mit Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen
Treffpunkt: Fehrbelliner Platz vor dem Rathaus Wilmersdorf
Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen zu unserem ersten Kiezspaziergang im Neuen Jahr. Gelegentlich wurden wir schon gefragt, ob uns nicht die Themen und die Kieze ausgehen. Ich kann Ihnen versichern, dass dies nicht der Fall ist und wir noch viel vorhaben. Also auch in diesem Jahr gilt: Einmal im Monat, und zwar immer am zweiten Sonnabend um 14.00 Uhr bieten wir einen Spaziergang zur Erkundung eines Kiezes in unserem Bezirk an. Am Sonnabend, dem 14. Februar, treffen wir uns um 14.00 Uhr am Rathaus Charlottenburg an der Otto-Suhr-Allee 100, und wir werden über die Spree vorbei am Kraftwerk Charlottenburg, an der Sporthalle Charlottenburg in der Sömmeringstraße, am Landgericht am Tegeler Weg bis zum Mierendorffplatz gehen.
Heute geht es durch ein Stück Wilmersdorf, und weil wir mit einem kalten Wintertag gerechnet haben, wollen wir am Ende unserer Tour die Auenkirche und das Schoelerschlösschen besichtigen, wo wir vor Wind und Wetter geschützt sein werden.
Fehrbelliner Platz
Der Fehrbelliner Platz wurde 1892 benannt nach dem Ort Fehrbellin im Neuruppiner Land. Passend zum Hohenzollerndamm und zur Brandenburgischen Straße, die sich hier kreuzen, handelt es sich dabei um den Ort, an dem eine entscheidende Schlacht der preußischen Geschichte stattfand: In der Schlacht bei Fehrbellin besiegte 1675 Kurfürst Friedrich Wilhelm mit seinen brandenburgischen Reitern die schwedische Armee unter Feldmarschall Wrangel. Dadurch wurde die Mark Brandenburg von der schwedischen Besatzung befreit, und Friedrich Wilhelm erhielt den Beinamen “Großer Kurfürst”.
Seit 1904 plante die extrem schnell wachsende Stadt Wilmersdorf auf dem Gelände des heutigen Parkplatzes am Parkcafé ein neues Rathaus. Das alte Wilmersdorfer Rathaus an der Gasteiner Straße Ecke Sigmaringer Straße war schnell zu klein geworden. Es gab zwei Architekturwettbewerbe mit ersten Preisen. Das neue Rathaus sollte einen hohen Turm erhalten, höher als der Turm des Rathauses Schöneberg, das 1911-14 gebaut wurde. Die Wilmersdorfer Stadtherren aber waren zu langsam. Der Erste Weltkrieg machte schließlich einen Strich durch die Rathausplanung. Sie wurde nie realisiert.
1911-13 wurde die U-Bahn-Linie 1 zunächst bis Rüdesheimer Platz gebaut, später bis Breitenbachplatz und schließlich bis Krumme Lanke verlängert. 1913 wurde der U-Bahnhof Fehrbelliner Platz eröffnet, gemeinsam mit den anderen Bahnhöfen der Linie 1: Hohenzollernplatz, Heidelberger Platz und Rüdesheimer Platz. Der Architekt war Wilhelm Leitgebel. 1967 – 72 wurde daraus ein Kreuzungsbahnhof im Zuge des Baues der U-Bahn-Linie 7 von Rudow nach Spandau. Damals entstand auch der heute so auffällige rote Eingangspavillon von Rainer Gerhard Rümmler. Er wurde vor drei Jahren komplett saniert und unter dem Platz zu einem Einkaufszentrum umgebaut.
Zurück zu den 20er Jahren. Damals befand sich der U-Bahnhof Fehrbelliner Platz noch auf weithin unbebautem Gelände. Es wurde überwiegend als Laubengelände genutzt, an der Stelle des heutigen Rathaus Wilmersdorf befand sich ein großer Sportplatz. 1920-25 wurde der Preußenpark angelegt, und die Randbebauung des Platzes begann.
Die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte begann 1923 und baute das erste Verwaltungsgebäude an der Ruhrstr. 1-2, 1930 wurde es – ebenfalls für die RfA erweitert um den Bau an der Ruhrstr. 3. Alle anderen großen Verwaltungsgebäude am Platz wurden in den 30er Jahren gebaut. Vor allem der Fassadenschmuck zeigt teilweise noch die Vorlieben der nationalsozialistischen Bauherren.
Fehrbelliner Pl. Nr.1 wurde 1936 als Karstadt-Kontorhaus gebaut, 1963 zog hier das neu geschaffene Landesverwaltungsamt ein.
Nr.2 wurde 1939 von Otto Firle für die Nordstern-Versicherung gebaut, 1939-45 war hier außerdem die Reichsstelle für Milch- und Fettwirtschaft untergebracht, in der Nachkriegszeit die Senatsverwaltung für Inneres. Nach deren Umzug in die Klosterstraße in Mitte übernahm seit zwei Jahren die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung das Gebäude. Die Skulpturen von Waldemar Raemisch zeigen allegorische Darstellungen der Menschenalter.
Nr.3 wurde 1938 von der Reichsbaudirektion als Reichsgetreidestelle errichtet, in der Nachkriegszeit residierten hier wechselnde Bundesinstitutionen, zum Beispiel das Gesamtdeutsche Institut, heute das Filmarchiv als Teil des Bundesarchivs und das Hauptzollamt für Prüfungen.
Nr.4 wurde 1941-43 von A. Remmelmann als Verwaltungsgebäude für die Deutsche Arbeitsfront (DAF) gebaut. Es war das letzte Verwaltungsgebäude der Nationalsozialisten in Berlin und sollte die DAF-Zentrale nebenan am Hohenzollerndamm 177 ergänzen. Nach der Fertigstellung zog aber nicht die DAF ein, sondern das Haus wurde als Dienstgebäude für das Oberkommando des Heeres requiriert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Haus 1945 von den Briten beschlagnahmt und als Hauptquartier eingerichtet. Im Gegensatz zu den umliegenden Wohnhäusern war keines der Verwaltungsgebäude am Fehrbelliner Platz im Krieg schwer beschädigt worden. Angeblich haben die Alliierten diese Gebäude geschont, weil sie sie nach dem Krieg selbst benutzen wollten. 1954 zog hier das Rathaus Wilmersdorf ein, die Briten bezogen ihr neues Hauptquartier beim Olympiastadion. Seit der Fusion von Wilmersdorf mit Charlottenburg ist hier der Sitz der Bezirksverordnetenversammlung. Außerdem sind die Abteilungen Bauwesen und Jugend, Familie, Schule und Sport untergebracht.
In der Nachkriegszeit wurde das Verwaltungszentrum Fehrbelliner Platz weiter ausgebaut: 1954-55 wurde an der Württembergischen Str. 6-10 das Hochhaus für den Bausenat errichtet, heute Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.
Am 7.8.1953 wurde die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) als Nachfolgeinstitution der RfA als personell stärkste Bundesbehörde mit Sitz in Berlin eröffnet. Als Erweiterung der Häuser aus den 20er Jahren in der Ruhrstraße wurden folgende Gebäude errichtet: 1957-59 ein Backsteinbau von Heinz Behnke an der Konstanzer Straße 42, 1965 ein Hochhausbau von Heinz Kroh an der Westfälischen Straße 57, 1970-73 ein Bürohaus von Jan und Rolf Rave hier am Fehrbelliner Platz 5, heute Haupteingang der BfA, mit einer Einkaufspassage im Erdgeschoss. 1974-77 wurde noch ca. 500 m weiter am Hohenzollerndamm 47 ein 22stöckiges Hochhaus mit Aluminiumverkleidung für die BfA errichtet. Heute betreuen ca. 13.000 Beschäftigte ca. 23 Mio. Versicherte und 8 Mio. Rentner. Insgesamt arbeiten ca. 20.000 Beschäftigte am Fehrbelliner Platz und Umgebung, davon rund 12.000 bei der BfA, 1.500 beim Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf.
1978 wurden die Sieben Schwaben von Hans-Georg Damm auf dem Mittelstreifen des Hohenzollerndammes aufgestellt. Sie weisen mit ihrer Hellebarde den Weg zum Rathaus Wilmersdorf.
Vor dem Rathaus wurde am 5.3.1987 eine britische Telefonzelle in Betrieb genommen, neben dem Eingang ist ein britischer Briefkasten angebracht – beides Geschenke der ehemaligen britischen Schutzmacht.
Nachdem der stadtbekannte Trödelmarkt auf dem Parkplatz am Preußenpark vor einigen Jahren weichen musste, um dem Parkcafé Platz zu machen, ergänzen sich seit mehr als einem Jahr nun wieder am Wochenende das Parkcafé und ein Flohmarkt.
Brandenburgische Straße
Die Brandenburgische Straße erhielt ihren Namen 1888. Davor hieß sie seit etwa 1850 “Charlottenburger Weg”. Der frühere Name war “Priesterweg”. Der Wilmersdorfer Pfarrer versorgte die Pfarrei des Dörfchens Lietzow, dort, wo sich heute das Rathaus Charlottenburg befindet, mit und benutzte als Verbindungsstrecke den “Priesterweg”.
Wegenerstraße
Die Wegenerstraße wurde 1893 nach Robert Wegener benannt, der von 1877 bis 1886 Wilmersdorfer Amts- und Gemeindevorsteher war. Wegener lebte von 1829 bis 1895, die Straße wurde also noch zu seinen Lebzeiten nach ihm benannt.
Ecke Gieselerstraße
Die Gieselerstraße wurde 1893 nach dem Wilmersdorfer Bauern Johann Gieseler benannt. Seine Familie war seit der Zeit um 1700 in Wilmersdorf ansässig. Seit 1865 besaß er das Grundstück, auf dem 1890 die Straße angelegt wurde.
An der Gieselerstraße befinden sich zwei Schulgebäude:
Die ehemalige Hanns-Fechner-Grundschule in der Gieselerstraße 4 wurde 1896 als Gemeindeschule 1 eröffnet. Schon im Jahr 1900 wurde eine spezielle Klasse für schwachbegabte Kinder eingerichtet. 1924 wurde sie umbenannt in Volksschule 1, 1958 schließlich in “Hanns-Fechner-Grundschule” nach dem Wilmersdorfer Maler und Schriftsteller Hanns Fechner, dem wir sehr lebensnahe Schilderungen des dörflichen Wilmersdorf verdanken. Im letzten Jahr wurde die Hanns-Fechner-Grundschule geschlossen und mit der Cäcilien-Grundschule am Nikolsburger Platz zusammengelegt zur ersten Ganztagsgrundschule in unserem Bezirk.
In das Gebäude wird sich die benachbarte Comenius-Sonderschule von der Gieselerstraße 1 erweitern können. Sie wurde 1900 als Pestalozzi-Hilfsschule gegründet.
Wegenerstr. 1-2
“Weißer Elephant” Alkoholfreies Café mit Suchtberatung und vielen Angeboten für Suchtkranke; eines der vom Bezirksamt initiierten Zuverdienstprojekte. Hier gibt es ein alkoholfreies Speisen- und Getränkeangebot für Gourmets zu niedrigen Preisen. Ab 9.00 Uhr kann man zwischen 7 verschiedenen Frühstücksangeboten wählen. Mittags gibt es den täglich wechselnden Business-Lunch, ein preiswertes Mittagsmenü. Abends gibt es “two for one”, ein viergängiges Menü für zwei Personen zum Preis von einem. Hier arbeiten ehemals suchtmittelabhängige Menschen, die hier sinnvolle Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten finden. Für die Gäste gibt es neben Speis und Trank auch Informationen zum Thema Drogen: Alkohol, Medikamente, Tabak und anderes. In der benachbarten Kontaktstelle für Menschen mit Suchtproblemen können sie Rat finden und Therapiegruppen besuchen. Die Kombination von alkoholfreier Gastronomie und Informationsangebot soll zeigen: Alkoholfrei ist eine echte Alternative.
Leon-Jessel-Platz
Der Platz entstand durch die Verkehrsberuhigung in diesem Gebiet. Er wurde 1984 als kleiner Stadtplatz neu gestaltet durch Pflasterung und vor allem durch den Brunnen. Der “Wasserpilz” von Emanuel Scharfenberg ist eine Bronzeskulptur in einem flachen, steinernen Rundbecken. Der Platz wurde 1985 nach dem Operettenkomponisten Leon Jessel benannt. Jessel wurde vor allem durch seine Operette “Schwarzwaldmädel” berühmt. Er lebte von 1925 bis 1941 in Wilmersdorf in der Düsseldorfer Straße 47, wo eine Gedenktafel an ihn erinnert. Als Jude wurde er von den Nationalsozialisten verhaftet. 1942 starb er an den Folgen der Gestapohaft.
2002 übernahmen Anwohner die Bepflanzung des Platzes. Der Verein Miteinander im Kiez e.V. hat hier schon eine Reihe von Festen gefeiert und im letzten Jahr auch erstmals einen kleinen Weihnachtsmarkt veranstaltet. Er ist ein gutes Beispiel für bürgerliches Engagement in der Stadt und für den eigenen Stadtteil.
Sigmaringer Straße
Die Sigmaringer Straße erhielt ihren Namen 1888. Davor hieß sie “Die kurze Trift”.
Gasteiner Straße
Die Gasteiner Straße hieß bis 1888 Kirchhofstraße, dann wurde sie nach dem österreichischen Kurort Badgastein benannt.
Habermannplatz
Alte Wilmersdorfer nennen diesen Spielplatz auch “Knochenpark”. Hier, an der damaligen Kirchhofstraße, befand sich der Friedhof des Dorfes. Er war damals am nördlichen Rand Wilmersdorfs. Das Zentrum des Ortes befand sich in der heutigen Wilhelmsaue.
Gedenktafel
Ernst Habermann- 8.6.1866 6.6.1958
Oberbürgermeister von Deutsch-Wilmersdorf
von 1909 – 1920
Die Gedenktafel für Ernst Habermann wurde 1963 enthüllt. Habermann war seit 1897 Amts- und Gemeindevorsteher in Wilmersdorf, wurde nach der Verleihung der Stadtrechte am 1.7.1907 zum ersten Bürgermeister gewählt. Vom 5.10. 1909 bis zur Eingemeindung Wilmersdorfs nach Berlin 1920 war er erster und einziger Oberbürgermeister der Stadt Wilmersdorf. Der Titel war ihm von Kaiser Wilhelm II verliehen worden. Unter seiner Verantwortung entwickelte sich das Dorf zur Großstadt, wurde ein großer Teil der kommunalen Einrichtungen geschaffen. Die meisten Wilmersdorfer Schulen beispielsweise stammen aus der Zeit zwischen 1895 und 1915.
Gesundheitsamt (früher Rathaus Wilmersdorf)
1894 wurde hier das Rathaus Wilmersdorf gebaut. Davor stand an dieser Stelle das dörfliche Armenhaus; gleichzeitig mit dem Rathaus wurde auch eine Feuerwache an der Ecke gebaut, die dann 15 Jahre später durch die Feuerwache nebenan in der Gasteiner Straße ersetzt wurde.
Das alte Rathaus Wilmersdorf war nicht viel größer als das Rathaus Schmargendorf. Es wurde bereits um 1900 für das schnell wachsende Wilmersdorf zu klein. Wilmersdorf bekam 1906 Stadtrechte und hatte bereits mehr als 100.000 Einwohner.
Wie vorhin bereits erwähnt sollte ein neues, großes Rathaus am nördlichen Fehrbelliner Platz gebaut werden, aber der Erste Weltkrieg verhinderte den Bau, und nach der Bildung Groß-Berlins 1920 wurde das Joachimsthalsche Gymnasium in der Kaiserallee, der heutigen Bundesallee, als “Stadthaus” genutzt. Es ergänzte das alte Rathaus Wilmersdorf, wo aber nach wie vor der Sitz des Bürgermeisters war. 1944 wurde dieses Rathaus durch Bombenangriffe fast vollständig zerstört. Die übrig gebliebenen Akten wurden in das benachbarte Goethe-Gymnasium geschafft, die Ruine später abgerissen. 1954 wurde das 1941-43 für die DAF errichtete Verwaltungsgebäude am westlichen Fehrbelliner Platz zum Rathaus Wilmersdorf, nachdem 1943 bis 45 die Verwaltung des Oberkommandos des Heeres und seit 1945 das britische Hauptquartier darin untergebracht war.
Dieses Verwaltungsgebäude für das Gesundheitsamt wurde in den 50er Jahren gebaut.
Brandenburgische Str. 2
Die Dietrich-Bonhoeffer-Bibliothek ist eine der beiden Hauptbibliotheken der Stadtbibliothek Charlottenburg-Wilmersdorf. Bis zur Bezirksfusion war es die Hauptstelle der Stadtbibliothek Wilmersdorf. Die Bibliothek wurde 1893 in der Mehlitzstr. 2 gegründet, dieses Gebäude stammt von 1965. 1997 wurde die Bibliothek nach Dietrich Bonhoeffer benannt.
Gasteiner Str. 19: Feuerwache
Diese Feuerwache wurde 1909 von Philipp Nitze gebaut. Bereits 1874 war in Wilmersdorf eine Pflichtfeuerwehr eingerichtet worden, 1890 umgewandelt in eine Freiwillige Feuerwehr. 1906 wurde dann eine Berufswehr geschaffen, die 1909 in dieses Gebäude einziehen konnte. In den 90er Jahren wurde ein Neubau in der Barstraße geplant aber nie realisiert, so dass dies nach wie vor die Hauptfeuerwache in Wilmersdorf ist.
Goethe-Gymnasium
Das Goethe-Gymnasium wurde 1903/04 von Otto Herrnring als Viktoria-Luise-Lyzeum erbaut. Es war ein reines Mädchengymnasium. Entstanden ist ein vielleicht etwas schmucküberladener Bau. An der Fassade herrscht romanisierender und orientalischer Zierrat vor. Auf dem rückwärtigen Grundstück wird die Dreiflügelanlage sichtbar. An der städtebaulich besonders auffälligen Ecke zur Uhlandstraße schließt sich ein niedrigeres ehemaliges Lehrerinnenseminar an. Die ursprüngliche Ausschmückung des Inneren ist weitgehend erhalten.
In dem Verwaltungsbericht der Großstadt Wilmersdorf von 1913 heißt es:
“Für die ebenso rasche wie günstige Entwicklung Wilmersdorfs war nicht zuletzt die seit Mitte der 90er Jahre von ihm verfolgte Schulpolitik von erheblicher Bedeutung. Hierbei aber ging die Gemeindeverwaltung von der durch die Tatsachen später als richtig erwiesenen Ansicht aus, daß nach dem an sich keineswegs begüterten Wilmersdorf steuerkräftige Elemente nur dann in größerer Zahl zuziehen würden, wenn in ihm auch den Bedürfnissen eines solchen Zuzugs nach möglichst günstiger Gelegenheit zu Erziehung und Unterricht der Jugend gebührend Rechnung getragen sei.”
Es ging den Stadtherren um 1900 also darum, in der Konkurrenz der westlichen Vorortgemeinden Berlins bestehen zu können und die steuerkräftigen Bürger anzulocken. Dafür, das hat man damals schon gewusst, musste man auch ein attraktives Angebot für die Bildung ihrer Kinder machen.
Vom 13. April 1917 bis Ostern 1918 besuchte Marlene Dietrich die Schule. Mit 16 verließ sie die Schule ohne Abitur und begann in Weimar eine Ausbildung zur Konzertgeigerin.
Am 10. Mai 1954 wurde das Goethe-Gymnasium als ein grundständig-altsprachliches Gymnasium gegründet, das heißt es beginnt mit der Klasse 5 und bietet ab Klasse 5 Latein als erste Fremdsprache an. Als zweite Fremdsprache wird Englisch angeboten, Griechisch ab der 8. Klasse als dritte Fremdsprache. Die Schülerinnen und Schüler können hier das Latinum und das Graecum erwerben. Die Kurse der Oberstufe unternehmen Studienfahrten ins klassische Griechenland oder nach Rom. Das Goethe-Gymnasium setzt damit an diesem Ort nicht die Tradition des Victoria-Luise-Lyceums fort, sondern ganz bewusst die Tradition des Wilmersdorfer Bismarckgymnasiums, das von 1898 bis 1945 in der Pfalzburger Straße 30 residierte. Dort hat übrigens Richard von Weizsäcker Abitur gemacht, auf den das Goethe-Gymnasium sich auch stolz beruft.
Uhlandstraße (1893 benannt nach dem Dichter Ludwig Uhland)
Die Uhlandstraße ist als Einkaufsstraße eines der Wilmersdorfer Zentren. In ganz Wilmersdorf gibt es kein einziges Kaufhaus, dafür aber eine Reihe kleinerer Einkaufszentren und Einkaufsstraßen.
In den 20er und 30er Jahren war die Uhlandstraße die Wilmersdorfer Amüsiermeile mit vielen Kinos, Restaurants und Cafés.
Fechnerstraße (1947 benannt nach dem Maler und Schriftsteller Hanns Fechner, 1860-1931)
Berliner Straße (1888 benannt)
Hier befand sich in der dörflichen Zeit das Wilmersdorfer “Scheunenviertel”. Die Bauern hatten ihre Scheunen hinter ihren Bauernhäusern gebaut, die entlang der heutigen Wilhelmsaue standen.
Wilhelmsaue
Die Wilhelmsaue wurde 1888 so benannt. Von etwa 1300 bis 1875 hieß die Straße Dorfaue bzw. Dorfstraße, von 1875 bis 1888 Wilhelmstraße. 1895 wurde hier an der heutigen Ecke Uhlandstraße und Wilhelmsaue ein überlebensgroßes Denkmal des Kaisers Wilhelm I aufgestellt. Wann es wieder abgerissen wurde, wissen wir nicht.
An der Stelle der heutigen Uhlandstraße befand sich im 19. Jahrhundert der Sitz des Rittergutes Wilmersdorf. Es wurde 1899 von Carl Keller gekauft. Er eröffnete kurz danach hier den Viktoriagarten, ein großes Ausflugslokal mit Zugang zum damaligen Wilmersdorfer See, der sich an Stelle des heutigen Volksparks erstreckte. Die Reste des Viktoriagartens wurden in den 50er Jahren abgerissen. Der autobahnähnliche Ausbau der Uhlandstraße mit dem Durchbruch durch die Wilhelmsaue wurde in den 60er Jahren durchgeführt. Damals folgte man im Städtebau noch dem Leitbild der autogerechten Stadt. Heute wäre ein solcher Kahlschlag mitten im historischen Stadtgebiet wohl so nicht mehr möglich.
Da wo sich heute die Sportplätze im Verlauf des Volkspark Wilmersdorf befinden, lag bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts der Wilmersdorfer See. Er wurde nach dem ersten Weltkrieg wegen Verlandung und Verschmutzung zugeschüttet.
1879 kaufte der Bauernsohn Otto Schramm am Wilmersdorfer See Land, machte eine Badeanstalt auf und eröffnete ein Restaurant, das sich schnell vom Kaffeegarten zum riesigen Tanzpalast mit großem Biergarten entwickelte. Besonders bei verarmten Adeligen beliebt waren die Töchter der Wilmersdorfer “Millionenbauern”.
Der Schriftsteller Hanns Fechner hat den Tanzsaal am Seebad beschrieben:
“Einer von Schramms Söhnen hatte einen mächtigen Tanzsaal erbaut, wohin die tanzlustigen jungen Berliner gern pilgerten, um mit den Dorfschönen ein Tänzchen zu wagen. Auch manch eine junge Berlinerin zeigte sich wie elektrisiert, wenn es hieß: ‘Karlineken, wat meenste, morjen jehn wa bei Schramm, een danzen.’
Viel, viel Geld, ein Millionensegen hatte sich über die Großbauern während der Gründerjahre dieser Zeit ergossen. Die Bauern hatten ihre sonst so wertvollen Felder an die Eisenbahnverwaltung verkauft, die sie für die Ringbahn brauchte, und an Spekulanten, die eine schnelle Entwicklung der Stadt Berlin und ihrer Vororte erhofften. Selbst der Pfarrer, der das Kirchlein betreute, durfte jetzt über sehr reiche Jahreseinkünfte verfügen, weil auch überschüssiges Kirchenland verkauft werden konnte. Fast über Nacht waren diese Bauern zu Leuten geworden, die nicht wussten, wo sie mit dem vielen Gelde hinsollten…
An den Sonntagen sah man die Dorfschönen … in die schwersten seidenen Stoffe gekleidet, mit kostbarem Schmuck behangen, sich bei Schramms oder Herzsprungs im Tanze drehen. Manch eine Millionenbauerntochter wurde von dort frisch weggeheiratet.”
Auch Max Kretzer hat in seinem Roman “Der Millionenbauer” beschrieben, wie in den großen Ausflugslokalen am Wilmersdorfer See Liasionen von Geld und Adel entstanden. In dem Roman von 1912 beschreibt er auch den Wilmersdorfer See aus der Sicht von zwei jungen Adeligen, die Schramms Gartenlokal besuchen:
“Aus dem Grün der gegenüberliegenden Seite ragten der Kirchturm und die roten Dächer der Wohnhäuser hervor, hin und wieder tauchte zwischen den Bäumen und Sträuchern eine Villa auf, die die Nähe von Berlin verriet. Still und schweigend, in tiefgrüner Färbung, lag der Spiegel des Sees da.
Es war eine kleine märkische Idylle, der die Eisenbahn von Tag zu Tag immer mehr das städtische Gepräge gab. Die friedliche Ruhe wurde nur von dem Lärm der Gäste im oberen Teil des Gartens unterbrochen. Rechts zeigten sich die Buden der Badeanstalt. Als Heckenstett sie erblickte, fragte er sofort, ob das das berühmte Wilmersdorfer Seebad sei, von dem er bereits so viel gehört habe? Er erinnerte sich dabei, daß eine kleine Putzmacherin ihm scherzhafterweise erzählt hatte, sie pflege jeden Sommer ‘ins Bad nach Wilmersdorf zu reisen.’”
An der Stelle des Seebades Schramm wurde 1925-28 der Schrammblock gebaut, eine der ersten Wohnanlagen mit Tiefgarage. Der Schrammblock befindet sich zwischen der Straße Am Volkspark und der Hildegardstraße.
Wilhelmsaue 116-117 Blissestift
Das Blissestift wurde 1911 als Waisenhaus eröffnet, erbaut aus einer 3-Millionen-Stiftung der Wilmersdorfer Bauernfamilie Blisse.
Heute ist es in der Verwaltung des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf. Hier ist unter anderem die zentrale Küche und Wäscherei für die bezirklichen Kitas untergebracht, außerdem eine Kita, Angebote freier Träger unter anderem für “Lückekinder” und Autisten und die Verwaltung der Drogenhilfe Tannenhof.
Wilhelmsaue 119
Auenkirche
Die Auenkirche ist der Nachfolgebau der abgerissenen ehemaligen Wilmersdorfer Dorfkirche. Die Dorfkirche, die seit 1766 auf dem heutigen Vorplatz der Kirche stand, wurde erst nach Fertigstellung der neuen Kirche abgerissen. Die neue Kirche wurde 1895 bis 1897 von Max Spitta im neugotischen Stil mit aufwendigem, kleinteiligem Dekor als dreischiffige Backstein-Hallenkirche gebaut. Einweihung war am 31.10.1897. Wir werden die Auenkirche am Ende unseres Spazierganges besuchen, und Pfarrer Germer wird uns gemeinsam mit der Historikerin Frau Bussemer-Stöppler einiges zur Geschichte der Kirche erzählen.
Wilhelmsaue 120
Das Landhaus wurde 1890-91 gebaut von Wilhelm Balk für die Familie Blisse. Es steht unter Denkmalschutz. Auch das Haus Wilhelmsaue 17 gegenüber ist eine bäuerliche Stadtvilla aus dem Ende des 19. Jahrhunderts.
Wilhelmsaue 122/123
Das Haus war früher im Besitz der Bauernfamilie Gieseler. Seit der Jahrhundertwende ist es städtisch, heute Kita.
Ecke Mehlitzstraße
Findling
Der Findling auf dem grünen Mittelstreifen wurde am 11.5.1933 von den Nationalsozialisten als Schlageter-Stein aufgestellt. Albert Leo Schlageter war 1923 aktiv am Widerstand gegen die Besetzung des Ruhrgebiets beteiligt und wurde von den Franzosen standrechtlich erschossen. Nach 1945 wurde der Stein mit einer Bronzetafel versehen, die an die ehemalige Dorfstraße erinnert.
Die Hauptstraße der früheren Dorfgemeinde Wilmersdorf erhielt 1888 in der Mitte eine Grünanlage.
Der Autor der “Schwarzwälder Dorfgeschichten”, Berthold Auerbach, lebte um 1860 in Berlin und beschrieb diese Gegend in einem Brief an einen Freund am 10. April 1863:
“Gestern war ich nach so langer Zeit wieder einmal in einem Dorfe. Der Frühling ist schön, und ich muß Lerchen hören, und die singen auch über dem Sandboden, in dem sich’s freilich schwer geht. Ich war in Wilmersdorf, einem Taglöhner-Orte in meiner Nachbarschaft; der Weg durch die Saaten that mir gar wohl, ich saß eine Stunde lang unter einem Weidenbaum am Wegraine, und das war eine glückliche Stunde, ich konnte doch auch wieder einmal in die Unendlichkeit hinein träumen. Im Dorfe hörte ich doch auch wieder einmal ein lebendiges Huhn gackern, sah lebendige Gänse und Schweine; man vergißt in Berlin ganz, daß Derartiges auch lebt, man sieht es immer nur gebraten. Man sollte nicht spotten über die übertriebene Naturbegeisterung der Berliner, wenn sie hinauskommen; wenn man in dieser künstlich gemachten Stadt lebt, erscheint alle Natur, das Alltäglichste wie ein Wunder.
Im Dorfe ist, wie in Norddeutschland fast immer, das Rittergut die Hauptsache, es ist stattlich in Viehstand und Maschinen.
Die Erquickung von gestern geht mir heute noch nach, und ich habe heute schon gut gearbeitet, freilich zu einer geschlossenen Arbeit bringe ich’s nicht. Es ist der dummste Streich, den ich machen konnte, nach Berlin zu siedeln; ich muß erfrischende Naturblicke haben, sonst verkomme ich.”
Kurz danach, um 1870, beschrieb Hanns Fechner den Entwicklungsstand des Dorfes:
“Um die Hauptstraße, die Aue in Wilmersdorf, mit ihrem urtümlichen Gemeindeteichlein, auf dem sich die Enten und Gänse in buntem Durcheinander tummelten, ihren schönen uralten Linden und Kastanien, lagen die Gehöfte der Großbauern von Wilmersdorf….
Ein köstlicher Winkel lag in der Westecke der Aue, so recht ein Dorado für den Maler. Das kleine Häuschen, hinter dem wunderbare Eiben von fast zweihundertjährigem Bestehen zeugten und mit ihrem tiefen Grün an italienische Farbenwirkungen erinnerten, wurde denn auch oftmals von Malern und Malerinnen zum sommerlichen Studienaufenthalt erwählt. Hier von dem Besitztum der Geschwister Mehlitz aus eröffnete sich ein Blick über das Fenn hinaus, das sich hinter Wilmersdorf bis nach Schöneberg hin erstreckte…”
Mehlitzstraße
Die Straße wurde 1902 benannt nach dem Wilmersdorfer Bauern und Grundbesitzer Daniel Ludwig Mehlitz (1826-1900). In dieser Gegend wurden eine Reihe von Straßen nach Wilmersdorfer Bauernfamilien benannt: Wegener, Blisse, Gieseler und Schramm gehören dazu.
Nr.12a
Der Malerbetrieb Becker & Sohn ist einer der größten gewerblichen Arbeitgeber in Wilmersdorf. Der Neubau wurde 1995 errichtet.
Wilhelmsaue 126: Schoelerschlösschen
Das so genannte Schoelerschlösschen ist das älteste Haus im Ortsteil Wilmersdorf. Es wurde 1752 als eingeschossiges Bauernhaus erbaut. Bereits 14 Jahre später baute der Kaufmann Hesse es um zu einem schlichten Herrenhaus über einem auffallend hohen Sockelgeschoss. Außerdem ließ er hinter dem Haus einen Park anlegen. Über die nächsten 100 Jahre gab es mehrere Eigentümerwechsel und kleinere Umbauten. 1893 wurde das Haus von dem bekannten Berliner Augenarzt Heinrich Schoeler erworben. Seine Popularität gab dem Haus den Namen “Schoelerschlösschen”. 1929 kaufte die Heimstätten AG einen Teil des Grundstücks, Park und Haus gingen an die Stadt. In der Nazizeit wurde das schöne Haus verunstaltet: Die Hitlerjugend zog ein, und 1935 wurde es um ein Stockwerk erweitert und umgebaut, obwohl auch die Nazis den historischen Wert des Gebäudes kannten. 1936 wurde hier eine “Heimatschau” eingerichtet. Nach Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und Reparatur wurde das Haus von 1946 bis 2003 als Kindertagesstätte genutzt. Seit einem Brand Ende Februar 2003, bei dem die Küche in der ersten Etage ausbrannte, steht das Gebäude leer. Geplant war die Schließung der Kita allerdings bereits vor dem Brand, weil der erforderliche Einbau eines zweiten Rettungswegs zu teuer geworden wäre. Jetzt versuchen wir, Interessenten für eine kulturelle Nutzung zu finden, die das Haus zumindest teilweise öffentlich zugänglich machen. Immerhin ist es das älteste Haus im Ortsteil Wilmersdorf.
Besuch der Auenkirche:
Pfarrer Germer, Frau Bussemer-Stöppler