132. Kiezspaziergang am 8.12.2012

Vom Rathaus Schöneberg zum KaDeWe

Angelika Schöttler und Reinhard Naumann, 8.12.2012, Foto: KHMM

Angelika Schöttler und Reinhard Naumann, 8.12.2012, Foto: KHMM

Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann und Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler

Treffpunkt: John-F.Kennedy-Platz vor dem Rathaus Schöneberg
ca. 2,8 km

Naumann:
Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen zu unserem 132. Kiezspaziergang. Bisher haben wir alle unsere Kiezspaziergänge innerhalb unserer Bezirksgrenzen in Charlottenburg-Wilmersdorf veranstaltet. Heute machen wir eine Ausnahme, und deshalb ist heute eine ganz besondere Premiere:
Zum ersten Mal treffen wir uns außerhalb von Charlottenburg-Wilmersdorf, und zum ersten Mal leiten zwei Personen gleichberechtigt einen Kiezspaziergang. Deshalb begrüße ich herzlich meine Kollegin, die Tempelhof-Schöneberger Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler.
Ich bedanke mich dafür, dass wir bei ihr, in ihrem schönen Bezirk und vor ihrem geschichtsträchtigen Rathaus zu Gast sein dürfen. Und ich bedanke mich für die Zusammenarbeit von Frau Kaiser vom Verein frag doch! mit Herrn Metzger von unserer Pressestelle bei der Vorbereitung dieses Kiezspazierganges.
Frau Schöttler will in ihrem Bezirk im nächsten Jahr ebenfalls Kiezspaziergänge anbieten, und ich habe ihr vorgeschlagen, gemeinsam mit uns zu beginnen. Ich freue mich sehr darüber, dass unser Beispiel Schule macht und Nachahmer findet. Schon oft bin ich gefragt worden, ob es so etwas auch in anderen Bezirken gibt, und ich will bei solcher Gelegenheit in Zukunft gerne auch Werbung machen für unseren Nachbarbezirk.

Kartenskizze

Kartenskizze

Wir gehen von Schöneberg nach Wilmersdorf und wieder zurück nach Schöneberg und werden am KaDeWe enden.
Dabei werden wir feststellen, dass es viele gemeinsame historische Anknüpfungspunkte gibt. So liegt beispielsweise das Kaufhaus des Westens im sogenannten Kielgan-Viertel, das bis 1938 zu Charlottenburg gehörte und dann zu Schöneberg kam. Und wer in den letzten Wochen aufmerksam die Zeitung gelesen hat, der hat vielleicht die Tempelhof-Schöneberger Diskussion über den ehemaligen Güterbahnhof Wilmersdorf verfolgt, der sich eben gerade nicht in Wilmersdorf befindet, sondern unweit von hier zwischen Innsbrucker Platz und Bundesplatz auf Schöneberger Gebiet. Einen Park haben beide Bezirke gemeinsam. Er beginnt gleich hinter hier dem Rathaus und heißt in Schöneberg Rudolph-Wilde-Park, in der Verlängerung dann Volkspark Wilmersdorf.

Bevor wir beginnen, möchte ich Ihnen den Treffpunkt für den nächsten Kiezspaziergang mitteilen – wie immer am zweiten Samstag des Monats, also am 12. Januar ab 14.00 Uhr, dann wieder in Charlottenburg, und zwar wollen wir die Wilmersdorfer Straße in ihrer vollen Länge erkunden.
Anlass ist die Ausstellung zur Wilmersdorfer Straße in der Villa Oppenheim. Sie wird dort seit zwei Wochen bis Mitte 2013 gezeigt. Und ich möchte die vielen Entdeckungen, die bei der Vorbereitung dieser Ausstellung gemacht wurden, vor Ort vorstellen.
Treffpunkt ist am Samstag, dem 12. Januar, um 14.00 Uhr auf dem Adenauerplatz. Wir werden die Wilmersdorfer Straße erkunden und schließlich durch die Schustehrusstraße zur Villa Oppenheim gehen, damit Sie das Gesehene dann dort in der Ausstellung noch einmal nachvollziehen können.
Jetzt freue ich mich auf den ersten Kiezspaziergang meiner Kollegin Angelika Schöttler.

Schöttler:
Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen in Tempelhof-Schöneberg. Ich habe das Angebot eines gemeinsamen Kiezspazierganges mit meinem Kollegen Reinhard Naumann aus Charlottenburg-Wilmersdorf gern angenommen und freue mich auf diese Erfahrung. Wir können und wollen die Charlottenburg-Wilmersdorfer Institution des Kiezspaziergangs nicht kopieren, sondern wir werden unseren eigenen Stil finden, aber ich denke, das Beste, was Berlin zu bieten hat, ist seine Vielfalt in den 12 Bezirken. Diese Vielfalt ist historisch gewachsen. In den Bezirken wollen wir sie pflegen und bekannt machen. Dafür sind Kiezspaziergänge sicher ein gutes Mittel.

Vor dem Rathaus Schöneberg, 8.12.2012, Foto: KHMM

Vor dem Rathaus Schöneberg, 8.12.2012, Foto: KHMM

Rathaus Schöneberg
Schöneberg erhielt 1898 Stadtrecht. Die Einwohnerzahl war seit der Reichsgründung 1871 von knapp 5.000 auf über 90.000 gewachsen, und sie wuchs weiter und verdoppelte sich bis zur Eingemeindung in Groß-Berlin 1920 auf knapp 180.000. Wie Sie sehen, leistete sich die Großstadt Schöneberg auch ein großes und für die damalige Zeit sehr modernes Rathaus. Es wurde von den Architekten Peter Jürgensen und Jürgen Bachmann seit 1911 gebaut und 1914, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs eröffnet.
Wilmersdorf hatte in dieser Zeit übrigens ebenfalls Rathauspläne und schrieb einen entsprechenden Wettbewerb aus, in dem verlangt wurde, dass der Wilmersdorfer Turm höher sein sollte als der Schöneberger. Daraus wurde aber dann im Ersten Weltkrieg nichts mehr. Unser Turm ist übrigens bescheidene 70 Meter hoch, während Charlottenburg sich bereits 1905 einen 89 Meter hohen Rathausturm leistete.
Die Geschichte unseres Rathauses ist so interessant, und es gibt darin so viel zu sehen, dass es unbedingt einen eigenen Kiezspaziergang Wert wäre. Deshalb möchte ich hier nur die wichtigsten Daten nennen.
Von 1914 bis 1920 war es das Rathaus der kreisfreien Großstadt Schöneberg. Von 1920 bis 2001 beherbergte es die Verwaltung des Bezirks Schöneberg, seit 2001 einen Teil der Verwaltung des Bezirks Tempelhof-Schöneberg.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Rathaus mehrmals von Bomben getroffen und schwer beschädigt. Im Februar 1945 zerstörte eine Bombe den Luftschutzkeller. Dabei starben fast 200 Menschen. Die Reparatur nach dem Krieg dauerte bis 1955. Von 1949 bis 1993 tagte hier das Berliner Abgeordnetenhaus, und von 1949 bis 1991 war es Sitz des Regierenden Bürgermeisters. Drei von ihnen wurden weltweit bekannt: Ernst Reuter bis 1953, Willy Brandt von 1957 bis 1966 und Richard von Weizsäcker von 1981 bis 1984.
Der vor wenigen Tagen am 29. November verstorbene Klaus Schütz war 10 Jahre lange von 1967 bis 1977 Regierender Bürgermeister. Am kommenden Montag werden wir hier im Rathaus Schöneberg mit einer Trauerfeier von ihm Abschied nehmen.
Das Rathaus Schöneberg war während der gesamten Zeit der Berliner Trennung das politische Zentrum West-Berlins und damit das bekannteste Symbol der freiheitlichen Demokratie. 1950 wurde im Turm die von den USA gespendete Freiheitsglocke aufgehängt. Sie ertönte am 24. Oktober 1950, am Tag der Vereinten Nationen, zum ersten Mal. Seither wird sie jeden Tag um 12.00 Uhr geläutet.
Rechts neben dem Rathauseingang ist auf deutsch und englisch folgender Text zur Freiheitsglocke zu lesen. Der erste Satz gibt die Inschrift der Glocke wider:

“Möge diese Welt mit Gottes Hilfe
eine Wiedergeburt der Freiheit erleben.”
So tönt die Freiheitsglocke
vom Rathausturm in alle Welt.
Sie ist ein Geschenk an die standhaften Berliner
von ihren Freunden, den Bürgern von Amerika.
Ihrer Bestimmung wurde sie am 24. Oktober 1950
durch den Regierenden Bürgermeister Ernst Reuter
und General Lucius D. Clay
in Gegenwart von über 500.000 Berlinern
aus beiden Teilen der Stadt übergeben.

Der Platz vor dem Rathaus Schöneberg wurde schnell zum bekannten Ort für wichtige politische Kundgebungen. Am 16. Juni 1963 hielt John F.-Kennedy hier seine berühmte Rede mit dem Satz “Ich bin ein Berliner”.
Noch im gleichen Jahr, am 25. November 1963 wurde der Platz nach John F. Kennedy benannt.
Links vom Rathauseingang erinnert eine große Bronzetafel an den Besuch Kennedys.

John F. Kennedy
35. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika
sprach in der Mittagsstunde des 26. Juni 1963
an dieser Stätte zu den Bürgern Berlins.
Hier versammelten sich in der Nacht des 22. November 1963
die Berliner zur Totenklage für den ermordeten Staatsmann.
In Dank und Ehrfurcht enthüllten sie am 26. Juni 1964
ihrem großen Freunde zum Gedächtnis diese Tafel

Es folgt ein Zitat aus John F. Kennedys Appell an die Völker vom 25. September 1961:
Miteinander werden wir unsere Erde retten
oder miteinander in den Flammen ihres Brandes umkommen.
Aber retten können und retten müssen wir sie
und damit werden wir uns den ewigen Dank der Menschheit verdienen und als Friedensstifter den ewigen Segen Gottes.

In der Eingangshalle des Rathauses finden Sie viele Hinweise zu Gedenkorten in Schöneberg und die Dauerausstellung “Wir waren Nachbarn – 142 Biografien jüdischer Zeitzeugen”. Die Ausstellung wird von dem Verein “frag doch! Verein für Begegnung und Erinnerung e.V.” kontinuierlich erweitert. Die außergewöhnliche Idee, im Rathaus einen symbolischen Denkort für die verfolgten und ermordeten jüdischen Nachbarn einzurichten, hat viel Aufmerksamkeit gefunden – weit über den Bezirk hinaus. Jedes Jahr kommen neue Biografien hinzu. Persönliche Fotos, Dokumente und Berichte machen die Geschichte der früheren Nachbarn erfahrbar. 2013, im Themenjahr „Zerstörte Vielfalt”, dem sich in der gesamten Stadt mehr als 60 Projekte widmen, wird der Schwerpunkt auf jüdischen Künstlerinnen und Künstlern liegen. Geschildert wird das Leben vor und nach 1933, die Flucht ins Exil, die Deportation und Ermordung von Familienangehörigen. Die Alben dokumentieren aber auch das Leben nach dem Holocaust bis in die heutige Zeit.
Wir gehen jetzt einige Schritte zum Nordsternhaus an der Ecke Salzburger Straße und werden dort gleich mit dem bekanntesten Schöneberger Erinnerungsprojekt konfrontiert.

Am Nordsternhaus, 8.12.2012, Foto: KHMM

Am Nordsternhaus, 8.12.2012, Foto: KHMM

Salzburger Straße
Die Straße wurde 1907 nach der österreichischen Stadt benannt.

Salzburger Str. 21-25: Nordsternhaus
Das sich mit seiner Travertin-Fassade weiterhin abhebende Gebäude schuf der Berliner Architekt Paul Mebes in den Jahren 1913 und 1914 für 900 Mitarbeiter der Nordstern-Versicherung. Das Haus steht unter Denkmalschutz und beherbergt seit den 1950er Jahren die Berliner Senatsverwaltung für Justiz.
Neben dem Haus an der Salzburger Straße sehen sie eine an einem Laternenmast befestigte Tafel, auf der ein Aktenordner abgebildet ist. Auf der anderen Seite der Tafel ist zu lesen:
“Akten, deren Gegenstand
anti-jüdische Tätigkeiten sind,
sind zu vernichten.
16.2.1945”
Es ist eine von 80 Tafeln des Denkmals “Orte des Erinnerns im Bayerischen Viertel: Ausgrenzung und Entrechtung, Vertreibung, Deportation und Ermordung von Berliner Juden in den Jahren 1933 bis 1945”. Dieses Denkmal wurde 1992 von einer Jury aus 96 Einsendungen zu einem Ideenwettbewerb ausgewählt und realisiert.
Es stammt von Renata Stih und Frieder Schnock und besteht aus insgesamt 80 Tafeln, die über das gesamte Bayerische Viertel verteilt sind. Jede der Tafeln trägt auf der einen Seite einen Text mit Datum zu einer antisemitischen Maßnahme und auf der Rückseite ein Bild. Im Sommer 1993 wurden die Tafeln montiert. Ein kleines Zusatzschild unter jeder Tafel weist darauf hin, dass es sich um ein Denk-mal im wörtlichen Sinn handelt: “Denk mal darüber nach!”
Inzwischen ist dieses Denkmal weltberühmt und Ziel von unzähligen Rundfahrten, Stadtspaziergängen und Besichtigungen.
Es ist eines der ersten Beispiele konzeptueller Kunst, das die Aussage widerlegt hat, man könne sich mit dem Nationalsozialismus nicht mit künstlerischen Mitteln auseinandersetzen. Dieses dezentrale Denkmal ist zugleich ein Kunstwerk und eine Auseinandersetzung mit unserer Geschichte. In gewisser Weise ist es ein Vorläufer der von dem Künstler Gunter Demnig erfundenen Stolpersteine.
Auf der anderen Seite der Salzburger Straße sehen Sie eine Tafel, auf der ein Stempel abgebildet ist. Der dazugehörige Text lautet:
“Jüdische Beamte werden
aus dem Staatsdienst entlassen.
7.4.1933”
Damit haben wir hier in unmittelbarer Nachbarschaft der Berliner Justizverwaltung zwei Tafeln, die an den Beginn und an das Ende der Nazi-Justiz erinnern und damit viel Stoff zum Nachdenken liefern.

Salzburger Straße 8, 8.12.2012, Foto: KHMM

Salzburger Straße 8, 8.12.2012, Foto: KHMM

Salzburger Str.8: Stolpersteine
Hier wurden 10 Stolpersteine verlegt für Else Gervais, Alfred Goldstein, Lothar Herbst, Vally Löwenberg, Sophie Rosenfeld, Doris Weiss, Fritz Weiss, Regina Weiss, Ruth Weiss und Ursula Weiss. Paten sind die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses.
Auf einer weiteren Tafel des Denkmals ist ein stilisiertes Radiogerät zu erkennen. Der Text lautet:
“Juden müssen ihre Rundfunkgeräte abliefern
23.9.1939”

Bayerischer Platz, 8.12.2012, Foto: KHMM

Bayerischer Platz, 8.12.2012, Foto: KHMM

Bayerischer Platz
Der Bayerische Platz wurde 1907 nach dem damaligen Königreich Bayern benannt, der Entwurf für die Gestaltung des Platzes stammte von Fritz Encke. Die meisten Straßen rund um den Platz erhielten bayerische Namen. Das Bayerische Viertel wurde zwischen 1900 und 1914 von der Berlinischen Boden-Gesellschaft planmäßig mit gutbürgerlichen Wohnhäusern mit oft weitläufigen Wohnungen bebaut. Die Berlinische Boden-Gesellschaft sorgte auch für den Bau der U-Bahn Linie 4 vom Nollendorfplatz zum Innsbrucker Platz. Die gesamte Strecke und damit auch der Bahnhof Bayerischer Platz wurde am 1. Dezember 1910 eröffnet. Erst seit 1970 kreuzt hier auch die U7.
Weil besonders viele jüdische Familien hierher zogen, wurde das Viertel auch “Jüdische Schweiz” genannt. Schöneberg hatte 1933 mehr als 16.000 jüdische Einwohner, davon viele hier im Bayerischen Viertel.
Hier finden Sie eine Übersichtskarte zu dem dezentralen Denkmal “Orte des Erinnerns” mit den Standorten der 80 Tafeln.
Im Zweiten Weltkrieg wurde der Platz verwüstet, die meisten Häuser rund um den Platz zerstört. Im Februar 1945 trafen drei Fliegerbomben den U-Bahnhof, während zwei Züge dort hielten. 63 Menschen wurden dabei getötet. Nach der Trümmerbeseitigung stand auf dem Platz nur noch ein Zeitungskiosk.
1956 wurde die Grunewaldstraße begradigt und kreuzt seither den Platz. Die Grünanlage wurde 1958 von Karl-Heinz Tümler mit vier Springbrunnen in einem Kunststeinbecken im damaligen Zeitgeschmack neu gestaltet. Die Lücken der Randbebauung wurden zwischen 1956 und 1958 geschlossen.
Der bayerische Löwe auf Stelzen stammt von Anton Rückel und wurde 1958 hier aufgestellt. Der U-Bahn-Pavillon wurde 1967 abgerissen und 1971 durch das heutige Bauwerk ersetzt.

Grunewaldstr. 44: Gedenktafel für Karl Hofer
Hier erinnert eine Bronzetafel an den Künstler Karl Hofer:
“Prof. Dr. h.c. Karl Hofer
Kunstmaler
Mitglied des Ordens – Pour Le Merite –
Geboren 11. Oktober 1878 in Karlsruhe
Gestorben 3. April 1955 in Berlin
Direktor der Hochschule für Bildende Künste
Meister des Expressionismus
Während des nationalsozialistischen Kunstterrors
seines Lehramtes enthoben
und in seinem künstlerischen Schaffen für ‘entartet’ erklärt – wohnte in diesem Haus von 1913-1934”
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war Karl Hofer am Wiederaufbau der Hochschule für bildende Künste in Charlottenburg beteiligt und war 1949 bis zu seinem Tod 1955 ihr erster Direktor nach dem Krieg.

Angelika Schöttler an der Löcknitz-Grundschule, 8.12.2012, Foto: KHMM

Angelika Schöttler an der Löcknitz-Grundschule, 8.12.2012, Foto: KHMM

Münchener Str.37: Löcknitz-Grundschule
Die Grundschulen in Schöneberg wurden nach märkischen Landschaften benannt. Die Löcknitz-Grundschule erhielt ihren Namen nach einem Nebenfluss der Spree.
Für ihre knapp 400 Schülerinnen und Schüler hat die Schule als Leitbild formuliert: “Wir sind eine Schule, die die Vergangenheit nicht verdrängt, die Gegenwart mutig gestaltet und die Zukunft verantwortungsvoll vorbereitet.”
Denksteinmauer
Im Schuljahr 1994/95 entstand nach einer Anregung des Kasseler Künstlers Horst Hoheisel im Rahmen der Unterrichtseinheit „Nationalsozialismus“ in einer 6. Klasse die Idee, eine Denksteinmauer für jüdische Bürgerinnen und Bürger des Bezirks Schöneberg auf dem Schulgelände zu errichten. Seither kommen jedes Jahr neue Denksteine dazu, immer von Schülerinnen und Schülern des jeweiligen 6. Jahrgangs.
Oft wird an Menschen erinnert, die vor ihrer Deportation in der derselben Straße wohnten oder am gleichen Tag Geburtstag hatten wie die Schülerinnen und Schüler, die den Stein gestalten. In diesem Jahr wurde der 1000. Stein eingefügt, und die Denk-Stein-Mauer wird weiter wachsen.
Synagoge
1909 erwarb der Synagogenverein Schöneberg dieses Grundstück. Er ließ ein Vorderhaus mit Wohnungen bauen, in dem sich auch Schulräume, ein Rabbinerzimmer sowie ein Betsaal befanden. Die eigentliche Synagoge wurde auf dem Hof errichtet. Es war ein fast quadratischer Kuppelraum mit Platz für 836 Menschen. Durch die Wohnlage wurde diese Synagoge im November 1938 nicht angezündet. Sie wurde aber nach 1938 von den Nationalsozialisten als Sammelstelle für die von der jüdischen Bevölkerung abzugebenden Wertgegenstände benutzt. Während des Weltkrieges wurde das Vorderhaus zerstört. Die Ruine wurde 1956 abgerissen. Die nur noch sehr kleine Jüdische Gemeinde verkaufte das Grundstück an den Bezirk Schöneberg zur Erweiterung des Schulhofs der Löcknitz-Grundschule. Heute steht der Schulpavillon etwa an der Stelle der Synagoge.
Am 8. November 1963 wurde auf Initiative der Bezirksverordnetenversammlung von Schöneberg der Gedenkstein des Bildhauers Gerson Fehrenbach eingeweiht. Er ist eines der ersten öffentlichen Denkmale in Berlin, das an die Verbrechen an den Berliner Juden erinnert. Jedes Jahr findet am 9. November am Denkmal eine Gedenkveranstaltung statt.
Der Text auf der Steintafel lautet:
“Hier stand die 1909 erbaute
Synagoge der Jüdischen Gemeinde.”

Am Sockel des Denkmals wurde später eine Bronzetafel mit folgendem Text eingelassen:
“Hier stand von 1909-1956 eine Synagoge.
Sie wurde während der Reichspogromnacht
am 9. Nov. 1938 wegen ihrer Lage in einem
Wohnhaus nicht zerstört.
Nach der Vertreibung und Vernichtung
der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger
durch die Nationalsozialisten verlor sie
ihre Funktion und wurde 1956 abgerissen.”
Ergänzend zu diesem Text ist zu sagen, dass die Jüdische Gemeinde sich damals vergeblich um den Erhalt der Synagoge bemüht hat. Die Stadt Berlin hat nach dem Kauf des Grundstücks den Abriss veranlasst.

Gegenüber dem Gedenkstein ist auf einer Tafel des Denkmals zu lesen:
“Die jüdischen Kultusvereinigungen haben
für die Beseitigung der Synagogenruinen zu sorgen.
Der Wiederaufbau ist nicht gestattet.
24.3.1939”

Naumann:
Dieser Satz trifft zwar auf die Synagoge hier in der Münchener Straße nicht zu, denn sie wurde ja am 9. November 1938 kaum beschädigt. Er gilt aber für die große Synagoge Wilmersdorf, die 1930 unweit von hier in der Prinzregentenstraße eingeweiht wurde – als liberale Synagoge auch für viele Bewohnerinnen und Bewohner des Bayerischen Viertels.
Nach der schweren Beschädigung dieser Synagoge in der Pogromnacht 1938 wurde die jüdische Gemeinde von der damaligen Wilmersdorfer Bauaufsicht aufgefordert, die Schäden auf eigene Kosten zu beseitigen, damit Passanten auf dem Gehweg nicht gefährdet wurden. Der Architekt Alexander Beer musste daraufhin 8 Jahre nach dem Bau den Teilabriss der Synagoge organisieren. Das war für das Bezirksamt Wilmersdorf 1988 der Anlass, die Geschichte der “Kommunalverwaltung unterm Hakenkreuz” am Beispiel der eigenen Bezirksverwaltung zu erforschen.

Schöttler:
Münchener Str. 18a: Stolperstein für Gertrud Kolmar
Vor dem Haus an der Münchener Straße 18a erinnern zwei Stolpersteine an Ludwig Chodziesner seine Tochter Gertrud Kolmar. Die Lyrikerin und Schriftstellerin war eine Cousine von Walter Benjamin und lebte zuletzt mit ihrem Vater hier in einem sogenannten “Judenhaus”. In solchen Häusern wurden Juden, nachdem sie aus ihren Wohnungen vertrieben worden war, bis zur Deportation untergebracht.
Gertrud Kolmar wuchs als Tochter des jüdischen Rechtsanwalts Ludwig Chodziesner im vornehmen Charlottenburger Stadtteil Westend auf. Ihr Pseudonym erklärt sich aus der Herkunft ihres Familiennamens von der polnisch/preußischen Stadt Chodziesen, die 1878 in Kolmar umbenannt worden war.
Seit Juli 1941 musste Gertrud Kolmar in Lichtenberg Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie leisten. 1943 wurde sie in Auschwitz ermordet. Heute gilt sie als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts.
Schülerinnen und Schüler einer 9. Klasse an unserer Sophie-Scholl-Schule haben unter dem Titel “Lernen durch Stolpern” einen Kalender für 2013 gestaltet, in dem ein Kalenderblatt Gertrud Kolmar gewidmet ist. Der Kalender wurde von der Deutschen Gesellschaft gemeinsam mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgegeben.

Rosenheimer Straße
Die Rosenheimer Straße wurde 1904 nach der bayerischen Stadt benannt.

Heilbronner Str.20: Kirche zum Heilsbronnen
Die Kirche zum Heilsbronnen feiert in diesem Jahr ihr 100jähriges Bestehen. Sie wurde 1912 als evangelische Kirche des bayerischen Viertels eingeweiht.

Landshuter Straße
Die Landshuter Straße wurde bereits 1902 nach der bayerischen Stadt benannt.
Wir passieren zwei weitere Tafeln des Denkmals “Orte des Erinnerns”:
“Berufsverbote für jüdische
Schauspielerinnen und Schauspieler.
5.3.1934”
und
“Juden dürfen keine Zeitungen
und Zeitschriften mehr kaufen.
17.2.1942”
Wenn wir von der Landshuter Straße in die Haberlandstraße einbiegen, dann erhalten Sie anhand von einigen erhalten gebliebenen Häusern aus der Gründerzeit einen Eindruck vom Bayerischen Viertel im Originalzustand. Die zeitgenössische Architekturkritik empfand es als ein wenig altmodisch und nannte es auch “Klein-Nürnberg”.

Haberlandstraße, 8.12.2012, Foto: KHMM

Haberlandstraße, 8.12.2012, Foto: KHMM

Haberlandstraße
Die Haberlandstraße wurde 1906 nach dem Unternehmer Salomon Haberland benannt. Er und sein Sohn Georg Haberland haben die Entwicklung Berlins und insbesondere die Entwicklung Schönebergs und Wilmersdorfs am Ende des Kaiserreichs entscheidend geprägt. Im 19. Jahrhundert wurde dieses Gebiet landwirtschaftlich genutzt. 1898 kauften Salomon und Georg Haberland die Grundstücke und erschlossen sie für die Bebauung. Georg Haberland war Direktor der Berlinischen Boden-Gesellschaft. Er entwarf das Straßennetz, ließ die Kanalisation anlegen, sorgte für den U-Bahn-Bau und verkaufte die erschlossenen Grundstücke an die Bauherren. Georg Haberland entwickelte mit seiner Berlinischen Boden-Gesellschaft nicht nur das Bayerische Viertel, sondern auch das Gebiet um den Viktoria-Luise-Platz und in Wilmersdorf die sogenannte Rheingau-Siedlung rund um den Rüdesheimer Platz, wo er ebenfalls für den Bau der U-Bahn-Linie sorgte.
Alle diese Haberlandschen Projekte gelten als vorbildliche Siedlungen des späten Kaiserreichs. Haberland war zeitweilig Mitglied der Wilmersdorfer Gemeindeverwaltung und seit 1910 Berliner Stadtverordneter. Er starb 1933.
1938 teilten die Nationalsozialisten die bis dahin Y-förmige Straße auf und benannten sie um in Treuchtlinger Straße und Nördlinger Straße. Erst 1996 wurde die Nördlinger Straße wieder rückbenannt in Haberlandstraße.
Eine Tafel des Denkmals “Orte des Erinnerns” klärt darüber auf:
“Straßen, die Namen von Juden tragen,
werden umbenannt.
Die nach dem Gründer des bayerischen Viertels
benannte Haberland Straße wurde in Treuchtlinger
und Nördlinger Straße umbenannt.
27.7.1938”

Haberlandstr. 3: Gisèle Freund
In dem früher hier stehenden Haus, das damals die Nr.7 trug, wuchs die berühmte Fotografin Gisèle Freund auf. Sie wurde hier 1908 als Tochter des Kunstsammlers Julius Freund geboren. Der Vater weckte früh ihren Sinn für Bilder und schenkte ihr zum Abitur eine Leica. Sie emigrierte 1933 nach Paris und wurde berühmt als Protrait-Fotografin unzähliger Schriftsteller und Künstler. Bei der Rückbenennung der Haberlandstraße 1996 war sie zusammen mit Familienmitgliedern der Familie Haberland, die Exil in Schweden gefunden hatten auf Einladung unseres Kunstamtes anwesend. Im Jahr 2000 starb sie im Alter von 91 Jahren in Paris.

Haberlandstr. 8: Albert Einstein
Hier erinnert ein Gedenkstein im Vorgarten an den wohl berühmtesten Schöneberger: Albert Einstein. Das Haus, in dem er lebte, hatte damals die Hausnummer 5. Der Text auf dem Stein lautet:
“Hier wohnte in dem früheren zerstörten Hause
von 1918 bis 1933
Albert Einstein
Physiker und Nobelpreisträger
Geb. 1879 Gest. 1955.”
Albert Einstein spielte leidenschaftlich Geige, und er war häufig zu Gast bei seinem Kollegen Max Planck in der Wilmersdorfer Villenkolonie Grunewald. Planck begleitete ihn am Klavier. Einstein ging als Physiker keinem Streitgespräch aus dem Weg, aber als Geiger war er äußerst empfindlich und konnte Kritik nicht ertragen.
Albert Einstein wurde 1879 in Ulm geboren. Er lebte seit 1896 in Zürich und kam 1914 an die Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin. Schon 1920 wurde er wegen seiner jüdischen Herkunft in Deutschland angefeindet. 1921 erhielt er den Nobelpreis für Physik. 1933 ging er in die USA, wo er 1955 starb.

Haberlandstr. 8a: Rudolf Breitscheid
Ebenfalls ein Stein im Vorgarten erinnert an Rudolf Breitscheid:
“Hier wohnte von 1932 bis März 1933
Rudolf Breitscheid
Preußischer Innenminister von 1918 bis 1919
Führender sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter
von 1920-1932
Geb. 1874 in Köln, umgekommen 1944 im KZ Buchenwald.”

Naumann:
Auch hier gibt es Verbindungen in den Nachbarbezirk, nicht nur weil der Breitscheidplatz in Charlottenburg das Zentrum der City West bildet, sondern auch, weil an der Fasanenstraße 58 in Wilmersdorf, wo er von 1904 bis 1932 lebte, eine Gedenktafel an ihn erinnert.
Rudolf Breitscheid galt bei den Nationalsozialisten wegen seines Einsatzes für eine Verständigung mit Frankreich als Verfechter der sogenannten ‘Erfüllungspolitik’. 1933 emigrierte er nach Frankreich, wo er für eine breite Volksfront gegen Hitler arbeitete. 1941 wurde er von der Vichy-Regierung an die Gestapo ausgeliefert. Nach der Haft im Gestapo-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße wurde er in das KZ Sachsenhausen und schließlich in das KZ Buchenwald verlegt. Dort kam er bei einem Bombenangriff ums Leben.

Bamberger Straße
Mit der Bamberger Straße erreichen wir die Bezirksgrenze zwischen Tempelhof-Schöneberg und Charlottenburg-Wilmersdorf. Die Straße selbst gehört schon zu Wilmersdorf. Nur die östliche Häuserzeile gehört noch zu Schöneberg.
Die Straße wurde um 1900 nach der oberfränkischen Stadt Bamberg benannt, und sie bildet die westliche Grenze nicht nur des Bezirks Tempelhof-Schöneberg, sondern auch des Bayerischen Viertels. Allerdings hat das Viertel rund um den Prager Platz, durch das wir jetzt gehen werden, viele Gemeinsamkeiten mit dem bayerischen Viertel. Auch hier lebten eher wohlhabende Menschen, auch hier lebten viele Intellektuelle, Künstler und Schriftsteller, und auch hier war der Anteil der jüdischen Bevölkerung besonders groß.

Bamberger Straße 22, 8.12.2012, Foto: KHMM

Bamberger Straße 22, 8.12.2012, Foto: KHMM

Bamberger Str. 22: Inge Deutschkron, Stolpersteine
Gleich diagonal gegenüber, im Haus Bamberger Straße 22, befand sich ein sogenanntes “Judenhaus”, in das die jüdischen Mieter zwangseingewiesen wurden, nachdem ihre vorherige Wohnung beschlagnahmt worden war. Auch Inge Deutschkron und ihre Mutter gehörten dazu. Es war bis Januar 1943 ihre letzte Wohnadresse, bevor sie untertauchten und in immer wieder neuen Verstecken, meistens in Wilmersdorf lebten. Sie waren dabei auf die Hilfe von Berliner Bürgerinnen und Bürgern angewiesen. An einige dieser stillen Helden wurden inzwischen auf Initiative von Inge Deutschkron Gedenktafeln angebracht.
Hier, vor dem Haus Bamberger Straße 22, erinnern Stolpersteine an die Menschen, die es nicht geschafft haben, unterzutauchen, und die in Konzentrationslagern ermordet wurden: Therese Mejerzon, Clara Rieger, Harry und Natalie Grünbaum, Hugo und Frieda Gimpel und Louis Baruch.

Aschaffenburger Straße
Die Aschaffenburger Straße wurde 1886 nach der unterfränkischen Stadt benannt. Übrigens gibt es auch in Tempelhof eine Aschaffenburger Straße.
Wir gehen jetzt durch die Aschaffenburger Straße bis zum Prager Platz.

Prager Platz, 8.12.2012, Foto: KHMM

Prager Platz, 8.12.2012, Foto: KHMM

Prager Platz
Der Prager Platz wurde 1870 von Johann Anton Wilhelm von Carstenn-Lichterfelde angelegt. Er hatte schon kurz vor der Gründung des Deutschen Kaiserreichs mit der Hauptstadt Berlin den Plan entwickelt, Wilmersdorf mit Berlin durch ein Straßennetz zu verbinden. Er sah voraus, dass die Hauptstadt des 1871 gegründeten Kaiserreiches sich schnell ausdehnen würde: Berlin und Potsdam sollten eine Stadt werden, verbunden durch den Grunewald als Park, so die Vision von Carstenn.
Hier in Wilmersdorf kaufte er 1870 das Gelände des ehemaligen Rittergutes und ließ sehr prächtig die Kaiserallee, die heutige Bundesallee, und ein streng geometrisches System aus Straßen und Plätzen anlegen, das noch heute existiert: die sogenannte “Carstenn-Figur” mit dem Prager, Nikolsburger, Nürnberger und Fasanenplatz.
Auch die Straßen und Plätze in Friedenau, an der südlichen Kaiserallee bilden eine spiegelbildlich ähnliche Figur. Den Plan einer Landhaussiedlung konnte Carstenn nicht mehr verwirklichen, er musste Konkurs anmelden. Das Gebiet um die neu angelegten Straßen blieb zunächst, bis auf einige alleinstehende Villen, unbebaut. Erst um 1890, also 20 Jahre nach der Carstennschen Erschließung begann die Bebauung, die sich mit rapider Geschwindigkeit auf fast die gesamte Wilmersdorfer Fläche ausdehnte. Statt einer Landhaussiedlung entstanden nun fünfgeschossige Mietshäuser.
In den 1920er Jahren war hier die “Prager Diehle” legendär, wo sich Bert Brecht mit russischen Emigranten traf.
Im Zweiten Weltkrieg wurde der Platz und fast die gesamte Randbebauung vollständig zerstört.
1986 wurde er in Anlehnung an seine historische Form wieder neu gestaltet als ovaler verkehrsberuhigter Platz mit fünf Straßeneinmündungen und gepflasterter Fahrbahn.
Die Mittelinsel erhielt eine Rasenfläche, Randrabatten, Heckengrün hinter Sitzbänken und eine Fontäne in einer flachen Steinschale. 1987 wurde der Platz als Teil der Internationalen Bauaustellung “IBA” zum besonderen Stadtplanungs- und Architekturprojekt, das im Juni 2002 mit der Eröffnung der “Prager Passage” abgeschlossen wurde.

Steinskulptur
Die 3,30 Meter hohe Steinskulptur des tschechischen Bilhauers Miroslav Vochta wurde von dem Prager Physiker, Schriftsteller und Übersetzer Jirí Kostelecký, seiner Rilke-Stiftung und der Stadt Prag gestiftet. Der Granit für das Monument wurde in dem berühmten Steinbruch von Mrakotin auf der historischen Grenze zwischen Böhmen und Mähren geschlagen. In den Stein sind Zitate des in Prag geborenen Dichters Rainer Maria Rilke eingraviert. Das Monument ist Teil des Projektes “Unsere Geschichte kennt keine namenlosen Helden” der Rilke-Stiftung. Es soll für die friedliche und freundschaftliche Nachbarschaft von Deutschen und Tschechen stehen. Das Monument wurde 25. Oktober 2007 von Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen gemeinsam mit dem früheren tschechischen Außenminister Jiri Dienstbier enthüllt. Seither gibt es hier in jedem Sommer ein kleines Konzert mit Musikern aus Prag.
1986 wurde das Fest der Nationen erstmals in Wilmersdorf gefeiert, seit 1994 auf dem Prager Platz – als Fest der Völkerverständigung und des friedlichen Zusammenlebens vieler Nationen in unserem Bezirk. Seit der Fusion der Bezirke Charlottenburg und Wilmersdorf 2001 wird das Fest vom Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf jedes Jahr auf dem Prager Platz als großes Bezirksfest veranstaltet – als Kiezfest und als internationales Fest, immer auch unter Beteiligung von Partnerstädten des Bezirkes.

Prager Straße 6-10, 8.12.2012, Foto: KHMM

Prager Straße 6-10, 8.12.2012, Foto: KHMM

Prager Str.6-10: Gedenktafel für Erich Kästner
Hier wurde 1990 eine KPM-Tafel aus dem Programm Berliner Gedenktafel enthüllt:
“In dem Haus, das früher hier stand,
lebte von 1927 bis 1931
ERICH KÄSTNER
23.2.1899 – 29.7.1974
Journalist und Schriftsteller, Kinderbuchautor.
Beschreibt in “Emil und die Detektive” (1928)
seine Wohngegend am Prager Platz.
1933 wurden seine Bücher
von den Nationalsozialisten verbrannt”

Kästner hat in seinem Roman “Emil und die Detektive” diesen Großstadt-Kiez in Wilmersdorf und Schöneberg wunderbar beschrieben.
Während sonst in Kinderbüchern die Großstadt als Gegensatz zur ländlichen Idylle oft negativ dargestellt wurde hat Kästner ein faszinierendes Bild des städtischen Lebens gezeichnet. Emil kommt zu Besuch bei seiner Großmutter mit dem Fernbahnhof am Bahnhof Zoo an. Er entdeckt, dass er unterwegs im Zug bestohlen wurde und verfolgt den Dieb zunächst mit der Straßenbahn durch die Kaiserallee bis zur Trautenaustraße, wo beide aussteigen. Emil trifft Wilmersdorfer Kinder, die ihm helfen, den Dieb über den Prager Platz bis zum Nollendorfplatz zu verfolgen und ihn schließlich zu stellen.
Vor einigen Jahren beendeten wir übrigens einen Kiezspaziergang “Auf den Spuren Emils” hier am Prager Platz, weil wir damals unseren Bezirk nicht verlassen wollten.

Prager Str. 2a: Mykonos-Gedenktafel
Am 20. April 2004 haben wir gegen starken Widerstand der iranischen Regierung und unter großer Anteilnahme der kurdischen Bevölkerung und vieler kurdischer Organisationen aus der ganzen Welt diese Gedenktafel enthüllt, die an das Mykonos-Attentat erinnert:
“An diesem Ort im ehemaligen Restaurant Mykonos
wurden am 17. September 1992
die führenden Vertreter der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran DPKI
Dr. Sadegh Sharafkandi
Fattah Abdoli
Homayoun Ardalan
Zusammen mit dem in Berlin lebenden Politiker
Nouri Dehkordi
ermordet durch die damaligen Machthaber im Iran
Sie starben im Kampf für Freiheit und Menschenrechte”
Der iranische Außenminister hatte sich an Bundesaußenminister Joschka Fischer gewandt, der damalige Bürgermeister von Teheran, Mahmud Ahmadinedschad, an den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und der iranische Botschafter an Bezirksbürgermeisterin Thiemen, um die Aufstellung dieser Tafel zu verhindern.
Unsere Bezirksverordnetenversammlung hatte den Beschluss für die Aufstellung dieser Tafel gefasst, um an ein historisches Ereignis zu erinnern, das für uns alle schockierend war. Dass die Attentäter unmittelbar vom damaligen iranischen Geheimdienst und damit von der damaligen Regierung beauftragt worden waren, wurde gerichtlich festgestellt. Deshalb war klar, dass in diesem Fall keine außenpolitische Rücksicht genommen werden konnte.
Wir gehen jetzt durch die Grainauer und Regensburger Straße zur Bamberger Straße und dann entlang der Bezirksgrenze geradeaus durch die Ettaler Straße.
An deren Ende überqueren wir die Lietzenburger Straße und gelangen nach Schöneberg in die Passauer Straße, wo wir auf der rechten Seite gegenüber dem Tertianum unseren vorletzten Stopp haben werden.

Reinhard Naumann und Angelika Schöttler, 8.12.2012, Foto: KHMM

Reinhard Naumann und Angelika Schöttler, 8.12.2012, Foto: KHMM

Grainauer Straße
Die Grainauer Straße wurde 1959 nach der bayerischen Gemeinde im Landkreis Garmisch-Partenkirchen benannt. Bis dahin war sie Teil der Prager Straße.

Regensburger Straße
Die Regensburger Straße wurde 1902 nach der bayerischen Stadt benannt. Sie verläuft durch Wilmersdorf und Schöneberg bis zum Viktoria-Luise-Platz

Bamberger Straße

Ettaler Straße
Die Ettaler Straße wurde 1957 nach der bayerischen Gemeinde im Landkreis Garmisch-Partenkirchen benannt. Bis dahin war sie ein Teil der Passauer Straße.

Passauer Straße
Die Passauer Straße wurde 1892 nach der bayerischen Stadt benannt.
Damals lag sie noch in Charlottenburg im Kielgan-Viertel. Das Gebiet zwischen Nollendorfplatz, Wittenbergplatz und Lützowstraße kam erst 1938 zum Bezirk Schöneberg. Es wurde nach dem Gärtnerei- und Gutsbesitzer Georg Friedrich Kielgan benannt. Er lebte von 1807 bis 1876, besaß große Ländereien in der Nähe des heutigen Nollendorfplatzes und ließ diese seit 1867 mit Villen und Mietshäusern für wohlhabendere Schichten bebauen.

Passauer Str. 5-7: Seniorenresidenz Tertianum
In dem Haus mit der wellenförmigen Fassade wurde im Mai 2000 die Seniorenresidenz Tertianum eröffnet, und ich freue mich, dass Herr Pasewalk uns die Residenz nun näher vorstellen wird.

Passauer Str. 37: Ruine
Kaum jemand würde dieses 1892 errichtete Haus hier, direkt neben dem KaDeWe vermuten. Diese Kriegsruine will der Immobilienkonzern Pantera in das “Maison Ouest” verwandeln, ein Haus mit Luxuswohnungen. Das Gebäude ist derzeit unbewohnt, aber viele Wasserflecken und Löcher sind nur aufgemalt, denn das Haus diente eine Zeitlang als Kriegsfilm-Kulisse.
Sie können nun beispielsweise durch die Passage zum Wittenbergplatz und dann über den neu gestalteten Tauentzien-Mittelstreifen zum Breitscheidplatz, also noch einmal von Schöneberg nach Charlottenburg.
Was auch immer Sie jetzt tun – in jedem Fall würde ich mich freuen, Sie wiederzusehen beim nächsten Kiezspaziergang am 12. Januar, um 14 Uhr auf dem Adenauerplatz in Charlottenburg oder irgendwann im nächsten Jahr in Tempelhof-Schöneberg.