256. Kiezspaziergang: Zum Langen Tag der Stadtnatur durch Charlottenburg

256. Kiezspaziergang - Kirstin Bauch Sophie-Charlotte-Platz

Herzlich willkommen zum 256. Kiezspaziergang. Mein Name ist Kirstin Bauch und ich bin die Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf.

An diesem Wochenende gibt es wieder landesweit Aktionen zum “Langen Tag der Stadtnatur”, dem schließen wir uns heute mit diesem Spaziergang an. Die Städte wachsen immer weiter. Bis 2030 werden etwa 60 Prozent der Weltbevölkerung in Städten wohnen. Diese nicht als Betonwüste, sondern als Lebensraum für Mensch und Natur anzuerkennen, ist Grundgedanke der Stadtökologie. Wir wollen heute ein bisschen informieren, was es in der Stadt an Besonderheiten in Sachen Flora und Fauna gibt, wie sich Naturräume entwickeln und was wir alle tun können, um achtsamer mit unserer Umwelt umzugehen.

Sophie-Charlotte-Platz

Station 1: Grünanlage Sophie-Charlotten-Platz:

Trittsteinbiotope

Wir starten hier in der kleinen Grünanlage am Sophie-Charlotte-Platz, das als sogenanntes Trittsteinbiotop gilt.
Als Trittsteinbiotop bezeichnet man mehr oder weniger regelmäßig verteilte grüne Inseln, deren Standortbedingungen zahlreichen Tier- und mit ihnen verbreiteten Pflanzenarten einen zeitweisen Aufenthalt ermöglichen. Sie erleichtern damit deren Ausbreitung über größere Strecken. Im Naturschutz werden Trittsteinbiotope geschaffen, um die in der Kulturlandschaft verlorengegangenen Verbindungsstrukturen zwischen den eigentlichen Kern-Lebensräumen zu ersetzen. Als Trittsteinbiotope können Einzelbäume, Strauchgruppen, Magerwiesen-Restflächen, kleine Weiher aber auch kleine Grünflächen wie eben der Sophie-Charlotte-Platz dienen. Dabei können viele kleine Biotopinseln sogar einen höheren Artenreichtum auf der gleichen Fläche aufweisen als ein großes Biotop. So kommen im Stadtgebiet oft mehr Vogelarten vor, die dort brüten, als auf unbebauten Flächen auf dem Land.

Wir gehen jetzt die Schlosstraße entlang und biegen an der Zillestraße rechts in die ehemalige Hebbelstraße ein

256. Kiezspaziergang - Nasses Dreieck

Station 2: Nasses Dreieck (Zwischen Sport- und Spielplatz)

Das sogenannte Nasse Dreieck ist ein Beispiel dafür, dass sich da Natur nicht immer so einfach zähmen lässt, wie es sich Menschen vorstellen. Das ehemalige Feuchtgebiet, in dem sich der Abfluss des Lietzensees und der Schwarze Graben, ein kleiner Seitenarm der Spree, vereinigten, wurde 1711 auf Betreiben von König Friedrich I. zu einem Karpfenteich ausgehoben. Sein Enkel Friedrich der Große teilte die Begeisterung für den Teich allerdings nicht und dieser verlandete. 1856 wurde er schließlich zugeschüttet. Kurz nach 1900 hatte der Charlottenburger “Baulöwe” Alfred Schrobsdorff im Dreieck von Zillestraße, Fritschestraße und Hebbelstraße Miethäuser errichten lassen, die schnell die ersten Senkungsrisse zeigten. 1911 war ein Haus unbewohnbar, 1928 wurde in der Hebbelstraße ein weiteres Gebäude geräumt und in den 1950er Jahren mussten die Seitenflügel mehrerer Häuser abgerissen werden. Die letzte Stunde der “die schiefen Häuser im Sumpf von Charlottenburg” kam 1972, als die U-Bahn nach Spandau unter der Wilmersdorfer Straße gebaut wurde. Durch die Grundwasserabsenkung fielen die Holzpfähle unter den Häusern trocken und verfaulten, die Bauten waren nicht mehr zu retten. Die Häuser im Dreieck an der Westseite der Fritschestraße, Ostseite der Hebbelstraße und Nordseite der Zillestraße wurden abgerissen. In angrenzenden Bereichen wurden Häuser mit Betonpfeilern abgestützt, die bis zu 30 Meter tief in die Erde reichen. Trotzdem musste die Bauaufsicht zuletzt 1995 den Seitenflügel eines Hauses in der Fritschestraße wegen drohenden Einsturzes räumen lassen. Das leer gewordene Dreieck wird seit dem Abbruch der Häuser als Sportplatz genutzt. Die Durchfahrt für Autos ist gesperrt. Selbst der Gehsteig hat an mancher Stelle nachgegeben und formt dort eine Kuhle. Aus der Hebbelstraße ist ein vertiefter grüner Feldweg geworden. Als man nach 1900 hier baute, hatte man den morastigen Untergrund unterschätzt.

Weiter geht es links in den Otto-Grüneberg-Weg in den Schustehruspark

256. Kiezspaziergang - Baumhöhle Schustehruspark

Station 3: Schustehruspark

Baumhöhlen (z.B. Eiche am Eingang von der Villa Oppenheim aus):

Im Laufe der Evolution hat sich eine große Artengemeinschaft auf die Nutzung von Bäumen als Lebensstätte spezialisiert. Je älter der Baum ist, umso vielfältiger bietet er Lebensmöglichkeiten für verschiedene Pflanzen und Tiere und ist und dem naturschutzfachlichen Aspekt bedeutsamer. Ohne Baumhöhlen wäre unsere Fauna insgesamt viel artenärmer. Alte Bäume werden von einer Vielzahl von Tierarten als Schlafplatz, zur Aufzucht von Jungtieren, zur Paarung und als Winterschlafstätte genutzt. Unter diesen Tieren sind viele Säugetier- und Vogelarten, aber auch holzbesiedelnde Insekten sind in allen Entwicklungsphasen auf Baumhöhlen angewiesen. Dies trifft besonders auf viele der in Mitteleuropa gesetzlich geschützten Tierarten wie Fledermäuse oder die seltene Käferart Eremit zu. Ein einzelner Baum kann dabei ganze lokale Population der Tiere beherbergen und ist damit unbedingt erhaltenswert. Besonders aktive Höhlenbauer sind Spechte. Sie legen regelmäßig neue Höhlen an, obwohl sie jahrelang die gleiche Bruthöhle nutzen. Der Kleinspecht legt beispielsweise bis zu 5 Höhlen im Jahr an. Aber auch Astabbrüche führen durch das Eindringen von Pilzen in die Wunde oft zu Höhlenentstehung. So ist vermutlich auch die Höhle an dieser Eiche entstanden.

256. Kiezspaziergang - Schustehruspark

Der Schustehruspark

Der Schustehruspark ist eine denkmalgeschützte Grünanlage. Der 1914 eröffnete Park wurde wie so viele unserer Parks vom Charlottenburger Stadtgartenarchitekten Erwin Barth entworfen und nach dem verstorbenen Charlottenburger Oberbürgermeister Kurt Schustehrus benannt. Im Jahr 1911 erwarb die Stadt Charlottenburg das Gelände, um einen Erholungspark für die Bewohner der nahegelegenen Mietskasernen zu errichten, da man die Gefahr sah, „dass der schöne große Park zu Baustellen für Mietskasernen ausgenutzt wird”. In seine Planungen für die Anlage bezog Barth den alten Baumbestand mit ein und einige der dort aufgefundenen Gartenausstattungen, wie Zäune und Terrakotta-Vasen. Barth entwarf selbst die Gaslaternen für die Erholungsanlage. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Park stark zerstört. In den letzten Kriegstagen fanden dort Notbegräbnisse statt. Anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins im Jahr 1987 wurde die Grünanlage im Barthschen Sinne rekonstruiert.

Wir verlassen den Schustehrus-Park bei seinem nördlichen Ausgang und gehen weiter über die Schustehrustraße, überqueren die Schlossstraße und gehen weiter in die Neue Christstraße bis zur Kreuzung Christstraße

256. Kiezspaziergang - Klausenerplatz Kiez

Station 4: Klimaschutzprojekt

Klimaanpassungsmaßnahmen hier im Klausenerplatz-Kiez.

Alle Informationen unter www.einfach-beeten.de

Wir gehen jetzt weiter zur Christstraße 5

Gießsack für Bäume

Station 5: Straßenbäume und die Aktion „Gieß den Kiez“

Straßenbäume spielen eine besondere Rolle, da sie das Bild einer Stadt prägen und wichtige Funktionen für die Menschen übernehmen. Sie beschatten die Straßen, dämpfen häufig den Lärm etwas und können sogar Schadstoffe aus der Luft filtern. Straßen stellen aber besondere Ansprüche an die Bäume: Das Pflaster heizt sich im Sommer schneller auf und reflektiert die Wärme, es gibt meist nur wenig Platz für die Wurzeln der Bäume und der Boden ist stark verdichtet. Außerdem müssen Straßenbäume sowohl die Autoabgase, sonstige Luftverunreinigungen und Benzinablagerungen als auch Streusalz im Winter vertragen können. Nicht alle einheimischen Bäume sind diesen Anforderungen gewachsen. Viele fremdländische Arten sind an die Bedingungen in der Stadt besser angepasst und werden daher als Straßenbäume genutzt. Dazu gehören auch die Platane und der Ginkgo.

Die Veränderungen des Klimas und die damit verbundenen Extremwetterereignisse wie langanhaltende Trockenheitsperioden, erhöhte Temperaturen, punktuelle Starkregen-ereignisse, drücken sich in gravierenden Schäden an der urbanen grünen Infrastruktur aus. Um gemeinsam den akuten Auswirkungen des Klimawandels zu begegnen, ist das Straßen– und Grünflächenamt immer für die Unterstützung von Anwohner:innen in Form von Bewässerungen dankbar. Gießen Sie einen Baum beispielsweise einmal pro Woche 8-10 Eimer auf einmal, damit das Wasser nicht nur in der oberen Bodenschicht bleibt, sondern auch die tiefer liegenden Baumwurzeln erreicht. Erst wenn die Baumscheibe richtig durchtränkt ist, kann der Baum das Wasser ziehen, wenn er es braucht. Nutzen Sie zur Wasserentnahme, wenn möglich eine Straßenpumpe, um kostbares Trinkwasser zu sparen. Diese gibt es an vielen Orten in der Stadt. Die Plattform giessdenkiez.de von CityLAB Berlin bietet eine gute Möglichkeit, sich zu informieren, welcher Baum gewässert werden sollte, wie man Gießpate werden kann, wo es Straßenpumpen gibt, und woher man beispielsweise so einen Gießsack bekommen kann.

Wir gehen jetzt weiter bis zum Klausener Platz

Klausenerplatz mit St. Kamillus, 15.6.2009, Foto: KHMM

Station 6: Klausener Platz

Klausenerplatz
Dieser Platz war zunächst 1844-89 ein Reitplatz der Garde du Corps aus den Kasernen gegenüber dem Charlottenburger Schloss. Nach dem Bebauungsplan von James Hobrecht (1862) sollte er ein von städtischer Bebauung umgebener Schmuckplatz werden. Der 1893 ausgeführte Entwurf dürfte vom Stadtgarteninspektor Ludwig Neßler gestammt haben. Ringsherum wurden Linden gepflanzt, zwei Diagonalwege machten ihn übersichtlich und verkehrsfreundlich. Auf der Westseite blieb ein Marktplatz frei, auf dem auch eine Bedürfnisanstalt erbaut wurde. Auf der Ostseite wurde ein Unterstand, umgeben von Bänken, errichtet. Schaupflanzungen auf dem Rasen dienten dem Repräsentationsbedürfnis. 1921/22 gestaltete Erwin Barth den Platz um. Er hob die Diagonalwege auf, um in der Mitte “eine genügend große Spielfläche, abgeschieden vom Verkehr” zu schaffen, wie er schrieb. An die früheren Diagonalwege erinnern aber noch die kurzen Wegeabschnitte, die von den Platzecken zu den erhöhten Sitzplätzen führen, von denen man den Platz überblicken kann. Diese Plätze sind durch Säulenpappeln betont, die den Raum, wie Barth sagte, “charaktervoll beleben”. Wie bei seinen meisten Stadtplätzen trennte Barth Ruhezonen von Kinderspielzonen. 1940/41 entstand in der südlichen Platzhälfte ein Luftschutzbunker. Der Spielplatz wurde auf dem Dach des Bunkers neu angelegt, wo er sich bis 1986 befand. 1950 wurde der Platz nach dem von den Nationalsozialisten ermordeten Führer der Katholischen Aktion in Berlin, Erich Klausener, benannt. 1986 begann die Abräumung des Bunkers, gefolgt bis 1988 von der Wiederherstellung des Platzes nach dem Entwurf von Barth.

256. Kiezspaziergang - Fassadengrün Klausenerplatz

Fassadenbegrünung

Hier an diesem Haus sehen Sie ein gutes Beispiel für Fassadenbegrünung. Viele Flächen in der Stadt sind versiegelt. Das heißt es gibt kaum Erdboden, auf dem Pflanzen wachsen und sich ausbreiten können. Dennoch sind einige Kletterpflanzen in der Lage mit wenig Erreich auszukommen und an Fassaden in die Höhe zu wachsen. Besonders interessant sind die beiden häufigsten Fassadenkletterer, der Efeu und der Wilde Wein. Beide kommen ohne Klettergerüst, nur mit Hilfe von Haftwurzeln- oder -scheiben nach oben. Der immergrüne Efeu ist ein Wurzelkletterer. Schaut man unter die Blätter kann man unzählige Wurzeln, mit denen sich die Pflanze an die Mauern heftet, erkennen. Der Efeu blüht erst im Herbst und bildet dann zum nächsten Frühjahr seine schwarzblauen Beeren. Diese sind eine wichtige Nahrungsgrundlage für viele Vogelarten, sie sind allerdings für den Menschen giftig. Die Triebe des Wilden Weines bilden kleinen Näpfchen aus, mit denen sie sich an die Mauern saugen und somit halten können. Wilder Wein ist eigentlich keine wilde Pflanze, sondern eine Zierpflanze aus Japan. Auch ihre Früchte werden von heimischen Vögeln gefressen. Fassadenbegrünung bietet einen wichtigen Lebensraum für viele Tiere. Insekten wie Bienen und Fliegen profitieren vom Nektarangebot der Blüten, viele Vögel nutzen die Kletterpflanzen als Schlaf- und Nistplätze und auch spinnen nutzen die Blätter zum spannen ihrer Netze. Fassadenbegrünung sorgt gleichzeitig für eine Kühlung der Innenräume und auch im Winter hat sie eine isolierende Wirkung und spart somit Energie.

Pflasterritzenvegetation

Viele nennen es Unkraut, aber wenn sie nach ab und zu nach unten zwischen die Pflastersteine schauen, findet sich immer wieder sogenannte Pflasterritzenvegetation, auch Trittpflanzengesellschaft genannt. Diese kleinen Überlebenskünstler sind echte Kosmopoliten, da sie meist weltweit vorkommen. Es gibt keine Trittpflanze, für die der Tritt lebensnotwendig ist. Die Arten treten lediglich an Trittstandorten oder in Pflasterritzen auf, weil sie häufig vergleichsweise niedrigwüchsig und konkurrenzschwach sind. Sie sind außerdem meistens Licht liebend und können an solchen Extremstandorten die Konkurrenz um Licht vermeiden. Sie ertragen außerdem stark betretene oder mäßig befahrene Standorte gut. Zu den häufigsten Vertretern gehören zum Beispiel der Vogel-Knöterich und der Breitblättrige Wegerich.

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