Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen
Treffpunkt: Bahnhof Charlottenburg, vor dem Haupteingang auf dem Stuttgarter Platz an der Kaiser-Friedrich-Straße
Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen zu unserem 106. Kiezspaziergang. Diesmal folgen wir einer Einladung. Wir gehen von hier zum Lietzenseeufer, wo das Haus See-Eck neben dem Hotel See-Hof in diesem Jahr seinen 100sten Geburtstag feiert. Der Besitzer, Herr Jost, hat uns dazu eingeladen und versprochen, dass auch 200 Personen in seinem Haus mit dem kleinen Hotel Belle Etage am Lietzensee Platz finden. Wir wollen gegen 15.30 Uhr dort eintreffen, und damit wir nicht zu spät ankommen, werden wir heute ausnahmsweise einmal ziemlich geradlinig gehen. Auf dem Weg dahin werden wir unter anderem das ehemalige Frauengefängnis an der Kantstraße 79 besichtigen, zumindest den Innenhof des Gebäudekomplexes werden wir betreten können. Für den Zellentrakt und die einzelnen Zellen ist unsere Gruppe zu groß.
Bevor wir starten möchte ich Ihnen den Treffpunkt für den nächsten Kiezspaziergang mitteilen. Wie Sie wissen finden die Kiezspaziergänge immer am zweiten Samstag eines Monats ab 14.00 Uhr statt. Den nächsten wird meine Kollegin, Sozialstadträtin Martina Schmiedhofer, übernehmen, weil ich am 13. November unseren Partnerbezirk in Budapest besuchen werde. Der Treffpunkt ist dann am Sonnabend, dem 13. November, um 14.00 Uhr auf dem Henriettenplatz am S-Bahnhof Halensee und es wird über den neu benannten Kracauerplatz zum Walter-Benjamin-Platz gehen.
Alle Informationen über die Kiezspaziergänge finden Sie im Internet unter www.kiezspaziergaenge.de.
Stuttgarter Platz (Baustelle)
Der Stuttgarter Platz verdankt seine Entwicklung der Eröffnung der Stadtbahn im Jahr 1882. Sie verband Berlin und Charlottenburg erstmals mit einem direkten, schnellen und bequemen Verkehrsmittel. Sie brachte einen Schub für die Bautätigkeit und für das Bevölkerungswachstum. Die Bahnhöfe der Stadtbahn wurden zu Ausgangspunkten für den Bau neuer Wohnviertel.
Eines dieser Wohnviertel entstand hier um den Bahnhof Charlottenburg. Zunächst bildete allerdings der berüchtigte Schwarze Graben noch ein Hindernis für die Bebauung. Der Graben kam von Wilmersdorf, unterquerte die Stadtbahn, führte die Schöneberger und Wilmersdorfer Abwässer mit sich und mündete in den Lietzenseeabfluss. 1889 wurde er von der Wilmersdorfer Grenze an der Lietzenburger Straße bis zur Scharrenstraße, der heutigen Schustehrusstraße kanalisiert. Unmittelbar danach entstanden der Stuttgarter Platz und die Kaiser-Friedrich-Straße. Das Gebiet zwischen der Stadtbahn und dem Schloss Charlottenburg wurde zügig bebaut.
Seinen Namen erhielt der Stuttgarter Platz 1892. In den Jahren 1893-94 entstanden die auf der Westseite des Platzes erhaltenen repräsentativen Wohnhäuser. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich der damals hier gelegene Busbahnhof zu einer Hochburg des Schwarzhandels, in den 1960ern machte die Kommune I den Platz über Berlin hinaus bekannt, und in den 70ern entstanden hier die ersten Bürgerinitiativen.
Zwischen Windscheidstraße und Kaiser-Friedrich-Straße zeichnet sich der Stuttgarter Platz heute aus durch eine gute Wohnlage mit stuckverzierten Altbauten, gemütlichen Cafés und Feinkostläden, mit Verkehrsberuhigung, einer Grünanlage und einen Spielplatz mit Spielbrunnen, die Ende der 70er Jahre durch eine Bürgerinitiative initiiert wurden. Dies ist der gut bürgerliche Teil des Stuttgarter Platzes.
Von der Kaiser-Friedrich-Straße bis zur Wilmersdorfer Straße ist der Stuttgarter Platz nicht gerade ein Schmuckstück. Hässliche Neubauten der 70er Jahre; Bordelle, Bars und Clubs, sowie billige Im- und Exportgeschäfte beherrschen hier das Bild, das sich allerdings derzeit zum Besseren entwickelt.
Dazu beitragen soll auch die Anlage eines neuen grünen Parks zwischen Kaiser-Friedrich-Straße und Wilmersdorfer Straße hier auf der nördlichen Seite der Bahngleise. Wie Sie sehen wird auch der Platz hier vor dem Bahnhofsgebäude neu gestaltet. Der Park wird von der Deutschen Bahn AG finanziert, als Ausgleich für gefällte Bäume bei der Ostverschiebung des S-Bahnhofs vor einigen Jahren. Damit wurde der Umsteigeweg zum U-Bahnhof Wilmersdorfer Straße verkürzt.
Jetzt erhalten wir also gewissermaßen als Nachschlag zu dieser Baumaßnahme noch einen neuen Park. Die Planungen wurden vom Umweltamt gemeinsam mit einem beauftragten Planungsbüro und Bürgerinnen und Bürgern entwickelt. Insgesamt sollen 218 Bäume neu gepflanzt werden. Mitten durch den Park soll ein öffentlicher Fußweg laufen. Es gab zwar auch einzelne Proteste wegen weg fallender Auto-Parkplätze, aber insgesamt stößt diese Umbaumaßnahme auf große Zustimmung. Bereits 2008 hat die Deutsche Bahn AG auf der südlichen Seite der Bahngleise an der Gervinusstraße einen Park mit einem Spielplatz mit rund 750.000 Euro finanziert.
Kaiser-Friedrich-Straße
Die Straße wurde 1892 benannt nach Friedrich III, dem Sohn Kaiser Wilhelms I. Er war 1888 für 100 Tage Deutscher Kaiser. Sein Nachfolger im gleichen Jahr, dem sogenannten Dreikaiserjahr, war Wilhelm II.
Die Kaiser-Friedrich-Straße wurde erst am Ende des 19. Jahrhunderts angelegt.
Sie verläuft teilweise entlang dem früheren berüchtigten “Schwarzen Graben”, und sogar in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts gab es bei einigen Häusern noch Probleme wegen dem morastigen Untergrund.
Kaiser-Friedrich-Str.54a: Kommune I
Am 1. Mai 1967 zogen einige junge Leute, die sich von den Treffen des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) her kannten, in die dritte Etage der Kaiser-Friedrich-Straße 54a und bildeten eine Kommune. Sie wurde als Kommune I zur populärsten in Deutschland. Es waren fünf Männer und drei Frauen, unter ihnen Fritz Teufel und Dieter Kunzelmann, etwas später kamen auch Rainer Langhans und das Foto-Modell Uschi Obermeier hinzu. Sie trugen lange Haare, hörten Rockmusik, rauchten Haschisch und forderten freien Sex. Sie waren eine Provokation für die deutsche Nachkriegsgesellschaft.
Bald wurde die Wohnung in der Kaiser-Friedrich-Straße zu klein. Am 1. August 1968 zog die Kommune l in eine Fabriketage in Moabit, in der alle in einem großen Raum lebten. Nach insgesamt 30 Monaten alternativen Zusammenlebens löste sich die Kommune l offiziell auf.
Die neue Art des Zusammenlebens nahmen sich jedoch viele zum Vorbild für Wohngemeinschaften überall in Deutschland.
Fritz Teufel fuhr später als Fahrradkurier durch die Stadt. Er starb am 6. Juli dieses Jahres – und sorgte auch nach seinem Tod noch für Aufregung. Am 6. August war seine Urne verschwunden.
Eine Woche später tauchte sie auf dem Dahlemer Waldfriedhof neben dem Grab von Rudi Dutschke wieder auf.
Das Haus machte Ende der 70er Jahre noch einmal Schlagzeilen in Berlin. Der Hausbesitzer Kausen ließ es leer stehen und ignorierte die vom Wohnungsamt angeordneten Maßnahmen zur Wiederherstellung. In den Zeitungen wurde es als “Spekulationsobjekt des Monats” bezeichnet. Anschließend wurden zeitweise Sozialhilfeempfänger eingewiesen, was dem zuständigen Sozialstadtrat Horst Heinschke den Vorwurf einbrachte, Mietwucher im Spekulationshaus zu begünstigen. Auch eine kurzzeitige Instandbesetzung fand hier statt.
Als kurze Zeit später im Nachbargebäude Nr.54 der Dachstuhl vollständig ausbrannte wurde über vorsätzliche Brandstiftung und warmen Abriss spekuliert.