254. Kiezspaziergang: Die Wilhelmsaue – Das alte Herz von Wilmersdorf

Auenkirche

Die Auenkirche

Herzlich willkommen zum 254. Kiezspaziergang. Mein Name ist Christoph Brzezinski und ich bin als Bezirksstadtrat zuständig für das Ressort Stadtentwicklung.

Die Wilhelmsaue ist sozusagen das Herzstück des alten Wilmersdorf. Sie führt im Westen von der Barstraße über die Blissestraße und die Uhlandstraße bis zur Bundesallee. Wir drehen heute zwar einen relativ kleinen Kreis, indem wir uns auf den ehemaligen Dorfanger beschränken. In diesem kleinen Kreis stecken aber viele Geschichten über das alte und auch neue Wilmersdorf.

Das Dorf entstand vermutlich nach 1220 als Gründung der askanischen Markgrafen mit deutschsprachigen Siedlern. Bisher gibt es keine Belege, dass es an dieser Stelle eine slawische Vorgängersiedlung gab. 1293 wird Wilmersdorf erstmals urkundlich erwähnt.
Angelegt wurde die Siedlung parallel zum nördlichen Rand der eiszeitlichen Grunewaldrinne. In dieser Rinne befand sich der Wilmersdorfer See, der nach 1900 jedoch zunehmend verlandete und gegen 1920 endgültig zugeschüttet wurde. Letzte Spuren des Sees sieht man im Volkspark Wilmersdorf an den riesigen Pfützen auf den Liegewiesen, die noch immer bei starkem Regen und am Ende des Winters entstehen.

Bis in die 1880er-Jahre bestand Wilmersdorf im Wesentlichen nur aus der Dorfstraße und war umgeben von Heide, Bruch und Wiesenland. Die Siedler betrieben Landwirtschaft, vor allem Schafzucht, und Fischfang.

Von dieser bäuerlichen Zeit zeugt noch die Straßenführung zwischen Blisse- und Mehlitzstraße mit dem breiten Grünstreifen in der Mitte, dem Überbleibsel des ehemaligen Dorfangers, der damals von den Gehöften der Bauern umgeben war und auf dem es bis in die 1870er-Jahre Gemeinschaftseinrichtungen und einen Dorfteich gab. Die Wilhelmsaue wurde erst 1888 so benannt. Von etwa 1300 bis 1875 hieß die Straße Dorfaue bzw. Dorfstraße, von 1875 bis 1888 dann Wilhelmstraße. Wenige Tage nach dem Tod Kaiser Wilhelms I. im März 1888 wurde der Straßenname zur etwas poetischer anmutenden Wilhelmsaue abgeändert und der Anger in eine Grünanlage verwandelt.

1891 war noch eine Verlängerung der Wilhelmsaue nach Westen über ihr damaliges Ende auf Höhe der Mannheimer Straße hinaus bis zur Rudolstädter Straße vorgesehen.
Diese Absicht geriet jedoch mit dem Ausbau des städtischen Friedhofs an der Berliner Straße in Widerspruch, mit der Folge, dass die verlängerte Wilhelmsaue seit 1906 schon an der Barstraße am Friedhof endete und seit 1946 an der Mannheimer Straße. Der damals geplante Verlauf der Straße lässt sich aber noch im Lageplan des Friedhofs erkennen, und der Verzicht auf die Verlängerung hat aufgrund der hufeisenförmigen Nummerierung dazu geführt, dass die Hausnummern auf der rechten Seite bei Nr. 42 abbrechen und auf der gegenüberliegenden Straßenseite bei Nr. 99 weitergehen.

Eva Lichtspiele

Noch ein Blick zurück nach links in die Blissestraße: Die Eva-Lichtspiele

Die Eva-Lichtspiele haben bislang dem Kinosterben in der City West getrotzt, auch wenn das Kino seit der Corona-Zeit noch zu leiden hat.
Gegründet wurde das Kino bereits 1913 als Roland-Lichtspiele, war eines der ersten Kinos in Wilmersdorf und gehört mittlerweile zu den ältesten Kinos in Berlin. Nach einem Umbau erfolgte 1921 die Umbenennung in Eva Lichtspiele nach der Frau des damaligen Kinobetreibers. Etwa zur selben Zeit erfolgte die Anstellung eines Violinisten, um die Stücke zu begleiten. Im Jahr 1925 spielte ein ganzes Orchester im Kino und Anfang der 1930er-Jahre rüstete das Kino auf den Tonfilm um.
Ein großer Umbau 1957 prägt immer noch das Interieur und die Fassade des Kinos, beispielsweise durch den Schriftzug und den Wolkenvorhang im Innenraum. Das Gestühl wurde allerdings 1992 durch Kinosessel für 250 Besucher ersetzt, 2011 erfolgte die Umrüstung auf Digitaltechnik.
Das heutige Programm besteht aus einer Mischung von Erstausstrahlungen und Nachläufern mit einem Schwerpunkt auf Kinderfilmen. Bekannt ist das Kino unter anderem für seine Veranstaltungsreihe “Der alte deutsche Film”, die seit mehreren Jahrzehnten läuft. Hier werden deutsche Filme aus den 1920ern bis 1940ern bei Kaffee und Kuchen und einer historischen Einführung gezeigt. Im Rahmen der Reihe Berlinale goes Kiez wurden 2010 und 2011 auch Filme der Berlinale in den Eva Lichtspielen gespielt.

Wilhelmsaue

Wilhelmsaue 111a

Station 1

Das Haus Wilhelmsaue 111a

Das aufwändig gestaltete Mietshaus an der Wilhelmsaue 111a entstand kurz vor der Jahrhundertwende 1896 bis 1899. Wir werden noch ein paar wenige dieser prächtigen Häuser sehen, die in der Zeit des Übergangs vom Dorf zur Großstadt erbaut wurden.

Kirche Christi Wissenschafter

Kirche Christi Wissenschafter

Links daneben: Wilhelmsaue 112

Hier steht die Erste Kirche Christi, Wissenschafter. Der 1936–1937 von Otto Bartning errichtete Gebäudekomplex steht unter Denkmalschutz. Christian Science, nicht zu verwechseln mit Scientology Church, wurde im Jahre 1879 von der US-Amerikanerin Mary Baker Eddy gegründet. Die Mutterkirche ist The First Church of Christ, Scientist in Boston. Die Ortsgemeinden sind Zweigkirchen der Mutterkirche, die rechtlich selbstständig sind und demokratisch von den Mitgliedern der Ortsgemeinden organisiert werden. Häufig wird auch allgemein von der Christian-Science-Kirche gesprochen. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Scientology-Sekte, denn im Gegensatz zu Scientology bezieht sich Christian Science auf das Christentum und auf die Bibel.
Ab 1896 fassten die Christlichen Wissenschaftler auch in Deutschland Fuß. Die erste Berliner Zweigkirche folgte am 20. September 1900. In den ersten Jahren nach der Gründung wurden die Gottesdienste zunächst in Privatwohnungen, später dann in Schulen oder Sälen, in den 1920er-Jahren in den Räumen der alten Berliner Philharmonie an der Köthener Straße abgehalten, seit April 1932 im Bachsaal am Magdeburger Platz. Im Jahre 1929 erwarb die Kirchengemeinde das Grundstück Wilhelmsaue 112. Die Grundsteinlegung des Kirchengebäudes war aber erst am 17. September 1936, gegen Ende 1937 wurde der erste Gottesdienst dort abgehalten. Das damalige Kirchenschiff bot rund 1000 Personen Platz, das jetzige rund 800.
1937 verboten die Nationalsozialisten die Christliche Wissenschaft. Die Kirche wurde von der Gestapo beschlagnahmt und von der Waffen-SS als Kino benutzt. Zahlreiche Mitglieder der Christlichen Wissenschaft wurden verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Auch die Eltern des Widerständlers Helmuth James Graf von Moltke waren Anhänger der Bewegung.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Haus 1943 zerstört. Nach dem Kriegsende hielten die Christlichen Wissenschaftler wieder Gottesdienste in verschiedenen Sälen Berlins ab. Das Kirchengrundstück mit der Ruine wurde der Gemeinde zurückgegeben. Unter der Leitung von Otto Bartning wurden bereits 1950 die Gebäudereste gesichert, ab Mai 1956 begann der eigentliche Wiederaufbau in Zusammenarbeit mit dem Architekten Kurt Bornemann. Am 7. Juli 1957 fand der erste Gottesdienst statt. Die Wiederaufbaukosten wurden von der Kirchengemeinde durch freiwillige Beiträge und Spenden aufgebracht. Nach Tilgung der letzten Hypothek wurde das Kirchengebäude am 28. Dezember 1969 eingeweiht.
Die Christlichen Wissenschaftler sind eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und Mitglied im Gesamtverband Christian Science und in der Arbeitsgemeinschaft der Kirchen und Religionsgesellschaften in Berlin. Heute gibt es weltweit rund 400.000 Mitglieder der Bewegung in 2000 Gemeinden in 80 Ländern. In Deutschland gibt es 72 Zweigkirchen mit rund 2000 Mitgliedern.

Dorfeiche Wilmersdorf

Die alte Dorfeiche

Station 2: Dorfeiche

Vor uns auf der Mittelinsel sehen Sie die alte Wilmersdorfer Dorfeiche. Dieser Baum wurde bereits 1905 gepflanzt. Viele Bäume in Berlin wurde ja in den letzten Jahren des Kriegs und danach als Brennholz gefällt. Diese alte Stieleiche hat immerhin fast 120 Jahre überlebt.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Wilmersdorf ein immer beliebteres Ausflugsziel für Berliner. Grund war zunächst die Milch der Schafe. Wilmersdorf war berühmt für seine Schafmilch-Kuren. Eine letzte Spur von der Bedeutung der Milchwirtschaft ist noch im Hof der Wilhelmsaue 11 zu sehen: ein Hinweis auf Milchverkauf, der bis in die 60er-Jahre aus einem Stall im selben Hof stattfand.

In einer Beschreibung des Schriftstellers Berthold Auerbach von 1863 wird erkennbar, wie weit draußen Wilmersdorf für die Berliner damals noch war:

“Gestern war ich nach so langer Zeit wieder einmal in einem Dorfe. Der Frühling ist schön, und ich muss Lerchen hören, und sie singen auch über dem Sandboden, in dem sich’s freilich schwer geht. Ich war in Wilmersdorf, einem Tagelöhner-Orte in meiner Nachbarschaft. Der Weg durch die Saaten tat mir gar wohl, ich saß eine Stunde lang unter einem Weidenbau am Wegraine, und das war eine glückliche Stunde, ich konnte doch auch wieder einmal in die Unendlichkeit hineinträumen. Im Dorfe hörte ich doch auch wieder einmal ein lebendiges Huhn gackern, sah lebendige Gänse und Schweine. Man vergisst in Berlin ganz, dass Derartiges auch lebt, man sieht es immer nur gebraten. Man sollte nicht spotten über die übertriebene Naturbegeisterung der Berliner, wenn sie hinauskommen. Wenn man in dieser künstlich gemachten Stadt hinauskommt, erscheint alle Natur, das Alltäglichste wie ein Wunder.”

1879 kaufte der Bauernsohn Otto Schramm Land am Wilmersdorfer See, machte eine Badeanstalt auf und eröffnete ein Restaurant, das sich schnell vom Kaffeegarten zum riesigen Tanzpalast mit großem Biergarten entwickelte.

Der Schriftsteller Hanns Fechner hat den Tanzsaal am Seebad beschrieben:

“Einer von Schramms Söhnen hatte einen mächtigen Tanzsaal erbaut, wohin die tanzlustigen jungen Berliner gern pilgerten, um mit den Dorfschönen ein Tänzchen zu wagen. Auch manch eine junge Berlinerin zeigte sich wie elektrisiert, wenn es hieß: ‘Karlineken, wat meenste, morjen jehn wa bei Schramm, een danzen.’ Ein Millionensegen hatte sich über die Großbauern während der Gründerjahre dieser Zeit ergossen. Die Bauern hatten ihre sonst so wertvollen Felder an die Eisenbahnverwaltung verkauft, die sie für die Ringbahn brauchte, und an Spekulanten, die eine schnelle Entwicklung der Stadt Berlin und ihrer Vororte erhofften. Selbst der Pfarrer, der das Kirchlein betreute, durfte jetzt über sehr reiche Jahreseinkünfte verfügen, weil auch überschüssiges Kirchenland verkauft werden konnte. Fast über Nacht waren diese Bauern zu Leuten geworden, die nicht wussten, wo sie mit dem vielen Gelde hinsollten… An den Sonntagen sah man die Dorfschönen … in die schwersten seidenen Stoffe gekleidet, mit kostbarem Schmuck behangen, sich bei Schramms oder Herzsprungs im Tanze drehen. Manch eine Millionenbauerntochter wurde von dort frisch weggeheiratet.”

Diese Millionenbauern werden uns noch das eine oder andere Mal heute begegnen. Besonders bei verarmten Berliner Adeligen waren deren Töchter beliebt. Max Kretzer hat in seinem Roman “Der Millionenbauer” 1912 beschrieben, wie in den großen Ausflugslokalen am Wilmersdorfer See Verbindungen von Geld und Adel entstanden. Zwei junge Adelige besuchen Schramms Gartenlokal:

“Aus dem Grün der gegenüberliegenden Seite ragten der Kirchturm und die roten Dächer der Wohnhäuser hervor, hin und wieder tauchte zwischen den Bäumen und Sträuchern eine Villa auf, die die Nähe von Berlin verriet. Still und schweigend, in tiefgrüner Färbung, lag der Spiegel des Sees da. Es war eine kleine märkische Idylle, der die Eisenbahn von Tag zu Tag immer mehr das städtische Gepräge gab. Die friedliche Ruhe wurde nur von dem Lärm der Gäste im oberen Teil des Gartens unterbrochen. Rechts zeigten sich die Buden der Badeanstalt. Als Heckenstett sie erblickte, fragte er sofort, ob das das berühmte Wilmersdorfer Seebad sei, von dem er bereits so viel gehört habe? Er erinnerte sich dabei, dass eine kleine Putzmacherin ihm scherzhafterweise erzählt hatte, sie pflege jeden Sommer ‘ins Bad nach Wilmersdorf zu reisen.”

Uhlandstraße Neubau

Uhlandstraße Ecke Wilhelmsaue Neubau

Entwicklungen in der Uhlandstraße

Auf den etwa 20 Jahre alten langgestreckten Wohnblock hier rechts entlang der Uhlandstraße möchte ich nicht verweisen, weil er architektonisch so gelungen ist, sondern weil er auf wahrhaft historischem Wilmersdorfer Boden steht.

An der Stelle der heutigen Uhlandstraße und dieses Wohnblocks befand sich im 19. Jahrhundert der Sitz des Rittergutes Wilmersdorf. Es wurde 1899 von Carl Keller gekauft. Er eröffnete kurz danach den Victoria-Garten, ebenfalls ein großes Ausflugslokal mit Zugang zum damaligen Wilmersdorfer See. Das Gartenlokal verfügte über einen großen Tanzsaal mit einer Bühne für Theateraufführungen und Konzerte.

Schon in den 1920er Jahren war der Victoria-Garten ein beliebter Treffpunkt der Nationalsozialisten. 1929 wurde hier der NS-Schülerbund Berlin gegründet. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Ausflugslokal zerstört.
Die Reste des Victoria-Gartens wurden in den 1950er-Jahren abgerissen. Der autobahnähnliche Ausbau der Uhlandstraße mit dem Durchbruch durch die Wilhelmsaue wurde in den 60er-Jahren durchgeführt. Damals folgte man im Städtebau noch dem Leitbild der autogerechten Stadt. Heute wäre ein solcher Kahlschlag mitten im historischen Stadtgebiet wohl so nicht mehr möglich. Die Bürgerinitiative Wilmersdorfer Mitte verfolgt seit Jahren Pläne für einen Rückbau dieser Straße und für eine Wiederherstellung der alten Baufluchten.

Blissestift

Wilhelmsaue 116: Blissestift

Station 3: Das Blissestift

Wie bereits erwähnt, floss seit Ende des Deutsch-Französischen Krieges (1871), im Zuge der Gründerjahre, viel Geld an die hiesigen Bauern, einerseits durch Landkauf seitens der Ringbahngesellschaft, andererseits von Bodenspekulanten. Wohlhabende Berliner konnten es sich nun leisten, in der Stadt zu arbeiten und auf dem Land zu wohnen, nachdem seit November 1877 die westliche Teilstrecke der Ringbahn mit den Bahnhöfen Bundesplatz in Betrieb genommen war.

Ein Beispiel für Bauten des Wilmersdorfer Geldadels ist das Blissestift, das aus einer Stiftung von drei Millionen Goldmark des Wilmersdorfer Ehepaares Georg Christian und Amalie Auguste Blisse erbaut und 1911 als evangelisches Waisenhaus eröffnet wurde.
Christian Blisse war der älteste Sohn des Bauern und Gutsbesitzers Georg Christian Friedrich Blisse und dessen Ehefrau Charlotte Marie. Die Blisses waren ein ausgedehntes Bauerngeschlecht in der Wilmersdorfer Gegend. Blisse wurde am 9. Februar 1823 in der Auenkirche in Wilmersdorf getauft.

Auch Blisse war durch den Bedarf an Bauland für die wachsende Stadt Berlin zu Vermögen gekommen und führte sogar den Spitznamen “Milllionen-Blisse”. Sein Geld verwendete er für wohltätige Zwecke. So finanzierte er beispielsweise die Glocken und die Orgel der Auenkirche.

Blisse verstarb mit 83 Jahren am 30. Dezember 1905 in seinem Haus an der Wilhelmsaue 116/117. Da das Ehepaar kinderlos geblieben war, verschenkte Auguste Blisse nach ihrem Tod am 20. August 1907 der Stadt Wilmersdorf per Testament drei Millionen Mark sowie das Grundstück Wilhelmsaue 116/117 mit der Auflage dort ein evangelisches Waisenhaus zu bauen und zu erhalten.

Der größte Teil des Erbes der Blisses floss in den Bau des Waisenhauses, das 1911 fertiggestellt wurde. Die Baukosten betrugen insgesamt 600.000 Mark. Das restliche Kapital, welches bald der Inflation zum Opfer fiel, wurde für den Betrieb der Einrichtung verwendet. Das Blisse-Stift, in welcher sich heute ein integrativer Hort für die Comenius-Schule befindet, ist heute in der Verwaltung des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf.
Im Jahre 1947 wurde der ehemalige Steglitzer Weg, welcher durch die ehemaligen Felder der Familie Blisse führte, in Blissestraße umbenannt. Auch der U-Bahnhof Blissestraße erinnert an die Familie.

Rest des Dorfteichs

Der kleine Tümpel hier in der Mitte des Grünstreifens ist übrigens eine letzte Reminiszenz an den ehemaligen Dorfteich.

Wilhelmsaue 17

Wilhelmsaue 17

Station 4: Wilhelmsaue 17 (gelbes Haus)

Hier nur ein kurzer Halt, aber wie schon das rote Haus an der Wilhelmsaue 111a, zeigt auch diese bäuerliche Stadtvilla aus dem Jahr 1875, wie auch ansässige Bauern selbst zum Wandel des dörflichen Erscheinungsbildes beitrugen.

Wilhelmsaue

Wilhelmsaue 14-13

Station 4

Wilhelmsaue 14-13

Auf der linken Seite sehen sie das Wohnhaus Wilhelmsaue 14-13.
Zur Behebung der Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg wurden reichsweit von Kommunen, Gewerkschaften und Betrieben Institutionen zur Förderung des Wohnungsbaus gegründet. In Groß-Berlin entstand 1924 die Wohnungsfürsorgegesellschaft Berlin m.b.H., die zur Förderung von Neubauten Mittel vergab und deren Verwendung überwachte.
Für die Bebauung seines Grundstücks Wilhelmsaue Ecke Mehlitzstraße beauftragte der Fuhrunternehmer Karl Haereke 1925 den Architekten Walter Hämer. Um möglichst viele Wohnungen in dem Gebäude unterzubringen, schrieb der Bauherr in seinem Bauantrag, dass er die Etagen in den einzelnen Geschossen “nicht unnötig hoch ausbauen wolle, weil sonst die Wirtschaftlichkeit des Projekts in Frage gestellt” sei. 1925 war in Berlin die Wohnraum-Mindesthöhe auf 2,50 Meter gesenkt worden. In den umgebenden Häusern aus der Gründerzeit hatten die Wohnungen allerdings eine Höhe von 3,30 Metern oder mehr.
Daher stellte die Baufirma am 12.1.1926 an den Polizeipräsidenten einen Antrag auf Dispens, da „bei dem Bau von nur fünf Geschossen ein häßlicher Brandgiebel des Nachbarhauses sichtbar bleiben würde, was fraglich eine grobe Verunzierung der ganzen Straße und auch unseres Bauvorhabens bedeuten würde“. Der Dispens für die Überschreitung der Geschosszahl wurde Haereke erteilt.
Haerekes Fuhrunternehmen an diesem Ort hatte 1910 an die 120 Pferde und befasste sich vor allem mit dem Transport von Baumaterialien sowie Straßenreinigung und Müllabfuhr in Wilmersdorf und umliegenden Orten. Nachdem 70 bis 80 seiner Pferde vergiftet worden waren, gab Haereke seinen Betrieb auf und errichtete dieses Gebäude.
Den Grund, weshalb das dem Unternehmer und vor allem seinen Pferden angetan worden ist, wissen wir nicht.

Mehlitzstraße

Wir stehen hier an der Ecke zur Mehlitzstraße, die 1902 nach dem Wilmersdorfer Bauern und Grundbesitzer Daniel Ludwig Mehlitz, der von 1826 bis 1900 lebte, benannt wurde. Eine Reihe von Straßen in diesem Stadtviertel sind nach Wilmersdorfer Bauernfamilien benannt: Auch Wegener, wie bereits erwähnt Blisse, Gieseler und Schramm gehören dazu.
Lassen Sie uns noch kurz einen Blick in die Mehlitzstraße 7 werfen. Dort befindet sich die Vollkornbäckerei Weichardt, die vielleicht einigen von Ihnen bekannt sein dürfte. Bereits 1977 eröffnete Bäckermeister Heinz Weichardt gemeinsam mit seiner Frau Monika hier die erste Demeter-Vollkornbäckerei Berlins. Sie wollten damit dem Industrialisierungstrend im Bäckerhandwerk entgegenwirken. Heute haben sie in der Stadt viele Nachahmer gefunden. Die Bäckerei ist nach wie vor in Familienbesitz.

Findling

Findling

Findling mit Gedenktafel

DU BEFINDEST DICH HIER AUF DER
EHEMALIGEN DORFAUE IM
ÄLTESTEN TEIL UNSERES BEZIRKES.
UM 1750 GABEN BAUERNGEHÖFTE,
UMSCHLOSSEN VON FELDERN,
WIESEN UND SEEN, ALT-
WILMERSDORF DAS GEPRÄGE.

Der 3,80 m große Findling, in den die Bronzetafel eingelassen ist, wurde bereits am 26.5.1933 von den Nationalsozialisten anlässlich des 10. Todestages von Leo Schlageter aufgestellt. Der Text der ursprünglichen Gedenktafel lautete:
Schlageter zum Gedächtnis, 26. Mai 1933, NSDAP

Schlageter war früher Anhänger der nationalsozialistischen Bewegung und Angehöriger diverser Freikorps. Während der Ruhrbesetzung (1923-1925) wurde er aufgrund von Spionage und mehrerer Sprengstoffanschläge von einem französischen Militärgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die Nationalsozialisten stilisierten ihn daraufhin zum Nationalhelden und verehrten ihn als Märtyrer und sog. “ersten Soldaten des Dritten Reiches”. Im nationalsozialistischen Deutschland wurden rund 100 Denkmäler und Gedenkstätten zu seinen Ehren eingerichtet

Die heutige Bronzetafel wurde von Bezirksbürgermeister Wilhelm Dumstrey am 20.8.1956 aus Anlass der Verleihung der Stadtrechte an Wilmersdorf 50 Jahre zuvor enthüllt.

Schoelerschlösschen

Schoelerschlösschen

Station 5: Wilhelmsaue 126: Schoelerschlösschen

Das Schoelerschlösschen, das älteste Haus Wilmersdorfs hat eine wechselvolle Geschichte. Das Bauwerk und der zugehörige Garten dokumentieren das Leben vor den Toren Berlins ebenso wie die großbürgerliche Lebenskultur im Wilmersdorf des 18. und 19. Jahrhunderts. Unter den wechselnden Besitzern waren Berliner Bankiers, Unternehmer und Intellektuelle.
1751 werden dem Wilmersdorfer Prediger Samuel Gottlieb Fuhrmann drei seit dem Dreißigjährigen Krieg “wüst liegende”, also verlassene, Hofstellen überschrieben. Wilmersdorf besteht zu dieser Zeit aus 20 Hofstellen nördlich und südlich der Dorfstraße, einem Vorwerk, einer Kirche, einem Friedhof und einem Schafstall. Fuhrmann lässt auf dem Grundstück ein eingeschossiges bäuerliches Wohnhaus, ein sogenanntes Büdner- oder Kossätenhaus, errichten und verpflichtet sich gegenüber König Friedrich II., auf dem Grundstück eine Maulbeerplantage für eine Seidenraupenzucht anzulegen, um den teuren Import von Seide aus Frankreich zu vermeiden. Nach wenigen Jahren wurde diese Tätigkeit aber wegen Unwirtschaftlichkeit eingestellt und das ebenerdige Lehm-Fachwerkhaus verkauft.
1765 erwirbt der Berliner Holz- und Tuchhändler Cornelius Adrian Hesse das Bauernhaus am Wilmersdorfer Dorfanger, um sich einen Sommersitz zu bauen, wie es unter wohlhabenden Berlinern seit Mitte des 18. Jahrhunderts in Mode kam. Hesse lässt das Bauernhaus abreißen und jenes zweigeschossige Landhaus mit barocker Fassade bauen, das wir heute sehen. Auch Hesse versucht sich wieder in der Seidenraupenzucht. Beim großen Brand von 1766, der fast die gesamte Südseite des Angerdorfes zerstört, bleibt das Haus unbeschadet. 1772 hat Wilmersdorf 242 Einwohner.
Es folgen viele weitere Besitzerwechsel, bis 1893 der Augenarzt Prof. Heinrich Schoeler das beträchtliche Grundstück erwarb, das sich bis hinunter zum See und außerdem auf das Gelände am östlichen Ende der Dorfstraße erstreckte. Seitdem trägt das älteste Gebäude Wilmersdorfs den Namen Schoelerschlößchen.
1929 ging das Anwesen samt dem dahinterliegenden kleinen Park mit dem alten Baumbestand in den Besitz des Bezirks Wilmersdorf über. Den ehemals privaten Garten des Hauses ließ der Bezirk 1931 zu einem öffentlichen Park umgestalten.
Im Schlösschen wurde eine Bibliothek und eine Heimatstube eingerichtet. 1936 wurde es schließlich zu einem Heim der Hitlerjugend umgebaut. Dafür wurde ein zusätzliches Stockwerk aufgesetzt.

1946 kam da Haus wieder in den Besitz des Bezirksamts und wurde bis 2003 als Kindertagesstätte genutzt. Allerdings hatte die öffentliche Hand nie das Geld dafür, die Kriegsschäden am Dach zu beheben, ein zweites Treppenhaus einzubauen oder auch nur das Gebäude gut in Schuss zu halten.
Nach einem Brand in einer Küche 2003 wurde die Kita aufgelöst. Das Bezirksamt schloss 2006 einen 20jährigen Nutzungsvertrag mit der Stiftung Denkmalschutz Berlin. Es folgten jahrelange Streitigkeiten über den von der Stiftung geforderten Abriss des unbarocken zweiten Obergeschosses, bis sie sich mithilfe des Bezirks gegen das Landesdenkmalamt durchsetzte. Das von den Nationalsozialisten aufgesetzten Stockwerk wurde wieder abgebaut. Für diese Wiederherstellung des barocken Erscheinungsbildes durch die private Stiftung gab es schließlich öffentliche Fördergelder.
Nach dem Abschluss der äußerlichen Rekonstruktion fehlte dem Bezirk das Geld für den Innenausbau, neue Heizungen, elektrische Leitungen und ein Fahrstuhl, um Barrierefreiheit herzustellen. Mit Hilfe von Mitteln der Lotto-Stiftung wird das Haus jetzt umgebaut und soll bis 2025 fertig sein. Entstehen soll ein neuer Kulturort, ein offenes Haus für die Nachbarschaft. Ausstellungen sollen zum Besuchen und Beisteuern einladen, es wird Werk- und Arbeitsräume geben sowie einen Veranstaltungssaal und ein Café.

Kurz nachdem das Schoelerschlößchen 1929 in städtischen Besitz übergegangen war, wurde 1930 damit begonnen, nach den Entwürfen von Fritz Buck ein Großteil der Fläche des ehemaligen Schoelerschen Anwesens mit 290 Kleinwohnungen zu bebauen, um dem damaligen Wohnungsmangel zu begegnen. Die Wohnanlage am Schoelerpark entstand für die Heimstätten-Siedlungsgesellschaft Berlin-Wilmersdorf und umrahmt das Schoelerschlößchen und den Schoelerpark, wodurch ein parkähnlicher Innenraum entstanden ist, der bis zur Straße am Volkspark reicht.

Wilhelmsaue

Station 6: Wilhelmsaue 121 und 120

Im Haus Wilhelmsaue 121 befindet sich die Superitendentur des evangelischen Kirchenkreises. Das Landhaus an der Wilhelmsaue 120 wurde 1890-91 von Wilhelm Balk für die Familie Blisse gebaut und steht unter Denkmalschutz. Das Landhaus steht für das Ende der Phase von Vorstadtvillen, wie wir sie schräg vis-à-vis in Nr. 17 und auch schon in der 111a gesehen haben. Seit 1890 gewinnen vier- bis fünfstöckige großstädtische Mietshäuser zunehmend die Oberhand.

Auenkirche

Station 7: Die Auenkirche

Die Pfarrei zu Wilmersdorf findet sich erstmals 1293 in einem Schriftstück Albrechts III., aber erst 1375 wird im Landbuch Karls IV. ein Geistlicher für die Kirche in Wilmersdorf genannt, der das Dorf Lützow mit zu betreuen hatte. Nachdem Lietzow zur Pfarrei der jetzigen Luisenkirche kam, versorgte die Wilmersdorfer Pfarrei die von Schmargendorf und Dahlem mit. Von der alten Dorfkirche gibt es keine Abbildungen. Die meisten Kirchenbücher gingen durch Plünderungen verloren. In einem erhaltenen Kirchenrechnungsbuch vom 1. Januar 1713 ist erwähnt, dass die ruinierte Kirche repariert werden muss.

Nachdem 1766 ein verheerender Brand das halbe Dorf einschließlich Kirche und Pfarrhaus zerstört hatte, wurde 1772 ein verputzter Mauerwerksbau als schlichte barocke Saalkirche gebaut, in deren Dachturm 1817 eine Turmuhr folgte. Eine Gedächtnistafel für die Gefallenen der Befreiungskriege wurde angebracht.

Da Pfarrer Ritters Streben um eine Orgel von der Gemeinde nicht unterstützt wurde, wandte er sich erfolgreich u. a. an Friedrich Wilhelm III. und Moritz August von Bethmann-Hollweg. Am 26. Dezember 1845 brachte der Orgelbauer Johann Christoph Schröthers aus Sonnewalde die neue Orgel und vollendete ihre Aufstellung am 10. Januar 1846.

Zwischen 1895 und 1897 wurde hinter der alten Dorfkirche die heutige Auenkirche erbaut. Die Dorfkirche wurde 1898 gegen den Willen der Gemeinde auf höhere Weisung abgebrochen. Nur die Windfahne mit der Jahreszahl 1772 auf dem Treppenturm des Pfarrhauses der Auenkirche erinnert an sie.