193. Kiezspaziergang

Vom S-Bahnhof Tiergarten bis zur Königlichen Porzellanmanufaktur

Mit Bezirksbürgermeister Naumann

Treffpunkt: S-Bahnhof Tiergarten vor dem Novotel
Länge : ca. 1,4 km

Herzlich willkommen zu unserem 193. Kiezspaziergang, dem ersten im neuen Jahr. Ich wünsche Ihnen allen ein wunderbares Jahr 2018 und freue mich auf unsere gemeinsamen Spaziergänge im neuen Jahr. Unser heutiger Spaziergang führt uns durch die Spreestadt, eine kleiner, relativ neu erschlossener Teil Charlottenburgs, wo im Moment sehr viel passiert. Es ist ja in gewachsenen Städten nicht so einfach, neue Viertel zu erschließen.

Wir stehen hier vor dem Flohmarkt, und ich begrüße ganz herzlich Herrn Wewerka, den Begründer und Betreiber desselben, der uns gleich noch etwas zum Trödelmarkt sagen wird. Danach geht es zum Charlottenburger Tor. In der Mercedes-Welt erwarten Sie Frau Saberschinsky und Herr Car. Dann werden wir durch die neuen Straßen mit den Namen von Margarete Kühn, Otto Dibelius, Hannah Karminski und Johannes Gutenberg und zum Herbert-Lewin-Platz kommen. Der Kiezspaziergang endet in der Königlichen Porzellan-Manufaktur in der Wegelystraße, wo uns der Geschäftsführer, Herr Lietke, empfangen wird. Als besonderes Schmankerl dürfen heute alle Kiezspaziergänger und –gängerinnen kostenlos die KPM besichtigen.

Bevor wir beginnen, möchte ich Ihnen Treff- und Zeitpunkt des nächsten Kiezspaziergangs mitteilen. Wir treffen uns am Samstag, den 10.2.18, um 14 Uhr am Berkaer Platz vor dem Rathaus Schmargendorf. Er führt uns durch die Berkaer Straße an der Carl-Orff-Grundschule und dem Haus Wilmersdorf der Vivantes Hauptstadtpflege vorbei. Von dort biegen wir in die Plöner Straße und gehen zum Jugendclub Plöner Straße, wo uns Herr Köster begrüßen wird. Danach halten wir am ehemaligen Standort der Synagoge Grunewald in der Franzensbader Straße. Der Höhepunkt des Februarspaziergangs ist der Besuch des Kunstbunkers, wo uns Herr Yong-Ha Kim empfangen wird.

Station 1: Straße des 17. Juni / Platz vor dem Novotel

Station 1.1: Straße des 17. Juni / Herkunft des Namens
Wir stehen hier auf der Straße des 17. Juni am S-Bahnhof Tiergarten, der schon zum Bezirk Mitte gehört. Der Gehweg ist aber noch Charlottenburger Gebiet. Die Bezirksgrenze verläuft weiter an der südlichen Seite der Straße des 17. Juni.

Die gegenüber liegende Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffsbau gehört also ebenfalls zum Tiergarten und damit zum Bezirk Mitte. Es handelt sich dabei um ein Baudenkmal, 1975-76 von Ludwig Leo gebaut.

Die Straße des 17. Juni ist Teil der großen Ost-West-Verbindung vom Schlossplatz in Mitte bis zum Scholzplatz an der Heerstraße. Sie wurde im 17. Jahrhundert von Friedrich I. als Verbindung zwischen Stadtschloss und Schloss Charlottenburg gebaut. Ursprünglich hieß der östliche, Berliner Teil der Straße Charlottenburger Chaussee, und der westliche Charlottenburger Teil hieß Berliner Straße, jeweils benannt nach dem Ziel, zu dem die Straße führt. Am 22.6.1953 beschloss der Senat den neuen Namen zum Gedenken an die Opfer des Arbeiteraufstandes in Ost-Berlin und der DDR am 17. Juni 1953.

Station 1.2: Straße des 17. Juni / Novotel
Im Mai 2005 hat die Accor-Gruppe hier ihr erstes Berliner Hotel der Marke Novotel mit 280 Zimmern eröffnet. Es ist ein “Vier-Sterne-Business- und Tagungshotel”. Das Hotel belegt die ersten 7 Etagen des 60 Meter hohen Gebäudes. Darüber gibt es Büroräume. Das Gebäude mit einer Fassade aus Muschelkalk und Naturstein fungiert als Tor zum neu entstandenen KPM-Quartier in der Spreestadt.

Station 1.3: Flohmarkt
Heute wie jedes Wochenende findet hier der große Trödel- und Kunstmarkt statt. Gründer und Betreiber ist Herr Wewerka, der hier neben mir steht. Herr Wewerka gründete 1973 den allerersten Berliner Trödelmarkt am Klausenerplatz, der 1978, also vor 40 Jahren, hierher umgezogen ist. Den Kunst- und Kunsthandwerkermarkt gibt es seit 1988, also seit 30 Jahren. Alles Weitere nun von Herrn Wewerka.
Vielen Dank, Herr Wewerka!

Wir gehen nun ein paar Schritte weiter bis zum Ernst-Reuter-Haus.

Station 2: Straße des 17. Juni 102 / Ernst-Reuter-Haus

Das Ernst-Reuter-Haus war Teil der Planungen von Albert Speer für die „Welthauptstadt Germania“.

Es war der Wunsch Hitlers, den Deutschen Gemeindetag in einem repräsentativen Gebäude an der geplanten Ost-West-Achse unterzubringen. Es ist der einzige an der Ost-West-Achse realisierte Bau und wurde 1938 begonnen. Architekt war Walter Schlempp. Im Jahr 1940 bezog eine Baugruppe Speers Räume im Ostflügel. Der Deutsche Gemeindetag konnte erst 1942 in den Westflügel einziehen. Im selben Jahr wurden die Bauarbeiten kriegsbedingt eingestellt. Der Mitteltrakt mit dem Haupteingang befand sich zu dieser Zeit noch im Rohbau. Zwischen Mai 1945 und 1951 war der Bau im Besitz der Allierten, bevor er dem Deutschen Städtetag zugesprochen wurde. In den Jahren 1952 bis 1956 wurde das Haus wiederaufgebaut bzw. fertiggestellt. Architekt war Erich Böckler. 1956 wurde es nach dem ersten Berliner Regierenden Bürgermeister, Ernst Reuter, benannt. Auf Initiative des Deutschen Städtetages kam es 1985 zu einer tiefgreifenden Umgestaltung des Mitteltraktes nach Plänen der Architekten Winnetou Kampmann und Ute Westström, um Platz für ein modernes Seminar- und Tagungszentrum, Büroräume und eine Cafeteria zu schaffen. Zwischen 1996 und 2003 erfolgten zahlreiche weitere Umbauten im Inneren.
Bis 2009 befand sich in dem Gebäude das 1973 hier gegründete Deutsche Institut für Urbanistik, außerdem die Senatsbibliothek, die Hauptgeschäftsstelle des Deutschen Städtetags und die Geschäftsstelle des Deutschen Bibliotheksverbands. Die Hauptgeschäftsstelle des Deutschen Städtetages befindet sich nun am Hausvogteiplatz, das Deutsche Institut für Urbanistik in der Zimmerstraße in Mitte, die Senatsbibliothek wurde in die Zentral- und Landesbibliothek integriert. Im Ernst-Reuter-Haus befindet sich seit Ende 2012 das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung.

Wir treffen uns wieder auf der Charlottenburger Brücke.

Station 3: Charlottenburger Brücke

Station 3.1: Charlottenburger Tor
An der Stelle der heutigen Charlottenburger Brücke befand sich früher eine hölzerne Klappbrücke mit zwei von Friedrich August Stüler entworfenen gegenüber stehenden Steuerhäusern. Das eine Steuerhaus diente als Zollhaus für Schlacht- und Mahlsteuer, das andere als Einnahmestelle für das Chausseegeld. 1900 wurde eine neue Brücke mit einem Tor geplant und in diesem Zusammenhang wurden die Steuerhäuser abgerissen.

Es wurde ein Wettbewerb ausgelobt, der aber keine befriedigenden Ergebnisse brachte. Daraufhin beauftragte der Magistrat das eigene Bauamt, unter Berücksichtigung der erworbenen Entwürfe einen eigenen Entwurf zu erarbeiten. Die architektonische Gestaltung wurde dem nicht an den Wettbewerben beteiligten Architekten Bernhard Schaede übertragen. Schaedes Torentwurf bestand aus drei Elementen. Hauptteil waren zwei leicht gekrümmte Säulenhallen, die sich auf beiden Seiten des Fahrdamms in einem Abstand von 15 Metern gegenüberstanden. Beide Enden der Säulenhallen besaßen schmückende Aufbauten. Während der Fahrdamm zwischen den beiden Säulenhallen lag, führten Fuß- und Reitwege durch die Säulenhallen hindurch. Vorgelagert stand auf jeder Straßenseite ein 20 Meter hoher, reich geschmückter Kandelaber. Abgeschlossen wurde die künstlerische Anlage durch die Gestaltung der Brückenbrüstungen. Bereits in seinem ersten Entwurf sah Schaede die Darstellung von Friedrich I. und seiner Gemahlin Sophie Charlotte am Tor vor. Zunächst jedoch sollten es nur Reliefportraits sein. In seinem dritten Entwurf waren es dann ganzfigürliche Standbilder in menschlicher Größe. Dem Kaiser Wilhelm II. waren auch diese Darstellungen nicht majestätisch genug, woraufhin er den Bildhauer Heinrich Baucke mit der Schaffung der Statuen beauftragte. Die beiden etwa fünf Meter hohen Bronzestatuen sollten die in Charlottenburg ankommenden Reisenden beeindrucken. Im Gegensatz zur Torgestaltung fanden die Statuen nicht den Beifall der Fachwelt. Zwei weitere Bronzeplastiken krönten das Tor. Diese sind seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen. Insgesamt kostete die gesamte Neuanlage 1.572.000 Goldmark.

Im Sommer 1937 erhielt das Tiefbauamt der Stadt Berlin vom Generalbauinspektor Albert Speer den Auftrag, die Ost-West-Achse im Rahmen des nationalsozialistischen Ausbauprogramms der Hauptstadt bis zum April 1939 auf eine Fluchtlinienbreite von 50 Metern zu bringen. Die neue Brücke wurde daher 10 Meter breiter. Die Wiederaufstellung des Tores erfolgte in einem auf 33 Meter vergrößerten Abstand der Säulenhallen – der Abstand wurde also mehr als verdoppelt. Für die Straßenbeleuchtung wurden entlang der gesamten Ost-West-Achse von Speer entworfene Straßenleuchten aufgestellt, die wir hier auch noch sehen können.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Westseite des Charlottenburger Tores schwer beschädigt. Nach dem Krieg erfolgte nur eine notdürftige Instandsetzung, erst zwischen 1968 und 1970 wurden die letzten Schäden behoben.

2004 wurde mit einer umfangreichen Sanierung des inzwischen maroden Charlottenburg Tor durch die Stiftung Denkmalschutz begonnen. 2007, dem einhundertjährigen Jubiläum der Grundsteinlegung, war es dann fertig. Die Kosten beliefen sich auf 1,8 Millionen Euro. Als Nächstes wurden die im Krieg zerstörten und 1970 endgültig abgebrochenen 22 Meter hohen Bogenlichtkandelaber wieder neu errichtet. Diese wurden 2010 fertiggestellt. Weiterhin wurde auf Initiative des Freundeskreises Charlottenburger Tor die sogenannte „Bastion“, das Rondell auf der Südseite des Tores, umgestaltet. Es wurden Sitzgelegenheiten errichtet und die steinerne Brüstung wurde durch ein offenes Brückengeländer ersetzt.

So kann man nun dort sitzen und auf den Landwehrkanal hinunterschauen. In dem Raum, in dem früher die Stromversorgung für die Straßenbeleuchtung untergebracht war, richtete der Freundeskreis Charlottenburger Tor ein Tormuseum ein. In den beiden Räumen werden historische Ansichten und Pläne des Tores und der Brücke ausgestellt. Die Plattform auf dem Nordflügel des Tores kann samstags zwischen 13 und 15 Uhr bestiegen werden. Die Stiftung Denkmalschutz Berlin hat dafür vom Bezirksamt ein kostenloses Nutzungsrecht bis Ende 2021 zugesichert bekommen.

Wir gehen gleich ein paar Schritte zurück nach links in die Mercedes Welt. Vorher möchte ich aber noch etwas zu dem „fast“ neuen Quartier zu sagen. Mit 250.000 qm ist das Gelände dreimal so groß wie die Potsdamer-Platz-Bebauung. Seit dem 19. Jahrhundert befanden sich hier der Salzhafen und die Königliche Porzellan-Manufaktur KPM, im 20. Jahrhundert kamen Siemens und Daimler Benz dazu. Zur Neu-Erschließung wurde die Wegelystraße umgelegt und bis zur Gutenbergstraße verlängert. Drei neue Straßen wurden angelegt: Hannah-Karminski-, Otto-Dibelius- und Margarete-Kühn-Straße. Pilotfunktion bei der Neudefinition dieses Gebietes hatte im Jahr 2000 die Eröffnung der Mercedes-Benz-Niederlassung Berlin am Salzufer. Sie wurde 2004 durch den Neubau für das Smart-Center ergänzt. Im Juni 2004 haben die Bundesärztekammer, die Kassenärztliche Bundesvereinigung KBV und die Deutsche Krankenhausgesellschaft ihren neuen Sitz in diesem Viertel bezogen.

Station 3.2: Salzufer / Herkunft des Namens
Das Gelände von Mercedes liegt am Salzufer. Es verläuft von der Straße des 17. Juni, an der Charlottenburger Brücke bis zur Dovestraße. 1847/48 entstand am Ufer des Landwehrkanals ein Salzspeicher, in dem das Salz gelagert wurde, das auf Kähnen aus Magdeburg, Halle und Staßfurt nach Charlottenburg transportiert wurde. Seit dieser Zeit trägt das Ufer den Namen.

Wir gehen nun wieder etwas zurück, biegen links ab, überqueren die Straße und gehen durch den östlichen Eingang in die Verkaufshalle von Mercedes, gehen dort die Rampe hoch und werden im 1. Stock von Frau Saberschinsky und Herrn Car empfangen.

Station 4: Salzufer 1 / Mercedes-Welt

Ich begrüße nun ganz herzlich Frau Saberschinsky, Verkaufsleiterin PKW, und Herrn Car, Serviceleiter. Frau Saberschinsky wird uns etwas zu dem Standort hier sagen und Herr Car zu dem Neubau, den wir auf der anderen Seite sehen können. Doch zuerst möchte ich etwas zur Geschichte erzählen.

Die Firma Siemens & Co erwarb schon im Jahr 1862 ein Grundstück am Salzufer 2, wo sie von 1872 bis 1907 Alkoholmesser herstellte, seit 1883 auch Edisonlampen und von 1895 bis 1901 Schleifkontakte. Außerdem betrieb die Firma Siemens & Halske hier eine Eisengießerei. Der Hauptstandort von Siemens befand sich weiter westlich an der Ecke Franklinstraße. 1915 verkaufte Siemens das Gelände Salzufer 2-3 an die Firma Benz & Co. Diese fusionierte 1926 mit der Daimler-Motoren-AG zur Daimler-Benz AG. 1927 wurde der Verkaufs- und Servicestützpunkt am Salzufer offiziell die Hauptniederlassung der Daimler-Benz AG Berlin. 1936 erwarb die Firma auch das Grundstück Salzufer 4-5 und vergrößerte sich entsprechend. 1943 wurde der Betrieb durch Bombenangriffe zerstört. Er wurde nach dem Krieg wieder aufgebaut. In den 80er und 90er Jahren entstanden Erweiterungsbauten am Salzufer und an der Gutenbergstraße.

1998 wurde der Grundstein gelegt für das neue Dienstleistungs- und Verkaufscenter. Es war im Jahr 2000 der erste Neubau der Spreestadt und hatte Pilotfunktion für die Neuerschließung dieses historischen Charlottenburger Industriegebietes.
Darüber wird aber nun Frau Saberschinsky berichten.

Vielen Dank, Frau Saberschinsky! Vielen Dank, Herr Car!

Wir verlassen nun das Gebäude durch den selben Ausgang, wenden uns zweimal nach rechts und gehen das Salzufer entlang bis zur Hannah-Karminski-Straße. Dort treffen wir uns an der Ecke.

Station 5: Salzufer / Ecke Hannah-Karminski-Straße

Die Bezirksverordnetenversammlung von Charlottenburg-Wilmersdorf hatte bei der Neuanlage der Spreestadt beschlossen, zwei von drei neuen Straßen hier in der Spreestadt nach Frauen zu benennen: Die Hannah-Karminski-Straße ist eine davon, sie heißt seit 1.10.2002 so. Hannah Karminski wurde 1897 in Berlin als Tochter eines deutsch-jüdischen Bankiers geboren. Im Pestalozzi-Fröbel-Haus absolvierte sie eine Ausbildung als Kindergärtnerin. Anschließend studierte sie in Hamburg am sozialpädagogischen Institut bei Gertrud Bäumer, damals eine führende Vertreterin der Frauenbewegung. Mitte der 20er-Jahre zog Hannah Karminski nach Frankfurt am Main, wo sie Mitglied im Jüdischen Frauenbund wurde. Hannah Karminski übernahm schnell führende Funktionen und kümmerte sich um Beratungsstellen für Frauen, Kindererholungsheime, Bildungsarbeit, Mutter- und Kinderschutz, die jüdische Bahnhofshilfe und vieles mehr. Damals kamen viele ostjüdische Frauen auf der Suche nach einem besseren Leben in die Großstädte. Oft war ihr aufenthaltsrechtlicher Status ungeklärt, und sie waren der Gefährdung durch Frauenhandel und Prostitution ausgeliefert. Ein weiteres wichtiges Anliegen war ihr die Berufstätigkeit der Frauen und die Gleichberechtigung jüdischer Mädchen und Frauen in der Gemeinde.

1933 änderte sich die Situation schnell und dramatisch: Die jüdische Bahnhofshilfe wurde schon im ersten Jahr der nationalsozialistischen Herrschaft geschlossen. Mit der zunehmenden Entrechtung und Ausgrenzung der Juden aus der deutschen Gesellschaft wurde die Vorbereitung auf die Emigration immer wichtiger. Hannah Karminski arbeitete ab 1938 in der Reichsvertretung der Deutschen Juden in der Kantstraße in Charlottenburg und unterstützte viele bei der Organisation ihrer Auswanderung. Sie begleitete persönlich Kindertransporte nach England, durch welche insgesamt etwa 10.000 jüdische Kinder aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei gerettet werden konnten. Sie selbst wollte nicht auswandern, weil sie meinte, dass sie in Berlin gebraucht werde. Zuletzt wohnte sie in einem sogenannten “Judenhaus”. Am 9. Dezember 1942 wurde Hannah Karminski verhaftet und mit über 1000 Menschen nach Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie am 4. Juni 1943 ermordet wurde.

Nächste Station ist die Otto-Dibelius-Straße.

Station 6: Otto-Dibelius-Straße

Station 6.1: Otto-Dibelius-Straße / Herkunft des Namens
Am 2. Mai 2005 wurde diese Straße nach dem evangelischen Theologen Otto Dibelius benannt. Er wurde 1880 in Berlin geboren, wo er auch 1967 starb. Aus christlicher Überzeugung setzte er sich gegen jede Verherrlichung des Krieges ein. Im Juni 1933 wurde er als Mitglied der Bekennenden Kirche seines Amtes enthoben. 1937 wurde er nach einer Kontroverse mit Reichskirchenminister Kerrl verhaftet. Ein gerichtlicher Freispruch bewahrte ihn vor KZ-Haft, er erhielt jedoch Auftrittsverbot. 1938 wurde er in das Leitungsgremium der Bekennenden Kirche Preußens berufen. Dibelius hatte nach dem Krieg die Aufgabe, die evangelischen Christen in Ost und West gemeinsam zu vertreten. Er war von 1945 bis 1966 Bischof von Berlin-Brandenburg und von 1949 bis 1961 Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Ein Stückchen weiter am Salzufer entlang kommt die Margarete-Kühn-Straße.

Station 6.2: Margarete-Kühn-Straße / Herkunft des Namens
Sie wurde am 28. Februar 2005 nach Margarete Kühn benannt. Die Kunsthistorikerin lebte von 1902 bis 1995. Sie war die erste Direktorin der Berliner Schlösserverwaltung nach 1945. Kühn protestierte erfolglos gegen die Räumung und den Abriss des Berliner Stadtschlosses und setzte sich danach umso vehementer gegen den Abriss des Schloss Charlottenburg ein. Ohne sie würde es das Schloss Charlottenburg nicht mehr geben.

Wir gehen nun durch die Otto-Dibelius-Straße und biegen rechts in die Gutenbergstraße.

Station 7: Gutenbergstraße

Station 7.1: Gutenbergstraße / Herkunft des Namens
Die Straße wurde schon 1897 nach Johannes Gutenberg, dem Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Metalllettern, benannt. Gutenberg wurde 1400 in Mainz geboren, wo er 1468 auch starb. Bis Mitte des 15. Jahrhunderts wurden Bücher durch Abschreiben hergestellt, dies geschah in Europa hauptsächlich in den Klöstern. Der Buchdruck löste in Europa eine Medienrevolution aus. Er wird als ein Schlüsselelement der Renaissance gewertet, aber ohne ihn wäre auch eine derart schnelle Verbreitung der Ideen Luthers nicht möglich gewesen. Das besondere Verdienst Gutenbergs liegt darin, alle Komponenten zu einem effizienten Produktionsprozess zusammengeführt zu haben, der erstmals die manufakturmäßige Herstellung von Büchern mit identischem Text ermöglichte.

Sein künstlerisches Hauptwerk ist die Gutenberg-Bibel, die zwischen 1452 und 1454 entstanden ist und für ihre hohe ästhetische und technische Qualität bekannt ist.

Station 7.2: Gutenbergstraße 13 / Neubau eines Verwaltungsgebäudes
Als wir vorhin in die Gutenbergstraße einbogen, sind wir an einer großen Baustelle vorbeigegangen. Dort wird ein Büro- und Verwaltungsgebäude von den Architekten Rothweiler + Färber gebaut.

Hauptmieter in dem Gebäude wird der Gemeinsame Bundesausschuss sein. Zur Zeit residiert er noch in zwei Gebäuden in der Wegelystraße und in der Englischen Straße. Bis Ende diesen Jahres sollen alle Büros in dem Gebäude in der Gutenbergstraße 13 zentral zusammengefasst werden. Was verbirgt sich hinter dem etwas nebulösen Begriff Gemeinsamer Bundesausschuss?

Der Gemeinsame Bundesausschuss ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern und Krankenkassen in Deutschland. Rechtsgrundlage seiner Arbeit ist das Fünfte Sozialgesetzbuch (SGB V).

Etwa 70 Millionen Menschen sind in Deutschland gesetzlich krankenversichert. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt fest, welche medizinischen Leistungen von der gesetzlichen Krankenversicherung im Einzelnen übernommen werden. Zudem engagiert er sich im Bereich des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung in der vertragsärztlichen, vertragszahnärztlichen und stationären medizinischen Versorgung. So entwickelt er im Auftrag des Gesetzgebers Vorgaben zu Behandlungsstandards, Strukturen und Abläufen für gesetzlich vorgeschriebene Leistungsbereiche.

Station 8: Ecke Gutenbergstraße / Englische Straße

Station 8.1: Englische Straße / Herkunft des Namens
Die Englische Straße wurde 1847 nach den damals in dieser Straße im englischen neugotischen Stil errichteten Villen benannt. Die Neugotik war in der Viktorianischen Epoche von 1837 bis 1901 die verbindliche architektonische Richtung in England.

Die Villen hier wurden um die Jahrhundertwende wieder abgerissen, um Platz für die Industriebauten zu machen.

Station 8.2: Gutenbergstraße 4 / Stolpersteine
Die Stolpersteine für Margarete und Jakob Blumenfeld vor der Baustelle gegenüber wurden am 22.5.2012 verlegt. Beide wurden am 26.10.1942 nach Riga deportiert und dort ermordet. Neben den Blumenfelds wohnten aber noch andere hier: Walter Frohwein wurde am 13. Juni 1942 nach Sobibor in Polen deportiert und dort ermordet. Georg und Hedwig Glück wurden am 26. September 1942 nach Reval in Estland verschleppt und in Raasiku ermordet. Hans Lauinger wurde im November 1942 nach Riga deportiert und ermordet.

Station 8.3: Gutenbergstraße 4 / The Box
1959 wurde an der Stelle des Mietshauses ein Lagerhaus gebaut, was ab 1980 Produktionsstätte und später die Diskothek und Strandbar Beach at the Box wurde. Die Bar war eine der angesagtesten Clubs in Berlin. 2012 musste sie schließen, und die Box wurde bis 2014 zu einem Büro- und Verwaltungsgebäude umgebaut.

Architekten waren, wie auf dem Grundstück nebenan, das Architekturbüro AHM Architekten, Arnke, Häntsch, Mattmüller. 2015 erhielt der Umbau den Publikumspreis des Bundes Deutscher Architekten.

Station 8.4: Gutenbergstraße 2 / The Knee
Das Bauvorhaben The Knee, rechts neben der Box, wird ebenfalls ein Büro- und Geschäftsgebäude. Architekturbüro ist das selbe wie bei der Box.

Station 8.5: Gutenbergstraße 1 / FOM
An der Ecke gegenüber plant das Architekturbüro Jürgen Maier H. im Auftrag der privaten Hochschule FOM ein Hochschulgebäude. Die Abkürzung stand früher für Fachhochschule für Oekonomie und Management. Sie wurde 1990 von Essener Unternehmen- und Wirtschaftsverbänden gegründet und 1993 staatlich anerkannt. Es werden Studiengänge für Berufstätige und Auszubildende angeboten.

Es gibt folgende Hochschulbereiche: Wirtschaft und Management, Wirtschaft und Psychologie, Wirtschaft und Recht, Gesundheit und Soziales, IT Management, Ingenieurwesen, Offene Hochschule und Duales Studium. Träger ist die Essener Stiftung BildungsCentrum der Wirtschaft. Die Hochschule hat 29 Standorte in Deutschland und zwei in China. 1500 Dozenten und Dozentinnen sind an den verschiedenen Standorten tätig. In Berlin wird eine Kooperation mit der TU Berlin angestrebt.

Demnächst wird mit der Bodensanierung gestartet. Ab März soll die Aushebung der Baugrube beginnen. Der Rohbau wird mit einem Beton realisiert, der so leicht ist, dass man keine weitere Dämmung braucht. Die Wände werden 60 cm dick sein. Großen Wert wird in dem Entwurf auf das Foyer und die Treppenhäuser gelegt.

Station 8.6: Wegelystraße / Ecke Englische Straße / KPM Campus
An der Ecke gegenüber entsteht der KPM Campus. Bauherr ist die KPM. In dem Gebäude werden in den oberen Geschossen Wohnungen für Studierende gebaut, die anderen Geschosse sind für hochwertige Business-Apartments auf Zeit vorgesehen. Am 6. Dezember war Richtfest und die Fertigstellung ist für 2019 geplant. Die Entwürfe stammen aus dem Architektbüro Axthelm Rolvien.

Station 8.7: Wohnbebauung an der Spree / Number One
Am Ende der Englischen Straße stand an der Spree seit 1970 ein knallorange gefliestes Gebäude der TU, das Institut für nichtmetallische Werkstoffe, in dem man sich vor allem mit Glas, Keramik und Kunststoffen beschäftigte. Das Institut ist in die Hardenbergstraße umgezogen und das Gebäude wurde abgerissen.

Nun baut hier das Familienunternehmen Cannon& Cannon Wohnungen. Architektin ist Charlotte Stahl. Es werden zwei an der Spree gelegene Hochhäuser und 13 Wohngebäude mit der Berliner Traufhöhe mit insgesamt 272 Wohnungen gebaut. Es wird Zwei-Zimmer-Wohnungen ab 38 m² bis hin zu Vier-Zimmer-Wohnungen mit 145 m² Wohnfläche geben.

Wir gehen nun weiter bis zum Herbert-Lewin-Platz.

Station 9: Herbert-Lewin-Platz

Station 9.1: Herbert-Lewin-Platz / Herkunft des Namens
Am 4. Oktober 2004 wurde der Platz nach dem deutsch-jüdischen Mediziner Herbert Lewin benannt, der 1899 in Schwarzenau geboren wurde und 1982 in Wiesbaden starb. Nach Medizinstudium und Promotion 1924 wurde Lewin Volontärarzt in Berlin. 1928-1931 absolvierte er an verschiedenen Berliner Krankenhäusern eine Ausbildung zum Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Ab 1931 arbeitete er auf diesem Gebiet als niedergelassener Arzt, setzte aber auch seine wissenschaftliche Arbeit fort. 1933 wurde seine Habilitationsschrift aus rassischen Gründen agelehnt. Lewin war 1922 der SPD beigetreten und galt deshalb für die Nationalsozialisten als “jüdisch-bolschewistisch”.

1935 wurde er Chefarzt der gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung des Jüdischen Krankenhauses in Berlin und 1937 Chefarzt der gleichen Abteilung des Israelitischen Krankenhauses in Köln-Ehrenfeld.

Am 22.10.1941 wurden seine Frau und er mit weiteren 2014 Kölner Juden ins Ghetto Lodz deportiert. Dort und in den Konzentrationslagern Auschwitz-Birkenau, Oranienburg und Schwarzheide war er bis zum Ende des Krieges Häftlingsarzt. Seine Frau starb im KZ, und er kehrte 1945 nach Köln zurück, wo er 1946 zum ersten Vorsitzenden der wiedererstandenen Synagogengemeinde gewählt wurde. 1948 habilitierte er sich an der Universität zu Köln, 1950 wurde er Chefarzt an der Städtischen Frauenklinik in Offenbach. 1963-1969 war Herbert Lewin Vorsitzender des Direktoriums des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Station 9.2: Herbert-Lewin-Platz / Institutionen
Unmittelbar am Herbert-Lewin-Platz haben die Bundesärztekammer und die Kassenärztlichen Bundesvereinigung KBV ihren Sitz, wenige Meter entfernt die Deutsche Krankenhausgesellschaft in der Wegelystraße 3 und an der Wegelystraße 8 der Gemeinsame Bundesausschuss, den wir ja vorhin schon kennengelernt haben. Das heißt, hier sind auf engstem Raum die wichtigsten Spitzenorganisationen des Gesundheitswesens versammelt.

Auf dem Platz wurde ein knapp 12 Meter langer Brunnen aus Messing angelegt. Der Brunnen hebt sich nur leicht aus der Platzfläche heraus. Der dünne Wasserfilm auf der Messingoberfläche erzeugt Spiegelungen der umliegenden Fassaden.

Vor dem Haus des Gemeinsamen Bundesausschusses wurde am 18. Januar 2010 eine Skulptur von Volkmar Haase aufgestellt. Sie trägt den Namen Woge mit gegenläufigen Flügeln und wurde von dem Künstler 1996 geschaffen.

Station 9.3: Wegelystraße / Herkunft des Namens
Die Wegelystraße wurde 1883 benannt nach dem Gründer der ersten Berliner Porzellanmanufaktur, Wilhelm Caspar Wegely, benannt. Er wurde 1714 in Berlin geboren und starb 1764 ebenfalls in Berlin. Zuerst war Wilhelm Caspar Wegely Mitinhaber der größten Wollzeugmanufaktur Berlins.

Er erhoffte sich aber von der Produktion des „Weißen Goldes“, wie das Porzellan damals auch genannt wurde, höhere Gewinne. Der König genehmigte seinen Antrag auf eine Produktionsstätte zur Porzellanherstellung und 1753 konnte das erste Berliner Porzellan verkauft werden. Während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) besetzte Friedrich der Große Sachsen mit der Porzellanmanufaktur Meißen. Sein Interesse an der Manufaktur in Berlin schwand daraufhin. 1757 musste die Produktion eingestellt werden. Teile der Manufaktur wurden 1761 von Johannes Ernst Gotzkowsky für seine Manufaktur übernommen, der späteren Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin.

Porzellan aus der Produktion Wegelys ist heute sehr selten. Einzelstücke befinden sich im Belvedere im Schlosspark Charlottenburg.

Nun gehen wir in die Ringkammerofenhalle der Königlichen Porzellanmanufaktur, wo uns der Geschäftsführer der KPM, Herr Lietke, empfangen wird.

Station 10: Königliche Porzellanmanufaktur

Ich begrüße ganz herzlich Herrn Lietke, den Geschäftsführer der KPM. Wir freuen uns sehr, dass Sie uns so herzlich willkommen heißen und den Kiezspaziergängern und –gängerinnen die KPM vorstellen werden.

Vielen Dank, Herr Lietke!

Hier endet nun unser Kiezspaziergang. Ehe ich Sie nun in die KPM entlasse, möchte ich Sie noch einmal an den Treffpunkt unseres nächsten Kiezspaziergangs am Samstag, den 10.2.2018, um 14 Uhr erinnern. Wir treffen uns vor dem Rathaus Schmargendorf am Berkaer Platz. Erreichbar ist der Berkaer Platz mit den Bussen 110, 249.

Quellen: