Geschichte des Kudammecks
In den 125 Jahren seiner Geschichte als Großstadtboulevard wurden am Kurfürstendamm Stadtbilder von großer Ausstrahlungskraft geschaffen. Anhand der Entwicklung der Bauparzelle 227, heute bekannt als Neues Kudammeck, lässt sich das ständige Umformulieren der Stadt besonders gut darstellen. Jeweils im Abstand von etwa 20 Jahren – im Ganzen fünf Mal – neu bebaut, erzählt das Grundstück Architektur- und Stadtgeschichte. Es folgen modellhaft aufeinander: das steinerne Berlin der wilhelminischen Ära, die emphatische Metropolenarchitektur der Weimarer Republik, der zaghafte Neuanfang der Wiederaufbaujahre, die schöne Welt des Shoppings am Ende der Pop-Dekade und das retrospektive Metropolenpathos des wiedervereinten Berlin.
Die hier bauenden Architekten fühlten sich in der Mehrzahl herausgefordert, auf die hervorgehobene Lage am Joachimsthaler Platz in Sichtweite des Bahnhofs Zoologischer Garten mit zuweilen spektakulären architektonischen Lösungen zu reagieren. Mehr als andernorts am Kurfürstendamm wurde dieses Eckgrundstück zum Testfeld des Visionären.
1887/88 wurde auf dem Eckgrundstück ein viergeschossiges, vornehmes Mietshaus gebaut.
Hier lebten ein Geheimer Regierungsrat, zwei Rentiers, ein Kolonialwarenhändler, ein Schankwirt, ein Kaufmann, ein Agent, ein Fabrikant, ein Schuhmacher, ein Posamentenhersteller, eine Witwe, ein Baron und ein Hauptmann.
1924 kaufte die Leinenweberei Grünfeld das Grundstück und ließ 1927/28 die unteren drei Geschosse zu einem modernen Wäschekaufhaus umbauen. So traditionell patriarchalisch die Unternehmenskultur geartet war, so modern gab sich das Firmenmarketing. Die Produkte der Leinenweberei (Weißwaren und Damenwäsche) wurden mit einem Corporate Design beworben, dessen zentraler Bestandteil das Blau der Flachsblüte (aus Flachs wird Leinen hergestellt) war.
Geplant wurde schließlich eine Niederlassung, in der man das volle Warensortiment verkaufen und darüber hinaus zusätzliche Arbeitsräume gewinnen konnte.
Noch vor Eröffnung des neuen Geschäftes zeugte die temporäre Einfriedung des Baugeländes durch einen an die sieben Meter hohen „Bauzaun“ von der Ambitioniertheit des Projekts.
Als die Grünfeld-Niederlassung am Kurfürstendamm schließlich eröffnete, war die Folklore (der Bauzaun zeigte in der Bemalung idyllische Szenen aus Schlesien) zugunsten einer mondänen Eleganz verschwunden. Die Neugestaltung zielte auf einen freien Grundriss und eine möglichst großzügige Belichtung der Verkaufsräume. Dieser spektakuläre Umbau des alten Hauses kam einem Neubau gleich. Die konstruktiven Grundlagen für eine der spektakulärsten Ladengestaltungen der klassischen Moderne waren gelegt.
Dicht gestaffelte senkrechte Neonleuchten gaben dem Eckhaus einen weithin sichtbaren Abschluss. Darüber der Firmenname, der ein bis zum Dach reichendes Kaufhaus suggerierte. Die Berliner verabredeten sich fortan an der „Grünfeld- Ecke“ zum Bummel über den Kurfürstendamm.
Am Ende des Zweiten Weltkrieges standen nur noch die beiden unteren Geschosse des Gebäudes mit Resten der aufgehenden Fassade. Mit der materiellen Zerstörung der Grünfeld-Ecke fand die Zerschlagung der Firma durch die Nationalsozialisten ihren Abschluss.
1939 erwarb die Firma Max Kühl KG das Gebäude. Nach Teilzerstörung im Krieg wurden 1951 die unteren drei Geschosse in einer der ursprünglichen Fassade angenäherten Form ausgebaut
Wie bei frühen Wiederaufbauten üblich, wurde die Architektur der Nazizeit bewusst übersprungen und an eine als unverdorben betrachtete klassische Moderne angeknüpft.
1969 bis 1972 errichtete dann hier Werner Düttmann das Ku’damm-Eck. Der 14-geschossige Bau sprengte jedes bis dahin am Kurfürstendamm gekannte Gebäudemaß. Bis zum vierten Stock war der Ladenbereich angelegt, im fünften und sechsten Stock gab es u. a. eine Bowlingbahn und ein Panoptikum. Fünf Geschosse lagen unterhalb des Straßenninveaus – im Kellergeschoss befand sich ein Kino. Im Eckbau wurden auf einer 300 m² großen Lichtraster-Fläche Werbespots gezeigt. Mit dem Ku’damm Eck zog ein Stück Broadway oder Picadilly Circus in West-Berlin ein.
Ende der 1990-er Jahre wurde der für die Architektur der späten 1960-er Jahre typische Bau abgerissen.
Seit 2000/01 steht hier das neue Ku‘damm-Eck. Es handelt sich um einen massiven 12-geschossigen Rundbau. An der Ecke Kurfürstendamm/ Joachimsthaler Straße springt eine fünfgeschossige gerundete “Nase” hervor. Die beiden Dachgeschosse sind nach hinten versetzt.
Das Erdgeschoss hat Schaufenster. In der 2. und 3. Etage ist wie beim alten Gebäude eine große Video-Installation angebracht, die Werbung zeigt. Es ist mit 100 m² die größte in Europa. Am Kurfürstendamm befindet sich eine dreigeschossige Eingangs- und Werbefront.
Im April 2001 wurde im Gebäude für mehr als sieben Mio. Mark auf vier Etagen ein C & A-Kaufhaus mit einer Fläche von 7700 m² eröffnet (das ehemalige C & A-Warenhaus, 1966/67 erbaut, befand sich nur wenige Meter südlich an der Joachimstaler/Ecke Augsburger Straße). Eine sehr helle und freundliche Farbgestaltung, verbunden mit einer angenehmen Beleuchtung vermittelt den Besuchern Frische, Offenheit und Leichtigkeit.
Zum Kaufhaus gehört ein Stehcafé.