258. Kiezspaziergang: Um den Fennsee zum ehemaligen Reemtsma-Gelände

258.Kiezspaziergang - Herz

Herzlich willkommen zum 258. Kiezspaziergang. Mein Name ist Arne Herz und ich bin als Bezirksstadtrat zuständig für das Ressort Bürgerdienste und Soziales.

Lassen Sie uns den heutigen Spaziergang beginnen.

258.Kiezspaziergang - Friedrich-Ebert-Gymnasium und Peter-A.-Silbermann-Abendgymnasium

Station 1: Friedrich-Ebert-Gymnasium

Das Friedrich-Ebert-Gymnasium wurde 1906 eröffnet, in dieses Gebäude zog die Schule aber erst sechs Jahre später. Das Gebäude entstand zwischen 1910 und 1912 nach Entwürfen der Architekten Otto Herrnring und Philipp Nitze. Es steht heute unter Denkmalschutz.
In ihren ersten Jahren hatte die Schule viele verschiedene Namen – etwa “Oberrealschule am Seepark” oder „Oberrealschule am Hindenburgpark“, genannt „Hindenburgschule“. Sie wurde 1945 mit den benachbarten Schulen, der Fichte- und der Treitschkeschule, zusammengelegt und erhielt nach Kriegsende provisorisch die Bezeichnung „4. Schule Wilmersdorf-Süd“.

Das Schulgebäude wurde während des Kriegs stark beschädigt. Die Schülerinnen und Schüler mussten in die Gasteiner Straße umziehen. Erst 1949 konnten sie wieder in ihren Altbau zurückkehren. In dem Jahr erhielt die Schule auch offiziell ihren heutigen Namen.

Friedrich Ebert lebte von 1871 bis 1925 und war der erste Reichspräsident der Weimarer Republik. Er verstand sich als Vermittler zwischen der gemäßigten Arbeiterbewegung und dem Bürgertum. Als führendes Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) spielte er eine zentrale Rolle in der deutschen Politik nach dem Ersten Weltkrieg. Ebert setzte sich für die Stabilisierung der jungen Republik und die Demokratisierung des Landes ein, stand jedoch auch vor großen Herausforderungen wie politischer Extremismus und wirtschaftliche Krisen. Sein pragmatischer Ansatz und sein Einsatz für die Demokratie prägen bis heute sein politisches Vermächtnis. Trotz seiner Bemühungen wurde er von den sozialistischen Kräften der Republik kritisch gesehen.

Auf dem Hof der Schule steht die alte Schulmeister-Villa, die als Cafeteria und kleine Mensa dient. Ergänzt wird das Ensemble durch einen schuleigenen Sportplatz. Ein Neubau mit gelben Klinker entstand nach Entwürfen der Architektin Frau Krusenbaum und wurde 2005 eingeweiht. In dem Neubau hat die Schule moderne Fachräume für Chemie, Physik, Informatik und Musik sowie drei Computerräume untergebracht.

Im Gymnasium lernen 800 Schülerinnen und Schüler, die aktiv das Schulleben mitgestalten. Seit dem Jahr 2000 gibt es Theateraufführungen in englischer Sprache, wobei vor allem Stücke von Shakespeare auf die Bühne gebracht werden. Die Theatergruppe “Shakespeare Players” gastierte bereits auf professionellen Bühnen. Der Fachbereich Musik veranstaltet seit 2010 jährlich das Frühlingskonzert “Musik im Mai”, und seit 2006 gibt es eine Literatur-AG. Schüleraustauschprogramme bestehen seit 1988 mit Schulen in Frankreich, Kanada, Schweden, Großbritannien und der Ukraine. Oberstufenschüler unterstützen Mittelstufenschüler, deren Versetzung gefährdet ist, bei den Hausaufgaben.

Im Altbau des Friedrich-Ebert-Gymnasiums befindet sich auch die Peter-A.-Silbermann-Schule. Sie ist das älteste Abendgymnasium Deutschlands und wurde im Jahr 1927 gegründet. Die Peter-A.-Silbermann-Schule bietet kostenlosen Abendunterricht für Erwachsene an und führt zur Abiturprüfung.
Benannt ist sie nach dem Wissenschaftler, Organisator, Lehrer und Verwaltungsfachmann Peter Adalbert Silbermann, der 1878 in Görlitz geboren wurde. Ein Besuch in den USA inspirierte ihn, in Berlin ein Abendgymnasium für Berufstätige zu gründen. Silbermann leitete das Abendgymnasium, bis ihn die Nationalsozialisten 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft entließen und er Deutschland verlassen musste. Nach einigen Jahren als Lektor in Italien emigrierte er 1938 in die USA, wo er unter ärmlichen Bedingungen lebte und 1944 starb.

Neben dem Eingang befindet sich eine Edelstahltafel. Sie erinnert an Dr. Mildred Harnack-Fish, die von 1932 bis 1936 als Englischlehrerin an der Peter-A.-Silbermann-Schule tätig war.
Sie war Teil des Widerstandskreises um ihren Mann Arvid Harnack und wurde im Herbst 1942 verhaftet und später hingerichtet. Ihre letzten Worte waren: “Und ich habe Deutschland so geliebt.” Die Gedenktafel wurde am 6. Juli 2009 enthüllt.

Das Friedrich-Ebert-Gymnasium bleibt eine Institution, die Tradition und Moderne verbindet und eine wichtige Rolle in der Bildung und Kultur der Stadt spielt.

Gehen wir jetzt in die Parkanlage und zum Fennsee ….

Fennsee

Station 2: Der Fennsee: Neue Anlage zur Verbesserung der Wasserqualität und Klärung der Frage: Warum ist der Fennsee grün?

Der Fennsee erstreckt sich 650 Meter lang zwischen Uhlandstraße und Stadtring und ist ein zentraler Bestandteil des Volksparks Wilmersdorf. Er erinnert daran, dass der Volkspark Teil einer Eiszeitrinne ist, die sich von Nikolassee durch die Grunewaldseenkette über das Wilmersdorfer Sportgelände bis zum Rathaus Schöneberg erstreckt.

Die Planung und Weiterentwicklung der Gartenanlage, zu der der Fennsee gehört, hat maßgeblich der Gemeinde-Obergärtner Richard Thieme (1876-1948) beeinflusst. Seit 1899 war er für das Projekt verantwortlich.
Die Parkanlage mit dem See ist von großer Bedeutung für die innerstädtische Naherholung, die Artenvielfalt im Bezirk und die Stadtentwässerung. Seit 1995 steht der Volkspark um den Fennsee unter Denkmalschutz. Der Fennsee ist damit ein eindrucksvolles Beispiel für die Integration von Naturnähe und urbaner Funktionalität in einer Großstadt. Aber er zeigt auch die Schwierigkeiten, die dadurch entstehen.

Denn der Fennsee ist kein natürliches Gewässer. Ursprünglich gab es an dieser Stelle ein Fenn, also einen Sumpf. Im Jahr 1903 hob man den See zwischen Blisse- und Rudolstädter Straße aus.

Die eiszeitliche Rinne konnte nicht bebaut werden, deshalb wollte man die Fläche nutzen, um dort 68.000 Kubikmeter Regenwasser aus dem Neubaugebiet aufzufangen. Das entspricht ungefähr dem Volumen von 170 Einfamilienhäusern. Der Fennsee entwässert heute 215 Hektar Stadtgebiet und Teile der Stadtautobahn.

Das ist allerdings eine große Herausforderung für die Gewässerqualität. Die beiden 1920 installierten unterirdischen Grobfilter reichten irgendwann nicht mehr aus. Deshalb reinigt seit 2012 eine europaweit einzigartige Filteranlage den Fennsee. Diese Anlage ist etwa so groß wie ein Fußballfeld und liegt in acht Metern Tiefe unter der Wallenbergstraße auf der anderen Seeseite.

Doch der Fennsee hat noch ein Problem und dabei kann die riesige Filteranlage nur bedingt helfen. Denn manchmal stinkt der See. Im Sommer passiert das meist nach starken Regenfällen. Schuld daran sind Faulgase.

Wenn Laub und andere organische Stoffe in den See gelangen, werden sie von Mikroorganismen zersetzt. Dabei verbrauchen die Mikroorganismen viel Sauerstoff. So entstehen Bereiche ohne Sauerstoff im See, in denen sich Faulgase bilden können. Und das kann man dann rund um den See riechen. Ein weiteres Problem, das zu wenig Sauerstoff im Wasser mit sich bringt: Es kann dazu führen, dass Fische sterben – das ist in den vergangenen Jahren schon vorgekommen.

Deshalb hat das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf im östlichen Teil des Fennsees eine innovative Anlage aufgebaut, um die Wasserqualität zu verbessern und Gestank durch Faulgase zu verhindern. In einem kleinen Container befinden sich die Steuerungstechnik und eine Dosierstation. Mithilfe dieser Anlage werden die Vorgänge im See überwacht. In erster Linie wird der Sauerstoffgehalt im Wasser beobachtet.

Denn wenn Sauerstoff im Wasser fehlt, benötigen die Mikroorganismen eine Alternative, um das Laub und die organischen Stoffe zu zersetzen. Sie nehmen dann Sulfat an Stelle von molekularem Sauerstoff als Elektronen-Akzeptoren.
Sulfat wird zu Schwefelwasserstoff reduziert und genau dabei entstehen die stinkenden Faulgase. Um das zu verhindern, wird unter bestimmten Bedingungen Calciumnitrat in den See gegeben. Das hilft dabei, dass beim Abbau von organischen Stoffen nicht das Sulfat, sondern das Nitrat verbraucht wird. So entstehen keine Faulgase. Diese Methode ist nicht für jeden See geeignet, aber beim Fennsee können wir sie einsetzen und haben auch schon erste Erfolge erzielt: Trotz vieler Starkregenereignisse gab es in diesem Sommer bisher keine Geruchsprobleme.

Wenn wir so auf das Wasser blicken, fällt vielen sicherlich auf, dass der Fennsee an der Oberfläche ganz grün ist.
Was wir sehen, sind sogenannte Wasserlinsen, vielen sind sie vielleicht unter dem Begriff „Entengrütze“ bekannt. Wasserlinsen sind kleine, schwimmende Pflanzen, die auf der Wasseroberfläche von Teichen, Seen und anderen Gewässern wachsen. Sie sind meist nur wenige Millimeter groß, bilden aber oft dichte Teppiche auf der Wasseroberfläche, da sie sich sehr schnell vermehren können.

Wasserlinsen sind sowohl nützlich – denn sie reinigen das Wasser – als auch potenziell problematisch. Wenn sie in großen Mengen auf einem See zu finden sind, kommt kein Licht mehr unter die Wasseroberfläche. Auf dieses Licht ist aber das Plankton angewiesen, um Photosynthese zu betreiben. Ohne Licht keine Photosynthese und dann kein Sauerstoff. Das ist schlecht für die Gewässer.

Im See befinden sich daher einige sogenannte Turbo-Lüfter. Damit schaffen wir es, Teile des Sees von den Wasserlinsen freizuhalten.

Wir gehen jetzt ein Stück am Fennsee entlang bis zur Barbrücke.

Barbrücke

Station 3: Barbrücke

Anfang des 20. Jahrhunderts wuchs Wilmersdorf zur Großstadt, indem es Neubaugebiete für wohlhabende Berliner errichtete und eine schnelle U-Bahn-Verbindung nach Berlin schuf. Die Gemeinde schloss einen Vertrag mit der Hochbahngesellschaft, um die Anbindung an Berlin für das neue “Rheinische Viertel” um den Rüdesheimer Platz zu verbessern. Um das Fenn zu überqueren, baute sie deshalb 1911/12 die Barbrücke. Die Brücke wird noch immer für die U-Bahn genutzt. Heute fährt die U3 hier lang und verbindet so den Heidelberger mit dem Fehrbelliner Platz.

Wilmersdorf wünschte sich damals eine prunkvolle Brücke, denn die Gemeinde konkurrierte mit Schöneberg um Zuzügler aus Berlin. Der Bau sollte mindestens so prachtvoll werden wie Brücke am Rathaus Schöneberg, die 1910 errichtet wurde. Der Architekt Wilhelm Leitgebel entwarf eine kombinierte Straßen-U-Bahn-Brücke im neoromanischen Stil. Als Material verwendete man rheinische Basalt-Lava und schlesischen Granit.
Die Brücke hatte Wandelhallen, Kolonnaden und Torbauten. 1912 war sie fertig und hieß in den ersten Jahren Seeparkbrücke.

Die Brücke war wirklich prachtvoll, doch leider war sie auch schwer. Die Steine aus Basalt-Lava und Granit wogen zu viel für die rund 1200 Pfähle, auf denen die Brücke stand – zumal diese nicht lang genug waren, um bis zum festen Boden unter das Fenn zu reichen. Deshalb musste die Brücke saniert werden. Der Architekt Friedrich Tamms setzte 1934/35 einen neuen, leichteren Überbau aus Stahlbeton auf den ursprünglichen Unterbau. Dabei entfernte er die Wandelgänge und verlegten Rohre auf den freien Flächen zwischen den Gleisen.

Nach ihrer zweiten Fertigstellung 1935 erhielt die Brücke auch einen neuen Namen: Barbrücke – benannt nach der Barstraße, die hier verläuft. Die Barstraße erinnert an den französischen Ort Bar-sur-Aube, wo Napoleon am 27. Februar 1814 im Verlauf der Befreiungskriege eine Schlacht verlor. Wie Sie sehen, ist die Brücke zurzeit für Autos, LKW und Motorräder gesperrt. Hier werden die Abdichtung im Geh- und Fahrbahnbereich erneuert. Die Arbeiten werden bis voraussichtlich 31. Oktober 2024 andauern.

Wir setzen unseren Weg um den See fort: Wir laufen vor bis zum Spielplatz, gehen dann auf die andere Seite des Sees und treffen uns am Baumlehrpfad.

258.Kiezspaziergang - Baumpfad

Station 4: Baumlehrpfad mit Baum des Jahres

Hier beginnt der Baumlehrpfad, der seit 2014 jedes Jahr vom Bezirk um den „Baum des Jahres“ erweitert wird. Zuletzt haben wir hier die „Moorbirke“, den Baum des Jahres 2023 gepflanzt.

Jeder Baum erhält eine Infotafel mit weiterführenden Hinweisen zum Verbreitungsgebiet und den besonderen Merkmalen. Die Moorbirke ist zum Beispiel in weiten Teilen Europas zuhause und war nach der Eiszeit einer der wichtigsten Pionierbäume.

Der Baum des Jahres 2024, die Mehlbeere, befindet sich allerdings nicht hier auf diesem Lehrpfad. Der Platz ist ausgeschöpft, deshalb werden die „Bäume des Jahres“ im Volkspark Wilmersdorf weitergeführt.

Wir gehen nun auch an den anderen Bäumen vorbei – Sie können dort zum Beispiel Feldahorn, Flatter-Ulme und Traubeneiche entdecken – und treffen uns an der Wallenbergstraße 13 vor der Deutschen Rentenversicherung wieder.

258.Kiezspaziergang - Deutsche Rentenversciherung Wallenbergstraße

Station 5: Deutsche Rentenversicherung an der Wallenbergstraße 13

Das Haus an der Wallenbergstraße 13 wurde 1938-39 von Jürgen Bachmann entworfen und ist heute ein Baudenkmal. Rechts und links der Eingangstür befinden sich Skulpturen, die eine ideale Familie symbolisieren.

Im Zweiten Weltkrieg befand sich hinter diesen Mauern allerdings eine der größten Zwangsarbeiterunterkünfte in Wilmersdorf. Zeitzeugenberichte und historische Dokumente belegen, dass die dort untergebrachten Arbeiter täglich zum Flughafen Tempelhof fuhren, um dort an der Flugzeugproduktion mitzuwirken.

Ursprünglich sollte der Bau als Verwaltungsgebäude für die „Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten“ – kurz Gagfah – dienen. Die Gagfah hatte ihre Gebäude und Grundstücke in der Tiergartenstraße räumen müssen, weil dort ein Neubau der Japanischen Botschaft entstehen sollte.

Architekt Jürgen Bachmann plante einen 4-geschossigen Bau in H-Form –> das werden wir im Anschluss noch besser erkennen, wenn wir einmal um das Gebäude herumlaufen. Die Rohbauabnahme erfolgte 1939, der weitere Ausbau verzögerte sich wegen des Kriegsausbruchs. Zwei Jahre später, kam dann alles ganz anders: Der Generalinspektor für die Reichshauptstadt untersagte die Nutzung als Bürogebäude.
Das Haus sollte in die Liste kriegswichtige Bauten aufgenommen werden und „ausländische Zivilarbeiter“ beherbergen, die bei der Weser Flugzeugbau GmbH arbeiteten.

Die Weser Flugzeugbau GmbH verlagerte wegen des Krieges Teile ihrer Produktion nach Berlin-Tempelhof, wodurch der Bedarf an Arbeitskräften stieg. Ein Großteil dieser Arbeiter waren ausländische Zivil- und Zwangsarbeiter.

An der Hindenburgstraße waren bis zu 1.800 Menschen untergebracht. Ursprünglich sollte die Unterbringung nach Nationalitäten getrennt erfolgen.
Aber das erschwerte es, geeignete Unterkünfte für die Arbeiter zu finden. Deshalb lebten hier neben französischen und dänischen Zivilarbeitern auch polnische, russische und tschechische Zwangsarbeiter. Es gab zusätzliche Baracken auf dem Gelände und sogar Produktionsstätten im Gebäude selbst. Das Haus wurde bis 1945 genutzt.

Heute ist in diesem Gebäude eine Filiale der Deutschen Rentenversicherung Bund untergebracht, die rund um den Fehrbelliner Platz und den Hohenzollerndamm weitere große Verwaltungsgebäude besitzt.

Wie bereits erwähnt, hieß diese Straße ursprünglich Hindenburgstraße. Sie erhielt im Jahr 1967 den Namen „Wallenbergstraße“. Namensgeber ist der schwedische Bankier und Diplomaten Raoul Wallenberg. Wallenberg, 1912 in Stockholm geboren, rettete als Diplomat in Budapest von 1944 bis 1945 mehr als 120.000 ungarischen Juden das Leben.
Er stellte ihnen schwedische Schutzpässe aus und bewahrte sie vor der Deportation in ein Vernichtungslager. Von einigen wird er deshalb der „Schwedische Oskar Schindler“ genannt.

Er überlebte mehrere Mordanschläge der Nazis, wurde dann aber nach der Eroberung Ungarns durch die Sowjetunion am 17. Januar 1945 von sowjetischen Truppen verhaftet und nach Moskau gebracht. Der Vorwurf: Verdacht auf Spionage.

Seitdem ist er verschollen. In der KGB-Zentrale in Moskau existiert eine zweifelhafte Sterbeurkunde, die als Todesdatum den 17. Juli 1947 und als Todesursache Herzversagen angibt. Sein Heimatland Schweden erklärte Wallenberg erst 71 Jahre nach seinem Verschwinden offiziell für tot. Die Behörden setzten den 31. Juli 1952 als Todestag fest.

Eine rein juristische Formalität, denn in Schweden darf frühestens 5 Jahre nach dem Verschwinden einer Person ein Todesdatum festgelegt werden.

Der US-Kongress ernannte Wallenberg 1981 zum Ehrenbürger der USA. Diese Auszeichnung für besondere Verdienste geht an Personen, die keine US-Bürger sind.
Wallenberg war nach Winston Churchill erst der zweite Ehrenbürger. Insgesamt haben die USA diese Ehrung bis heute acht Mal verliehen.

Wir gehen jetzt ein längeres Stück ohne Stopp. Unsere nächste Station ist der Heidelberger Platz.

258.Kiezspaziergang - Heidelberger Platz

Station 6: Heidelberger Platz

Der Heidelberger Platz wurde 1892 angelegt und gehört zum Ortsteil Wilmersdorf. Er wurde als Schmuckplatz konzipiert und bildet den nördlichen Abschluss des Rheingauviertels. An der Nordostseite befindet sich der gleichnamige S- & U-Bahnhof.

Der U-Bahnhof wurde 1913 erbaut und liegt doppelt so tief wie andere Bahnhöfe, da die Tunnelstrecke hier den Einschnitt der Ringbahn unterqueren muss.

Unbestritten ist der Heidelberger Platz einer der schönsten U-Bahnhöfe Berlins. Mit seinen hohen Decken, dem Kreuzrippengewölbe, das von Granitmittelstützen getragen wird und den Pendelleuchten, die mit dicken Ketten an der Decke befestigt sind, wirkt der Bahnhof wie eine Kathedrale. Das hatte der Architekt Wilhelm Leitgebel auch genauso gewollt. Die restliche Ausstattung ist dann aber wenig sakral und erinnert an einen Weinkeller. Auch das mit Absicht: Hier beginnt das Rheingau-Viertel, in dem fast alle Straßen nach rheinhessischen Städten und Gemeinden benannt sind.
Die Deutsche Post fand die U-Bahnstation „Heidelberger Platz“ so bemerkenswert, dass sie ihr vor zwei Jahren eine Briefmarke gewidmet hat.
Die Briefmarke zeigt den südlichen Eingang des U-Bahnhofs. Die Marke kostet 2,75 Euro und kann einen Maxi-Brief frankieren.

Aber zurück zum “rheinischen Viertel”. Georg Haberland hat das Viertel um 1910 als “Gartenstadt Wilmersdorf” geplant und begonnen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es in den 1920er Jahren weitergeführt. Haberland, ein bedeutender Baulöwe und Direktor der Terrain-Gesellschaft Berlin-Südwest, sowie Mitglied der Wilmersdorfer Gemeindeverwaltung und Berliner Stadtverordneter, schuf hier eine vorbildliche Frühform der aufgelockerten Bauweise im Grünen.

Innerhalb des S-Bahn-Rings galt seit 1866 der sogenannte Hobrecht-Plan, der zur dicht bebauten Berliner Innenstadt führte.
Diese Bebauung wurde um 1900 aufgrund der gesundheitsgefährdenden Verhältnisse stark kritisiert.

Alternativen außerhalb des S-Bahn-Rings gab es zunächst nur für die Reichen in Form von Landhaus- und Villensiedlungen. Georg Haberland ließ direkt am S-Bahn-Ring erstmals eine Groß-Siedlung entstehen, deren Mietwohnungen auch für die Mittelschicht erschwinglich waren. Diese “Gartenstadt Wilmersdorf” wurde zum Vorbild für viele ähnliche Siedlungen der 1920er Jahre. Hier sollte Wohnraum für gutverdienende Berliner geschaffen werden, trotz anfänglicher Streitigkeiten mit der Stadt Charlottenburg, die eine Abwanderung gut zahlender Steuerbürger befürchtete.

Eine wichtige Voraussetzung dafür waren öffentliche Verkehrsmittel. Haberland setzte sich lange für den Bau der U-Bahn ein, die
schließlich als Luxus-U-Bahn von seiner Terrain-Gesellschaft zur Erschließung des Rheingau-Viertels gebaut wurde.

Der S-Bahnhof Heidelberger Platz wurde schon 1883, also 30 Jahre vor der U-Bahn, als Ringbahnstation Schmargendorf eröffnet. Damals fuhren hier noch Dampfzüge entlang. Der Bahnhof Schmargendorf wurde 1890 und 1892 ausgebaut. Julius Holverding errichte das rot verklinkerte Empfangsgebäude im neoromanischen Stil. Es ist bis heute erhalten.

Während des Zweiten Weltkriegs blieb der Bahnhof unbeschädigt. Doch nach dem Mauerbau in West-Berlin boykottierten die Menschen die S-Bahn.

Der damals Regierende Bürgermeister Willy Brandt und der DGB hatte dazu aufgerufen. Sie protestierten damit gegen die Berliner Mauer und wollten verhindern, dass die DDR durch S-Bahn-Fahrgelder Devisen erhielt. Der Boykott führte zu einem dramatischen Rückgang der Fahrgastzahlen. Im September 1980 kam es zu einem Streik. Danach stellte man den S-Bahn-Verkehr auf dem westlichen Teil der Ringbahn ein.

Da hier keine Bahnen mehr fuhren, verwahrlosten die Anlagen, obwohl man das Empfangsgebäude in den 1980er Jahren sanierte und später als Diskothek nutzte.

Im Zuge der Wiederinbetriebnahme der Ringbahn nach der Wende sanierte man den Bahnhof umfassend und verschob ihn nach Süden, um den Zugang zur U-Bahn zu verbessern. Am 17. Dezember 1993 eröffnete er unter dem neuen Namen Heidelberger Platz wieder.

Wir gehen jetzt nur wenige Schritte weiter zum Heidelberger Platz 3. Dort befindet sich der Sitz des Springer Verlags.

258.Kiezspaziergang - Springer Verlag am Hiedelberger Platz

Station 7: Springer Verlag – Heidelberger Platz 3

Der Wissenschaftliche Springer Verlag ist nicht zu verwechseln mit der bekannten Verlagsgruppe Axel Springer. Hier werden keine Boulevard-Medien verlegt, sondern Bücher aus den Bereichen Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften.
Mit 70 Verlagen und Niederlassungen in 18 Ländern Europas, Asiens und den USA ist “Springer Science and Business Media” eine der weltweit führenden Verlagsgruppen für Wissenschafts- und Fachliteratur. Der Verlag hat rund 300.000 Bücher und 2.900 Zeitschriften in seinem Programm, jährlich gibt es mehr als 2.000 Neuerscheinungen.

Der Verlag wurde von Julius Springer gegründet. An seinem 25. Geburtstag eröffnete er in der Breiten Straße 20 eine Buchhandlung. Schon als Buchhändler veröffentlichte er auch erste Bücher. Ab 1858 widmete er sich dann voll und ganz dem Verlagsgeschäft und verkaufte seine Buchhandlung.
Er spezialisierte sich auf staatstheoretische und philosophische Schriften sowie Beiträge zur Land- und Forstwirtschaft, Pharmazie, Technik und Jugendliteratur. Zu seinen frühen Veröffentlichungen gehörten die Lederstrumpf-Erzählungen und “Onkel Toms Hütte”, was ihn zu einem der führenden Buchhändler und Verleger des 19. Jahrhunderts machte. Ab 1881 erweiterten seine Söhne Ferdinand und Fritz das Verlagsprogramm um technische Themen und führende Publikationen in den Bereichen Medizin, Biologie, Physik und Chemie. 1917 veröffentlichte der Verlag Albert Einsteins Werk “Über die spezielle und allgemeine Relativitätstheorie”.

Während des Nationalsozialismus wurden die jüdischen Inhaber gezwungen, die Firma zu verlassen.
Tönjes Lange übernahm die Leitung und sicherte das Überleben des Verlags. Nach dem Krieg übergab er die Firma wieder an die Familie Springer, blieb aber bis zu seinem Lebensende Mitbesitzer. Nach der Zerstörung der Geschäftshäuser im Krieg begannen die Enkel den Wiederaufbau am Heidelberger Platz. 1964 eröffnete Springer eine Niederlassung in New York.

1999 übernahm Bertelsmann 86,5 Prozent der Verlagsaktien, verkaufte diese jedoch 2003 an britische Finanzinvestoren. Die Zentrale am Heidelberger Platz beherbergt unter anderem das Management des Verlags.

Jetzt gehen wir weiter zur letzten Station unseres heutigen Kiezspaziergangs. Wir besuchen die Baustelle des zukünftigen Gewerbehöfequartiers „GoWest“, das auf dem ehemaligen Reemtsma-Gelände entsteht. Dort begrüßt uns Geschäftsführer Stephan Allner und informiert uns über Stand und Entwicklung des Projekts.

258.Kiezspaziergang - Stephan Allner Go West - Wohnkompanie

Station 8: Wohnkompanie - Gewerbehöfequartiers „GoWest“ (ehem. Reemtsma-Gelände)

Stephan Allner, Geschäftsführer der Wohnkompanie, berichtet über die Gewerbehöfe “Go-West” in Schmargendorf. Auf dem ehemaligen Reemtsma-Gelände entsteht ein Mix aus Büros und Gewerbeflächen.

Die Transformation der alten Tabakfabrik in Berlin-Schmargendorf in ein modernes Quartier läuft längst auf Hoch­touren. Das Ergebnis wird vielfältige Angebote an gut geschnittenen Gewerbe­flächen und attraktiver Infra­struktur bieten. Gemeinsam mit der GUSTAV ZECH STIFTUNG realisiert DIE WOHNKOMPANIE Berlin hier in den nächsten Jahren rund 200.000 m² Nutzfläche für die Berliner Wirtschaft.
Das sehr gut erschlossene Grundstück liegt verkehrsgünstig an der Stadt­auto­bahn und ist um­geben von einer urbanen Struktur: Wohn- und Verwaltungs­gebäude, Handel, Gewerbe und Lauben­pieper prägen das Umfeld – typisch für Berlin-Schmargendorf.

Von hier ist man in nur wenigen Minuten am Kurfürstendamm oder im Grunewald. Jetzt kommt mit GoWest eine Stadt­teil­attraktion dazu.

Der Mix aus Büros und Gewerbeflächen für Dienstleister und Handwerk spricht ein breites Nutzerspektrum an. Geplant sind flexible Büro- und Ladenflächen, Co-Working-Space, Ateliers und Studios sowie moderne Werk- und Pro­duktions­stätten für Manu­fakturen und klassisches Hand­werk. Auch an Ein­kaufs­möglich­keiten, Cafés und Restaurants wird gedacht.

Stephan Allner und sein Team begrüßte die Kiezspaziergängerinnen und Kiezspazeirgänger mit Kaffee, Kuchen und Kaltgetränken.

  • 258.Kiezspaziergang - Gruppe
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  • 258.Kiezspaziergang - Bei Go West
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