229. Kiezspaziergang mit Bezirksbürgermeisterin Kirstin Bauch

229. Kiezspaziergang

Von "Theaterkunst" bis zum Weltladen "A Janela"

  • Treffpunkt: “Theaterkunst” in der Eisenzahnstraße 43-44

Herzlich willkommen zu unserem 229. Kiezspaziergang. Die meisten von Ihnen kennen mich vermutlich inzwischen schon. Ich bin Kirstin Bauch, die Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf. Der Kiezspaziergang im März steht wie immer im Zeichen von Frauen, die unseren Bezirk prägen oder geprägt haben.

Station 1: „Theaterkunst“
Wir stehen hier vor dem „Theaterkunst“, Deutschlands größter Kostümfundus, der nicht nur von einer sehr engagierten Frau, Andrea Peters, geleitet wird. Fast alle Führungskräfte sind Frauen und etwa drei Viertel der Beschäftigten auch.
Theaterkunst ist das größte Kostümhaus Deutschlands. Das 1907 gegründete Unternehmen spezialisierte sich anfangs auf die Ausstattung von Theatern, Opern und Revuen. Ab 1919 wurden Filmproduktionen beliefert. Außer Bühnen- und Film- und Fernseh- bzw. Videoproduktionen wird die Werbebranche aus dem etwa 10 Millionen Teile umfassenden Sammlung versorgt. Angeboten werden neben Vermietung und Beratung auch historische Recherche für originalgetreue Kostüme sowie Entwurf, Anfertigung und Anprobe der Bekleidungsstücke. Ausgestattet werden Solokünstler und komplette Komparserien. Während des 2. Weltkrieges wurde der Fundus der Theaterkunst erheblich beschädigt und konnte erst nach Kriegsende wiederaufgebaut werden.
Seit den Nachkriegsjahren hat die Westberliner Theaterkunst ihren Sitz in der Eisenzahnstraße 43–44 hier in Wilmersdorf.

Wir gehen jetzt weiter zur Katharina-Heinroth-Grundschule, jenseits der Westfälischen Straße.

229. Kiezspaziergang

Station 2: Katharina-Heinroth-Grundschule/Münstersche Str. 15-17

Wir haben nun schon ein paar interessante Frauen kennengelernt. Im Rahmen des Frauenmärz wollen wir deshalb auch kurz hier haltmachen, um Ihnen Katharina Heinroth vorzustellen, die im März 2000 mit der Namensgebung dieser Grundschule geehrt wurde.

Am 3. August 1945 stand Katharina Heinroth, frisch benannte Leiterin des Berliner Zoos, vor einem Trümmerfeld. Der nationalsozialistische Zoodirektor Lutz Heck und seiner Mitarbeiter waren geflohen. Von rund 4000 Tieren hatten nur 91 den Krieg überlebt, Wasserleitung, die Kanalisation, elektrische Leitungen – alles war zerstört. Die Mauern, die das Zoogelände umgaben, waren zerbombt, der Straßenverkehr hatte sich quer hindurch den Weg geschlagen, die hungernden Menschen durchstreiften die zugänglichen Flächen nach essbaren Tieren. Katharina Heinroth, die in Breslau Zoologie, Botanik, Geografie und Geologie studierte und 1924 über das Hörvermögen von Reptilien promoviert hatte, war aber willens- und durchsetzungsstark genug, um den Berliner Zoo wieder zu dem werden zu lassen, was er vor dem Krieg war. Als erste deutsche Direktorin wurde sie 1950 in die Internationale Union von Direktoren Zoologischer Gärten gewählt.
Heinroth schuf in gut einem Jahrzehnt die Grundlagen für das Wiedererblühen des Zoos und steuerte ihn sicher durch Berlin-Blockade und Währungsreform.
Auch das damals sensationelle Flusspferdhaus, die die Tiere ganz nah und ohne Gitter an die Besucher:innen heranlässt, ging auf ihre Idee zurück. 1954 wurde das ebenfalls überwiegend durch Gräben abgesicherte Elefantenhaus eingeweiht – zur damaligen Zeit eine Sensation, die sich herumsprach, auch Prominenz anlockte. Josephine Baker reiste mit einer Schar Waisenkinder aus Amerika an, um die Berliner Elefanten aus der Nähe zu beobachten.
Im Dezember 1956 wurde Katharina Heinroth mit nur 59 Jahren in den Ruhestand versetzt – offiziell „aus Altersgründen“, in Wahrheit aber, weil der Aufsichtsrat den weiteren Wiederaufbau des Zoos nicht einer Frau überlassen wollte. Am 20. Oktober 1989 verstarb Katharina Heinroth mit 92 Jahren in Berlin.

Wir gehen weiter bis zur Münstersche Straße und treffen uns auf dem Wendekreis

229. Kiezspaziergang - jüdisches Bildungszentrum Rohr Chabad

Station 3: Jüdisches Bildungszentrum – Rohr Chabad/Münsterische Straße 6

Das Jüdische Bildungszentrum Chabad Lubawitsch Berlin wurde 2007 eröffnet. Zum Jüdischen Bildungszentrum gehört eine traditionelle Synagoge mit 250 Plätzen, ein jüdisches Ritualbad (Mikwe), ein koscheres Restaurant, eine Jeschiwa (Rabbinerausbildungsprogramm), Seminarräume, außerdem gibt es einen Festsaal, eine Bibliothek, eine Jugendlounge und einen Judaica-Laden. Es ist das größte jüdische Bildungszentrum in Europa und soll eine Begegnungsstätte verschiedener Kulturen sein.

120 jüdische Waisenkinder aus Odessa sind nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine vom jüdischen Bildungszentrum Chabad Lubawitsch aufgenommen worden. Es sind Kinder und Jugendliche im Alter von bis zu 18 Jahren, unter ihnen ein Baby und zwei anderthalbjährige Kleinkinder.

Wir gehen weiter zur Kreuzung Münsterische Straße/Brandenburgische Straße und bleiben hier stehen, weil auf der anderen Straßenseite zu wenig Platz für uns alle ist.

229. Kiezspaziergang - ehemaliges Hotel Artemisia

Station 4: heutige Hotel Ambert/Brandenburgische Str. 18

Wir sehen gegenüber das heutige Hotel Ambert an der Brandenburgische Str. 18, das 1989 unter dem Namen Hotel Artemisia als erstes Frauenhotel in Deutschland eröffnet wurde. Nur Frauen und Kinder (Jungs bis 14 Jahre) durften hier einchecken. Die Zimmer waren nach bedeutenden Frauen benannt und im gesamten Hotel befanden sich Kunstwerke von Künstlerinnen. Das Hotel richtete sich vor allem an Touristinnen und Geschäftsfrauen. Es gab in dem Hotel auch einen Tagungsraum für Seminare und ein ausgebautes Dachgeschoss mit Dachterrasse. 2006 wurde das Hotel sogar als frauenfreundlichster Betrieb unseres Bezirks ausgezeichnet. Heute ist es allerdings kein Frauenhotel mehr. Der Besitzer hat gewechselt, und nun ist es für alle Menschen gleich welchen Geschlechts offen.

Wir haben auch Herrn Hamman gebeten, uns aus Platzgründen hier zu treffen.

229. Kiezspaziergang - Chocolatier Hamann

Chocolatier Hamann/Brandenburgische Straße 17

In der Brandenburgischen Straße 17, ein Haus weiter, findet sich nämlich etwas ganz Besonderes: die traditionsreiche Schokoladenmanufaktur Erich Hamann, die sicher einige von Ihnen kennen, die es aber wahrscheinlich nicht mehr gäbe, wenn Anna Haman, die couragierte Ehefrau des Firmengründers den Familienbetrieb nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Tod ihres Mannes mit Hilfe ihrer Mitarbeiter nicht wiederaufgebaut und durch die schwierige Nachkriegszeit gebracht hätte. Doch wer könnte besser die Geschichte dieses Hauses erzählen, als ein Mitglied der Familie.

Erich Hamann wurde 1880 als Sohn eines Reeders und Kapitäns in Memel in Ostpreußen (heute Litauen) geboren. Er wurde Konditor und gründete 1912 seine Schokoladenmanufaktur in der Kurfürstenstraße, wo auch sein erstes Geschäft war.
Ringsum gab es damals Privatschulen. Viele der Schülerinnen waren seine ersten Kunden. Sie blieben ihm auch treu als er 1928 in die Brandenburgische Straße 17 zog, eine moderne Fabrik mit hellen Arbeitsräumen. Das Geschäft im Erdgeschoss der Manufaktur wurde von Johannes Itten entworfen und ist noch mit der Originaleinrichtung erhalten. Auch das Verpackungsdesign ist noch aus den Gründertagen. Johannes Itten war von 1919 bis 1923 Professor am Bauhaus in Dessau und hatte später eine eigene
Kunstschule in Berlin.
Hamann spezialisierte sich auf Bitterschokolade, womit er seinen Ruhm begründete. Auch heute noch wird die Schokolade nach Originalrezepturen von Erich Hamann hergestellt. 40 Tonnen Schokolade werden in der Brandenburgischen Straße pro Jahr verarbeitet, und zwar zu 70 Prozent dunkle Schokolade und zu 30 Prozent Vollmilchschokolade. Die Nachfrage nach Pralinen hat nachgelassen. Viel begehrter sind inzwischen andere Spezialitäten, wie Plattenschokolade, das sind die hauchfeinen Täfelchen, oder die Borkenschokolade.

Der zweite Weltkrieg kam mit all seinen Schrecken. Es gab keinerlei Rohstoffe mehr, das Personal wurde eingezogen. Die Läden mussten geschlossen werden, wurden durch Bomben zerstört. Ein Lebenswerk ging in die Brüche. Erich Hamann erlebte den schwierigen Wiederbeginn mit bescheidenen Rohstofflieferungen – inzwischen schwer erkrankt – zwar noch, erfassen konnte er ihn aber nicht mehr. Er starb Weihnachten 1949.

Wir haben nach diesen Informationen nun ein bisschen Weg vor uns. Wir gehen jetzt auf der Konstanzer Straße noch Norden und biegen dann rechts in die Düsseldorfer Straße ein. Wir machen dann wieder Halt am Haus Düsseldorfer Straße 47.

229. Kiezspaziergang - Gedenktafel Harvey

Station 5: Gedenktafeln Leon Jessel und Lilian Harvey/Düsseldorfer Straße 47

Gedenktafeln
1966 wurde diese Gedenktafel für Leon Jessel enthüllt:
“Hier lebte von 1925 bis 1941 der
Komponist Leon Jessel. Er starb
am 4. Januar 1942 an den Folgen
nationalsozialistischer Haft.”
Hier also hat der Komponist der berühmtesten deutschen Operette, des “Schwarzmädel”, bis zum seinem Tod nach der Gestapo-Haft gelebt. Auch er gehört zu der von den Nationalsozialisten zerstörten Vielfalt, als patriotischer Deutscher und als großer Komponist, der als Jude ausgegrenzt und schließlich in den Tod getrieben wurde.
Seine Witwe Anna Jessel gründete die Leon-Jessel-Stiftung und übertrug sie 1968 dem Bezirk Wilmersdorf. Bis heute werden aus der Stiftung vor allem bedürftige Familien unterstützt.

Die Gedenktafel für Lilian Harvey, die wohl vor allem die älteren Spaziergänger unter Ihnen noch kennen, wurde 1999 enthüllt:
“In diesem Haus lebte von 1925 bis 1930
die Filmschauspielerin
LILIAN HARVEY
19.1.1906 – 27.7.1968
Ihre Filme “Die drei von der Tankstelle”
“Der Kongreß tanzt” “Ein blonder Traum”
“Fanny Elßler” waren Welterfolge
Sie emigrierte 1939 aus Deutschland
und übernahm caritative Aufgaben in Frankreich
und in den USA”

Lilian Harvey stand 1926 erstmals mit Willy Fritsch vor der Filmkamera. 1930 wurden sie und Fritsch in dem Film “Liebeswalzer” zum Traumpaar des deutschen Films. 1931 sang sie in dem Film “Der Kongreß tanzt” den Schlager “Das gibt’s nur einmal”, der bis heute ein Evergreen ist. Sie wurde nach Hollywood eingeladen und drehte dort vier Filme.
1935 kehrte Harvey nach Deutschland zurück. Nachdem bekannt wurde, dass sie noch immer jüdische Kollegen in ihrem Haus empfing, wurde sie von der Gestapo beobachtet und galt in der Folgezeit als unzuverlässig. 1939 verließ sie schließlich Deutschland und emigrierte über Frankreich nach Hollywood. Zuvor war sie vor französischen Soldaten und in der Schweiz in Programmen für die Stärkung der Kriegsmoral aufgetreten. 1943 erkannte das NS-Regime ihr die deutsche Staatsbürgerschaft ab. 1946 ging sie nach Paris. Seit 1949 spielte sie auch wieder in deutschen Theatern. 1968 starb sie in ihrem Hotel in Südfrankreich.

Wir gehen weiter auf der Düsseldorfer Straße und biegen links in die Emser Straße ab. Wir treffen uns am Weltladen A Janela, Hausnummer 45, wo wir Elfi Jantzen treffen, die uns noch etwas zum Geschäft und dem Thema Fair Trade erzählen wird.

229. Kiezspaziergang - Weltladen A Janela

Station 6: Weltladen A Janela/Emser Straße 45

Der Weltladen A Janela wurde im November 1999 von einer Aktionsgruppe der katholischen Gemeinde St. Ludwig gegründet, um die Idee des fairen Handels in die Tat umzusetzen.
A Janela ist portugiesisch und bedeutet »Das Fenster«.
Träger ist der Verein »Eine Welt – St. Ludwig, Berlin Wilmersdorf e.V.«.
Auf eine Initiative startete im April 2010 eine Kampagne für die Fairtrade Town Charlottenburg-Wilmersdorf. Im Juni 2011 wurde unserem Bezirk der Titel Fairtrade Town verliehen.

Entlang des Weges - Bilder vom 229. Kiezspaziergang

  • 229. Kiezspaziergang - Kirstin Bauch und Andrea Peters im Theaterkunst
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