Der Friedhof wurde als Städtischer Friedhof der Landgemeinde Deutsch-Wilmersdorf westlich des Ortskerns von Wilmersdorf südlich der Berliner Straße angelegt. Die Größe betrug damals ungefähr einen Hektar. Im Zentrum des Friedhofs wurde bis 1887 nach Entwürfen von Max Contag und Christian Havestadt eine Friedhofskapelle mit angeschlossener Leichenhalle in Klinkerbauweise errichtet. Von der Kapelle aus wurde der Friedhof mit einem rechtwinkligen Wegeraster erschlossen, wobei die Hauptwege als Alleen, hauptsächlich mit Linden und Platanen ausgeführt wurden. Der Friedhof wurde durch eine Friedhofsmauer abgeschlossen an welcher zahlreiche monumentale Erbbegräbnisstätten errichtet wurden.
Die Friedhofskapelle wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und nachfolgend abgetragen. Das Wegerondell, das um die Kapelle führte, besteht noch, der ehemalige Standort der Kapelle wurde mit Rhododendronbüschen bepflanzt. Die Alleen und die Außenmauern mit den Wandgräbern und Mausoleen sind in großen Teilen noch vorhanden. Der ehemalige Haupteingang ist heute der Nebeneingang an der Berliner Straße.
Zwischen 1906 und 1915 erfolgten mehrere Erweiterungen der Friedhofsanlage nach Süden, Westen und Osten. Die Gestaltungsprinzipien des Friedhofs wurden bei den Erweiterungen im Großen und Ganzen beibehalten. Die Entwürfe für die Erweiterungen werden Richard Thieme zugeschrieben. Nur durch eine rechteckige Wasserfläche und eine parkartig angelegte Gräbergruppe, die als „Hainbegräbnisplatz“ bezeichnet wurde, sind Auflockerungen im strengen Raster geschaffen worden. Die Wasserfläche ist später einem Unterstand gewichen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden an mehreren Stellen auf dem Friedhof Grabfelder für die zahlreichen Opfer des Krieges angelegt. Diese Gräber müssen entsprechend dem Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft dauerhaft erhalten bleiben.
Krematorium Wilmersdorf
Das Krematorium wurde 1919-22 von Otto Herrnring und Bettenstedt als klassizistischer Kuppelbau auf dem Gelände des Friedhofs Wilmersdorf errichtet.
Nach der Renovierung wurde das Krematorium am 27. Juli 1966 wiedereröffnet, 1990 aber für Verbrennungen geschlossen, die Trauerhalle ist nach wie vor in Benutzung.
Die Trauerfigur links neben dem Eingang stammt von dem Bildhauer Eberhard Encke. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz.
Es ist zu ungemütlich heute, über den Friedhof zu spazieren. Ich empfehle Ihnen aber sehr, sich den Friedhof und die vielen eindrucksvollen Grabstätten einmal bei besserem Wetter anzusehen. Ich möchte Ihnen dennoch kurz etwas zu einigen Menschen sagen, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.
D5: Ehrengrab Freifrau Margarethe von Witzleben
Die am 22. Februar 1853 in Dresden als Tochter eines adligen Rittergutsbesitzers geborene Freifrau Margarethe von Witzleben organisierte 1901 den ersten Gottesdienst für Schwerhörige und Ertaubte und gab damit den Anstoß für die Schwerhörigenbewegung in Deutschland und weltweit.
1995 erklärte der Berliner Senat das Grab Margarethe von Witzlebens auf dem Friedhof Wilmersdorf zur Ehrengrabstätte.
D7: Ehrengrab der Bundeswehr Markus Matthes
Markus Matthes wurde am 28. Mai 1977 geboren – gefallen in Afghanistan am 25. Mai 2011. Markus Matthes war ein deutscher Offizier und Träger des Ehrenkreuzes der Bundeswehr. Er hatte als Kommandierender einer deutschen ISAF-Einheit am 3. Mai 2011 in Nordafghanistan einen Angriff von Taliban-Rebellen abgewehrt und war dabei selbst verwundet worden, verblieb aber auf eigenen Wunsch in Afghanistan. Am 25. Mai 2011 geriet sein Gefechtsfahrzeug in eine Sprengfalle. Markus Matthes starb an den Verletzungen. Sein Freund, der Weltmeister im Diskuswerfen, Robert Harting, widmete ihm seine in Südkorea am 30. August 2011 erkämpfte Goldmedaille.
C7: Ehrengrab Hildegard Wegscheider
Unter ihrem Mädchennamen promoviert Hildegard Ziegler im März 1898 als erste Frau zum Doktor der Philosophie. Eine Sensation und eine Provokation zugleich. Mit 21 legt sie ihr Lehrerinnenexamen ab, womit sie aber nur in Grundschulen unterrichten darf. Sie will mehr und legt 1894 als erste Frau in Preußen das Abitur ab. Aber die Zulassung zum Studium an der Berliner Universität lehnt der damalige Dekan mit dem Einwand ab: „Ein Student, der sich nicht besaufen kann – unmöglich!“ In Halle jedoch nimmt man sie auf. Bald darauf heiratet sie den Berliner Frauenarzt Dr. Max Wegscheider.
Die junge Wissenschaftlerin wird Mutter und setzt sich für die Rechte von Lehrerinnen ein: Das „heimliche Zölibat“, das nicht für männliche Lehrer gilt, soll auch nicht mehr für Frauen gelten. Bisher mussten Frauen, die heirateten, ihren Beruf aufgeben. 1900 gründet sie in Charlottenburg das erste Mädchengymnasium, von 1919-1921 sitzt sie für die SPD in der preußischen Landesversammlung, wird dann Abgeordnete im Preußischen Landtag bis 1933. Unter den Nazis werden ihr ihre Ämter entzogen, sie erhält Berufsverbot – doch nach dem Krieg arbeitet sie weiter mit ganzer Kraft, um die politischen und sozialen Veränderungen voranzutreiben. Für das Errungene – insbesondere das Grundrecht auf Bildung – erhält Hildegard Wegscheider 1952 das Bundesverdienstkreuz. 1953 starb sie im Alter von 81 Jahren.
C8: Ehrengrab Leon Jessel
Der 1871 in Stettin geborene Léon Jessel lebte von 1928 bis 1941 in Wilmersdorf in der Düsseldorfer Straße 47, wo eine Gedenktafel an ihn erinnert. Sein Hauptwerk ‘Schwarzwaldmädel’ ist bis heute eine der populärsten deutschen Operetten. Die Tantiemen aus den Aufführungen kommen dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf zugute, denn die Witwe gründete die Léon-Jessel-Stiftung und übertrug sie dem Bezirk Wilmersdorf. Bis heute werden aus der Stiftung vor allem bedürftige Familien unterstützt. Léon Jessel wurde als Jude von den Nationalsozialisten verfolgt. Er starb am 4. Januar 1942 im Jüdischen Krankenhaus an den Folgen nationalsozialistischer Haft. Am 13. Juni 1986 wurde der Platz an der Wegenerstraße Ecke Fechnerstraße nach Léon Jessel benannt.
Viele der Gräber hier erinnern auch an die sogenannten “Millionenbauern”, die durch den Verkauf ihrer Äcker an Investoren in der Gründerzeit Ende des 19. Jahrhunderts zu viel Geld kamen. Heute spiegeln sich einige dieser Familien noch in Straßennamen in Wilmersdorf wider: Blisse oder Mehlitz oder Schramm. Auch die Schramms waren eine alteingesessene Wilmersdorfer Bauernfamlie. Otto Schramm eröffnete um 1880 am Ufer des damaligen Wilmersdorfer Sees das Seebad Wilmersdorf und wenig später Schramms Biergarten. 1895 wurde die Seestraße umbenannt nach Otto Schramms Tochter Hildegard.
Bekannte Persönlichkeiten, die hier bestattet sind
- Robert Biberti, Sänger bei den Comedian Harmonists
- Der Neurochirurg Jörn Kubicki, Lebensgefährte des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, der an einer Corona-Infektion starb
- Der Schauspieler Rudolf Platte, den vielleicht noch einige unter Ihnen noch kennen
- Der Schriftsteller und Heimatforsscher Kurt Pomplum und der
- Schauspieler Wolfgang Völz, unvergessen als die Stimme vom Käptn Blaubär
Wir verlassen nun den Friedhof und treffen uns an der Berliner Moschee, wo wir von Iman Imam Amir Aziz empfangen werden