Wir stehen nun vor dem ehemaligen Strafgefängnis Plötzensee. Bereits seit 1887 war das Strafgefängnis ein Ort für die Vollstreckung der Todesstrafe im deutschen Kaiserreich. Die damalige Adresse Königsdamm 7 ist in den Sterbebüchern des Standesamts von Charlottenburg oft die letzte Spur von Menschen, die hier zwischen 1933 und 1945 nach Unrechtsurteilen der NS-Justiz ermordet wurden.
Heute sind neben dem Torhaus, der Gefängniskirche, dem Kessel- und dem Maschinenhaus auch frühere Zellentrakte erhalten. Am Heckerdamm sind die einstigen Beamtenwohnhäuser zu sehen, die vor der Gefängnismauer errichtet wurden.
Das damals größte Gefängnis Deutschlands wurde 1868-79 von Heinrich Ludwig Herrmann unter Beteiligung von Paul Emanuel Spieker und Hesse für circa 1.400 Gefangene erbaut. Die Baukosten beliefen sich auf etwa 6,3 Millionen Mark. Bei der Bildung von Groß-Berlin im Jahr 1920 wurde das vorher zum Gutsbezirk Plötzensee im Kreis Niederbarnim gehörige Areal dem damaligen Bezirk Charlottenburg zugeordnet.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurden im Strafgefängnis Plötzensee nicht nur Freiheitsstrafen vollzogen, sondern es diente (zusammen mit der Strafanstalt Brandenburg-Görden) auch als „zentrale Hinrichtungsstätte für den Vollstreckungsbezirk IV“. Besonders die vom Berliner Kammergericht und dem 1934 errichteten Volksgerichtshof zum Tode Verurteilten wurden hier hingerichtet; verantwortlicher Scharfrichter war von 1942 bis 1945 Wilhelm Röttger.
Von 1933 – 1945 war das Strafgefängnis ein Untersuchungsgefängnis für politische Gefangene und eine der zentralen Hinrichtungsstätten der NS-Justiz. Im NS-Zuchthaus Plötzensee wurden etwa 2800 Männer, Frauen und Jugendliche durch Fallbeil oder Strick hingerichtet. Darunter auch zahlreiche Widerstandskämpfer.
Nach einem Todesurteil des „Volksgerichtshofs“ oder eines anderen Gerichts der zivilen Justiz, konnten Gefangene ein Gnadengesuch stellen. Die Entscheidung darüber lag bei Adolf Hitler, der sie im September 1939 dem Reichsjustizminister übertrug. Lehnte dieser das Gnadengesuch ab, ordnete das Reichsjustizministerium die Hinrichtung an. Die Staatsanwaltschaft legte den Vollstreckungstermin fest, informierte das Gefängnis, sowie den Rechtsanwalt des Verurteilten und beauftragte den Scharfrichter.
Die zum Tode Verurteilten wurden im großen Zellenbau (Haus III) untergebracht, der direkt an den Hinrichtungsschuppen angrenzte. Am Abend vor der Vollstreckung, später nur einige Stunden davor, informierte ein Staatsanwalt die Todeskandidaten. Die letzten Stunden verbrachten sie gefesselt in besonderen Zellen im Erdgeschoss. Auf Wunsch konnte sie ein Geistlicher betreuen. Dies wurde nicht immer genehmigt.
Der letzte Weg führte über einen kleinen Hof zum Hinrichtungsraum mit dem Fallbeil. In wenigen Sekunden führte der Scharfrichter, dem zwei oder drei Gehilfen zur Seite standen, die Enthauptung oder Erhängung durch. Der Leichnam wurde dem Anatomischen Institut der Berliner Universität übergeben.
Die Scharfrichter erhielten jährlich 3000 Reichsmark als feste Vergütung und pro Hinrichtung 60, später 65 Reichsmark. Die Angehörigen der Hingerichteten mussten eine „Kostenrechnung“ bezahlen. Die Staatsanwaltschaft forderte für jeden Hafttag in Plötzensee 1,50 Reichsmark, für die Hinrichtung 300 Reichsmark und für das Porto zur Übersendung der „Kostenrechnung“ 12 Pfennige.
Zu den Opfern der nationalsozialistischen Unrechtsjustiz in Plötzensee gehörten auch viele Menschen, die wegen geringfügiger Delikte vor allem nach 1939 unverhältnismäßig hart mit dem Tode bestraft wurden. Alle Strafverfahren entsprachen nicht mehr rechtsstaatlichen Ansprüchen. Dies galt auch für Todesurteile wegen unpolitischer Verbrechen.
Noch härter war die Rechtsprechung gegen ausländische Verurteilte. Mehr als 650 Hingerichtete kamen aus den 1938/39 von Deutschland besetzten tschechischen Gebieten, mehr als 240 aus Polen. Hierzu gehörten sowohl Angehörige von Widerstandsorganisationen als auch Menschen, die nach Deutschland zur Zwangsarbeit verschleppt worden waren.
Nach Kriegsende bestimmten die Alliierten, dass das Strafgefängnis Plötzensee als Jugendhaftanstalt weitergeführt werden soll. Von Seiten der Alliierten und der Verbände der Opfer des Nationalsozialismus gab es erste Initiativen, die Namen und die Herkunftsländer der Ermordeten zu erfassen. Diese sind zumeist anonym bestattet worden. Ab 1987 diente es als Justizvollzugsanstalt für erwachsene männliche Gefangene. Seit dem 1. Januar 2013 bilden die JVA Plötzensee, die JVA Charlottenburg und das Justizvollzugskrankenhaus Berlin, die gemeinsame Behörde Justizvollzugsanstalt Plötzensee.
Für die Angehörigen ist die ehemalige Hinrichtungsstätte Plötzensee ein wichtiger Ort der individuellen Trauer und des gemeinsamen Gedenkens.
Wir machen uns nun auf den Weg zu unserer letzten Station: der Gedenkstätte Plötzensee. Wir laufen vor bis zum Saatwinkler Damm und biegen am Hüttigweg links ab und treffen uns dann an der Gedenkstätte.