurde er in sein Haus zurückgebracht, wo er kurz danach starb.

Seit 1990 geht von diesem Gedenkstein jährlich am 9. November ein von Schülern gemeinsam mit dem Bezirksamt organisierter Gedenkmarsch zum Bahnhof Grunewald.

Walther Rathenau war lange befreundet mit dem Publizisten Maximilian Harden, der nicht weit entfernt in der Wernerstr.16 wohnte, Am 3.7.1922, nur 9 Tage nach Rathenaus Ermordung, wurde auf Harden unweit seines Hauses in der Wernerstraße ebenfalls ein Attentat von Rechtsradikalen verübt, das er nur knapp überlebte. Harden zog danach in die Schweiz, wo er 1927 an den Folgen des Attentats starb.

Herthastraße (Ecke Lynarstraße)

Die Herthastraße wurde 1898 nach der angeblichen germanischen Göttin Hertha benannt, die Lynarstraße im gleichen Jahr nach dem Baumeister des 16. Jhs, Graf Rochus zu Lynar.

Das pompöse Eingangstor führte früher auf das Grundstück von Robert von Mendelssohn am Herthasee. Dahinter befand sich das ebenfalls sehr große benachbarte Grundstück von Franz von Mendelssohn. Beide waren Nachfahren Moses Mendelssohns, und beide waren einflussreiche Bankiers des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Bei ihren Wohltätigkeitsveranstaltungen war nicht selten Kaiser Wilhelm II persönlich zu Gast.

Die Wohnungsbebauung der 60er Jahre auf dem Grundstück von Robert von Mendessohn ist wohl das hässlichste Beispiel für die Zerstörung des ursprünglichen Charakters der Villenkolonie durch den so genannten Wiederaufbau.

Gestern hat die Mendelssohn-Gesellschaft e. V. mit ihrer Vorsitzenden Elke von Nieding gemeinsam mit dem Berliner Senat unter dem Motto “260 Jahre Familie Mendelssohn in Berlin” – den Philosophen Moses Mendelssohn geehrt, der im Herbst 1743 nach Berlin übersiedelte, und seinen Enkel, den Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy. Am Grab von Moses Mendelssohn auf dem Alten Jüdischen Friedhof in der Großen Hamburger Straße in Mitte und am Grab von Felix Mendelssohn Bartholdy auf dem Kirchhof II der Dreifaltigkeitsgemeinde, Kreuzberg wurden Kränze niedergelegt. Franz und Robert von Mendelssohn waren Nachkommen Moses Mendelssohns in sechster Generation.

Nr.5

Das frühere Pförtnerhaus, das zum Palais Franz von Mendelssohns gehörte. Daneben befand sich früher der Hauptzugang zum Haus. Der heutige Hauptzugang an der Bismarckallee 23 wurde erst in den 60er Jahren errichtet.

Bismarckallee

Nr.23

Gedenktafel

Hier lebte von 1899 bis 1935
FRANZ VON MENDELSSOHN
29.7.1865 – 18.6.1935
Jurist und Bankier. Mitinhaber des Bankhauses Mendelssohn
1914 bis 1931 Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer
1921 bis 1931 Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages

In einem 23.000 qm großen Landschaftspark am Herthasee baute der kaiserliche Hofbaurat Ernst Ihne 1896-98 das Wohnhaus für Franz von Mendelssohn. Das schlossartige Anwesen wurde allgemein das Palais Mendelssohn genannt. Franz von Mendelssohn war begeisterter Kunstsammler und Mäzen. In den repräsentativen Räumen hingen Gemälde van Goghs, Cezannes und Manets und die Werke alter niederländischer Maler an den Wänden. Im Palais gab es auch eine private Grundschule, die außer den Kindern der Familie auch Nachbarskinder besuchten wie die Tochter Maximilian Hardens, Samuel Fischers Tochter Brigitte, genannt “Tutti” oder der Sohn des Wirtschaftswissenschaftlers Werner Sombart. Nicolaus Sombart hat darüber berichtet, wie er “eine Privatklasse im Mendelssohn-Palais besuchte – wo ich zwar noch nicht die Rembrandts und van Goghs in der Halle zu identifizieren wusste, aber sehr beeindruckt war von der Livree der würdigen Diener, die uns in den Unterrichtssaal führten.”

Legendären Ruf hatten die Wohltätigkeitssoireen und die Hauskonzerte im ovalen Musikzimmer der Mendelssohns. Franz von Mendelssohn spielte hervorragend Geige. Er war Schüler von Joseph Joachim gewesen, dem wohl berühmtesten Geiger seiner Zeit. Es gab in den Jahren vor 1933 wohl keinen Künstler von Rang, der in Berlin konzertiert hätte und nicht hier in der Villa Mendelssohn zu Gast war: der jugendliche Jehudi Menuhin, Edwin Fischer, Rudolf Serkin und viele mehr.

Bei Wohltätigkeitskonzerten spielten auch schon einmal Franz von Mendelssohn und Albert Einstein gemeinsam mit den Berliner Philharmonikern das Konzert von Johann Sebastian Bach für zwei Violinen und Orchester.

Seit 1914 war Franz von Mendelssohn Präsident der Berliner Handelskammer, seit 1921 außerdem Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages und damit einer der bedeutendsten Wirtschaftsrepräsentanten der Weimarer Republik. Robert von Mendelssohn war bereits 1917 gestorben. Sein Bruder Franz erlebte noch zwei Jahre lang die Nazi-Diktatur, bevor er 1935 im Alter von 70 Jahren starb.

Am 16.6.1935 würdigte das Grunewald-Echo, das auch zu dieser Zeit noch unter einer liberalen Redaktion stand, den gläubigen Protestanten aus großer jüdischer Familie in einem ausführlichen Nachruf:

“Was er für die Villenkolonie Grunewald getan hat, mit deren Wachsen, Blühen und Gedeihen er unvergänglich verbunden war – als Begründer und Mäzen der Grunewalder Freiwilligen Feuerwehr, der er das erste Feuerlöschmobil spendete, als Mitbegründer des Grunewalder Kriegervereins, dem er die Fahne schenkte, als Mitstifter der Gelder, die der Grunewalder Kirchenbau erforderte (er schenkte der Kirche auch die Orgel und den Grunewalder Schulen die Flügel in den Festsälen) – all das wird für alle Zeiten mit goldenen Lettern in den Annalen unseres lieben Grunewalds eingetragen sein!”

Die Familie Mendelssohn musste das große Palais am Herthasee bald nach dem Tod Franz von Mendelssohns verlassen. Die Deutsche Reichspost richtete hier in den 30er Jahren ein Gästehaus ein. 1943 wurde das Haus bei Bombenangriffen stark beschädigt. Noch in den letzten Kriegswochen installierte die Waffen-SS hier im Kellergeschoss ein gewaltiges Abhörsystem. Nach dem Krieg nahmen die Engländer das Gebäude in Besitz und richteten darin eine Schule für die Kinder der Soldaten der alliierten Besatzungsmächte ein. Im Mai 1957 erwarb die Johannische Kirche das stark heruntergekommene Anwesen mit dem schwer beschädigten Hauptgebäude. Die Stiftung Johannisches Aufbauwerk errichtete einen Neubau, bemühte sich aber, das alte Gebäude in einigen Grundzügen zu erhalten und insbesondere einige Innenräume zu restaurieren.

Heute befinden sich hier eine Kirche, ein Jugendgästehaus, ein als “Frommer Löffel” bekanntes Restaurant und soziale Einrichtungen.

Ich empfehle Ihnen einen Spaziergang durch den Park hinter dem Haus hinunter zum Herthasee, und wer will kann sich danach im Restaurant aufwärmen.