259. Kiezspaziergang: Halensee: Durch den kleinsten Ortsteil des Bezirks

259. Kiezspaziergang - Brzezinski

Herzlich willkommen zum 259. Kiezspaziergang. Mein Name ist Christoph Brzezinski. Ich bin als Bezirksstadtrat zuständig für das Ressort Abteilung Stadtentwicklung, Liegenschaften und IT. Heute führt uns der Kiezspaziergang durch Halensee.

Bevor es aber losgeht, schon einmal der Hinweis auf den nächsten Kiezspaziergang: Den 260. Kiezspaziergang leitet am 12. Oktober Bezirksbürgermeisterin Kirsten Bauch. Treffpunkt ist der Eingang zum Schloss Charlottenburg am Spandauer Damm. Mit Frau Bauch folgen Sie dann den Spuren von Pfarrer Johann Christian Gottfried Dressel, dessen 200. Todestag wir im Oktober begehen.

Halensee

Zu Beginn ein paar Worte zu dem Ortsteil, den wir uns heute anschauen wollen. Halensee ist der kleinste Ortsteil von Charlottenburg-Wilmersdorf und nach dem Hansaviertel der zweitkleinste in ganz Berlin. Mit einer Fläche von nur 1,27 km² ist Halensee etwa 1,5 Mal so groß wie der Central Park in New York. Dennoch leben hier 15.775 Menschen. Trotz seiner geringen Größe hat dieser Ortsteil eine interessante Geschichte und viele Facetten.

Halensee entstand Ende des 19. Jahrhunderts als Mietshaussiedlung im Vorort Deutsch-Wilmersdorf. Der Ortsteil wurde nach dem gleichnamigen See benannt, der heute im benachbarten Grunewald liegt. Um 1914 war die Bebauung weitgehend abgeschlossen. Davor gab es hier nur Sandboden und Spargelfelder. Theodor Fontane kommentierte dies in seinem Roman „Frau Jenny Treibel“:

„diese Wunderwelt, in der keines Menschen Auge bisher einen frischen Grashalm entdecken konnte (…), dieses von Spargelbeeten und Eisenbahndämmen durchsetztes Wüstenpanorama“.

Dass der Stadtteil zu einem bevorzugten Wohngebiet wurde, lag vor allem an der Eröffnung des Ringbahnhofs Grunewald 1877 – später umbenannt in Bahnhof Halensee – und dem Ausbau des Kurfürstendamms.
Zusammen mit der Westfälischen Straße bietet Halensee zahlreiche Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants und Cafés.

Halensee hat eine bewegte Geschichte: Literaten, Künstler, russische Emigranten und Beamte schätzten den Ortsteil, nicht nur wegen der Lage.
Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich der obere Kurfürstendamm zu einem Vergnügungsviertel. Neben dem Luna-Park, dem größten Vergnügungspark Europas, gab es Tanzsäle, Konzertgärten und die Radrennbahn Halensee zwischen Heilbronner-, Karlsruher und Katharinenstraße.

Viele prominente Persönlichkeiten haben hier gelebt oder leben noch hier, darunter der ehemalige Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit und die Schauspielerin Katja Riemann.

Ein markantes Merkmal Halensees ist die Mischung aus alten, prächtigen Altbauten und Nachkriegsbebauung.
Der Zweite Weltkrieg hinterließ hier Spuren, und viele Lücken wurden mit Sozialwohnungen gefüllt. Dennoch gibt es noch viele erhaltene Gebäude aus der Gründerzeit, besonders entlang des Kurfürstendamms und in den Seitenstraßen.

Beginnen wollen wir unseren Spaziergang hier auf dem Friedhof Grunewald.

Friedhof Grunewald Kapelle

Station 1: Friedhof Grunewald - Bornstedter Straße

Obwohl der Friedhof „Grunewald“ heißt, liegt er im Ortsteil Halensee, nur wenige Meter vom Kurfürstendamm entfernt. 1892 legte man ihn für die Bewohner der nahegelegenen Villenkolonie Grunewald auf einer Fläche von etwa 11.700 Quadratmetern an. Das entspricht etwa 1,5 Fußballfeldern.

Der Friedhof ist wegen seiner besonderen Lage bekannt: Er ist von Bahngleisen umgeben,
weshalb man ihn „Toteninsel“ nennt. Zugang bietet nur die kleine Brücke an der Bornstedter Straße, über die wir alle gekommen sind. Diese isolierte Lage, abgeschirmt von der Stadt, verleiht ihm eine besondere Ruhe.

Am 19. Mai 1892 eröffnete man den nach Plänen des königlichen Garteninspektors Röhr angelegten Friedhof. Direkt am Eingang führt eine Allee aus Pyramideneichen zur neugotischen Kapelle, die 1897 errichtet wurde.
1902/03 ergänzten Carl Zaar und Rudolf Vahl die Kapelle um eine Vorhalle.

Das Wegenetz und die ursprüngliche Struktur des Friedhofs blieben seit seiner Eröffnung weitgehend unverändert. Daher steht der Friedhof seit 1995 als Gartendenkmal unter Denkmalschutz.

Der Friedhof Grunewald beherbergt zahlreiche Gräber prominenter Persönlichkeiten.
Unter ihnen sind der Dichter Hermann Sudermann, dessen Grabdenkmal eine Büste der Göttin Hera ziert, und der Physiker Hans Geiger, Erfinder des Geigerzählers.
Auch der Bildhauer Otto Lessing, bekannt für das Denkmal seines Urgroßonkels, des Dichters Gotthold Ephraim Lessing im Tiergarten, ist hier begraben.
Das Wegenetz des Friedhofs besitzt noch heute die zu seiner Eröffnung angelegte Struktur.

Gehen wir nun weiter zu einem ikonischen Gebäude in unserem Bezirk, einem Bürohaus mit dem Spitznamen „Zitrone“. Wir treffen uns Bornstedter Straße / Ecke Kronprinzendamm.

259. Kiezspaziergang - Bürogebäude Zitrone

Station 2: Bürogebäude am Halensee "Zitrone“

Zwischen 1994 und 1996 errichteten die Architekten Hilde Léon und Konrad Wohlhage ein Bürogebäude auf einem Grundstück, das ursprünglich als unbebaubar galt. Direkt an einem der meistbefahrenen Autobahnabschnitte Deutschlands gelegen, besticht das Gebäude durch seine außergewöhnliche Form und Bauweise.

Der siebengeschossige Bau erhebt sich auf einem dreieckigen Grundriss und bietet rund 7500 Quadratmeter Bürofläche.
Ein auffälliges Merkmal ist die sechs Meter weit über das Gebäude hinausragende Struktur über einem offenen Geschoss, die dem Bauwerk einen schwebenden, leichten Eindruck verleiht. Die geschwungene, verglaste Fassade, die parallel zur Autobahn verläuft, sowie der Natursteinsockel machen das Bürogebäude zu einem auffälligen Blickfang.

Um Lärm und Abgase der Autobahn abzumildern, konstruierten die Architekten das Gebäude mit einer zweischaligen Außenhaut, deren Zwischenraum über das Dach belüftet wird. Diese innovative Bauweise sorgt für ein angenehmes Raumklima und gilt als Vorbild im ökologischen Bauen. Für seine Architektur erhielt das Gebäude 1997 den Deutschen Architekturpreis.
Den Spitznamen „Zitrone“ erhielt der Bau von den Anwohner:innen, die sich gegen das Bauvorhaben wehrten, in Anspielung auf die elliptische Form des Gebäudes.
Heute hat das Bauunternehmen Kondor Wessels Holding GmbH seinen Sitz in der Zitrone.

Gehen wir nur weiter zum Friedenthalpark und zum Halensee. Wenn wir über den Trabener Steg gehen, haben Sie noch einmal eine gute Sicht auf dieses außergewöhnliche Bürogebäude.

259. Kiezspaziergang - Halensee

Station 3: Friedenthalpark

Streng genommen liegt der Halensee nicht in Halensee, sondern im Ortsteil Grunewald. Dennoch möchte ich Ihnen das Gewässer nicht vorenthalten, dem der Ortsteil, dem wir uns heute widmen, seinen Namen verdankt.

Früher nannte man den Halensee „Hohler See“. Er gehört zur kleinen Grunewaldseenkette.
Er ist bis zu zehn Meter tief und erstreckt sich über 5,7 Hektar – also etwa so groß wie das KaDeWe.

Ein zentrales Thema am Halensee war lange die Wasserqualität, besonders nach starken Regenfällen. Der See hat keine natürlichen Zu- oder Abflüsse. Er speist sich aus Grundwasser sowie dem Zufluss von Straßenwasser der Autobahn und den umliegenden Wohngebieten.
Dadurch gelangen vor allem bei starken Regenfällen Keime und Schadstoffe in den See. Deshalb galt hier lange ein Badeverbot.
Dank einer Filteranlage, die 2007 in Betrieb ging, hat sich die Wasserqualität jedoch deutlich verbessert. Seit 2016 ist das Baden wieder erlaubt.
Allerdings ist das Strandbad wegen Renovierungsarbeiten derzeit geschlossen, die Wiedereröffnung ist für 2025 geplant.
Der See hat eine lange Geschichte als beliebtes Ausflugsziel. Bereits im 19. Jahrhundert gab es hier ein Wirtshaus, und ab 1909 wurde das Ufer mit dem berühmten Lunapark zu einem der größten Vergnügungsparks Europas.

Der Lunapark war einst Berlins größter Vergnügungspark. Man kann es sich in etwa so vorstellen, wie ein frühes Disneyland. Der Park lockte mit seinen Attraktionen bis in die 1930er Jahre täglich rund 30.000 Besucher, an Wochenenden noch mehr. Es gab eine Wasserrutschbahn, die im See endete, eine Wackeltreppe („Shimmy-Treppe“) und eine Gebirgsbahn.

Nach dem Vorbild von Coney Island in New York bot der Park Sensationen, Abenteuer, Gefahr, die Illusion der großen weiten Welt und die scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten der Technik.
Es gab Völkerschauen, die erste Rolltreppe, jeden Abend Feuerwerk, Theater, Revuen, Jazzmusik, Kabarett, Tanzturniere. Das Neuartigste, was der Lunapark den Gästen bot, war ein riesiges Wellenbad.
Bis nachts um ein Uhr konnte man hier schwimmen, und Maschinen schäumten das Wasser zu meterhohen Wellen auf. Das Wellenbad war das größte Hallenbad Berlins.
Und es bot noch etwas, was andere Bäder nicht hatten: Männer und Frauen durften zusammen baden.
Das war ungewöhnlich, denn die meisten Schwimmbäder der damaligen Zeit hatten getrennte Bereiche für Männer und Frauen oder getrennte Badezeiten. Im Lunapark badeten aber alle zusammen. Spektakulär am Wellenbad war auch, dass man das Dach öffnen konnte. Man konnte also im Sommer unter freiem Himmel baden.
Außerdem gab es eine Schlittschuhbahn auf dem Dach des Terrassengebäudes, mit direktem Zugang vom Wellenbad.
Vom Wellenbad konnte man auf das Dach des Terrassengebäudes, wo diese Schlittschuhbahn war, und dort im Sommer im Badekostüm Schlittschuh laufen.

Auch die Veranstaltungen zogen viele Besucher an. Besonders Boxen war in den 20er Jahren beliebt,
und der Lunapark hatte einen Boxring. In dem gewann 1926 der junge Max Schmeling seinen ersten Titelkampf.

Erich Kästner schrieb über den Lunapark:
„Wenn der Berliner nicht weiß, was er anfangen soll – dergleichen kommt vor –, dann geht er gern in den Lunapark. Der eine geht aus Überzeugung hin; der „Jebildete“ nur zum Spaß. Der Lunapark hat für jeden was in der Tüte. Hier darf er sich amüsieren. Er muss nur stehen bleiben, die Augen und Ohren offen halten – schon tritt der Spaß den Menschen an. Gegen 1 Mark. “
Eine Mark, das war durchaus nicht günstig. Deshalb kann man davon ausgehen, dass der Park eher die Mittel- und Oberschicht anlockte.

Doch ewig währte das Vergnügen nicht. Die Betreiberfirma des Lunaparks war 1933 pleite. Als der Park am Ende der Saison schloss, war klar, dass es keine neue Saison geben würde. Auch das Wellenbad musste schließen.

Die Nationalsozialisten hatten sowieso andere Pläne mit dem Park, den sie als „Schandfleck des Westens“ bezeichneten. Sie rissen den Lunapark ab. Das Gelände wurde für die neue Halenseestraße benötigt.
Die Straße wurde zu den Olympischen Sommerspielen 1936 eröffnet und garantierte eine schnelle Verbindung zwischen dem Olympiastadion, der Deutschlandhalle, dem Messegelände am Funkturm und den südlich gelegenen Wettkampfstätten.

Im Jahr 1938 gestaltete Joseph Pertl einen Teil des Geländes als Landschaftspark, der 1997 den Namen Friedenthalpark erhielt, benannt nach
dem preußischen Politiker Karl Rudolf Friedenthal. Eine Gedenktafel am Parkeingang erinnert an ihn.

Heute herrscht im Friedenthalpark eine ruhige Atmosphäre, doch die Geschichte des Lunaparks bleibt unvergessen.

Gehen wir jetzt weiter zum Rathenauplatz. Dort erwartet uns ein umstrittenes Kunstwerk.

Beton-Cadillacs_2022

Station 4: Rathenauplatz mit Beton-Cadillacs

Die Skulptur von Wolf Vostell, „Zwei Beton-Cadillacs in Form der Nackten Maja“, wurde 1987 zur 750-Jahr-Feier Berlins aufgestellt. Sie gehört zum Skulpturenboulevard, der entlang des Kurfürstendamms und der Tauentzienstraße verläuft.

Auf einer Kreisverkehrsinsel stehen da, acht Meter hoch und sechs Meter breit, zwei Cadillacs, Baujahr 1971, in Beton gegossen. Vostell beschrieb das Ganze als „Tanz der Autofahrer ums Goldene Kalb“, ein Verweis
auf die Konsum- und Autoverherrlichung in der modernen Gesellschaft. Der Titel spielt auf Goyas berühmtes Gemälde „Die Nackte Maja“ an.

Das Kunstwerk war damals äußerst umstritten und löste massiven Bürgerprotest aus, es bildetet sich sogar eine „Bürgerinitiative gegen moderne Kunst“, die den Aufbau der Skulptur verhindern wollte. Die „Zwei Beton-Cadillacs“ gehörten zu den umstrittensten Kunstwerken der Nachkriegszeit in Berlin. Um ihrer Kritik Ausdruck zu verleihen, stellten Bürger sogar einen Beton-Trabi als Gegendenkmal auf.
Doch während der Trabi längst verschwunden ist, stehen die Cadillacs noch heute hier.

2006 wurden die Beton-Cadillacs umfassend restauriert und durch eine spezielle Lichtinstallation in Szene gesetzt. Sie erinnern uns nicht nur an den Skulpturenboulevard, sondern auch an die kontroversen Diskussionen über Kunst im öffentlichen Raum in Berlin.

Gehen wir nun weiter zum S-Bahnhof Halensee.

Station 5: S-Bahnhof Halensee

Am 15. November 1877 eröffnete der Bahnhof unter dem Namen Grunewald. Bald darauf baute man ihn um, und 1884 erhielt er den heutigen Namen Halensee.
Das alte Bahnhofsgebäude, ein beeindruckender Bau im neoromanischen Stil, bot direkten Zugang zum Kurfürstendamm.
Leider existiert das historische Empfangsgebäude heute nicht mehr, da es im Zweiten Weltkrieg zerstört und später abgerissen wurde.

Der Bahnhof spielte eine wichtige Rolle im Berliner Verkehr, besonders auf der Ringbahn. 1928 elektrifizierte man ihn, was den modernen S-Bahn-Betrieb ermöglichte.
Nach dem Mauerbau 1961 boykottierten die West-Berliner den Bahnhof, was zu einem drastischen Rückgang der Fahrgastzahlen führte.
In den folgenden Jahren reduzierte man den Betrieb immer weiter, und 1980 legte ein Streik den gesamten S-Bahn-Verkehr in West-Berlin lahm.

Nach der Wiedervereinigung beschloss man, die Ringbahn wieder in Betrieb zu nehmen.
Der Bahnhof Halensee wurde umfangreich renoviert, und 1993 eröffnete die Strecke erneut. Heute ist der Bahnhof Halensee ein gut genutzter Verkehrsknotenpunkt, auch wenn der ursprüngliche Glanz des historischen Bahnhofsgebäudes fehlt.

Gehen wir jetzt ein Stückchen weiter, dann erzähle ich Ihnen etwas zum Kurfürstendamm.

Nobelmeile Kurfürstendamm

Station 6: Kurfürstendamm

Der Ku’damm, wie er umgangssprachlich genannt wird, blickt auf eine lange und bewegte Geschichte zurück, die bis ins 16. Jahrhundert reicht. 1542 legte man ihn als einfachen Reitweg für Kurfürst Joachim II. an, um ihn von seinem Stadtschloss zu seinem Jagdschloss im Grunewald zu führen. Der Name „Churfürsten Damm“ tauchte erstmals 1767 auf einer Karte auf.

Im 19. Jahrhundert hatte Otto von Bismarck große Pläne für den Ku’damm.
Inspiriert von den Champs-Élysées in Paris, wollte er eine repräsentative Prachtstraße schaffen. Der Ausbau begann 1883, und am 5. Mai 1886 eröffnete die Dampfstraßenbahnlinie zwischen dem Zoologischen Garten und Halensee. Dieser Tag gilt als der Geburtstag des Boulevards.

Ursprünglich als noble Wohnstraße mit großzügigen Wohnungen von über 200 Quadratmetern geplant, wandelte sich der Kurfürstendamm im Laufe der Zeit zu einer Geschäfts- und Vergnügungsmeile.
Besonders in den 1920er Jahren, den „Goldenen Zwanzigern“, war der Ku’damm das Zentrum des Berliner Nachtlebens. Cafés, Restaurants und Tanzlokale prägten das Straßenbild. Der amerikanische Schriftsteller Thomas Wolfe nannte ihn „das größte Caféhaus Europas“.
Zu dieser Zeit wurde der Ku’damm auch ein wichtiger Treffpunkt für Intellektuelle und Künstler.
In den 1930er Jahren zog der Kurfürstendamm den Hass der Nationalsozialisten auf sich.
Wegen der vielen jüdischen Geschäftsleute und Bewohner nannten sie ihn abwertend „Cohnfürstendamm“. Mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus änderte sich das Bild des Boulevards erheblich.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem der Ku’damm stark zerstört wurde, begann der Wiederaufbau. Die Straße entwickelte sich zum Schaufenster des Westens im Kalten Krieg. Sie wurde ein Symbol für das Wirtschaftswunder und der wichtigste Flanier- und Einkaufsboulevard in West-Berlin.
Für viele Ostberliner war der Kurfürstendamm vor dem Mauerfall ein Ort der Sehnsucht, und am 9. November 1989, dem Tag des Mauerfalls, strömten Tausende Menschen hierher, um die Öffnung der Grenze zu feiern.

Am 30. Juni 1979 fand der erste „Christopher Street Day“ in Berlin auf dem Kurfürstendamm statt. Damals waren es gerade einmal 450 Demonstranten, heute kommen zu dieser politischen Parade eine Million Menschen, um für Vielfalt und Akzeptanz zu demonstrieren. Auch die Loveparade begann hier.
Unter dem Motto „Friede, Freude, Eierkuchen“ versammelten sich am 1. Juni 1989 rund 50 Demonstranten vor dem KaDeWe und liefen dann den Kurfürstendamm hinunter. Bis zum Ende gesellten sich noch 100 Menschen dazu.
In den folgenden Jahren nahm die Zahl der Teilnehmenden und Zuschauenden solche Ausmaße an, dass die Loveparade in den Tiergarten ausweichen musste.

Heute hat sich der Ku’damm von einer Ausgehmeile zunehmend zu einer exklusiven Einkaufsstraße gewandelt. Luxusboutiquen, Hotels und internationale Marken prägen das Straßenbild.
Gleichzeitig bleibt er ein Ort von historischer Bedeutung und ein beliebtes Ziel für Touristen aus aller Welt.

Medusenhaupt, 9.8.2007, Foto: KHMM

Medusenhaupt hier noch ohne Zaunanlage: Der Brunnen ist seit ca. 2021 nicht mehr in Betrieb. Zum Schutz gegen Zerstörung und Beschädigung wurde die Zaunanlage errichtet.

Station 7: Henriettenplatz mit Medusa-Brunnen

Der Henriettenplatz trägt den Namen von Luise Henriette von Oranien, einer niederländischen Prinzessin, die den brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, den Großen Kurfürsten, heiratete. Eine kleine Stele auf der anderen Straßenseite – dort setzt sich der Platz fort – erinnert an sie und ihren Gemahl.

Zur 750-Jahr-Feier Berlins 1987 gestaltete man den Henriettenplatz um und stellte zeitgenössische Kunst auf, die heute selbstverständlich zum Straßenbild gehört. Damals löste das Projekt heftige Diskussionen aus, wie wir vorhin schon bei den Cadillacs gehört haben.

Der bronzene Obelisk sticht ins Auge. Er ist mehr als zehn Meter hoch und korrespondiert mit der ebenfalls von dem Künstler Heinz Mack entworfenen Licht-Stele am Europa-Center.
Mack gestaltete auch die Kolonnaden, die Sie hier sehen: einen Säulengang als Bushaltestelle. Das dritte Kunstwerk am Platz bleibt oft unbeachtet. Die Brunnenskulptur ‘Medusenhaupt’ von Anne und Patrick Poirier ist seit Jahren eingezäunt.

Das Medusenhaupt bezieht sich auf die Gestalt der Medusa aus der griechischen Mythologie. Medusa ist eine Figur der griechischen Mythologie. Ursprünglich war Medusa eine Schönheit.
Als Pallas Athene sie jedoch mit Poseidon in einem ihrer Tempel überraschte, verwandelte die erzürnte Athene sie in das gefürchtete Ungeheuer:
Ein geflügeltes Wesen mit Schlangenhaaren, langen Eckzähnen, einem Schuppenpanzer, Flügeln, glühenden Augen und heraushängender Zunge. Ihr Anblick ließ jeden zu Stein erstarren. Medusa war eine Sterbliche und wurde von Perseus enthauptet.

Wir verlassen nun den Ku’damm für einen Moment und biegen rechts ab in die Westfälische Straße.

Westfälische Straße Nr. 37

Station 8: Westfälische Straße Nr. 37

Früher hieß die Straße „Die Kuhtrift“ (von 1876–1888) und dann bis 1905 schon fast so wie heute: Westphälische Straße, nur mit ph statt f. Schon früh gewinnt die Westfälische Straße an Bedeutung. Seit Ende des 19. Jahrhunderts verbindet sie die neuen, wohlhabenden Viertel in Grunewald mit Wilmersdorf und Schöneberg. Als immer mehr Menschen in den Lunapark strömten, erkannten kluge Geschäftsleute eine Gelegenheit:
Der große Andrang der Berlinerinnen und Berliner verlangte nach Dingen des täglichen Bedarfs – Gemüse, Obst, Milch, Brot, Fleisch, Wein und Blumen.

Die Westfälische Straße wurde zur Einkaufsstraße und ist bis heute das Zentrum von Halensee. Hier gibt es eine Vielzahl von inhabergeführten Geschäften. Acht Inhaber:innen haben sich zusammengeschlossen und bilden seit 2010 das Geschäftsstraßennetzwerk „Westfälische Straße e. V.“, die sich dafür einsetzen, dass die Straße auch weiterhin eine lebendige und attraktive Einkaufsmeile bleibt.

Architektonisch hat die Westfälische Straße ebenfalls einiges zu bieten.

Hier stehen einige Baudenkmäler, etwa
das York House an der Westfälischen Straße 1–5 am Fehrbelliner Platz oder das Haus Nummer 37, vor dem wir stehen. Erbaut hat es Fritz Mittag.

Auch Berühmtheiten fühlten sich in dieser Straße schon zuhause. So hat der Schriftsteller Vladimir Nabokov (1899 – 1977) den größten Teil seiner Berliner Zeit im Jahr 1932 im Haus Nummer 29 verbracht, bevor er wieder in die USA ging.

Unsere nächste Station wartet gleich um die Ecke in der Joachim-Friedrich-Straße 48.

Gedenktafel für Meret Oppenheim, 11.10.2014

Station 9: Geburtshaus Meret Oppenheim, Joachim-Friedrich-Straße 48 + Gedenktafel für vertriebene jüdische Bewohner:innen

Die Künstlerin und Lyrikerin Meret Oppenheim wurde am 6. Oktober 1913 in Berlin geboren, wahrscheinlich in der damaligen Frauenklinik Pulsstraße. Sie verbrachte ihre ersten Lebensmonate hier, bevor sie 1914 mit ihren Eltern an die Schweizer Grenze zog.

Oppenheim zählt zu den bedeutendsten Künstlerinnen des Surrealismus.
Ihr bekanntestes Werk, die „Pelztasse“, schuf sie 1936 in Paris. Heute ist dieses surrealistische Kunstobjekt im Museum of Modern Art in New York ausgestellt.

Am 6. Oktober 2014 enthüllte Kulturstaatssekretär Tim Renner an ihrem Geburtshaus in der Joachim-Friedrich-Straße 48 eine Berliner Gedenktafel. Diese erinnert daran, dass hier eine Künstlerin geboren wurde,
die mit ihrer Kunst internationale Anerkennung fand und stets den Mut hatte, Konventionen zu brechen.

Auf der Gedenktafel steht:
„mit ganz enorm wenig viel“ [Das war das Motto der Künstlerin]
Geburtshaus von
MERET OPPENHEIM
6.10.1913 – 15.11.1985
Bildende Künstlerin und Lyrikerin
In Berlin geboren, lebte sie ab 1914 vorwiegend in der Schweiz
Von 1933 bis 1937 beteiligt an den
Ausstellungen der “Surindépendants” in Paris
1974 Kunstpreis der Stadt Basel
1982 Großer Preis der Stadt Berlin (West)
1985 Mitglied der Akademie der Künste Berlin (West)“

In diesem Haus hat nicht nur Meret Oppenheim gewohnt. Sondern auch jüdische Bewohnerinnen und Bewohner, die von den Nationalsozialisten nach 1933 vertrieben wurden. An ihr Schicksal erinnert eine Gedenktafel.

Gehen wir zurück zum Kurfürstendamm und zum Agathe-Lasch-Platz.

Station 10: Agathe-Lasch-Platz

Der Agathe-Lasch-Platz ist eine Grünanlage zwischen Johann-Georg-Straße, Joachim-Friedrich-Straße und dem Kurfürstendamm. Am 1. Oktober 2004 wurde er nach der renommierten Sprachwissenschaftlerin Agathe Lasch benannt.

Das Schild in der Mitte des Platzes trägt die Inschrift:
„Agathe Lasch
Jüdische Wissenschaftlerin, erste
Germanistikprofessorin Deutschlands
geb. 4.7.1879, 1942 deportiert und
bei Riga ermordet“

Lasch war die erste Frau in Deutschland, die einen Lehrstuhl für Germanistik erhielt. Im Deutschen Kaiserreich war eine akademische Karriere für Frauen fast unmöglich.
Nach ihrer Promotion 1909 und ihrer wissenschaftlichen Arbeit in den USA erlangte sie internationale Anerkennung, besonders durch ihre Forschung zur niederdeutschen Sprache. Ihr Werk, die Mittelniederdeutsche Grammatik, gilt bis heute als Standardwerk.

1926 wurde sie die erste Germanistik-Professorin an der Universität Hamburg.
Dort beschäftigte sie sich intensiv mit der Sprachgeschichte des Niederdeutschen und des Berlinischen. Vor allem mit diesem Werk leistete sie Pionierarbeit.
Es ist eine wichtige Grundlage für Forschungen zum Berlinischen in Vergangenheit und Gegenwart.

Wegen ihrer jüdischen Herkunft entließen die Nationalsozialisten sie 1934.
1937 zog sie zu ihrer Familie nach Berlin, erst in die Seesener Straße 29, später in die Caspar-Theyß-Straße 26.
Zunächst konnte sie noch privat weiterarbeiten und publizieren. 1939 wurde ihr auch dies unmöglich gemacht, und die Nationalsozialisten konfiszierten ihre Bibliothek.
Am 15. August 1942 deportierte man sie nach Riga. Von da an verliert sich ihre Spur. Es war der 18. Ost-Transport der Deutschen Reichsbahn. 938 jüdische Bürgerinnen und Bürger wurden mit diesem Transport nach Riga deportiert. Soweit wir wissen, hat niemand von ihnen überlebt.

Der Platz ehrt ihr wissenschaftliches Erbe und erinnert an ihr tragisches Schicksal. Agathe Lasch bekannte sich zeitlebens aktiv zu ihrer deutschen Identität und leistete durch ihre Arbeit einen wichtigen Beitrag zur deutschen Geschichte.
Als die Repressalien der Nationalsozialisten gegen sie schon in vollem Gange waren, sagte sie: „Das Bewusstsein, deutsch zu empfinden, kann mir ja keiner nehmen. “

Begleiten Sie mich zu unserer nächsten Station, dem Kurfürstendamm 140.

Steintafel im Gehweg am Kurfürstendamm 141, 10.5.2008, Foto: KHMM

Station 11: Rudi Dutschke – Kurfürstendamm 140 - Tatort 11.4.1968

Eine schlichte Gedenktafel im Gehweg erinnert hier an das Attentat auf den führenden Studentenaktivisten Rudi Dutschke am 11. April 1968.

Dutschke war eine zentrale Figur der Studentenbewegung der 1960er Jahre.
Sein Einsatz für soziale Gerechtigkeit und seine scharfe Kritik an der etablierten Gesellschaft machten ihn zum Feindbild der konservativen Kräfte.

Der Neonazi Josef Bachmann schoss an diesem Tag dreimal auf Dutschke, als dieser das Büro des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes am Kurfürstendamm 140 verließ. Dutschke wurde schwer verletzt – zwei Schüsse trafen ihn in den Kopf, einer in die Schulter.
Er überlebte, erlitt jedoch dauerhafte Hirnschäden und kämpfte lange um seine Genesung. Am 24. Dezember 1979 starb er schließlich an den Spätfolgen des Attentats.

Das Attentat führte in den Tagen danach zu massiven Protesten, den sogenannten „Osterunruhen“.
Vor allem in Berlin kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, bei denen Demonstranten gegen die Rolle der Springer-Presse protestierten.
Die Bild-Zeitung hatte zuvor mit hetzerischen Berichten Stimmung gegen Dutschke gemacht.

Die hier verlegte Gedenktafel trägt die Aufschrift:

„ATTENTAT auf RUDI DUTSCHKE
11. April 1968
An den Spätfolgen der Schussverletzung starb Dutschke 1979.
Die Studentenbewegung verlor eine ihrer herausragendsten Persönlichkeiten. “

Wir gehen nun den Ku’damm ein paar Meter hinauf und biegen denn rechts in die Nestorstraße ab. Unser Ziel ist die letzte Station für heute, die Hochmeisterkirche.

259. Kiezspaziergang - Hochmeisterkirche

Station 12: Hochmeisterkirche und Hochmeisterplatz

Der Hochmeisterplatz entstand 1876 und hieß zunächst Buchwaldplatz. 1892 erhielt er seinen heutigen Namen, der auf den Hochmeister des Deutschen Ordens, Albrecht von Preußen, verweist.

Die heutige Gestaltung des Platzes stammt von Gartenarchitekt Erwin Barth, der ihn mit einer Liegewiese und einem Spielplatz ausstattete. 1936 entwickelte Richard Thieme den Platz weiter.
In den Jahren 1959/60 fügte Eberhard Fink zusätzliche Sitzplätze hinzu. Ein markanter Punkt in der Geschichte des Platzes ist der Abriss eines alten Postamts aus dem Jahr 1933, das 2017 einem Wohngebäude wich.

Am Hochmeisterplatz erinnern mehrere Gedenksteine an die Novemberpogrome 1938. Ein weiterer Gedenkstein ehrt den Namensgeber des Platzes, Albrecht von Preußen.

Die Hochmeisterkirche, die den Platz dominiert, entstand von 1908 bis 1910 nach Plänen von Otto Schnock als Backsteinbau im neoromanischen Stil. Der Bau wurde nötig, da die Einwohnerzahl im Stadtteil Halensee schnell wuchs und eine dritte evangelische Kirche für Wilmersdorf gebraucht wurde. Die Kirche wurde am 11. September 1910 eingeweiht.

Während des Zweiten Weltkriegs erlitt die Kirche schwere Schäden, besonders bei Bombenangriffen 1943 und 1944.
Von 1953 bis 1958 leitete Architekt Erwin Rettig den Wiederaufbau, wobei das Innere vereinfacht wurde. Der Bischof von Berlin und Brandenburg, Otto Dibelius, weihte sie 1958 erneut ein.

Ein besonderes architektonisches Merkmal der Kirche ist ihr sechseckiger Grundriss. Der 64,8 Meter hohe Kirchturm mit einem achteckigen Zeltdach und die umliegenden Anbauten betonen den markanten Charakter des Gebäudes. Die Kirche bietet etwa 700 Sitzplätze.

Wir sind nun am Ende. Ich freue mich, dass Sie auch dieses Mal so zahlreich dabei waren.