Station 1.1: Steinplatz / Herkunft des Namens
Der Steinplatz ist nach dem Staatsreformer Freiherr vom und zum Stein benannt, der von 1757 bis 1831 gelebt hat. Er ist einer der Protagonisten der Stein-Hardenbergischen Reformen, auch preußische Reformen genannt. Die preußische Niederlage gegen Napoleon 1806 zwang den König Friedrich Wilhelm III., eine Modernisierung des Staates einzuleiten und Ideen der Aufklärung aufzugreifen. In Steins Amtszeit fielen das Oktoberedikt von 1807, das die Leibeigenschaft der Bauern aufhob, und die Städteordnung von 1808, in der die preußischen Provinzen, Kreise und Gemeinden ihre Selbstverwaltung zurück erhielten. Stein setzte auf Dezentralisation und kollegiale Führung und leitete dadurch die Abwendung vom Absolutismus ein. Der König delegierte einen Teil der Verantwortung an Spitzenbeamte, die ihre Gebiete mit einer gewissen Eigenständigkeit verwalteten. Dabei ging es sowohl um die Fachressorts als auch um die Leitung neu gebildeter Provinzen und Regierungsbezirke. Einen
preußischen Staat hat es vor 1806 eigentlich nicht gegeben, sondern es gab verschiedene Länder, Provinzen und Staaten, die zu einem beträchtlichen Teil nur von der Person des Königs zusammengehalten wurden. In der Ära Steins und Hardenbergs wurde also aus den preußischen Staaten ein einheitlicher preußischer Staat.
Die Befreiung der Bauern aus der Leibeigenschaft hatte eine Verarmung von großen Teilen der Landbevölkerung zur Folge. Dies bewirkte eine starke Zuwanderung in die Städte auf der Suche nach Arbeit, die sich mit der Industrialisierung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts noch verstärkte. Wir erinnern uns an die schwindelerregende Zunahme der Bevölkerung in Charlottenburg in jener Zeit. Sie wurde hauptsächlich von der Landbevölkerung getragen, die in der Stadt ihr Glück suchte.
Der Steinplatz wurde als gründerzeitlicher Schmuckplatz erstmalig 1885 angelegt. Der erste erkennbare Umbau wurde nach Plänen des Gartenbaudirektors von Charlottenburg, Erwin Barth, in den späten 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts realisiert. Die Mitte des Platzes wurde von Barth mit dem Standbild der Flora herausgehoben. Der Kapitellstein der Säule, auf der sie stand, wurde bei der Neuanlage als Relikt der ursprünglichen Grünanlage integriert. Der Verbleib der Flora ist uns nicht bekannt.
Um 1950 wurde der Platz durch den damaligen Charlottenburger Gartenbauamtsleiter Joachim Kaiser mit Gehölzrahmen und Blumenrabatten neu gestaltet. An der nordwestlichen Platzecke errichtete man 1951 einen Gedenkstein für die Opfer des Stalinismus, 1953 kam ein Gedenkstein für die Opfer des Nationalsozialismus an der südöstlichen Ecke hinzu. Muschelquadersteine der zerstörten Synagoge in der Fasanenstraße wurden dafür verwendet. Es war das früheste West-Berliner Denkmal für NS-Opfer. 1987 wurde auf dem Platz zudem eine Büste des Freiherrn vom und zum Stein als Geschenk des Deutschen Städtetags zur 750-Jahr-Feier Berlins aufgestellt.
Die letztlich in die Jahre gekommene Grünanlage bildete durch ihre massiven Gehölzflächen einen abgeschlossenen Raum, der kaum einsehbar war und nur wenige Bezüge zum umliegenden Stadtquartier hatte. Die Initiative zum Umbau des Steinplatzes wurde 2014 durch den damaligen Baustadtrat Marc Schulte inhaltlich und organisatorisch befördert. In ersten Anrainergesprächen bot sich das Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung der TU Berlin an, einen Landschaftsplanerischen Wettbewerb unter den Masterstudenten des Fachbereiches auszuloben, um ein breites Spektrum an Umgestaltungsideen zu erhalten. Der Siegerentwurf überzeugte die Anrainer, das Bezirksamt und die finanzierende Senatsverwaltung. Am 17. August 2018 übergab Stadtrat Schruoffeneger den Steinplatz der Öffentlichkeit. Die Eröffnungsveranstaltung bildete den Auftakt einer Reihe von künstlerischen Performances und Installationen, die in diesem und den folgenden Jahren für die Dauer von ca. neun Wochen
pro Veranstaltung und Jahr im Bereich und mit Bezug auf den Steinplatz umgesetzt werden sollen.
Station 1.2: Steinplatz 4 / Hotel am Steinplatz
Das Haus wurde 1906/1907 von dem Architekten August Endell gebaut. August Endell wurde 1871 in Berlin geboren und starb dort 1925. Bekannt wurde er unter anderem wegen seines Entwurfs des ersten Hofes der Hackeschen Höfen und des Festsaals, in dem sich heute, denkmalgerecht restauriert, das Variété Chamäleon befindet. Endell war Autodidakt. Seine Ideen entstanden aus seiner Beschäftigung mit der Wahrnehmung und ihrer Bedeutung für den Menschen: Es galt aus dem Vielen eine Einheit zu formen. Das Hotel am Steinplatz ist ein herausragendes bauliches Zeugnis des Jugendstils in Berlin. Besonders auffallend ist die denkmalgeschützte olivgrüne Fassade mit zwei Erkern, geometrischen Stuckelementen und unterschiedlich geformten Sprossenfenster. Der Stuck besteht aus Wald- und Nachtmotiven.
Nach seiner Errichtung 1907 diente das Gebäude zunächst als Wohnhaus. 1913 eröffnete Max Zellermayer dann das Hotel am Steinplatz. Es war ähnlich luxuriös wie das größere Adlon. Nach der Oktoberrevolution 1917 zogen russische Adelige und Intellektuelle in die herrschaftlichen Suiten. Das Hotel wurde zum Treffpunkt prominenter Berliner und Reisender, wie zum Beispiel Vladimir Nabokov, Yehudi Menuhin und Zarah Leander.
Während des Zweiten Weltkrieges ging der Betrieb eine Weile improvisiert weiter, ehe es dann doch schließen musste. 1947 wurde es wieder eröffnet. Mit der Künstlerbar Volle Pulle im Untergeschoss etablierte sich ab 1950 der Steinplatz als Treffpunkt und heimliche Bühne von Künstlern, Schauspielerinnen und Intellektuellen. Heinrich Böll, Günter Grass und Romy Schneider verkehrten hier.
Später diente das Gebäude als Seniorenheim und danach stand es leer. Nach dreijähriger Renovierung und Umbau wurde es im Dezember 2013 als 5-Sterne-Hotel wieder eröffnet. Heute wird das Hotel von Marriott International betrieben.
Station 1.3: Steinplatz 3 / Mietshausgruppe
Das Eckgebäude Steinplatz/Carmerstraße/Uhlandstraße wurde von 1894 bis 1895 gebaut. Architekten waren Gustav Haase, Knoll, Bielenberg und Moser. Die Anlage steht unter Denkmalschutz.
Station 1.4: Steinplatz 3 / Gedenktafel für Bernhard Weiß
2008 wurde am Steinplatz 3 eine Berliner Gedenktafel für Bernhard Weiß enthüllt. Sie enthält folgenden Text:
bq. In diesem Haus lebte bis zum März 1933
BERNHARD WEISS 30.7.1880 – 29.7.1951
Jurist, Polizeivizepräsident in Berlin von 1927 bis 1932
Als Jude und Demokrat vom NS-Regime verfolgt
mußte er nach der Erstürmung seiner Wohnung durch die SA
über Prag ins Londoner Exil fliehen
Kurz vor Wiedererlangung der ihm von den Nationalsozialisten
aberkannten deutschen Staatsbürgerschaft
starb Bernhard Weiß in London
Nach dem Abitur im Jahr 1900 studierte Bernhard Weiß Rechtswissenschaften in Berlin, München, Freiburg und Würzburg und schloss das Studium mit der Promotion ab. Im Sommer 1918 wurde er als Stellvertretender Leiter der Kriminalpolizei in Berlin in den Polizeidienst aufgenommen, 1925 wurde er Chef der Kriminalpolizei und 1927 Vizepolizeipräsident. Weiß, der Mitglied der liberalen Deutschen Demokratischen Partei war, griff als Beamter der Republik gegen Rechtsbrüche systematisch durch. Er wurde Opfer regelmäßiger Diffamierungskampagnen der aufkommenden NSDAP unter dem Berliner Gauleiter Joseph Goebbels, der Weiß wegen seiner jüdischen Herkunft stets als “Isidor Weiß” bezeichnete. Besonders in Goebbels Hetzpostille Der Angriff war Weiß ständig Gegenstand antisemitisch motivierter Diffamierungen in Texten und Karikaturen. Mit Weiß hatte Goebbels einen Feind gefunden, der seiner Nazi-Ideologie entsprach: ein Bürger jüdischer Herkunft und Repräsentant der Republik.
Weiß führte gegen Goebbels mehr als 60 erfolgreich verlaufende Prozesse. Als Vizepolizeipräsident bekämpfte Weiß die SA-Truppen und gleichermaßen die Kampfformationen der Kommunisten, die der Weimarer Republik ebenfalls feindselig gegenüberstanden. In der Berliner Bevölkerung und in der Polizei war Weiß sehr populär und geachtet. Nach dem “Preußenschlag” Papens 1932 verlor Weiß – wie die gesamte Regierung Preußens – sein Amt. Nach kurzer Haft wurde er freigelassen und lebte bis zum März 1933 in Berlin. Als die Nazis ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt hatten, ermöglichten ihm Kollegen die Flucht. Weiß floh 1933 über Prag nach London, wo er im Alter von 70 Jahren starb.
Beachten Sie, ehe wir weitergehen, noch das Hoechst-Haus auf der anderen Seite des Steinplatzes von den beiden Architekten Hans Geber und Otto Risse. Wir werden in der Uhlandstraße und am Ku’damm weitere Gebäude der Architekten sehen.
Wir gehen nun in die Uhlandstraße und treffen uns wieder zwischen den Häusern 4/5 und 6.