Wenn man nun weiter die Franklinstraße runterguckt, sieht man dort auf der rechten Seite ein Bürogebäude. Dort befinden sich die Gebauer Höfe. Da es heute etwas zu weit wäre, dorthin zu laufen, erzähle ich Ihnen von hier etwas darüber.
Friedrich Gebauer entwickelte im ausgehenden 19. Jahrhundert die kleine Brauerei seiner Schwiegermutter zu einem weltweit agierenden Unternehmen. Neben der Weiterverarbeitung von Textilien baute die Firma erfolgreich verschiedene Spezialmaschinen für die Textilindustrie.
Im Jahr 1862 übernahm Friedrich Gebauer die Textilfirma “Dampffärberei und Cattunfabrik G. H. Bretsch Wwe.” in der damals noch eigenständigen Großstadt Charlottenburg. Zu dieser Zeit blickte das Unternehmen bereits auf eine fast 30-jährige Firmengeschichte zurück. Begonnen hatte der Betrieb als kleine Natur- und Rasenbleicherei des Unternehmers G. H. Bretsch in der Nähe von Bocksfelde bei Spandau, der die florierenden Kattundruckereien Berlins mit gebleichten Stoffen versorgte. 1839 verlegte Bretsch seine Firma nach Charlottenburg, wo er die erste chemische Bleicherei in Deutschland gründete. Die von Gebauer übernommenen Fabrikanlagen waren zunächst gut überschaubar: Ein zweigeschossiges Wohnhaus, ein hölzerner Trockenturm sowie einige Fachwerkhäuser bildeten die Grundlage für den Komplex, der heute rund 20.000 Quadratmeter Grundfläche umfasst. Unter der neuen Bezeichnung, Bleicherei, Färberei und Appreturanstalt Fr. Gebauer” reorganisierte und
vergrößerte Gebauer das Unternehmen. So entstanden in den nächsten Jahrzehnten in mehreren Bauphasen zahlreiche Gebäude für die verschiedenen Arbeitsschritte der Bleicherei, Färberei und Veredelung von Textilien, auch Appretur genannt. Eines der ältesten Gebäude ist die 1865 errichtete Kalanderanlage, in der Stoffe verdichtet und geglättet wurden.
Die Erweiterung seines Betriebs um die verschiedenen Verarbeitungszweige der Textilindustrie reichte dem unternehmerischen Eifer Friedrich Gebauers nicht.
So wurde seine Firma die erste in Deutschland, die ihre praktischen Erfahrungen in der Textilwirtschaft dazu nutzte, gebräuchliche Maschinen zu verbessern und neue zu entwickeln. Um die Belieferung des Berliner Standorts mit Rohstoffen und Maschinenteilen zu erleichtern, kaufte Gebauer 1880 die Barbarahütte bei Neurode in Schlesien und gründete dort eine Eisengießerei und eine Maschinenbauanstalt.
Nach einer zehnjährigen Phase als Aktiengesellschaft ging die Firma 1882 zurück in Familienbesitz, da Gebauer seine Söhne Julius, Fritz und Oskar als Teilhaber aufnehmen wollte. Das Familienunternehmen entwickelte zahlreiche Patente, darunter auch das erste elektrische Bleichverfahren. Die neuen Maschinen fanden großen Anklang in der Textilbranche und verschafften dem Unternehmen weltweite Bekanntheit.
Die Produktionsanlagen in der Franklinstraße reichten für das wachsende Geschäft nicht mehr aus und so wurde ein zweiter Standort mit Maschinenfabrik und Eisengießerei am Bahnhof Beusselstraße bezogen. Um 1910 erreichte die Firma ihren wirtschaftlichen Höhepunkt mit fast 2000 Beschäftigten und zahlreichen Niederlassungen weltweit.
Untergang und Neubeginn. Bis zum Zweiten Weltkrieg produzierte Gebauer weiterhin verschiedene Maschinen für die Textilindustrie.
Infolge starker Kriegsbeschädigungen stellte das Unternehmen den Betrieb ein. Nach einer behelfsmäßigen Renovierung wurden die Gebäude an verschiedene Firmen vermietet. Seit den 1990er-Jahren entwickelt die Gewerbesiedlungs-Gesellschaft mbH (GSG Berlin) das weitläufige, zumeist denkmalgeschützte Gelände zu einem Gewerbehof mit Geschäftsräumen, Büros und Werkstätten.
Einzelne Gebäude des historischen Areals stehen nicht unter Denkmalschutz. So wurde unter anderem eine ehemalige Lagerhalle aus den 1980er-Jahren zum Bürohaus „The Brig” umgebaut. Aktuell entsteht direkt an der Spree der Neubau F10, dessen Fassade in Form eines Parallelogramms ab dem dritten Stockwerk über die Uferlinie der Spree hinausragt. Trotz der Neubauten legt der Entwickler Wert darauf, den historischen Charakter des Denkmalensembles zu erhalten. Durch den gepflasterten Boden der Höfe zieht sich ein eingelassenes Messingband, dessen Inschriften auf die Geschichte des Areals verweisen.
Wir laufen jetzt zurück zum Einsteinufer und dort entlang bis zum Charlottenburger Tor und gehen in den Garten der TU.