Im Steinplatz-Quartier zu beiden Seiten der Hardenbergstraße hat das Bezirksamt erfolgreich die Vernetzung der wesentlichen Akteure angestoßen, um nicht zuletzt gemeinsame, auch nach außen sichtbare Aktivitäten zu ermöglichen – von ansässigen Unternehmen (Hotels, Kinos, Theater, Galerien, Buchhandlungen, Cafés) über Interessensvereinigungen (IHK Berlin und AG City) bis hin zu Bildungseinrichtungen (Berliner Landeszentrale für politische Bildung) und den beiden großen Universitäten (TU Berlin, UdK Berlin). Grund: Das Areal versammelt zwar eine Vielzahl vor allem kultureller und bildungsorientierter Angebote, bleibt aber ein vergleichsweise unterbelichteter Teilraum der City West. Die touristische Wahrnehmung und Aufenthaltsdauer sind vergleichsweise gering. Notwendig war und ist ein Standortmarketing, d. h. die forcierte Herausarbeitung der Einzigartigkeit des Quartiers als Kultur- und Wissenschaftsstandort. Ziel des Bezirksamts ist es daher, eine Profil- und
Markenbildung einzuleiten, die die Besucher- und Kundenfrequenz steigert und den Standort insgesamt stärkt.
Voraussetzung hierfür war die Entwicklung eines Akteursnetzwerks für die zunehmende Nutzung nachbarschaftlicher, auch branchenübergreifender Synergiepotenziale. Ausdruck dieser Vernetzung waren und sind Kooperationsprojekte oder auch die Einbindung der Akteure in bezirkliche Aktionstage, Veranstaltungen und Ausstellungen auf dem Steinplatz, die gesellschaftspolitischen Debatten einen Raum bieten und zugleich die Vielfältigkeit der lokalen Angebote widerspiegeln, indem sie den Unternehmen und Einrichtungen Gelegenheit geben, sich z. B. mit Stand oder auch inhaltlich einzubringen und zu präsentieren. Der Bezirk setzt in diesem Kontext nicht zuletzt auf die Etablierung und Fortführung eigener Veranstaltungsreihen wie dem Open-Air-Sommerkino zu Nachhaltigkeitsthemen im Juli, dem World-Cleanup-Day im September oder Mobilitätstag, die den Platz für die Akteure selbst wie für Besucherinnen und Besucher zu einem zunehmend auch stadtweit bekannten Identifikations- und Erlebnisort
werden lassen.
Das Akteursnetzwerk bildet zugleich die inhaltliche Basis für das ab 2024 vorgesehene digitale Informationssystem im Yva-Bogen, das als eine Art moderne Litfaßsäule über die vielfältigen aktuellen Angebote im Quartier informieren und die Besucherströme dahin leiten soll.
4.2. Hotel am Steinplatz 4
Das heutige Gebäude des Hotels am Steinplatz 4 wurde 1906/1907 nach Entwürfen von August Endell durch den Architekten und Bauherrn Hermann Lau als Wohnkomplex errichtet. Lau blieb Eigentümer bis zum Verkauf 1913. Die Raumhöhe betrug in allen Etagen 4,20 Meter, weil Endell vermeiden wollte, dass es nur eine Beletage und darunter und darüber bescheidenere Stockwerke gab.
1908 bis zum 1. April 1910 wohnt am Steinplatz 4 der Königliche Polizeipräsident von Charlottenburg, Günther von Herzberg (1855-Berlin-1937), dann zieht er ins Präsidium an den Sophie-Charlotte-Platz um.
1908 gab es unter der Adresse Steinplatz 4 auch schon eine Pension Steinplatz
1913 erwarb der aus Czernowitz stammende Kaufmann und Privatbankier Max Zellermayer (1863-1933) das Haus, wandelte es zu einer Hotel-Pension und fand in dem bekannten Dresdner Hotelier Rudolf Sendig einen Pächter. Sendig schloss den Pachtvertrag nicht für sich, sondern für seinen Sohn, der allerdings 1915 im Ersten Weltkrieg fiel. Der Vater bat daraufhin, den Vertrag aufzulösen. Zellermayer wollte zunächst einen neuen Pächter suchen, beschloss dann allerdings, selbst den Betrieb zu übernehmen. Das oft genannte Gründungsjahr 1916 bezeichnet daher den Beginn der Leitung des Hotels durch die Familie Zellermayer.
Da seine Mutter Jüdin war, wurde er im Oktober 1933 zur Gestapo geladen, wo er mitgeteilt bekam, dass er als Jude keine Pension mehr führen, seinen Lebensmittelgroßhandel und auch seine Privatbank nicht mehr behalten dürfe. Er starb kurze Zeit später an einem Hirnschlag. Seine drei Kinder wurden protestantisch getauft und alle in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche eingesegnet. Die erst 36-jährige Ehefrau Erna Zellermayer übernahm das Hotel.
Yehudi Menuhin (1916-1999), das Wunderkind, blieb mit seinem Vater und seinem Lehrer längere Zeit im Hotel am Steinplatz wohnen und spielte mit den Zellermayer-Kindern PingPong. Im Januar 1929 bekam er von einem Mäzen die Stradivari „Khevenhüller“ im Wert von 60.000 Dollar geschenkt. Mit dieser gab er am 12. April 1929 sein Debüt in Berlin. Er spielte mit den Berliner Philharmonikern unter Leitung von Bruno Walter.
Bruno Walter schreibt über das Wunderkind:
„Er war ein Kind und dennoch schon ein Mann und ein großer Künstler.”
Albert Einstein saß im Publikum und sagte Menuhin nach dem Konzert:
“Mein lieber Yehudi, in dieser Nacht hast Du mich die erste neue Lektion seit vielen Jahren gelehrt. Ich habe eine neue Entdeckung gemacht. Ich habe gesehen, dass die Tage der Wunder noch nicht vorbei sind. Unser guter alter Jehova macht immer noch seinen Job.”
Ins Gästebuch schrieb der gebürtige New Yorker am 28. April 1929: I feel very much at home in „Pension Steinplatz“. Nach dem Zweiten Weltkrieg auf Deutsch: Nach 32 Jahren noch immer zuhause im Hotel Steinplatz – Yehudi Menuhin 1961
Max Zellermayers Tochter Ilse Eliza Zellermayer berichtet in ihrem Buch: Mein Jahrhundert im Hotel:
“1940 wurde das Hotel Steinplatz von der Kriegsmarine beschlagnahmt. Großadmiral Raeder und später Dönitz übernahmen das Kommando über die U-Boot-Kriegsmarine, die während des Krieges vom Steinplatz aus geleitet wurde. Die Wände wurden eingerissen und die Nachbarvilla mit einbezogen. Dort fanden die Lagebesprechungen statt.
Mama, Anna und ich durften in der Wohnung bleiben, aber es war uns nicht mehr erlaubt, Besuch zu empfangen. Das Haus war total abgeschirmt. Am Telefon gab der diensthabende Matrose, je nachdem ob wir zu Hause waren oder nicht, die Auskunft: „Die Damen sind an Land“ oder „Die Damen sind an Bord“. … Nach vier Jahren gab die Kriegsmarine Ende 1944 das Haus an uns zurück. Aber die Funktion des Gebäudes als U-Boot-Kommandantur sollte noch ein übles Nachspiel haben.
Als die Russen erfuhren, das sich hier das Oberkommando der U-Boot-Kriegsmarine befunden hatte, schichteten sie herumliegende Munition im Innenhof auf und warfen dann einige Granaten darauf. Das Dach, die Zwischenwände und die Türen im Haus wurden restlos zerstört. Das Ganze bot einen bedauernswerten Anblick.”
Wiederaufbau nach Weltkriegszerstörung: Die Wiederherstellung des Gebäudes erfolgte als Deal mit Besatzungsmacht, da Unterkünfte für Familien notwendig wurden, die aus Westend kommend ihre Häuser für die Briten räumen mussten (vor allem was Bezug von Baumaterialien betraf), teils zogen Geschäfte ein. Es konnten nach deren aller Auszug wieder 120 Hotelzimmer eingerichtet werden. Viele Künstler:innen bevorzugen das Hotel Steinplatz, wenn sie zu Vorstellungen und Konzerten in West-Berlin weilen.
4.3. Am Steinplatz 2 hat Arnold Schönberg das erste große Orchesterwerk in seiner Zwölftontechnik komponiert:
1925 berief der preußische Kultusminister Carl Heinrich Becker auf Vorschlag des Musikreferenten im preußischen Kultusministeriums Leo Kestenberg als Arnold Schönberg Nachfolger Ferruccio Busonis an die Preußische Akademie der Künste, wo er als Beamter mit der Dienstbezeichnung Professor einen Meisterkurs für Komposition übernahm. Mit der Berufung hatte Schönberg gleichzeitig die preußische Staatsangehörigkeit erworben.
Schönberg wohnte in der Pension „Bavaria“ am Steinplatz, sein Schüler Hanns Eisler kommt mit ihm aus Wien nach Berlin und wohnt in der Grolmanstraße. Eisler kritisierte allerdings die Inhalte, die Schönberg mit Stücken wie dem „Pierrot Lunaire“ transportiert und parodiert die Zwölftontechnik, indem er – in der Besetzung des „Pierrot“ – Palmström-Texte von Morgenstern vertont. Im März 1926 kommt es zum Bruch mit Schönberg. Eisler vertont Zeitungausschnitte.
Die Professur an der Akademie wurde Schönberg aus rassistischen Gründen durch die NS-Gesetzgebung im September 1933 entzogen.
Schönberg schreibt an die Preußische Akademie der Künste am 20. März 1933:
In der Sitzung vom 18. III. der Akademie wurden Formulierungen bekanntgegeben, aus welchen entnehmbar wurde, dass mein Verbleiben in leitender Stelle nunmehr unerwünscht sei. Stolz, und das Bewusstsein meiner Leistung hätten mich längst zu freiwilligem Rücktritt bewogen. […] Wer mein Schüler war, hat den Ernst und die Sittlichkeit einer Kunstauffassung zu spüren bekommen, die ihm in allen Lebensverhältnissen, wenn er sie zu bewahren vermag, Ehre bereiten wird!
Nachdem ihm sein Schwager, der Violoinist Rudolf Kolisch, telegrafisch “Luftveränderung” empfiehlt, flieht Schönberg in der Nacht zum 17. Mai 1933 überstürzt aus Deutschland nach Paris, wo er sich am 24. Juli 1933 – in Anwesenheit des Malers Marc Chagall – dem jüdischen Glauben wieder anschließt, den er 1898 aufgegeben hatte, um sich evangelisch taufen zu lassen.
Wir treffen uns an der Hausnummer Steinplatz 3