Station 3.1: Jebensstraße / Herkunft des Namens
Am 4. Dezember 1912 wurde die Straße nach Wilhelm Jebens benannt. Wilhelm Jebens wurde 1830 in Danzig geboren und starb 1907 in Charlottenburg. Er hat sich um den Ausbau des preußischen Verwaltungsrechts verdient gemacht und war Senatspräsident am Oberverwaltungsgericht. Auf seine Initiative hin wurde das Gebäude in der Hardenbergstraße 31 gebaut, was heute als Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg dient und wo wir auch gleich vorbeikommen werden. Nach seiner Pensionierung wurde Jebens Stadtverordneter und Stadtrat von Charlottenburg.
Station 3.2: Museum für Fotografie
Das Museum für Fotografie gehört zu den Staatlichen Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und ist eine Abteilung der Kunstbibliothek. Es ist gleichzeitig Ausstellungs-, Forschungs- und Dokumentationszentrum für Fotografie.
Der neoklassizistische Bau wurde als Offizierskasino für die Landwehr-Inspektion Berlin von den beiden Architekten Heino Schmieden und Julius Boethke gebaut und am 2. September 1909 eingeweiht. Im Gegensatz zur schlichten äußeren Erscheinung hatte es eine prachtvolle Innenausstattung und beherbergte Festsäle, Gästezimmer und ein Restaurant. Der repräsentativste Raum war der 665 m² große und elf Meter hohe Kaisersaal.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude stark beschädigt. 1950 kaufte das Land Berlin das Gebäude, in das dann die Kunstbibliothek einzog. Von 1978 bis 1986 nutzte die Berlinische Galerie die Räumlichkeiten für Ausstellungen. Nachdem die Kunstbibliothek 1993 in das Kulturforum umzog, wurde das Gebäude nur noch als Depot und als Werkstatt genutzt.
2004 wurde dann das Museum für Fotografie eröffnet. Im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss ist die Sammlung der Helmut-Newton-Stiftung untergebracht. Im Kaisersaal im zweiten Obergeschoss. wird die Sammlung Fotografie der Kunstbibliothek in wechselnden Ausstellungen gezeigt. Die Sammlung hat Fotografien von der Frühzeit der Fotografie bis hin zu den künstlerischen Positionen der Gegenwart. Sie ist in fünf Bereiche unterteilt: das Bildarchiv, die Sammlung künstlerischer Fotografie, die Nachlässe und Archive, die Messbildbestände und die historischen Postkarten aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Ein Besuch lohnt sich, besonders jetzt, wo eine Ausstellung zur Novemberrevolution stattfindet!
Station 3.3: Novemberrevolution in Deutschland
Wir bleiben beim Thema, wir haben hier in Charlottenburg-Wilmersdorf zwar keinen symbolischen Ort zur Erinnerung an die Novemberrevolution vor hundert Jahren, da sie aber ein wichtiges Ereignis auf dem Weg zu unserer heutigen Demokratie war, möchte ich doch ein paar Worte dazu sagen.
Im Herbst 1918 wurde die aussichtlose militärische Lage Deutschlands im Ersten Weltkrieg offenbar und der Reichskanzler Max von Baden ersuchte die Alliierten um einen Waffenstillstand. Die Marineführung stellte sich dagegen, sie wollte lieber in Ehren untergehen und gab den Befehl zu einer bisher vermiedenen Entscheidungsschlacht gegen die doppelt so große britische Flotte. Dies führte zu einer massiven Befehlsverweigerung, zuerst der Matrosen in Wilhelmshaven und dann in Kiel. Der Matrosenaufstand entwickelte sich innerhalb weniger Tage zur Revolution, die das ganze Reich erfasste. Am 9. November erreichte die Revolution Berlin¸ wo Reichskanzler Prinz Maximilian von Baden eigenmächtig die Abdankung des Kaisers bekannt gab (die offizielle Abdankung folgte erst am 28. November). Hier der Wortlaut seines Erlasses:
Seine Majestät der Kaiser und König haben sich entschlossen, dem Throne zu entsagen. Der Reichskanzler bleibt noch so lange im Amt, bis die mit der Abdankung Seiner Majestät, dem Thronverzichte Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen des Deutschen Reichs und von Preußen und der Einsetzung der Regentschaft verbundenen Fragen geregelt sind. Er beabsichtigt, dem Regenten die Ernennung des Abgeordneten Ebert zum Reichskanzler und die Vorlage eines Gesetzentwurfs wegen der Ausschreibung allgemeiner Wahlen für eine verfassungsgebende deutsche Nationalversammlung vorzuschlagen, der es obliegen würde, die künftige Staatsform des deutschen Volks, einschließlich der Volksteile, die ihren Eintritt in die Reichsgrenzen wünschen sollten, endgültig festzustellen.
Die Festlegung auf die Staatsform erfolgte dann aber viel schneller, denn Philipp Scheidemann, führendes Mitglied der SPD, erfuhr beim Mittagessen, dass Karl Liebknecht in Kürze die Räterepublik ausrufen wolle, und eilte nach eigenen Aussagen „zwischen Mittagessen und Nachspeise“, kurz nach 14 Uhr, auf einen Balkon des Reichstages und rief die erste deutsche Republik aus, nach der stenographischen Mitschrift eines österreichischen Journalisten, denn es gibt mehrere Versionen, mit folgenden Worten:
Das deutsche Volk hat auf der ganzen Linie gesiegt. Das alte Morsche ist zusammengebrochen; der Militarismus ist erledigt! Die Hohenzollern haben abgedankt! Es lebe die deutsche Republik! Der Abgeordnete Ebert ist zum Reichskanzler ausgerufen worden. Ebert ist damit beauftragt worden, eine neue Regierung zusammenzustellen. Dieser Regierung werden alle sozialistischen Parteien angehören. […]
Übrigens sind die Filmausschnitte von der Ausrufung der Republik mit Philipp Scheidemann, die zur Zeit im Fernsehen gezeigt werden, kein Originaldokument, sondern Scheidemann hat die Szene ein paar Tage später nachgestellt und filmen lassen.
Von einem LKW im Lustgarten aus rief Karl Liebknecht seinerseits die freie sozialistische Republik Deutschland aus, wahrscheinlich fast zeitgleich. Um 16 Uhr wiederholte Liebknecht vor einer im Hof des Schlosses versammelten Menschenmenge, von einem Balkon des Berliner Schlosses aus, die Ausrufung mit folgenden Worten:
Der Tag der Revolution ist gekommen. Wir haben den Frieden erzwungen. Der Friede ist in diesem Augenblick geschlossen. Das Alte ist nicht mehr. Die Herrschaft der Hohenzollern, die in diesem Schloß jahrhundertelang gewohnt haben, ist vorüber. In dieser Stunde proklamieren wir die freie sozialistische Republik Deutschland.
Der Abschnitt des Berliner Schlosses mit dem Balkon, auf dem Liebknecht stand, wurde dann vor der Sprengung des Schlosses als Portal an das Staatsratsgebäude der DDR angebracht.
Im Prinzip ist es aber nicht so elementar wichtig, wer die Republik zuerst ausgerufen hat, denn die politischen Mehrheits- und Kräfteverhältnisse in Deutschland zielten auf sozialdemokratische und nicht auf sozialistische Veränderungen.
Der Schriftsteller Thomas Mann kommentierte die Ereignisse in Berlin folgendermaßen:
Ich bin befriedigt von der relativen Ruhe und Ordnung, mit der vorderhand sich alles abspielt. Die deutsche Revolution ist eben die deutsche, wenn auch Revolution. Keine französische Wildheit, keine russisch-kommunistische Trunkenheit.
Und Albert Einstein, der Professor an der Humboldt-Universität war, schrieb am 9. November in sein Notizbuch bezüglich seiner Vorlesung:
Fiel aus wegen Revolution.
Am 12. November veröffentlichte der Rat der Volksbeauftragten, das höchste Regierungsorgan im revolutionären Deutschland, sein Regierungsprogramm. Der Belagerungszustand wurde aufgehoben und die Gesindeordnung und die Zensur abgeschafft. Alle politisch Inhaftierten erhielten Amnestie. Die Vereins-, Versammlungs- und Pressefreiheit wurden erweitert. Leistungen der Erwerbslosenfürsorge, der Sozial- und Unfallversicherung wurden verbessert. Der Achtstundentag wurde ab dem 1.1.1919 verbindlich. Auch das allgemeine Wahlrecht wurde eingeführt, und zwar für alle Bürger und Bürgerinnen ab 20 Jahren.
Wir haben nun also seit hundert Jahren das Frauenwahlrecht, und das will gefeiert werden. Am Montag, den 12. November, also übermorgen, lädt die Gleichstellungsbeauftragte Katrin Lück gemeinsam mit dem Landesfrauenrat Berlin und dem Unternehmerinnen-Centrum West ab 14 Uhr zur 100-Jahr-Feier des Frauenwahlrechts in das UCW, Sigmaringer Straße 1. Es gibt Musik, Kaffee und Kuchen und weitere Angebote. Die eigentliche Festveranstaltung beginnt um 17 Uhr und wird von mir und Senatorin Dilek Kolat eröffnet werden. Wir wollen mit weiteren Rednerinnen auf 100 Jahre Wahlrecht zurückblicken und über die Zukunft nachdenken.
Lange hatte es gedauert. Olympe de Gouges hatte 1791 als erste in ihrer Deklaration der Rechte der Frauen und Bürgerinnen das Wahlrecht gefordert. In Deutschland war es Louise Dittmar, die während der Revolution 1849 als erste das Stimmrecht für Frauen einforderte. 1891 nimmt die SPD das Frauenwahlrecht in ihr Parteiprogramm auf. 128 bzw. 70 Jahre hat es dann noch bis zum ersten Wahltag vergangen.
In der Stadtverordnetenversammlung Charlottenburg schlägt sich dieses Ereignis ganz nüchtern mit einem Antrag auf mehr Mittel nieder. Im Protokoll vom 4.12.1918 steht, ich zitiere:
Für die Aufstellung der Wählerlisten zur Nationalversammlung bietet das Material des Wahlamtes keine brauchbare Grundlage. Die Wahlberechtigung setzte bisher für Reichstagswahlen mit Zurücklegung des 25. Lebensjahres, für die Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhause und für die Gemeindewahlen mit der Vollendung des 24. Lebensjahres ein. Für die Wahl zur Nationalversammlung ist zwar ein Gesetz noch nicht erlassen, es ist aber damit zu rechnen, daß die Wahlberechtigung einsetzt mit Vollendung des 20. Lebensjahres für Männer und Frauen. In unserer Wahlkartothek fehlen uns also die männlichen Wähler vom 20. bis 24. Lebensjahr und die weiblichen Wähler überhaupt. Die zuverlässigste Unterlage für die Aufstellung der Wählerliste für die Nationalversammlung ist u.E. nur zu gewinnen durch eine besondere Bevölkerungsaufnahme. Die Kosten für diese Aufnahme und die Aufstellung der Wählerlisten veranschlagen wir auf 14.000 Mark.
Wir halten es für erforderlich, die Vorarbeiten für die Aufstellung der Wählerliste für die Nationalversammlung sofort in Angriff zu nehmen, da voraussichtlich bis zu den Wahlen selbst nur eine kurze Frist zur Verfügung stehen wird.
Die Mittel reichten aber nicht, denn am 8. Januar bewilligte die Stadtverordnetenversammlung weitere 17.000 Mark. Begründet wurde der Antrag des Oberbürgermeisters Scholz damit, dass die Wahlen zur Nationalversammlung bereits am 19. Januar 1919 stattfänden, womit der Magistrat nicht gerechnet hatte, und deshalb zahlreiche Überstunden bezahlt und zusätzliche Hilfskräfte eingestellt werden müssten.
Am Wahlsonntag, dem 19. Januar 1919, gaben 15 Millionen Männer und 17,7 Millionen Frauen ihre Stimme ab. Das sind 82% der deutschen Frauen.
Zudem befasste sich die Stadtverordnetenversammlung Charlottenburg am selben Tag, dem 4.12.18, mit der Einführung des achtstündigen Arbeitstages. Hier ein Zitat aus der Vorlage:
Der Einführung des achtstündigen Arbeitstages für die Arbeiter in allen Verwaltungszweigen […] im allgemeinen mit Wirkung vom 1. Dezember 1918 ab unter Belassung der für die neunstündige Arbeitszeit bisher gewährten Bezüge wird zugestimmt.
Dies ist ein Monat früher als der von dem Rat der Volksbeauftragten zum 1. Januar 1919 geforderten Frist. Probleme bereiten unter anderem die finanziellen Herausforderungen und die dadurch notwendigen Neueinstellungen, die aber andererseits einen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit darstellen.
Station 3.3: Jebensstraße 3 / Evangelischer Oberkirchenrat
Hier im Haus befand sich der Evangelische Oberkirchenrat. Er war die oberste Verwaltungsbehörde der evangelischen Landeskirche in den vor 1866 zum Königreich Preußen gehörenden Provinzen und ihrer Nachfolgekirche. Sein Sitz war in Berlin und er wurde 1850 ins Leben gerufen.
Das repräsentative Verwaltungsgebäude wurde von 1910 bis 1911 von Adolf Bürckner und Fritz Herrmann errichtet und 1912 eingeweiht. Über dem Portal sind die Worte eingemeißelt: Evangelischer Oberkirchenrat. Es steht unter Denkmalschutz.
Seit 2007 ist das Gebäude Sitz des Evangelischen Kirchenamts für die Bundeswehr, Berlin. Die evangelische Militärseelsorge dient der seelsorgerischen Betreuung von Soldaten und Soldatinnen durch die Evangelische Kirche. Hintergrund für die Seelsorge ist die Gewährleistung des Rechtes der Soldaten, auch unter den besonderen Bedingungen des soldatischen Dienstes ihre Religion frei und ungestört ausüben zu können. Außerdem sind hier einige weitere evangelische Behörden untergebracht: die Außenstelle der Evangelischen Kirche in Deutschland, die Redaktion der evangelischen Zeitschrift Zeitzeichen und ein paar andere mehr.
Zudem ist hier die Ambulanz der Caritas für die kostenlose Behandlung von obdachlosen Menschen und anderen Personen ohne Krankenversicherung. In dem ehrenamtlich arbeitenden Ärzteteam sind 16 Fachrichtungen vertreten, zum Beispiel Allgemeinmedizin, Chirurgie, HNO, Dermatologie und Neurologie. Die Zahl der Behandlungen erhöht sich ständig und liegt bei über 5000 im Jahr.
Wir gehen nun bis zur Hardenbergstraße, überqueren sie und treffen uns wieder vor dem Amerika-Haus.