119. Kiezspaziergang am 12.11.2011

Vom Bahnhof Grunewald zum Henriettenplatz

Reinhard Naumann am Mahnmal am Bahnhof Grunewald, 12.11.2011, Foto: KHMM

Reinhard Naumann am Mahnmal am Bahnhof Grunewald, 12.11.2011, Foto: KHMM

Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann
am Samstag, dem 12.11.2011, ab 14.00 Uhr
Treffpunkt: Vor dem Bahnhofsgebäude Am Bahnhof Grunewald
Länge: ca. 3,2 km

Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen zu unserem 119. Kiezspaziergang beziehungsweise zu unserem ersten Kiezspaziergang in der neuen Wahlperiode. Es ist mein erster als Bezirksbürgermeister, und ich will diese gute Tradition in unserem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf gerne fortsetzen – nicht zuletzt auch deshalb, weil mir die Kiezspaziergänge, die ich in der Vergangenheit vertretungsweise durchführen durfte, sehr viel Spaß gemacht haben – vor allem aber deshalb, weil die Kiezspaziergänge eine wunderbare Idee meiner Vorgängerin Monika Thiemen waren und weil sie so beliebt sind.
Mit unserem Kiezspaziergang im November haben wir in den letzten Jahren anlässlich der Pogromnacht des 9. November 1938 immer an die Geschichte der Juden in Charlottenburg und Wilmersdorf erinnert. Das wollen wir auch in diesem Jahr tun. Deshalb haben wir uns hier am Bahnhof Grunewald getroffen, wo vor 70 Jahren, am 18.10.1941, der erste Deportationszug aus Berlin abfuhr. Vielleicht waren einige von Ihnen am 18 Oktober bei der eindrucksvollen Gedenkveranstaltung mit der Schriftstellerin und Zeitzeugin Inge Deutschkron und dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit oder auch bei der Veranstaltung des Gottfried-Keller-Gymnasiums gemeinsam mit der Landespolizeischule vor wenigen Tagen, am 9. November. Für uns im Bezirk ist es sehr wichtig, dass vor allem auch junge Menschen sich mit unserer Geschichte beschäftigen und dafür sorgen, dass die NS-Verbrechen nicht vergessen werden, damit etwas Ähnliches nie wieder geschieht.

Kartenskizze

Kartenskizze

Wir werden von hier zur neuen Hilde-Ephraim-Straße gehen, dann durch die Trabener Straße und Erdener Straße vorbei am früheren Haus des großen Verlegers Samuel Fischer bis zum Rathenau-Mahnmal an der Koenigsallee. Von dort werden wir über die Herthastraße das frühere Mendelssohn-Palais erreichen, in dem heute das St.-Michaels-Heim residiert. Im letzten Abschnitt gehen wir – wenn wir noch die Zeit haben – über die Bismarckallee, Caspar-Theyß-Straße und Wangenheimstraße vorbei an der Gedenktafel für Dietrich Bonhoeffer über den Wangenheimsteg und die Melli-Beese-Anlage zum Henriettenplatz.
Bevor wir beginnen, möchte ich Ihnen den Treffpunkt für den nächsten Kiezspaziergang mitteilen, den mein Kollege, Bürgerdienstestadtrat Klaus-Dieter Gröhler übernehmen wird. Der Treffpunkt ist am Samstag, dem 10. Dezember, um 14.00 Uhr auf dem Sophie-Charlotte-Platz direkt am U-Bahn-Ausgang an der Schloßstraße Ecke Kaiserdamm. Es wird unter anderem durch die Gierkezeile über den Gierkeplatz mit der Luisenkirche bis zum Weihnachtsmarkt am Schloss Charlottenburg gehen.
Wie immer ist die Teilnahme frei. Alle Informationen über die bisherigen Kiezspaziergänge finden Sie im Internet unter www.kiezspaziergaenge.de.

Villenkolonie Grunewald
Die Villenkolonie Grunewald entstand im Zusammenhang mit dem Ausbau des Kurfürstendammes zum Boulevard. Fürst Bismarck hatte auf diesen Ausbau großen Wert gelegt. Da er privat finanziert werden musste, durfte die dafür gegründete Kurfürstendamm-Gesellschaft als Gegenleistung 234 ha Grunewaldgelände für die Anlage einer Villenkolonie erschließen. Dies geschah im Jahr 1889, unter anderem durch die künstliche Anlage von vier Seen: Dianasee, Koenigssee, Herthasee und Hubertussee. 1889 wurde auch das Straßennetz angelegt, und die ersten Grundstücke wurden baureif gemacht und verkauft. 10 Jahre später, 1899 erhielt die Kolonie den Status einer selbständigen Landgemeinde. Allgemein wurde sie in Berlin die “Millionärskolonie” genannt.
Hier ließen sich Bankiers, Unternehmer, Professoren, erfolgreiche Künstler und Schriftsteller nieder und genossen bis zur Eingemeindung 1920 die Steuervorteile der Landgemeinde Grunewald.
Die weltbekannte Opernsängerin Lilli Lehmann war eine der ersten Bewohnerinnen. Walther Rathenau, Max Planck, Alfred Kerr, die Familie Bonhoeffer, Gerhard Hauptmann, Samuel Fischer, Franz und Robert Mendelssohn, die Brüder Ullstein, Vicki Baum, Lion Feuchtwanger und viele andere Persönlichkeiten ließen sich hier nieder, die Kultur, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft des ausgehenden Kaiserreichs und vor allem der Weimarer Republik entscheidend prägten. So wurde Grunewald nicht nur ein Wohnviertel für Millionäre, sondern auch ein kulturelles Zentrum.
In ihren Erinnerungsbüchern haben viele prominente Grunewaldbewohner berichtet von prächtigen Soireen, Abendgesellschaften, Lesezirkeln, Wohltätigkeitskonzerten usw. in den großen Villen mitten in ausgedehnten Parkanlagen. Viele davon wurden nach 1945 geteilt und bebaut.
Der jüdische Anteil der Bevölkerung war hier besonders hoch. Ungefähr ein Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner waren jüdischer Herkunft. Viele jüdische Repräsentanten des neuen, modernen Berlin zog es seit der Jahrhundertwende in den “Neuen Westen”. Nach 1933 vertrieben die Nationalsozialisten die jüdischen Bürgerinnen und Bürger und zerstörten damit das kulturelle Zentrum Grunewald. Bei der historischen Erforschung Grunewalds stößt man auf Schritt und Tritt auf die deutsch-jüdische Geschichte und die Geschichte ihrer Zerstörung durch die Nationalsozialisten.
1920 wurde Grunewald mit 6.449 Einwohnern gemeinsam mit Eichkamp, der Gemeinde Schmargendorf und der Großstadt Wilmersdorf zum Bezirk Wilmersdorf, dem 9. Bezirk von Berlin zusammengefasst.
In der Zeit nach 1945 wurde der Charakter der Villenkolonie durch Verdichtung und intensive, manchmal ‘brutal’ wirkende Bebauung mit Reihenhäusern und Flachbauten an vielen Stellen beschädigt wenn nicht zerstört. Seit den 1980er Jahren konnte – auch durch entsprechende Vorgaben des Bezirksamtes – durch modernen Villenbau wieder an die Tradition angeknüpft werden.

Bahnhof Grunewald
Dieser Bahnhof wurde 1879 zunächst als Bahnhof Hundekehle eröffnet, 1884 wurde er umbenannt in “Bahnhof Grunewald”. Zunächst wurde er vor allem von den Grunewald-Ausflüglern aus Berlin genutzt, seit der Zeit um 1900 zunehmend auch von den Bewohnern der Villenkolonie. Das Bahnhofsgebäude wurde 1899 von Karl Cornelius passend zur Villenkolonie im Villenstil gebaut. Es steht ebenso unter Denkmalschutz wie der Tunnel, der 1884-85 entstand.

Am Mahnmal des Berliner Senats, 12.11.2011, Foto: KHMM

Am Mahnmal des Berliner Senats, 12.11.2011, Foto: KHMM

Mahnmal des Berliner Senats
Seit dem 18. Oktober 1941 fuhren von hier und von den Bahnhöfen Putlitzstraße und Anhalter Bahnhof Deportationszüge nach Lodz, Riga und Auschwitz und brachten insgesamt mehr als 50.000 jüdische Berlinerinnen und Berliner in die Vernichtungslager, wo die meisten von ihnen ermordet wurden.
Auf Initiative der Bezirksverordnetenversammlung Wilmersdorf wurde am 18. Oktober 1991 das Mahnmal von Karol Broniatowski enthüllt. Es zeigt in einem Betonblock Negativabdrücke von menschlichen Gestalten und informiert daneben auf einer Bronzetafel über die Deportationen. Der Text lautet:
“Zum Gedenken an die mehr als 50.000 Juden Berlins,
die zwischen Oktober 1941 und Februar 1945
vorwiegend vom Güterbahnhof Grunewald aus
durch den nationalsozialistischen Staat
in seine Vernichtungslager deportiert und ermordet wurden.
Mahnung an uns,
jeder Mißachtung des Lebens und der Würde des Menschen
mutig und ohne Zögern entgegenzutreten.”

Am Mahnmal der Deutschen Bahn, 12.11.2011, Foto: KHMM

Am Mahnmal der Deutschen Bahn, 12.11.2011, Foto: KHMM

Mahnmal der Deutschen Bahn AG Gleis 17
Auch die Deutsche Bahn AG hat sich für die Erinnerung an die Deportationen von diesem Bahnhof engagiert. Am 27. Januar 1998 wurde Gleis 17, das Mahnmal der Deutschen Bahn AG auf der Gleisanlage, enthüllt. Es wurde von Nicolaus Hirsch, Wolfgang Lorch und Andrea Wandel geschaffen. Es befindet sich an den Gleisen, von denen die Deportationszüge abgefahren sind. Es besteht aus Metallplattengittern auf den ehemaligen Verladebahnsteigen. Auf diesen Metallplatten sind die Daten, Bestimmungsorte und die Opferzahlen der einzelnen Transporte eingraviert. Wir kennen diese Daten aus den Transportlisten der Nationalsozialisten.
Die großen Transporte mit meist mehr als 1000 Menschen gingen zunächst nach Lodz und Riga, seit Ende 1942 bis Juni 1943 nach Auschwitz.
Die Reichsbahn verlangte von der SS pro Person und gefahrenem Schienenkilometer 4 Pfennige, pro Kind 2 Pfennige, nur die Hälfte wenn mehr als 400 Menschen transportiert wurden. Für die ersten Transporte wurden noch Personenzüge verwendet, später Güterzüge.
Von den etwa 170.000 in Berlin lebenden Juden wurden 55.000 in Konzentrationslagern ermordet – Männer, Frauen und Kinder. Von 5000, die in den Untergrund gingen, haben 400 überlebt – wie zum Beispiel Isaak Behar, Hans Rosenthal und Inge Deutschkron, die davon in ihren Lebenserinnerungen berichtet haben.
Ein Reichsbahner hat beispielsweise folgendes berichtet:
“An einem Abend im Winter 1942/43, der sehr kalt war, kam Herr von der Heid vom Dienst nach Hause und berichtete völlig aufgelöst, daß von seinem Bahnsteig wieder ein Transport abgegangen sei … Er hatte das schon öfter erlebt … war aber froh, als er sah, daß bei dieser Kälte kleine Eisenöfen auf dem Bahnsteig zum Verladen bereitstanden … Die Waggons wurden immer voller mit Menschen ‘gepackt’ … Aber die Öfen wurden nicht verladen … Sie waren nur zur Schau angeliefert worden.”
Seit rund 30 Jahren Jahren haben Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit dem Holocaust-Überlebenden Isaak Behar am 9. November einen Erinnerungsgang organisiert, der vom Rathenau-Gedenkstein an der Koenigsallee Ecke Erdener Straße, bis hierher führte, wo eine Gedenkveranstaltung stattfand. Am 22. April dieses Jahres ist Isaak Behar gestorben.
Aber das Gottfried-Keller-Gymnasium hat die Tradition übernommen und auch in diesem Jahr wieder eine eindrucksvolle Gedenkveranstaltung organisiert.
Im Gegensatz zu dem großen Holocaust-Mahnmal am Brandenburger Tor ist der Bahnhof Grunewald ein authentischer Ort, der mit dem tatsächlichen historischen Geschehen des Holocaust in Verbindung steht. Deshalb hat dieser Ort eine große Bedeutung für uns und vor allem für Juden. Staatsgäste aus Israel besuchen in der Regel diese Gedenkstätte und gedenken hier der Opfer des Holocaust – nicht am Holocaust-Mahnmal in Mitte.

Güterbahnhof Grunewald
Das 100.000 qm große Gelände des Güterbahnhofs Grunewald zwischen der Trabener Straße und den Bahngleisen wird von der Deutschen Bahn AG nicht mehr benötigt. Es soll mit rund 100 neuen Villen auf jeweils rund 1.000 qm großen Grundstücken bebaut werden. Über die Pläne wurde einige Jahre lang diskutiert. Es ging dabei um Schallschutzwände gegenüber den Bahngleisen und der AVUS. Es ging um die Verkehrsbelastung der Villenkolonie Grunewald durch die neuen Zufahrtswege. Und es ging dabei um die Gedenkstätte, die nicht durch die Nachbarschaft beeinträchtigt werden soll.
Für die Bebauung des Güterbahnhof-Geländes mit Wohnhäusern hat die Bezirksverordnetenversammlung strenge Auflagen formuliert: Das Mahnmal muss in seiner jetzigen Anlage und künstlerischen Gestaltung unversehrt und unbeeinträchtigt bleiben. Die Sichtachse von Gleis 17 in die Ferne muss frei gehalten werden.
Ein Supermarkt darf hier in der Nähe nicht errichtet werden. Auch die Planungen zur Errichtung eines Möbelgroßmarktes sind für das Bezirksamt nicht akzeptabel. Wir befürworten eine kleinteilige Nutzung der freigewordenen Flächen. Dabei soll der denkmalgeschützte Bestand an Bauten erhalten werden.
Im Zusammenhang mit dem Bauprojekt ist eine ausführliche Dokumentation zum Geschehen am Bahnhof Grunewald erstellt worden. Sie stammt von Nikolaus Hirsch, Wolfgang Lorch, Andrea Wandel und wurde unter dem Titel “Gleis 17 / Track 17” in einer zweisprachigen Ausgabe, deutsch und englisch im Sternberg Press Verlag veröffentlicht.
Inzwischen sind die Lärmschutzwälle fertig und die Zufahrtsstraße ist angelegt. Sie wurde benannt nach der Sozialarbeiterin und Widerstandskämpferin Hilde Ephraim.

An der Hilde-Ephraim-Straße, 12.11.2011, Foto: KHMM

An der Hilde-Ephraim-Straße, 12.11.2011, Foto: KHMM

Hilde-Ephraim-Straße
Die Straße wurde am 1. April 2010 nach Hilde Ephraim benannt. Hilde Ephraim wurde am 1. April 1905 in Charlottenburg geboren. Sie hat als Fürsorgerin in der Stadt Brandenburg gearbeitet und kam 1931 zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschland SAPD, einer Links-Abspaltung von SPD-Mitgliedern, die nicht bereit waren, Kompromisse mit dem bürgerlichen Lager zu akzeptieren.
1933 wurde Hilde Ephraim wegen ihrer jüdischen Herkunft und ihres politischen Engagements aus dem Staatsdienst entlassen. Sie zog nach Berlin und schloss sich dem Untergrundkampf der SAP an. Sie wurde verantwortlich für die “Rote Hilfe” und kümmerte sich vor allem um die Familien von Verhafteten. Im Juli 1936 wurde sie selbst verhaftet, von Gestapo-Leuten schwer misshandelt und ein Jahr später vom Volksgerichtshof zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt, die sie in Lübeck und Amberg absaß.
1940 wurde sie nicht aus der Haft entlassen, sondern bei der NS-“Euthanasie”-Aktion T4 in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz in Österreich verschleppt, wo sie am 20. September 1940 im Alter von 35 Jahren starb.
Mit dieser Straßenbenennung haben wir an eine tapfere Frau erinnert, die von den Nationalsozialisten ermordet wurde.

Trabener Straße
Die Trabener Straße wurde 1895 benannt nach Traben-Trarbach, der Wein-Stadt an der Mosel in Rheinland-Pfalz. Die Straßen in diesem Teil der Villenkolonie Grunewald wurden überwiegend nach Weinorten benannt.

Erdener Straße
Die Erdener Straße wurde 1898 nach dem Weinort Erden bei Bernkastel-Wittlich in Rheinland-Pfalz benannt.

Erdener Straße 8, 18.10.2011, Foto: KHMM

Erdener Straße 8, 18.10.2011, Foto: KHMM

Erdener Str. 8 Samuel Fischer (Gedenkplakette mit Relief)
Der 1859 in Ungarn geborene Samuel Fischer lebte hier seit 1905 bis zu seinem Tod 1934. Er war der Verleger von Gerhard Hauptmann, Thomas Mann, Hermann Hesse, Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler und vielen anderen deutschen Autoren. Ohne ihn wäre die deutschsprachige Literatur zwischen 1900 und 1933 nicht denkbar.
Seine Tochter Brigitte Behrmann-Fischer hat ein Erinnerungsbuch geschrieben unter dem Titel “Sie schrieben mir – oder Was aus meinem Poesiealbum wurde”. Es ist eines der schönsten Dokumente der Villenkolonie Grunewald als kulturelles Zentrum. Brigitte Behrmann-Fischer schreibt:
“‘Leute’ kamen oft und viele in mein Elternhaus, in die schöne und helle, weitläufige Villa im Grunewald. An ihrer Außenwand zeigte sie das S. Fischer-Signet, den Fischer mit dem Netz, als Relief …”
Brigitte Behrmann-Fischer beschreibt Treffen mit den Berliner Philharmonikern und mit Albert Einstein, der für jedes Streitgespräch offen war aber äußerst empfindlich reagierte, wenn sein Geigenspiel nicht genügend gewürdigt wurde.
Felix Salten, Freund der Familie, schrieb 1910 in “Spaziergang in Berlin”:
“Es hat einen unvergleichlichen Reiz, als bummelnder oder als geschäftiger Fremder in der Stadt drin zu wohnen, umherzulaufen, sich umklirren und umdröhnen zu lassen von dem siedenden Tumult dieses Lebens, dann aber mit einem Automobil blitzschnell hinauszurasen, zu dem Haus im Grunewald und dort still zu sitzen. Es ist, wie wenn man unter dem Wasser geschwommen wäre, bis es einem in den Ohren braust, bis einem die Schläfen hämmern und ein eherner Druck einem die Brust umpreßt. Dann aber taucht man auf, und die Luft streicht einem beschwichtigend über die Wangen, und man hat das himmlische Glück der tiefen Atemzüge.”
Otto Flake, schrieb 1912 über das Haus von Samuel Fischer:
“Der Haushalt mit Tennisplatz, Gärtner, Chauffeuer, Gesellschafterin, Kinderfräulein, Köchin und Dienstboten kostete beträchtliche Summen … In dem Haus mit der ausgemalten Halle, dem angebauten Speisesaal, der großen Bibliothek, dem Klavierzimmer und dem reizenden Teezimmer, mit den gewählten Teppichen und dem Liebermann, dem Gauguin, dem van Gogh, dem Ludwig von Hofmann an den Wänden, traf ich mit einer Unmenge von Namensträgern zusammen – Hauptmann, Rathenau, Thomas Mann, Schnitzler, Hofmannsthal, Stefan Zweig, Peter Nansen, Carl Ludwig Schleich, Kellermann, Franz Blei, Johannes V.Jensen, Wassermann, Hans Reisiger, Lovis Corinth, Irene Triesch, Gabriele Reuter, Dernburg, Annette Kolb, und im Lauf der Jahre wurde es ein endloser Zug: meine Tischdamen allein nähmen eine Seite in Anspruch.”
Nach 1945 zog Hans Werner Richter in das Haus und organisierte hier Treffen der Gruppe 47, später richtete sich hier das Literarisches Colloquium ein, bevor es nach Wannsee zog. Heute ist das Haus in Privatbesitz.

Wallotstraße
Die Straße wurde 1898 nach dem Architekten Paul Wallot benannt, dessen wichtigstes Gebäude der Berliner Reichstag war. 1883 zog er für diesen Bau von Frankfurt/M nach Berlin um. Fertig gestellt wurde der Reichstag 1894. Vier Jahre später wurde die Straße bereits zu Lebzeiten Wallots nach ihm benannt. Er starb 1912 in Langenschwalbach im Taunus

Wallotstr.19 Wissenschaftskolleg zu Berlin – Institute for Advanced Study Berlin
Das Wissenschaftskolleg wurde 1980 in Form eines privaten Vereins gegründet; Gründungsrektor war Peter Wapnewski, seine Nachfolger Wolf Lepenies und der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Dieter Grimm. Im April 2007 wurde für fünf Jahre der Klassische Archäologe Luca Giuliani zum Rektor gewählt. Bis zu 40 Fellows aus aller Welt verfolgen innerhalb eines Akademischen Jahres selbstgewählte Forschungsvorhaben und bilden eine Wissenschaftlergemeinschaft auf Zeit. Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bedeutet die Berufung an dieses Kolleg eine Art Ritterschlag und damit die Aufnahme in die wissenschaftliche Elite.
Derzeit arbeiten hier 32 Fellows aus 19 Ländern an den unterschiedlichsten Themen, wobei sich in diesem Jahr das Thema “Religion” zu einem Schwerpunkt geworden ist.
Dabei geht es zum Beispiel um die gemeinsamen Wurzeln verschiedener Glaubensrichtungen, um die Bedeutung von Engeln in verschiedenen Religionen und um die Islamforschung – aber auch um die Frage, ob sich unsere Gene durch Nahrung beeinflussen lassen.

Koenigsallee
Die Koenigsallee ist eine der Hauptstraßen der Villenkolonie. Sie wurde 1895 noch zu seinen Lebzeiten nach dem Bankier und bedeutenden Kunstmäzen Felix Koenigs benannt und wird häufig fälschlicherweise mit “ö” geschrieben. Koenigs lebte von 1846 bis 1900 und war einer der Mitbegründer der Villenkolonie Grunewald. Er besaß einige Grundstücke an der Koenigsallee.

Am Rathenau-Gedenkstein, 12.11.2011, Foto: KHMM

Am Rathenau-Gedenkstein, 12.11.2011, Foto: KHMM

Rathenau-Gedenkstein
Im Oktober 1946 ließ die damalige Liberal-Demokratische Partei Deutschlands, Vorgängerin der FDP, diesen Gedenkstein zur Erinnerung an die Ermordung Walther Rathenaus an diesem Ort aufstellen. Der Text auf der Tafel lautet:
“Die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands
Dem Andenken an
WALTHER RATHENAU
Reichsaußenminister der deutschen Republik
Er fiel an dieser Stelle durch Mörderhand
am 24. Juni 1922
Die Gesundheit eines Volkes
kommt nur aus seinem inneren Leben
Aus dem Leben seiner Seele und seines Geistes
Oktober 1946”
Walther Rathenau lebte von 1867 bis 1922. Er übernahm als Sohn des AEG-Gründers Emil Rathenau als Direktor die Leitung der AEG. Daneben schrieb er philosophische und essayistische Werke. Besonders umstritten war 1896 seine Streitschrift “Höre Israel”, in der er den deutschen Juden die vollständige Assimilation empfahl. Er war politisch in der liberalen Deutschen Demokratischen Partei DDP aktiv, organisierte im Ersten Weltkrieg den Nachschub für das Heer und wurde am 1. Februar 1921 Reichsaußenminister. Seine Politik der Aussöhnung mit Russland im Rapallo-Vertrag war umstritten und machte ihm Feinde über die antisemitischen Gegner hinaus. Obwohl er wusste, dass er extrem gefährdet war, lehnte er verschärfte Sicherheitsmaßnahmen für seine Person ab.
Am 24. Juni 1922 wurde er auf dem Weg von seinem Haus in der Koenigsallee 65 ins Außenministerium hier in der Koenigsallee Ecke Erdener Straße im offenen Wagen ermordet. Die Attentäter überholten sein Auto in der Kurve, schossen auf ihn und warfen eine Handgranate in seinen Wagen. Blutüberströmt wurde er in sein Haus zurückgebracht, wo er kurz danach starb.
Seit 1990 beginnt die in jedem Jahr von Schulen gemeinsam mit dem Bezirksamt organisierte Gedenkveranstaltung zum 9. November an diesem Gedenkstein und führt von hier zum Bahnhof Grunewald.

Herthastraße Ecke Lynarstraße, 12.11.2011, Foto: KHMM

Herthastraße Ecke Lynarstraße, 12.11.2011, Foto: KHMM

Herthastraße (Ecke Lynarstraße)
Die Herthastraße wurde 1898 nach der angeblichen germanischen Göttin Hertha benannt, die Lynarstraße im gleichen Jahr nach dem Baumeister des 16. Jhs, Graf Rochus zu Lynar.
Das große, frei stehende Eingangstor führte früher auf das Grundstück von Robert von Mendelssohn am Herthasee.
Dahinter befand sich das ebenfalls sehr große benachbarte Grundstück von Franz von Mendelssohn. Beide waren Nachfahren Moses Mendelssohns in sechster Generation, und beide waren einflussreiche Bankiers des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Bei ihren Wohltätigkeitsveranstaltungen war nicht selten Kaiser Wilhelm II persönlich zu Gast.
Die Wohnungsbebauung der 60er Jahre auf dem Grundstück von Robert von Mendessohn ist wohl das hässlichste Beispiel für die Zerstörung des ursprünglichen Charakters der Villenkolonie durch den so genannten Wiederaufbau.

Herthastr. 5 Pförtnerhaus
Das frühere Pförtnerhaus gehörte zum Palais Franz von Mendelssohns. Daneben befand sich damals der Hauptzugang zum Haus. Der heutige Hauptzugang an der Bismarckallee 23 wurde erst in den 60er Jahren errichtet.

Am St.-Michaels-Heim, 12.11.2011, Foto: KHMM

Am St.-Michaels-Heim, 12.11.2011, Foto: KHMM

Bismarckallee 23 St.-Michaels-Heim, Gedenktafel für Franz von Mendelssohn
Ich freue mich sehr, dass der Vorstandsvorsitzende des Johannischen Sozialwerks e.V., Herr Steffen, uns sein St. Michaels-Heim und die Einrichtungen des Sozialwerks persönlich vorstellen wird. Herzlichen Dank dafür!

In einem 23.000 qm großen Landschaftspark am Herthasee baute der kaiserliche Hofbaurat Ernst Ihne 1896-98 das Wohnhaus für Franz von Mendelssohn.
Das schlossartige Anwesen wurde allgemein das Palais Mendelssohn genannt. Franz von Mendelssohn war begeisterter Kunstsammler und Mäzen. In den repräsentativen Räumen hingen Gemälde van Goghs, Cezannes und Manets und die Werke alter niederländischer Maler an den Wänden.
Im Palais gab es auch eine private Grundschule, die außer den Kindern der Familie auch Nachbarskinder besuchten wie die Tochter Maximilian Hardens, Samuel Fischers Tochter Brigitte, genannt “Tutti” oder der Sohn des Wirtschaftswissenschaftlers Werner Sombart. Nicolaus Sombart hat darüber berichtet, wie er “eine Privatklasse im Mendelssohn-Palais besuchte – wo ich zwar noch nicht die Rembrandts und van Goghs in der Halle zu identifizieren wusste, aber sehr beeindruckt war von der Livree der würdigen Diener, die uns in den Unterrichtssaal führten.”
Legendären Ruf hatten die Wohltätigkeitssoireen und die Hauskonzerte im ovalen Musikzimmer der Mendelssohns. Franz von Mendelssohn spielte hervorragend Geige.
Er war Schüler von Joseph Joachim gewesen, dem wohl berühmtesten Geiger seiner Zeit. Es gab in den Jahren vor 1933 wohl keinen Künstler von Rang, der in Berlin konzertiert hätte und nicht hier in der Villa Mendelssohn zu Gast war:
der jugendliche Jehudi Menuhin, Edwin Fischer, Rudolf Serkin und viele mehr. Bei Wohltätigkeitskonzerten spielten auch schon einmal Franz von Mendelssohn und Albert Einstein gemeinsam mit den Berliner Philharmonikern das Konzert von Johann Sebastian Bach für zwei Violinen und Orchester.
Seit 1914 war Franz von Mendelssohn Präsident der Berliner Handelskammer, seit 1921 außerdem Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages und damit einer der bedeutendsten Wirtschaftsrepräsentanten der Weimarer Republik. Robert von Mendelssohn war bereits 1917 gestorben. Sein Bruder Franz erlebte noch zwei Jahre lang die Nazi-Diktatur, bevor er 1935 im Alter von 70 Jahren starb.
Am 16.6.1935 würdigte das Grunewald-Echo, das auch zu dieser Zeit noch unter einer liberalen Redaktion stand, den gläubigen Protestanten aus großer jüdischer Familie in einem ausführlichen Nachruf:
“Was er für die Villenkolonie Grunewald getan hat, mit deren Wachsen, Blühen und Gedeihen er unvergänglich verbunden war – als Begründer und Mäzen der Grunewalder Freiwilligen Feuerwehr, der er das erste Feuerlöschmobil spendete, als Mitbegründer des Grunewalder Kriegervereins, dem er die Fahne schenkte, als Mitstifter der Gelder, die der Grunewalder Kirchenbau erforderte (er schenkte der Kirche auch die Orgel und den Grunewalder Schulen die Flügel in den Festsälen) – all das wird für alle Zeiten mit goldenen Lettern in den Annalen unseres lieben Grunewalds eingetragen sein!”
Die Familie Mendelssohn musste das große Palais am Herthasee bald nach dem Tod Franz von Mendelssohns verlassen.
Die Deutsche Reichspost richtete hier in den 30er Jahren ein Gästehaus ein. 1943 wurde das Haus bei Bombenangriffen stark beschädigt.
Noch in den letzten Kriegswochen installierte die Waffen-SS hier im Kellergeschoss ein gewaltiges Abhörsystem. Nach dem Krieg nahmen die Engländer das Gebäude in Besitz und richteten darin eine Schule für die Kinder der Soldaten der alliierten Besatzungsmächte ein. Im Mai 1957 erwarb die Johannische Kirche das stark heruntergekommene Anwesen mit dem schwer beschädigten Hauptgebäude. Die Stiftung Johannisches Aufbauwerk errichtete einen Neubau für ihr St.-Michaels-Heim, bemühte sich aber, das alte Gebäude in einigen Grundzügen zu erhalten und insbesondere einige Innenräume zu restaurieren.
Heute befinden sich hier eine Kirche, ein Jugendgästehaus, ein als “Frommer Löffel” bekanntes Restaurant und soziale Einrichtungen.

Die Gedenktafel für Franz von Mendelssohn, eine Porzellantafel der KPM in der Reihe “Berliner Gedenktafel” wurde hier 1988 enthüllt. Sie enthält folgenden Text:
“Hier lebte von 1899 bis 1935
FRANZ VON MENDELSSOHN
29.7.1865 – 18.6.1935
Jurist und Bankier. Mitinhaber des Bankhauses Mendelssohn
1914 bis 1931
Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer
1921 bis 1931
Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages”

Bismarckallee
Die Bismarckallee wurde 1898 nach Otto von Bismarck benannt. Er war Reichskanzler von 1871 bis 1890. Er starb am 30.7.1898, ein halbes Jahr nach der Benennung dieser Straße.

Bismarckallee 14, 12.11.2011, Foto: KHMM

Bismarckallee 14, 12.11.2011, Foto: KHMM

Bismarckallee 14 Gedenktafel für Karl Abraham
An diesem Haus befindet sich eine Gedenktafel für Karl Abraham mit folgendem Text:
In diesem Hause
lebte bis zu seinem Tode
Dr. med. Karl Abraham
Psychoanalytiker
Geb. 3.5.1877 – Gest. 25.12.1925
Der in Bremen als Sohn des jüdischen Religionslehrers Nathan Abraham geborene Karl Abraham wurde einer von Sigmund Freuds engsten Mitarbeitern in Wien. 1908 ließ er sich in Berlin als Nervenarzt nieder.
Er machte sich Hoffnungen auf die Einrichtung eines Lehrstuhls für Psychoanalyse an der Charité, aber sein Kollege Karl Bonhoeffer, der dort den Lehrstuhl für Psychiatrie innehatte, unterstützte dieses Vorhaben nicht. Er vertrat in seiner Fachwissenschaft eher konservative Standpunkte und lehnte die Psychoanalyse ab. Deshalb gründete Karl Abraham 1920 mit Max Eitingon in Berlin das erste psychoanalytische Institut der Welt mit “Poliklinik und Lehranstalt”. Es war ein Modell-Institut, das die enge Verbindung von Praxis und Theorie, Lehre und Forschung verwirklichen konnte und so zum Vorbild wurde für zahlreiche weitere Institute in Europa und Amerika. Neben Wien und London wurde es bald zu einem bedeutenden Zentrum der psychoanalytischen Bewegung.
Die seinerzeit in Berlin erarbeiteten Ausbildungsrichtlinien sind in ihren Grundzügen in der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung noch heute gültig.
Mit der Vernichtung der Psychoanalyse Sigmund Freuds in Deutschland durch die Nationalsozialisten wurde auch das alte Institut aufgelöst. Nach seiner Neugründung 1950 ist es gemeinsam mit der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung wieder in den Kreis der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung aufgenommen worden.
Heute ist das BPI eine staatlich anerkannte psychoanalytische “Lehranstalt mit Poliklinik” im Zentrum Berlins. Die modernen Vorlesungs- und Behandlungsräume mit der Bibliothek liegen in der Nähe des Potsdamer Platzes.

Bismarckallee 10: Karl Paul Goerz
Hier lebte Karl Paul Goerz. Er wurde am 21.7.1854 in Brandenburg geboren und starb am 14.1.1923 hier in Berlin Grunewald. Er lebte hier von 1902 bis zu seinem Tod. Goerz war Feinmechaniker und Optiker und wurde ein Pionier der Photographie. Er führte den Versandhandel feinmechanischer und optischer Geräte ein und machte damit ein Vermögen, das es ihm erlaubte, hierher in die Villenkolonie Grunewald zu ziehen.

Johannaplatz
Der Johannaplatz wurde 1898 nach Johanna von Bismarck, geborene Putkamer, der Ehefrau von Otto von Bismarck benannt. Er liegt in unmittelbarer Nachbarschaft des Bismarckplatzes. Das Ehepaar ist also nur wenige Meter voneinander getrennt. Johanna lebte von 1824 bis 1894. Sie wuchs als einzige Tochter in einem sehr pietistisch geprägten Elternhaus und Umfeld auf. Ihr Leben stand immer im Zeichen der Bibel, generell des christlichen Glaubens und dessen Lehren. So war sie auch nach der Heirat mit Otto von Bismarck 1847 immer die liebende, verehrende Tochter ihrer Eltern, aufopfernde Ehefrau ihres Gatten und treusorgende Mutter ihrer Kinder.
Sie war fast 50 Jahre mit Bismarck verheiratet, als sie am 27.11.1894 starb, knapp 4 Jahre vor ihrem Mann.

Bismarckallee 2a: Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Laos
Der Staat mit knapp 7 Millionen Einwohnern grenzt an China, Vietnam, Kambodscha und Thailand. Seit ihrer Machtergreifung 1975 regiert die Laotische Revolutionäre Volkspartei den Einparteienstaat. Auch gilt also die Regel, dass Staaten, die den Begriff Demokratie in ihrem Namen führen, nach unserem Verständnis meist keine demokratischen Staaten sind.

Bismarckplatz
Der Bismarckplatz wurde gleichzeitig mit der Bismarckallee 1898 benannt nach dem ehemaligen Reichskanzler Otto von Bismarck, einige Monate vor Bismarcks Tod am 30.7.1898 in Friedrichsruh, von 1891 bis 1898 hieß der Platz Joachimplatz.

Bismarck-Skulptur
Die Bronzefigur Bismarcks wurde 1897 von dem in Grunewald lebenden und arbeitenden Bildhauer Max Klein geschaffen. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg wahrscheinlich eingeschmolzen.
Eine Nachschöpfung von Harald Haacke wurde 1996 auf dem alten Granitsockel aufgestellt. Sie wurde vom Heimatverein Wilmersdorf mit Lottomitteln realisiert. Im Gegensatz zu vielen anderen Bismarck-Skulpturen zeigt diese den privaten Menschen in Zivil mit Hund.
Die Inschrift “Dem Fürsten Otto von Bismarck – Die dankbare Kolonie Grunewald” bezieht sich auf Bismarcks Rolle bei der Gründung der Villenkolonie im Zusammenhang mit dem Ausbau des Kurfürstendammes als Boulevard.

Caspar-Theyß-Straße
Die Straße wurde 1898 nach dem Baumeister Caspar Theyß benannt, der um 1550 in Berlin starb. Er kam 1537 oder 1538 als Schlossbaumeister zu Kurfürst Joachim II. nach Berlin und errichtete unter anderem 1542 das Jagdschloss Grunewald.

Wangenheimstraße
Die Wangenheimstraße erhielt ihren Namen 1891 nach dem preußischen Landwirt und Politiker Ulrich Conrad Freiherr von Wangenheim. Er wurde 1849 in Neu-Lobitz in Pommern geboren und starb 1926 in Klein-Spiegel. Die Straße wurde also nach ihm benannt, als er 42 Jahre alt war und noch 35 Jahre vor sich hatte. Eine Straßenbenennung nach einem lebenden Politiker wäre heute undenkbar.

Wangenheimstraße 14, 12.11.2011, Foto: KHMM

Wangenheimstraße 14, 12.11.2011, Foto: KHMM

Wangenheimstr. 14 Gedenktafel für Fam. Bonhoeffer
Diese Gedenktafel wurde 1988 angebracht. Es war eine der ersten KPM-Porzellantafeln aus dem damals von der Berliner Sparkasse gestifteten Programm Berliner Gedenktafel. Der Text lautet:

“Hier lebte von 1916 bis 1935
die Familie Bonhoeffer
Karl Bonhoeffer
31.1.1868 – 4.2.1948
Psychiater und Neurologe
Dietrich Bonhoeffer
4.2.1906 – 9.4.1945
Evangelischer Theologe. Aktiv im Widerstand,
im KZ Flossenbürg hingerichtet.”
Der Psychiater und Neurologe Karl Bonhoeffer war 1912 auf den Lehrstuhl für Psychiatrie an der Berliner Charité berufen worden. Hier in seinem Wohnhaus betrieb er seit 1916 auch seine psychiatrische Praxis, bis er im Oktober 1935 mit seiner Familie in die Marienburger Allee in Charlottenburg übersiedelte.
Dort und hier in der Wangenheimstraße fanden mit Billigung und Unterstützung der Eltern die ersten konspirativen Sitzungen der Söhne und Schwiegersöhne Klaus und Dietrich Bonhoeffer, Hans von Dohnanyi, Rüdiger Schleicher und ihres Freundes Justus Delbrück statt. Auch die mit Hans von Dohnanyi verheiratete Tochter Christine nahm aktiv an der Widerstandsarbeit teil.
Nach seiner Emeritierung 1936 blieb Bonhoeffer auf Wunsch seiner Kollegen noch zwei Jahre an der Charité. Sie befürchteten die Nachfolge eines Nationalsozialisten. 1938 hielt er seine Abschiedsvorlesung. Zu seinem 75. Geburtstag im März 1943 wurde er von den Nationalsozialisten durch die Verleihung der Goethe-Medaille hoch geehrt.
Nur wenige Tage später, im April 1943, wurden sein Sohn Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohnanyi und im Oktober 1944 schließlich auch Klaus Bonhoeffer und Schwiegersohn Rüdiger Schleicher verhaftet. Alle vier wurden kurz vor Kriegsende als Widerstandskämpfer von den Nationalsozialisten ermordet.
Karl Bonhoeffer schrieb darüber an einen ehemaligen Assistenten:
“Dass wir viel Schlimmes erlebt und zwei Söhne und zwei Schwiegersöhne durch die Gestapo verloren haben, wissen Sie…. Die Jahre hindurch stand man unter dem Druck der Sorge um die Verhafteten und die noch nicht Verhafteten, aber Gefährdeten. Da wir alle aber über die Notwendigkeit zu handeln einig waren und meine Söhne auch sich im Klaren waren, was ihnen bevorstand im Falle des Misslingens des Komplotts, und mit dem Leben abgeschlossen hatten, sind wir wohl traurig, aber auch stolz auf ihre geradlinige Haltung.”
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Karl Bonhoeffer nochmals für zwei Jahre als Psychiater tätig. Er übernahm mit 78 Jahren von 1946 bis zu seinem Tod 1948 das Amt des Dirigierenden Arztes an den Wittenauer Heilstätten, der heutigen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik.
Dieterich Bonhoeffer zog als 10jähriger mit seiner Familie hierher in die Wangenheimstraße und besuchte von hier aus das Grunewaldgymnasium, das heutige Walther-Rathenau-Gymnasium gemeinsam mit seinen Freunden Hans von Dohnanyi und Justus Delbrück. Seine Schwester Christine heiratete seinen Freund von Dohnanyi. Mit 17 Jahren bestand er sein Abitur und begann nach Promotion und Habilitation bereits 1931, also mit 25 Jahren, an der Berliner Universität zu lehren. Um diese Zeit hielt er auch Kindergottesdienste in der Grunewaldkirche und betreute einen Jugendkreis hier in seinem Elternhaus.
Bereits 1933 nahm Dieterich Bonhoeffer eine eindeutige Haltung gegen den Nationalsozialismus ein und kritisierte dessen antisemitische Gesetzgebung. Zunächst leistete er innerhalb der Bekennenden Kirche Widerstand, seit 1940 durch Vermittlung seines Schwagers Hans von Dohnanyi auch unmittelbar im politischen Bereich. Er wurde dem Abwehramt der Reichswehr bei Admiral Canaris zugeordnet und nutzte seine Auslandsbeziehungen, um die Bedingungen für einen Friedensvertrag nach dem geplanten Sturz des NS-Regimes auszuloten.

Wangenheimsteg
Der 1957 gebaute Wangenheimsteg führt uns von der Villenkolonie Grunewald über die Stadtautobahn A 100 nach Halensee.

Melli-Beese-Anlage, 18.10.2011, Foto: KHMM

Melli-Beese-Anlage, 18.10.2011, Foto: KHMM

Storkwinkel: Melli-Beese-Anlage
Der Storkwinkel wurde 1960 nach Friedrich Stork benannt. Er lebte von 1846 bis 1897 und war von 1892 bis zu seinem Tod Amts- und Gemeindevorsteher von Wilmersdorf. Diese Straße verdankt ihre Existenz dem Bau der Stadtautobahn. Aus der Hobrechtstraße und Teilabschnitten der Humboldtstraße und der Kunz-Buntschuh-Straße wurde die Straße Storkwinkel gebildet.
Der Gedenkstein und die Skulptur für Melli Beese in der Grünanlage wurden am 1.5.1971 enthüllt. Der Tafeltext lautet:
“Amelie Beese
Erste deutsche Fliegerin.
1886 –1925”
Die am 13.9.1886 in Laubegast bei Dresden geborene Amelie Beese kam 1910 nach Berlin-Johannisthal, wo sie ein Jahr später mit einer Rumpler-Taube als erste Frau in Deutschland ihren Pilotenschein machte.
Sie gewann alle wichtigen Preise und flog bereits 1912 mit 625 m einen Höhenweltrekord. 1912 gründete sie zusammen mit ihrem späteren Ehemann Charles de Boutard in Johannisthal eine Flugschule und Flugzeugfabrik, in der die von ihr entworfene Melli-Beese-Taube gebaut wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg machte ihre Karriere einen Knick, und auch die Geschäfte ihrer Flugzeugfabrik gingen schlecht. Möglicherweise war das der Grund, weshalb sie am 21.12.1925 in Berlin den Freitod wählte. 1975 erhielt sie ein Ehrengrab auf dem landeseigenen Friedhof Schmargendorf. Im Bezirk Treptow-Köpenick gibt es eine Melli-Beese-Grundschule.

Schwarzbacher Straße
Die Schwarzbacher Straße erhielt ihren Namen 1958 im Zusammenhang mit dem Bau der Stadtautobahn. Dadurch wurde der nördliche Abschnitt der Friedrichsruher Straße abgetrennt und neu benannt. Schwarzbach heißt heute Czarne und ist ein Heilbad im Isergebirge in Niederschlesien in Polen.

Kurfürstendamm 119/120: Helmut-Jahn-Bau
Hier baute der New Yorker Stararchitekt Helmut Jahn 1993 für 70-Millionen DM einen viel beachteten Neubau. Noch spektakulärer allerdings wurde das ebenfalls von Helmut Jahn gebaute Neue Kranzlereck 1998 bis 2000.

Kurfürstendammbrücke
Die erste Kurfürstendammbrücke wurde 1894 in Dienst gestellt. Schließlich wollten die Grunewalder ihre Villenkolonie auch auf direktem Weg über den Kurfürstendamm erreichen.
Die Brücke wurde Ende der 50er Jahre abgerissen und durch einen kompletten Neubau ersetzt. Die neue Stahlverbundbrücke mit einer Länge von 75 Metern und einer Breite von 32 Metern wurde abschnittsweise gebaut und im September 1963 eröffnet.
Der Kurfürstendamm ist hier 12 m höher als an der Gedächtniskirche. Von der Brücke hat man einen schönen Blick nach Charlottenburg mit dem ICC im Norden und nach Wilmersdorf mit dem Kraftwerk und Gebäude der Deutschen Rentenversicherung Bund aus Aluminium im Süden.
Hier im Süden sehen wir im Halenseegraben den früheren Güterbahnhof Halensee. Hier plant die Firma Bauhaus die Errichtung eines Baumarktes.

Henriettenplatz, 12.11.2011, Foto: KHMM

Henriettenplatz, 12.11.2011, Foto: KHMM

Henriettenplatz
Der Platz erhielt seinen Namen 1892 nach der Gemahlin von Friedrich-Wilhelm, dem Großen Kurfürsten, Luise Henriette, Kurfürstin von Brandenburg, geborene Prinzessin von Oranien-Nassau. Sie wurde 1627 in Den Haag geboren und starb im Alter von 40 Jahren 1667 in Cölln in der Doppelstadt Berlin-Cölln. Sie heiratete mit 19 Jahren 1646 den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Der dritte Sohn aus dieser Ehe, Friedrich, wurde 1688 Kurfürst von Brandenburg und 1701 König in Preußen. Er gründete 1705 zu Ehren seiner früh verstorbenen Gattin Sophie Charlotte die Stadt Charlottenburg.

Kurfürstendamm
Hier schließt sich in gewisser Weise der Kreis, den wir am Bahnhof Grunewald begonnen haben. Denn die jüdischen Bürgerinnen und Bürger, die dort in die Deportationszüge gepfercht wurden, wurden meistens nachts von der Sammelstelle in der früheren Synagoge an der Levetzowstraße in Tiergarten mitten durch die City-West hier über den Kurfürstendamm geführt oder manchmal auch mit Lastautos transportiert.
Aber der Kurfürstendamm war auch in der Pogromnacht am 9. November 1938 eines der Berliner Zentren der antisemitischen Zerstörungen.
Erich Kästner, der von 1931 bis 1944 in der Roscherstraße 16 lebte und im Café Leon im Mendelsohn-Baukomplex am Lehniner Platz einen Stammplatz hatte, erlebte die Nacht vom 9. zum 10. November 1938 am Kurfürstendamm. Er hat darüber geschrieben:
“In jener Nacht fuhr ich, im Taxi auf dem Heimweg, den Tauentzien und Kurfürstendamm entlang. Auf beiden Straßenseiten standen Männer und schlugen mit Eisenstangen Schaufenster ein. Überall krachte und splitterte Glas. Es waren SS-Leute, in schwarzen Breeches und hohen Stiefeln, aber in Ziviljacken und mit Hüten. Sie gingen gelassen und systematisch zu Werke. Jedem schienen vier, fünf Häuserfronten zugeteilt. Sie hoben die Stangen, schlugen mehrmals zu und rückten dann zum nächsten Schaufenster vor. Passanten waren nicht zu sehen. (Erst später, hörte ich am folgenden Tag, seien Barfrauen, Nachtkellner und Straßenmädchen aufgetaucht und hätten die Auslagen geplündert.)
Dreimal ließ ich das Taxi halten. Dreimal wollte ich aussteigen. Dreimal trat ein Kriminalbeamter hinter einem der Bäume hervor und forderte mich energisch auf, im Auto zu bleiben und weiterzufahren.
Dreimal erklärte ich, dass ich doch wohl aussteigen könne, wann ich wolle, und das erst recht, wenn sich aller Öffentlichkeit, gelinde ausgedrückt, Ungebührliches ereigne. Dreimal hieß es barsch: ‘Kriminalpolizei’! Dreimal wurde die Wagentür zugeschlagen. Dreimal fuhren wir weiter. Als ich zum vierten Mal halten wollte, weigerte sich der Chauffeuer. ‘Es hat keinen Zweck’, sagte er ‘und außerdem ist es Widerstand gegen die Staatsgewalt!’ Er bremste erst wieder vor meiner Wohnung.”