Wir stehen hier heute auf dem Theodor-Heuss-Platz. Schön ist der Theo, wie der Platz von den Anwohnern genannt wird, wirklich nicht. Vom Verkehr umtost, laut. Kein Ort, um lange zu verweilen. Oder doch? Der Blick über den Kaiserdamm hinunter ist beeindruckend. Immerhin liegt der Theo auf einer kleinen Anhöhe, rund 25 Meter über dem Meeresspiegel. Bei gutem Wetter ist in weiter Ferne das Rote Rathaus, der Sitz des Berliner Senats zu erkennen.
Der Platz wurde 1908 als Schmuckplatz angelegt und erhielt den Namen Reichskanzlerplatz. Anfangs war er noch unbebaut. Lediglich zwei U-Bahneingänge befanden sich dort. 1933 wurde der Platz umbenannt und hieß bis 1945 Adolf-Hitler-Platz. Die Nationalsozialisten planten umfangreiche Umbauten. Monumentale Kolonnaden sollten den Platz „einrahmen“ und ein überdimensioniertes Denkmal genau in der Mitte gebaut werden. Die Pläne wurden allerdings nie realisiert. Nach dem 2. Weltkrieg bekam der Platz seinen alten Namen zurück, den er bis zum Dezember 1963 behielt. Kurz nach dem Tod des ersten Bundespräsidenten wurde er in Theodor-Heuss-Platz umbenannt.
1985 wurde der Platz vom Gartenbauamt Charlottenburg nach einem Entwurf von Thomas Cordes umgestaltet. 1989 wurden die zwei Kopfskulpturen von Rainer Kriester aufgestellt. 1995 wurde die Brunnenskulptur ‘Blauer Obelisk’ der Berliner Künstlerin Hella Santarossa installiert. Der Brunnen ist 15 Meter hoch und besteht aus übereinander gestapelten Kuben aus mundgeblasenem blauem Antikglas. Das Brunnenwasser sollte eigentlich mit einer Pumpe von oben über die Skulptur geleitet werden. Wegen der Gefahr einer raschen Verkalkung stand jahrelang nur “stilles” Wasser im Brunnenbecken. Wie Sie vielleicht der Presse entnehmen konnten hatten Sprayer jüngst den Brunnensockel beschmiert. Unser Fachbereich Facility Management hat die Skulptur vor einigen Tagen wieder gereinigt. Wir hoffen, dass das lange so bleibt.
Theodor Heuss war es übrigens auch, der im September 1955 die „ewige Flamme“ entzündete. „Freiheit – Recht – Frieden“ werden auf dem Sockel angemahnt. Ein Appell so aktuell wie vor fast siebzig Jahren. Das Mahnmal war eine Initiative der deutschen Vertriebenenverbände und die Flamme sollte nur bis zur Wiedervereinigung Deutschlands brennen und dann erlöschen.
Vor einigen Jahren kam es hier zu einem kleinen Zwischenfall, der die Polizei auf den Plan rief. Ein wohnungsloser Mann hatte sich an der ewigen Flamme sein Mittagessen warm gemacht. Er durfte „zu Ende kochen“.
Infolge der Gasknappheit wegen des Ukrainekriegs hat die GASAG die Flamme am 30. September 2022 gelöscht. Die Kritik daran war jedoch so groß, dass die Flamme nach 12 Tagen wieder angestellt wurde. Dabei verfeuert die symbolische Opferschale laut Gasag pro Jahr rund 210.000 kWh – das entspricht dem Verbrauch von rund 15 Einfamilienhäusern oder fast 40 Ein-Personen-Haushalten.
Da es hier etwas ruhiger ist, erzähle ich Ihnen gleich jetzt noch etwas über die Reichsstraße, die wir heute wegen der Verkehrssituation aber meiden werden:
Reichsstraße und Ahornallee
Sieben Querstraßen hat der Theodor-Heuss-Platz. Eine davon ist die Reichsstraße, der Boulevard von Westend, die zentrale Einkaufsmeile. 1906 erhielt sie, zum Gedenken an die Reichsgründung 1871, ihren Namen. Davor hatte die Straße nur eine Nummer: 7a.
Gut zwei Kilometer ist die Reichsstraße lang. Sie beginnt am Theodor-Heuss-Platz und mündet hinter dem Brixplatz in den Spandauer Damm.
Shopping in Westend ist bodenständiger als am Kurfürstendamm und viel unaufgeregter als in der wuseligen Charlottenburger Fußgängerzone Wilmersdorfer Straße.
Viele Läden auf der Reichsstraße sind alteingesessene Traditionsgeschäfte, die bereits seit einem halben Jahrhundert oder länger am Ort sind und die sich bislang noch gegen steigende Mieten und Gentrifizierung wehren konnten. Dass das so ist, ist der Verdienst der Interessengemeinschaft Reichstraße, in der sich viele der Geschäftsleute organisiert haben, mit dem Ziel, das besondere Flair der Straße zu erhalten. Denn nicht umsonst ist hier, so das Motto der Händler, im „Alltäglichen das Besondere“ zu finden.
Wir gehen aber nun statt in die Reichsstraße in die Ahornallee bis zur Hausnummer 30, wo ich Ihnen etwas über die Villenkolonie Westend erzählen möchte.