Dieses Rathaus hier an der Otto-Suhr-Allee bringt bereits mehr als 100 Jahr Geschichte mit sich. Es ist aber nicht das erste Rathaus Charlottenburgs.
Die Gründung und der Name Charlottenburgs gehen auf die preußische Königin Sophie Charlotte zurück. Sie wurde am 30. Oktober 1668 geboren und starb schon mit 36 Jahren am 1. Februar 1705. Als König Friedrich I. nach ihrem Tod die Stadt Charlottenburg gründete, fungierte er selbst als Bürgermeister, sein Sohn Friedrich Wilhelm, der spätere Soldatenkönig, als sein Stellvertreter. Hof- und Staatsbeamte bildeten als Stadtverordnete den Magistrat. Als Rathaus kaufte der König ein Palais des Oberstallmeisters an der Schloßstraße, das mehr als 150 Jahre als Sitz der Stadtverwaltung diente. Heute befindet sich auf dem Grundstück an der Schloßstraße 2 ein Seniorenwohnhaus.
1860 wurde ein größeres Gebäude an der Berliner Straße, heute Otto-Suhr-Allee als zweites Rathaus gekauft. Es war ursprünglich der Wohnsitz des Oberhofstallmeisters Encke, der als Bruder der Gräfin Lichtenau, der Maitresse Friedrich Wilhelms II., ebenfalls hoch in dessen Gunst stand und das Palais vom König zum Geschenk erhalten hatte. Nach dem Tod des Königs wurde den Enckes das Palais vom neuen König wieder aberkannt. 1860 war das Haus im Besitz der Charité, die es an die Stadt Charlottenburg verkaufte.
Doch bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts war das verträumte Städtchen Charlottenburg mit seinen 1850 rund 10.000 Einwohnern auf 182.000 Einwohner angewachsen und wetteiferte mit Wiesbaden darum, die reichste Stadt Preußens zu sein.
1897 entschloss man sich deshalb, auch das zweite Rathaus abzureißen und auf diesem und einem Nachbargrundstück das dritte Rathaus zu bauen. Den Wettbewerb gewannen die Architekten Heinrich Reinhardt und Georg Süßenguth für ihren Entwurf. Baubeginn war am 17. Juni 1899. Zur 200-Jahr-Feier der Stadt wurde das neue Rathaus am 20. Mai 1905 an den Magistrat übergeben. Die Turmuhr soll bereits in der Nacht zum 27. Januar, dem Geburtstag Wilhelm II. in Gang gesetzt worden sein. Der Kaiser hat es den Charlottenburgern aber angeblich nie verziehen, dass sie den Turm ihres Rathauses mit 87,50 Metern deutlich höher gebaut hatten, als die Kuppel des Schlosses. Der Kaiser soll deshalb bei Besuchen im Schloss Charlottenburg immer einen Umweg über die Bismarckstraße gefahren sein, um den Turm nicht sehen zu müssen, der schnell zu einem Symbol für den Charlottenburger Bürgerstolz geworden war.
Das Innere des Rathauses wurde sehr großzügig gestaltet. Ornamente und Figuren beleben Wände, Säulen und Geländer des Haupttreppenhauses. Schon in der Haupteingangshalle (Haupteingang eine Treppe bis zur Eingangstür) befinden sich zu beiden Seiten Reliefs an den Wänden. Sie stellen Kunst, Wissenschaft, Schulwesen, Hochbau, Tiefbau, Krankenpflege, Feuerwehr, Beleuchtungswesen, Gewerbegericht und Steuerwesen sowie Standesamt dar. Sie stammen wie die meisten figuralen Darstellungen im Rathaus von dem Bildhauer Heinrich Giesecke (1862-1937).
Breite Gänge mit gewölbten Decken durchziehen das Rathaus. Wir werden gleich noch durch einige durchkommen. Besonders eindrucksvoll ist das Haupttreppenhaus. Die beiden doppelläufigen geschwungenen Treppen führen von ersten in den dritten Stock. Das steinerne Geländer weist reichen Figurenschmuck auf. Neben den mächtigen Preußenadlern haben viele der abgebildeten Tiere symbolische Bedeutungen. Vor dem Krieg waren die Aufgänge des Treppenhauses noch mit bleiverglasten Fenstern versehen, davon fehlt aber leider bis heute jede Spur.
Wir steigen nun die Treppen hinauf in die zweite Etage und treffen uns wieder von der Gedenkhalle