212. Kiezspaziergang am 10.8.19 mit Bezirksstadtrat Wagner

Kartenskizze 212. Kiezspaziergang vom 10.08.2019

Vom Fürstenbrunner Weg / Spandauer Damm bis zum Belvedere

Treffpunkt: Östliche Ecke Fürstenbrunner Weg / Spandauer Damm
Länge : ca. 1,9 km bzw. 4 km

Treffpunkt Fürstenbrunner Weg/Spandauer Damm

Treffpunkt Fürstenbrunner Weg/Spandauer Damm

Herzlich willkommen zu unserem 212. Kiezspaziergang. Ich bin Detlef Wagner, Bezirksstadtrat für Soziales und Gesundheit, und habe im April dieses Jahres die Nachfolge des verstorbenen Carsten Engelmann angetreten. Ich werde heute mit Ihnen in Vertretung des Bezirksbürgermeisters Naumann durch den Fürstenbrunner Weg spazieren. Wir werden als erstes von Frau Dr. Freybourg, die schon unter uns weilt und die ich ganz herzlich begrüßen möchte, über das Gelände des Klinikums Westend geführt. Danach werden wir von Frau Luckey am Trauerhaus des Bestattungsinstituts Grieneisen empfangen. Ein weiteres Highlight wird dann der Luisenfriedhof III sein. Dort erwartet uns Herr Höhne, der Chef-Planer des Friedhofes. Er wird uns sein Konzept vorstellen und Beispiele dazu zeigen. Der erste Teil des Kiezspaziergangs endet am Ausgang des Luisenkirchhofs III:

Da das Wetter nicht zu nass und nicht zu heiß ist, werden wir, das heißt, die, die noch Lust und Zeit haben, zur Spree hinunterlaufen und an ihr entlangwandern. Ich werde Ihnen etwas zu den Siemenswerken, dem geplanten Campus Siemensstadt und den neuen Plänen für die Siemensbahn sagen. Der zweite Teil des Kiezspaziergangs endet im Schlosspark Charlottenburg am Belvedere.

Ehe wir beginnen, möchte ich Ihnen den Treffpunkt des nächsten Kiezspaziergangs am Samstag, den 14. September, mitteilen. Der Spaziergang beginnt um 14 Uhr am Bundesplatz, und zwar vor dem Bundesplatz-Kino am Bundesplatz Nummer 14. Bezirksbürgermeister Naumann wird Sie durch den Volkspark Wilmersdorf, durch die Babelsberger und Helmstedter Straße zum Fest der Vielfalt am Prager Platz führen.

Bevor wir nun unsere Route beginnen, möchte ich an das morgige hundertjährige Jubiläum der Weimarer Verfassung erinnern, die am 11. August 1919 nach siebenmonatigen Beratungen und Diskussionen verabschiedet wurde. Die Weimarer Verfassung, wie später das Grundgesetz, übernahm viele Passagen wörtlich aus der in der Paulskirche in Frankfurt am Main verabschiedeten Verfassung des Deutschen Reiches vom April 1849, die nie in Kraft trat. Die Weimarer Verfassung, hervorgegangen aus der Revolution vom November 1918, in deren Nachgang das Frauenwahlrecht eingeführt wurde, begründete die erste parlamentarische Demokratie in Deutschland.

Station 1: Pavillon in der Mauer der DRK Kliniken Westend

Zu diesem Pavillon finden sich sehr wenige Informationen, was sehr erstaunlich ist, in unserer von Informationen überfluteten Welt. Die Seitenflügel des Pavillons wurden schon immer als öffentliche Toilette genutzt. In den späten 1980er-Jahren zog eine Pizzeria ein. Als diese den Standort aufgab, stand der Pavillon ungefähr 15 Jahre leer, und wir sind wirklich froh, dass nun ein Blumenladen einziehen wird. Die notwendigen Renovierungsarbeiten dauern nun schon fast ein Jahr an. Wir rechnen aber bald mit einer Eröffnung.

Station 2: Spandauer Damm 130 / DRK Kliniken Westend

Das Krankenhaus Westend gehört heute zur Deutschen Roten Kreuz Schwesternschaft und ist gleichzeitig akademisches Lehrkrankenhaus der Charité.

Das ehemalige Städtische Krankenhaus der Stadt Charlottenburg wurde ab 1895 geplant und von 1901 bis 1907 von den Architekten Schmieden & Boethke erbaut. Die in sich geschlossene ursprüngliche Krankenhaus-Anlage mit den roten Backsteingebäuden ist im Stil der deutschen Neo-Renaissance errichtet. 1904 wurde bereits ein Teil des Krankenhauses eröffnet, so dass in diesem Jahr ein Jubiläum gefeiert werden kann. Von 1912 bis 1916 entwarfen der Stadtbaurat Heinrich Seeling und der Architekt Richard Ermisch die Erweiterungsgebäude, die sie ringförmig um die Gebäude von Schmieden & Boethke anlegten. Der berühmte Krankenhausgarten wurde 1913 von dem Charlottenburger Gartenarchitekt Erwin Barth entworfen. 1930 wurde ein Röntgenhaus gebaut.

Von 1963 bis 1968 folgte der Neubau der damals sogenannten ‘Kopfklinik’. Er wurde nach einem Entwurf Peter Poelzigs von Josef Paul Kleihues ausgeführt und besteht aus zwei miteinander verbundenen Baukörpern, dem Bettenhaus als Hochhausriegel und dem Behandlungs- und Operationstrakt. Ende der 1990er-Jahre wurde die Krankenhausanlage umfassend saniert. Die denkmalgeschützten Anlagen und Gebäude sind innen hochmodern und nach neuesten Klinikerfordernissen ausgestattet.

Gottfried Benn war nicht nur Dichter, sondern auch Arzt und hatte ab Oktober 1912 eine Assistentenstelle in der Pathologie im Städtischen Krankenhaus Charlottenburg. Am 20.5.2006 wurde am Gebäude des Pathologischen Instituts eine Gedenktafel für ihn enthüllt.

Darauf steht:

bq. Der Dichter Gottfried Benn (1886-1956)
arbeitete in den Jahren 1912/13
als Arzt am Pathologischen Institut
des Krankenhauses Westend.
Seine frühen Dichtungen sind geprägt
von seinen Eindrücken als Pathologe.

1912 wurde er Doktor der Medizin und veröffentlichte auch seinen ersten Gedichtband Morgue und andere Gedichte, der seine Arbeit in der Pathologie thematisierte und aus dem ich gleich ein Gedicht vortragen werde. Wegen seiner innovativen Sprache wurde er schnell bekannt, Höhepunkte seiner künstlerischen Laufbahn lagen in der Zeit des Expressionismus und in der Nachkriegszeit.

Hier ein Beispiel seiner Dichtkunst:

Kleine Aster

bq. Ein ersoffener Bierfahrer wurde auf den Tisch gestemmt.
lrgendeiner hatte ihm eine dunkelhelllila Aster
zwischen die Zähne geklemmt.
Als ich von der Brust aus
unter der Haut
mit einem langen Messer
Zunge und Gaumen herausschnitt,
muß ich sie angestoßen haben, denn sie glitt
in das nebenliegende Gehirn.
Ich packte sie ihm in die Brusthöhle
zwischen die Holzwolle,
als man zunähte.
Trinke dich satt in deiner Vase!
Ruhe sanft,
kleine Aster!

Nun steht ja nun seit einer Weile Frau Dr. Freybourg neben mir, der ich nun das Mikrofon und die Führung über das Gelände übergebe.

Vielen Dank, Frau Dr. Freybourg!

Wir überqueren nun den Fürstenbrunner Weg und treffen uns wieder vor dem Trauerhaus des Bestattungshaus‘ Grieneisen.

Station 3: Fürstenbrunner Weg 10-12 / Bestattungsinstitut Grieneisen

Ich begrüße ganz herzlich Frau Luckey als Vertreterin der Bestattungsfirma Grieneisen. Grieneisen ist mit innovativen Bestattungskonzepten vorangegangen und hat 2004 diese neue Trauerhalle, das Haus der Begegnung, eingeweiht, vor allem für all diejenigen, die nicht in einer christlichen Kapelle von ihren Liebsten Abschied nehmen möchten. Ich möchte hier auch an meinen geschätzten Vorgänger Carsten Engelmann erinnern, uns ja leider viel zu früh verlassen hat. Zu seinen Lebzeiten hat er gemeinsam mit der Firma Grieneisen verschiedene Sozialprojekte auf den Weg gebracht.

Grieneisen gibt es schon fast 200 Jahre. Die Firma wurde 1830 durch den Tischlermeister Friedrich Julius Grieneisen als Sargtischlerei gegründet und hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Denn 1869 wird das Bestattungswesen in Preußen privatisiert und Grieneisen kaufte Pferd und Wagen hinzu und wurde Bestatter.

Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgte die erste Übernahme. Die Söhne der berühmten Meierei Bolle kauften die Firma Grieneisen auf. Es sollten noch viele folgen, denn heute ist die Marke Grieneisen Teil eines deutschlandweit agierenden Unternehmens. 1914 wurde das erste Automobil gekauft. Wichtig für die Bekanntheit des Unternehmens war auch die Zusammenarbeit mit Egon Eiermann, dem Architekten des Neubaus der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am Breitscheidplatz. Egon Eiermann gab den Ladengeschäften ein einheitliches, wieder erkennbares Aussehen, entwickelte das Firmenlogo und entwarf Särge, zum Beispiel für die Überführung ins Ausland.

Nun möchte ich aber endlich Frau Luckey die Gelegenheit geben, ihr Unternehmen vorzustellen. Ich freue mich auf Ihre Ausführungen.

Vielen Dank, Frau Luckey!

Wir überqueren nun vorsichtig die Straße und gehen links den Fürstenbrunner Weg hinunter, bis wir zum ersten Eingang des Luisenkirchhof III kommen, wo uns Herr Höhne erwartet.

Führung über den Friedhof mit Herrn Höhne

Führung über den Friedhof mit Herrn Höhne

Station 4: Fürstenbrunner Weg / Luisenkirchhof III

Ich begrüße nun ganz herzlich Herrn Höhne. Er ist Landschaftsarchitekt und zuständig für die Verwaltung der Kirchhöfe der Evangelischen Luisen-Kirchengemeinde. Herzlich willkommen in unserer Runde! Ehe ich Herrn Höhne die Führung über den Friedhof übergebe, noch ein paar kurze Hinweise zu Geschichte der Luisenfriedhöfe.

Es gab drei Luisenkirchhöfe, der älteste in der Guerickestraße wurde 1815 außerhalb der Stadtgrenzen von Charlottenburg angelegt- Die früheren Begräbnisstätten waren auf dem Hof der Kirche des Dörfchens Lützow. Als dieser zu klein wurde, zog man auf die andere Seite der Stadtgrenze.

Im August 1831 gab es eine Choleraepidemie in Charlottenburg. Man brauchte Platz für die vielen Toten. Ein Teil wurde in den sogenannten Sandgruben am Spandauer Berg beigesetzt. Zwanzig Jahre später wurde zwar die Umwandlung zu einem regulären Friedhof, dem Luisenfriedhof II, beschlossen, der Beschluss wurde aber erst 1866 bei einem erneuten Choleraausbruch umgesetzt.

Durch die starke Zunahme der Bevölkerung Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Luisenfriedhof II schon bald wieder zu klein. Auf dem Gelände einer kircheneigenen, weiteren Sandgrube auf dem Spandauer Berg wurde deshalb weit außerhalb der damaligen Bebauung ein neuer Friedhof angelegt. Geplant wurde er 1884 von dem Landschaftsgärtner Otto Vogeler, der einen Alleequartierfriedhof mit einheimischen Pflanzen anlegte. 500 Alleebäume, vorwiegend Linden, Ahorne und Eichen, sowie 4500 weitere Gehölze wurden gepflanzt. Der Luisenfriedhof III wurde 1891 eröffnet. Der erstmals 1895 erweiterte Luisenfriedhof III umfasst heute eine Fläche von 121.514 m², die im Süden an das Gelände der DRK-Kliniken Westend anschließt und im Norden durch den Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Friedhof begrenzt wird.

Für alles Weitere übergebe ich nun das Mikrofon an Herrn Höhne.

Vielen Dank, Herr Höhne für die spannende Führung durch Ihr Reich!

Hier beende ich nun den ersten Teil des Kiezspaziergangs. Der zweite Teil führt uns an der Spree entlang zum Teehaus Belvedere im Schlosspark Charlottenburg. Aus Anlass meines ersten Kiezspaziergangs darf ich mich von den Damen unter Ihnen, die jetzt gehen, mit einer Rose verabschieden. Ich möchte nochmals für diejenigen, die uns jetzt verlassen, auf Zeit- und Treffpunkt des Septemberspaziergangs hinweisen, der wieder von Bezirksbürgermeister Naumann geführt werden wird. Er beginnt am Samstag, den 14.9.2019, um 14 Uhr auf dem Bundesplatz, und zwar vor dem Kino am Bundesplatz 14. Enden wird er beim Fest der Vielfalt am Prager Platz.

Wir verlassen nun den Friedhof und gehen den Fürstenbrunner Weg hinunter bis zur Spree. Dort nehmen die, die auf der rechten Straßenseite gehen, die Treppe hinunter zur Spree, die die auf der linken Straßenseite gehen, biegen links ab und nehmen den Weg rechts unter der Brücke hindurch. Wir laufen dann an der Spree entlang in Richtung Osten und treffen uns wieder an der abgebrochenen Brücke der Siemensbahn, die auf der gegenüberliegenden Spreeseite zu sehen ist.

Siemenswerke gegenüber der Spree

Siemenswerke gegenüber der Spree

Station 5: Brücke der Siemensbahn

Station 5.1: Siemenswerke

Gegenüber auf der anderen Seite der Spree stehen seit Ende des 19. Jahrhunderts die Siemenswerke. Die Siemens AG wurde 1847 als Telegraphen-Bau-Anstalt von Werner Siemens und Johann Georg Halske gegründet. Der erste Sitz war in Mitte, doch bereits 1862 kaufte Siemens ein Grundstück am Salzufer 2, das 1915 an Mercedes Benz verkauft wurde und wo sich heute die Mercedes-Welt befindet. Ein weiteres Werk in Charlottenburg war in der Franklinstraße.

Mit der zunehmenden Industrialisierung zeigte sich, dass die großen Unternehmen zu groß für die gewachsenen Städte waren. Deshalb baute Siemens 1899 ein drittes Werk auf den Nonnenwiesen gegenüber, die 1914 den Namen des Unternehmens annahmen, Siemensstadt. 1904 wurde das Werk in Berlin-Mitte geschlossen. Der Standort am Landwehrkanal in Charlottenburg wurde 1929 aufgegeben. Wenn sich bisher Städte um ein Zentrum mit Kirche und Rathaus bildeten, war in Siemensstadt das Zentrum der Konzern. Darum gruppierten sich die Wohnungen für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Geschäfte, Schulen usw. Ein großer Paradigmenwechsel: Die Macht war von Kirche und Politik zur Wirtschaft gewechselt.

Zur Architektur der Siemenswerke zitiere ich nun aus der Denkmaldatenbank des Landes Berlin:

bq. Der Siemens-Architekt Karl Janisch stellte dem Verwaltungsbau mit dem eindrucksvollen Dynamowerk eine Kathedrale der Technik gegenüber. Die Strategiezentrale wurde architektonisch mit der Großmontagehalle für den von Werner von Siemens erfundenen Dynamo zu einem einheitlichen Komplex zusammengeschlossen. Die nächsten vierzig Jahre der Firmenarchitektur bestimmte der Architekt Hans Hertlein, der mit seiner unverwechselbaren Industriearchitektur einen “Siemens-Stil” schuf. Zu seinen wichtigsten Bauten in der Siemensstadt gehören die 1916 begonnenen und bis 1928 in mehreren Bauabschnitten erweiterte Shedhalle und die von 1926 bis 1928 erbaute zehngeschossigen Gebäudescheibe des Schaltwerkes am Nonnendamm, der in zwei Bauabschnitten von 1928 bis 1930 und 1936/37 errichtete Wernerwerk-Hochbau am Siemensdamm und die in vier Bauabschnitten 1924 bis 1941 entstandenen fünf- bis zehngeschossigen, dreifach abgewinkelten markanten Baukörper des Wernerwerkes XV am Siemensdamm.
Waren die roten Klinkerfassaden seiner ersten in Stahlskelettbauweise errichteten Hochbauten noch pfeilergegliedert, durch vorgerückte mächtige Treppentürme akzentuiert und in den obersten Geschossen gestaffelt, entwarf Hertlein ab den 1930er-Jahren glatte Gebäudekuben, die mit ihren sich durchdringenden, verschieden hohen Flügelbauten und hoch aufragenden Treppentürmen eine bewegte Silhouette bieten.

Der Konzern gehört heute weltweit zu den größten Unternehmen der Elektrotechnik und ist in 190 Ländern vertreten. Allein in Deutschland hat er 125 Standorte. Sitz des Unternehmens ist München und Berlin. Siemens hat weltweit rund 379.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und hatte 2018 einen Umsatz von 83 Milliarden €.

Letztes Jahr beschloss der Konzern auf dem denkmalgeschützten Industrieareal seinen Innovations-Campus Siemensstadt 2.0 zu errichten. Der Campus soll eine Fläche von 940.000 m² umfassen, eine riesige Fläche, der Alexanderplatz würde 32 Mal hineinpassen.

Der Konzern will bis 2030 600 Millionen € in den Campus investieren. Es soll angeknüpft werden an die Idee der Siemensstadt von 1897, damals wurden neben den Arbeitsplätzen in den Industriehallen, werkseigene Wohnungen für die Arbeiter und Arbeiterinnen geschaffen, aber auch Schulen, Kirchen, Parks und Freizeiteinrichtungen wurden mitgedacht. Forschen, Arbeiten und Wohnen waren an einem Ort vereint. Diese Idee möchte Siemens nun mehr als hundert Jahre später wieder aufgreifen und eine Smart City schaffen, mit innovativen Wohn- und Arbeitskonzepten, kooperativen Forschungsprojekten und dem Ausbau der eigenen Sparten Gas und Energie, Automatisierung, industrielle Digitalisierung, Elektromobilität und intelligente Infrastruktur. Geforscht werden soll also unter anderem an Lösungen für das Internet der Dinge, künstliche Intelligenz und Industrie 4.0. Bestimmte Technologien, etwa selbstfahrende Autos, sollen auch direkt auf dem Campus getestet werden. Der Senat hat Siemens dafür zugesagt, das Gelände mit Glasfaseranschluss zu versorgen, so dass jeder Arbeitsplatz eine Internetverbindung im Gigabit-Bereich hat.

Die neuen Gebäude sollen zum größten Teil auf dem Areal der heutigen Siemensstadt entstehen. Aber auch das Gasturbinenwerk in der Huttenstraße wird einbezogen. Inzwischen wurde ein städtebaulicher Wettbewerb ausgelobt, um das schwierige Gelände mit seinen Freiflächen und denkmalgeschützten Altbauten neu zu sortieren. 17 namhafte Architekturbüros sind eingeladen, ihre Vorstellungen zu präsentieren. Wie in Berlin üblich sollen 30 Prozent der geplanten rund 3.000 Wohnungen mietpreisgebunden sein. Denkmalgeschützte Gebäude bleiben selbstredend erhalten und auch soziale und kulturelle Einrichtungen sind Bestandteil der Planungen. Am 8. Januar 2020 will die Jury dann ihre Entscheidung bekanntgeben. Der Gewinnerentwurf wird dann der Masterplan für die städtebauliche Entwicklung des Geländes. Die Bauarbeiten sollen 2022 beginnen.

Der Forschungsarm des Siemensstadt-Projekts ist das Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science. Hier werden Zukunftstechnologien erforscht, getestet und produziert. Das Besondere ist, dass Forschung und Wissenschaft am selben Ort wie die Produktion stattfinden, so dass Ideen direkt industriell verwertet werden können. Im Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science kooperieren bereits über 25 Partner miteinander, u.a. TU Berlin, Fraunhofer-Gesellschaften, Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Siemens, Start-ups sowie kleine und mittelständische Unternehmen. Eine weitere bereits realisierte Einrichtung ist das A 32 Entrepreneurs-Forum Berlin Siemensstadt. Es wurde am 22. März 2019 eröffnet. Der Industrie- und Wissenschafts-Campus Berlin (IWCB) ist ist auch bereits umgesetzt. Bestandteile dieser Zusammenarbeit von Forschung und Industrie sind Digitalisierung, Additive Manufacturing und neue Werkstoffe/ Beschichtungen mit bisher 30 Partnern.

Der Berliner Senat hat die Siemensstadt zur Unterstützung des Projekts zum elften Berliner Zukunftsort erklärt. Zukunftsorte sollen als Standorte Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung verknüpfen, also genau das, was Siemens hier vorhat. Die Rolle des Landes Berlin dabei ist die, die Erschließung der Gebiete zu optimieren. Dazu gehören der Anschluss an das und die Optimierung der Verkehrswege, in diesem speziellen Fall die Wiederinbetriebnahme der Siemensbahn. Das Gelände muss auch noch von einem Industriegebiet in ein „urbanes“ Gebiet umgewidmet werden, damit überhaupt Wohnungen und andere Nutzungen möglich sind. Aus den Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) werden Bund und das Land Berlin je 7,5 Millionen € beisteuern.

Station 5.2: Siemensbahn

Mit der Gründung des neuen Siemensstadt-Campus hat der Senat zugesichert, die stillgelegte Siemensbahn wieder zu aktivieren und bis zum Bahnhof Jungfernheide zu verlängern. Die 4,5 km lange Siemensbahn wurde 1929 als Stichbahn vom Bahnhof Jungfernheide zum Bahnhof Gartenfeld in Spandau eröffnet. Sie wurde von der Firma Siemens auf eigene Kosten gebaut, um die rund 60.000 Siemens-Beschäftigten nach Siemensstadt zu befördern. Eine geplante Weiterführung nach Haselhorst, Hakenfelde und Hennigsdorf wurde nicht realisiert. Geplant wurde sie von Hans Hertlein und Richard Brademann. Die Bahn wurde gut angenommen. Bis zu 12 Züge fuhren pro Stunde zwischen Gartenfeld und Jungfernheide in jede Richtung. An den Wochenenden wurde die Bahn von Ausflüglern genutzt.

Nach dem S-Bahn-Streik am 18.9.1980 wurde die Strecke still gelegt. 2007 beantragte die Deutsche Bahn beim Eisenbahn-Bundesamt, die Strecke zu entwidmen. Dem widersprach allerdings der Berliner Senat, der sich die Möglichkeit offenhalten wollte, die Wasserstadt Spandau oder das Gelände des Flughafens Tegel an das S-Bahn-Netz anzuschließen.

Und jetzt ist es so weit! Durch den Bau des Campus Siemensstadt kommt Bewegung in die Verfahren. Die Deutsche Bahn rechnet damit, dass die Arbeiten etwa acht Jahre dauern werden. Es gibt auch viel zu tun, denn wie Sie sehen, muss nicht nur die Brücke über die Spree neu gebaut werden, sondern auch der Anschluss zum S-Bahnhof Jungfernheide. Der Zustand der noch vorhandenen Bahnanlagen ist ruinös, man muss ihren Zustand prüfen und dann überlegen, wie sie am besten instandgesetzt werden können. Ich selbst war anwesend, als der Regierende Bürgermeister mit Vertretern der Bahn-AG und der Siemenswerke den Wiederaufbau besiegelte.

Wichtig ist aber die Botschaft: Hier in Charlottenburg-Nord und dem östlichen Spandau wird Zukunft geschrieben.

Station 6: Hinter der Rudolf-Wissell-Brücke

Station 6.1: Rudolf-Wissell-Brücke

Die Rudolf-Wissell-Brücke wurde 1961 gebaut und ist mit 932 Metern die längste Einzelbrücke in Berlin. Sie ist nach dem SPD-Politiker Rudolf Wissell benannt, der in der Weimarer Republik Reichswirtschafts- und Reichsarbeitsminister war.

Auf der Rudolf-Wissell-Brücke verkehren täglich 180.000 Fahrzeuge. Sie ist also schweren Belastungen ausgesetzt, aber natürlich auch in die Jahre gekommen. Sie ist inzwischen so marode, dass sie neu gebaut werden muss. 2017 wurde ein Wettbewerb für den Neubau durchgeführt, der von dem Ingenieurbüro Leonhardt, Andrä und Partner gewonnen wurde. Die Pläne sehen vor, dass zuerst eine neue Brückenkonstruktion östlich der bisherigen Brücke errichtet wird. Diese wird 17,50 Meter breit sein und während der zweiten Bauphase den gesamten bisherigen Verkehr in beiden Richtungen aufnehmen. Danach wird in einem Abstand von 60 Metern anstelle des bisherigen Tragwerks ein zweiter Brückenüberbau entstehen, der in kleinen Schritten zugleich den Abriss der maroden Brückenteile als auch den Neubau ermöglichen soll: Große Stahl-Hohlkörper werden auf die alte Konstruktion gelegt, die mit Hilfsstützen stabilisiert wird. Unter der Trägerkonstruktion werden die alten Brückenelemente zerteilt und abtransportiert. Wenn alles abgetragen ist, entstehen neue Brückenpfeiler. Beton und Asphalt komplettieren dann das zweite Tragwerk der künftig zweiteiligen Brücke. Die geschätzten Baukosten betragen 200 Millionen €. Mit dem Neubau wird voraussichtlich 2023 begonnen werden.

Station 6.2: Atelierhaus Nonnendamm 17

Das Areal auf der Charlottenburger Schleuseninsel gegenüber wurde in den 1880er-Jahren des 19. Jahrhundert von Ernst Nürnberg bebaut. 1896 eröffnete Georg Heine eine Schweinemästerei. 1898 übernahm die Charlottenburger Chemische Fabrik Urban & Lemm das Grundstück und ließ den Schweinestall nach Entwürfen von Gustav Weyhe zum Kesselhaus umbauen. Der von dem Unternehmer Otto Lemm 1893 gegründete Familienbetrieb wurde zu einem der führenden Schuhcreme- und Metallputzmittelproduzenten. Durch sein Markenprodukt “Urbin” wurde Lemm reich und ließ sich 1907 in Gatow an der Havel die Villa Lemm bauen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden zahlreiche Erweiterungsbauten auf dem Gelände errichtet. In den 1920er-Jahren zog die Firma Urban & Lemm nach Reinickendorf. Die Gebäude verfielen und wurden im Zuge Havelausbaues in den 1990er-Jahren bis auf das vor uns stehende Gebäude abgerissen.

In diesem wurde Ende der 1960er-Jahre ein Atelierhaus eingerichtet, in dem Künstler und Künstlerinnen Ateliers zu bezahlbaren Preisen anmieten können. Es befindet sich in Bezirkseigentum, die Verwaltung obliegt seit 2001 aber der GSE gGmbH. Diese erhielt eine Anschubfinanzierung, die Bewirtschaftung, Instandsetzung und Modernisierung des Hauses wurden und werden aus den Mieteinnahmen bestritten. Die Projekte sahen in einem ersten Schritt die Instandsetzung des Kellers und des Erdgeschosses sowie den Einbau einer Zentralheizung vor. Des Weiteren sollten im Erdgeschoss sechs Ateliers im Wesentlichen für Bildhauer entstehen. Ateliers für bildende Künstler wurden im Dachgeschoss eingerichtet. Es wird laufend in die energetische Verbesserung des Hauses investiert. Heute gibt es auf ca. 2.500 m² 29 Ateliers und eine Werbewand an der Westfassade. 27 Künstler und Künstlerinnen arbeiten in dem Haus. Die Vergabe der Ateliers erfolgt über die Kommunale Galerie des Bezirksamtes. Die Durchschnittsmiete beträgt inkl. Nebenkosten knapp € 7,00/m². Die Standardgröße eines Ateliers beträgt um die 50 m².

Nun gehen wir weiter an der Spree entlang zu unserem letzten Halt am Belvedere im Schlosspark.

Station 7: Belvedere

1788/89 wurde das Belvedere errichtet, das damals noch auf einer Insel stand und nur mit einer Fähre erreichbar war. Belvedere kommt aus dem Italienischen, es steckt sowohl das Wort schön=bel und sehen=vedere darin. Carl Gotthard Langhans entwarf das ursprünglich als Aussichtsturm und Teehaus geplante und genutzte Gebäude für König Friedrich Wilhelm II. Man kann hier gut den Übergang vom Barock zum Klassizismus erkennen. Der Grundriss ist ein Oval mit vier Rechtecken. Eine kupferbeschlagene Kuppel schließt das Gebäude nach oben hin ab. Auf dieser stehen drei vergoldete Knaben, die einen Blumenkorb auf ihren Köpfen halten. Sie stammen von Karl Bobek, der im 20. Jahrhundert die ursprüngliche Gruppe von Johann Eckstein frei interpretierte. König Friedrich Wilhelm II. nutzte den Pavillon zu persönlichen Aufführungen kammermusikalischer Werke. Das Belvedere wurde durch einen Bombenangriff 1943 erheblich zerstört und zwischen 1956 und 1960 vereinfacht wieder aufgebaut. Heute befindet sich dort eine Sammlung von Meisterwerken der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin. Zu sehen sind unter anderem Tafelservice des Rokoko und des Klassizismus, Prunkvasen mit Ansichten königlicher Schlösser und Gärten und Tassen, die an die Befreiungskriege erinnern.

Bevor ich Sie nun in das restliche Wochenende entlasse, möchte ich Sie noch zu einem Jubiläumsfest einladen: Das Kiezbündnis Klausenerplatz feiert heute seinen 20. Geburtstag auf dem Klausenerplatz mit einem rauschenden Straßenfest. Der Eintritt ist frei und der Klausenerplatz von hier nicht weit. Also, wenn Sie dorthin eilen, wünsche ich Ihnen viel Spaß!

An dieser Stellt auch noch einmal Zeit- und Treffpunkt des Septemberspaziergangs, der wieder von Bezirksbürgermeister Naumann geführt werden wird. Er beginnt am Samstag, den 14.9.2019, um 14 Uhr auf dem Bundesplatz, und zwar vor dem Kino am Bundesplatz 14. Enden wird er beim Fest der Vielfalt am Prager Platz. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Bis zum nächsten Mal!

Quellen: